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Laufberichte

Den Jubiläums-Ultra verschmäht

 

M4Y-Reporter lesen natürlich die Artikel der Kollegen auf der Website. Letztes Jahr hatten mich die wunderschönen Herbstwaldbilder und der Bericht von Wolfgang Bernath überzeugt: Am Rursee in der Eifel will ich auch mal laufen, und warum nicht 2016 bei der 20. Marathon-Ausgabe?

Wir ergattern eine günstige Bahnfahrkarte von München nach Aachen und nutzen den Samstag für Verwandtenbesuche. Am Sonntagmorgen bietet der Marathonveranstalter praktischerweise einen Shuttle-Bus von Aachen zum Start in Einruhr an.

So viel Glück wie letztes Jahr werden wir mit dem Wetter leider nicht haben. 3 Grad, eventuell Regen und dann auch noch frischer Wind sind angesagt. Meine Vorfreude hält sich in Grenzen. Dafür können wir aus dem Bus bis nach Belgien sehen: In Roetgen gehört eine Straßenseite schon zum westlichen Nachbarland.

Überraschend der Blick auf den Rursee von recht weit oben: So hügelig hatte ich mir die Landschaft gar nicht vorgestellt. Einruhr, eine kleine Ortschaft mit ca. 600 Einwohnern, ist heuer zum 20. Mal Schauplatz eines Marathonwochenendes. Ein großes Festzelt ist gleich an der Rurbrücke aufgebaut. Hier endete seit dem 2. Jahrhundert nach Christus eine Römerstraße. Seit 1470 gab es im Ort ein Eisenerzwerk.

Heutzutage ist der Tourismus eine wichtige Einkommensquelle. Hier hätte man sicher eine schöne Übernachtungsmöglichkeit gefunden. Ab 1959 wurde der Obersee im Zuge einer Ausbaumaßnahme der Rurtalsperre angelegt und Einruhr liegt nun an dem See, der von den Flüssen Rur und Urft gespeist wird und auch als Trinkwasserreservoir dient. Beliebt ist das Erholungsgebiet bei den Großstädtern aus dem nahen Aachen und dem Köln-Bonner Raum sowie auch bei Belgiern und Niederländern. Diese nehmen natürlich auch an den verschiedenen Läufen sowie einem MTB-Rennen am Samstag teil und sorgen für Internationalität.

Interessiert hätte mich der 52-km-Ultra, der in diesem Jahr erstmals ausgetragen wird und tiefer in das Gebiet des Naturparks führen wird, oder besser gesagt höher hinauf. Da hätten wir dann auch die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang passiert, nach den Parteitagsbauten in Nürnberg die größte bauliche Hinterlassenschaft des Nationalsozialismus in Deutschland. Nach dem Krieg wurde der Komplex von den britischen Streitkräften übernommen, die im umliegenden Gelände einen Truppenübungsplatz einrichteten. Von 1950 bis 2005 wurde dieser Platz vom belgischen Militär genutzt und verwaltet. Seit 2006 ist das Areal der Öffentlichkeit zugänglich und kann tagsüber besichtigt werden. Sicher gibt es den Ultra auch nächstes Jahr und dann auch einen Bericht davon.

 

 

Wir verfolgen nach Ankunft des Busses kurz vor neun Uhr den Start der 150 Ultras. Wie wir später auf der Rückfahrt feststellen, hat Jan aus Hamburg, der trotz der niedrigen Temperaturen schon lauffertig gekleidet im Bus saß, seine Startnummer geholt, den Rucksack abgelegt und noch gerade vor Abbau der Zeitnahme seinen Start offiziell als letzter Läufer durchgeführt. Das war knapp, weshalb wir auf ein solches Manöver verzichtet und uns „nur“ für die klassische Marathonstrecke angemeldet haben.

Judith und ich haben jetzt noch anderthalb Stunden Zeit und wärmen uns erst einmal bei einem Kuchenfrühstück im beheizten Festzelt auf. Das Marathonwochenende wird traditionell vom 21-köpfigen Rursee-Marathon e.V. und vielen weiteren ehrenamtlichen Helfern aus der ganzen Gegend veranstaltet. Mit dem Gewinn, der sich trotz günstiger Startpreise (33,- €) ergibt, werden gemeinnützige Projekte in den Orten am Obersee durchgeführt. Alle Infos dazu und auch über die Streckenführung gibt es in einer Broschüre in 25.000-Stück-Auflage, die u.a. dem „Wochenspiegel“ beilag. An aktiven Sportlern sind ungefähr 1.500 unterwegs. Ein Laufshirt mit großem Rursee-Marathon-Schriftzug auf Vorder- und Rückseite ist auch im Preis enthalten. Wobei die Damen dieses Jahr ein pinkfarbenes Shirt bekommen, während ich mich mit einem dunkelgrauen schmücken darf. Da schlage ich beim Merchandising-Stand zu und kaufe mir noch ein langärmeliges in Signalgrün aus dem letzten Jahr.

Auch nach dem guten Kuchen bin ich noch immer ziemlich missmutig, zumal ich nicht recht weiß, was ich anziehen soll. Letztlich entscheide ich mich für zwei lange Laufhemden und noch ein kurzes Unterhemd. Und für die dickere lange Hose. Die Tasche kann in einem Anhänger deponiert werden. Also die ganzen Wertsachen in das Bauchtäschchen. Vorteil: Ich bin für alle Eventualitäten gerüstet: Krankenversicherungskarte, wenn was schief geht, Kreditkarte, wenn ich kurzfristig zu einem Flug in südlichere Gefilde aufbrechen will.

Um 10:25 Uhr nehmen wir Aufstellung vor dem Zelt und werden unter dem Jubel überraschend vieler Zuschauer auf die Strecke geschickt. Viele Mitstreiter outen sich als M4Y-Leser, worüber ich mich ebenso freue, wie über einige ältere Einruhrer, die uns vom Fenster aus zuwinken. Ein nettes gepflegtes Örtchen wird durchquert, mitsamt typischer Winkelhöfe. Nur den Heilsteinbrunnen übersehe ich, wo aus einer 43 m tiefen Quelle kohlensäurehaltiges Mineralwasser sprudelt, das von den Einheimischen „sure Pötz“ genannt wird und vermutlich schon den alten Römern zu besserer Gesundheit verhalf. An der großen neoromanischen Kirche St. Nikolaus – in einem Monat feiert der Patron wieder Namenstag - geht es zum nördlichen Ortsausgang und schon sind wir am See, der uns noch 41 Kilometer begleiten wird.

 

 

Nach 2,5 km betreten wir den Nationalpark Eifel. Eindringlich werden wir auf einer Infotafel ermahnt, die Wege nicht zu verlassen. Das ist nicht nur der Fauna und Flora geschuldet, sondern auch dem bereits erwähnten Truppenübungsplatz. Auch von den Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg könnte noch scharfe Munition übrig geblieben sein. Selbstredend ist auch vom Rauchen abzusehen. Wobei ich nur Läufer kenne, die sich bestenfalls am Ende eines Marathons die „Zigarette danach“ gönnen.  

Ich genieße die Blicke auf den See und male mir aus, wie das Ganze mit Sonne aussähe. Auch hier feuern uns Spaziergänger an. Zwei Läuferinnen unterhalten sich im Berliner Dialekt über die Möglichkeit, auf die Medaille zu verzichten. Was solle man damit zu Hause schon anfangen? Judith und ich haben die 3 Euro in das Edelmetall investiert. Eine Erinnerung muss schließlich sein. Bei Kilometer 6 wird es anstrengend: 40 Höhenmeter sind auf 200 Metern zurückzulegen. Im Schritttempo erklimmen wir den schmalen Weg. Von oben haben wir einen schönen Blick auf die 58 Meter hohe Urfttalsperre. Der dahinterliegende Stausee ist 12 Kilometer lang. Während des Baus gab es eine ebenso lange Materialschmalspurbahn, mit der Besucher für 1 Mark zur Baustelle fahren konnten. Das zugehörige Wasserkraftwerk war anno 1905 mit 12 MW Leistung das weltweit größte seiner Art.

Auf der anderen Seite der malerischen, 226 Meter langen Staumauer erwarten uns Infotafeln und fröstelnde Rotkreuzler. Am Verpflegungsstand dann die traditionellen Schnäpse. Da lasse ich lieber die Finger davon. Jagertee würde besser passen. Irgendwie laufen wir den ganzen Tag an Fjorden oder Schluchten vorbei. Jetzt die 40 Höhenmeter wieder hinunter zum Obersee. Noch schöner ist es, wenn man Läufer auf der anderen Seite sehen kann, so wie hier bei km 7,5. Angenehm flach geht es bis km 10,5 dahin. Ein Paar mit aufwändig bestückten Getränkegürteln wird überholt. Mit Max und Johann vom Team Voreifel haben wir viel Spaß, sie laufen sogar ein Stück rückwärts, um fotografiert zu werden.

 

 

Halligalli mit Musik am Paulshofdamm. Hier trennen sich die 16,5-km-Läufer von Marathonis und Ultras, deren Strecke vor einigen Kilometern zu uns gestoßen ist. Bis Rurberg, das auf der anderen Seite des Damms liegt, sind es noch 25 Kilometer. Wir durchqueren einen wunderbaren Buchenwald, auch um eine kleine Landzunge abzuschneiden. Natürlich ist das mit Höhenmetern verbunden. Bei km 15 dann ein blauer LKW vom Technischen Hilfswerk und eine Verpflegungsstelle. Wie immer mit Wasser und warmem Iso-Getränk, Bananen und Äpfeln, oft auch Tee.

Die Wegbeschaffenheit ist sehr unterschiedlich. Immer da, wo viele Blätter liegen, muss man mit einem steinigen Untergrund rechnen. Dann ist Vorsicht geboten. Einmal bleibe ich hängen, kann einen Sturz aber noch abfangen. Inzwischen hat sich eine Gruppe von Läufern mit ähnlichem Leistungsniveau herausgebildet. Wir wechseln uns bei der Führungsarbeit ab. Die Wegtopographie scheint zu bestimmen, wer gerade vorn liegt. Mancher ist bergan stärker, mancher bergab und einige können bei glattem Boden richtig Gas geben.

Die entgegenkommende große Wandergruppe ist ganz in sich gekehrt. Ich schmettere ihnen ein „Das Wandern ist des Müllers Lust“ entgegen, aber keiner stimmt mit ein. Wahrscheinlich sind die Damen und Herren schon ratzeputz ausgepowert. Oder handelt es sich womöglich um einen Schweigemarsch?

 

 

Für mich eher unbemerkt sind wir nun schon lange am Rurtalstausee. Der Speicherraum ist mit 202,6 Mio m³ zehnmal größer als beim Obersee. Wie man an den vielen Bootsanlegern sieht, ist hier auch Wassersport erlaubt. Die Rurtalsperre Schwammenauel ist mit 69 Metern Höhe größer als die Urfttalsperre, aber als Erd- und Steinschüttdamm nicht so spektakulär. Ins Auge fällt aber auch hier der sehr geringe Wasserstand im Stausee. Sommerliche Blütenpracht in Pflanztrögen auf dem Damm. Und das im November bei einem eisigen Wind. Ich bin inzwischen sehr froh über meine dicke Laufkleidung. Die beiden Rurseeschiffe „Stella Maris“ und „Aachen“ liegen wohl zur Winterpause vor Anker.

Unerwartet kommt die Sonne hervor und lässt das Läuferherz höher schlagen: Die Ausblicke auf den See und die Herbstpracht sind gleich viel stimmungsvoller. Die weißen Kiesbänke erinnern mich irgendwie an die Südsee. Wunderbar.

Km 24: Wieder wird eine Landzunge überquert. Das bedeutet Höhenmeter und Verpflegungsstelle am höchsten Punkt. Was will man mehr? Ein Stoffbär grüßt uns. Er hängt am Rucksack einer Ultra-Läuferin. Von denen überholen wir noch einige. Bei der Wassersportstätte der RWTH Aachen erreichen wir ein Teerband. Sogar an Felswänden geht es nun vorbei.

 

 

Laute Partymusik am VP 30. Wieder so ein schöner Fjord mit landestypischen Häuschen. Wir überholen einen Ultra-Läufer, der mit einem großen (echten) Hund unterwegs ist. Ab jetzt führt der Weg öfter durch kleine Dörfer. Woffelsbach macht den Anfang. Nett verziert mit Höhenmetern nach oben, dann ins Dorfzentrum nach unten und wieder hinauf. Ein Fahrrad wäre jetzt nicht schlecht!

Und wieder diese Vierergruppe mit Rauhaardackel, die uns schon an verschiedenen Stellen unterwegs angefeuert hat. Welcher Mitstreiter mag zu denen gehören? Der hier postierte Feuerwehrkommandant trägt eine schicke Dienstmütze mit silbern lodernder Flamme. Richtig italienisches Design. Einen Kilometer an der L128 entlang. Einige Läufer kommen mit der Strecke hier wohl gut zurecht und entschwinden in der Ferne.  

Noch halte ich Kontakt zu Judith, aber langsam geht mir doch die Puste aus. Nach einer ordentlichen Bergab-Partie sind wir bei km 35 wieder am See. In der Bucht von Rurberg kann man erkennen, wie niedrig der Wasserstand ist. Sämtliche Bootsanleger liegen auf Grund. Die Segelboote selbst stehen eingepackt in den Werften.

Wer kennt „Mord mit Aussicht“, die Eifelkrimi-Serie? Die Polizeistationen hier in der Gegend sehen genauso aus wie im Fernsehen. Da scheint die Welt noch in Ordnung zu sein.

Noch einmal geht es über einen kleinen Staudamm. Der Eiserbachdamm ist nur 21 Meter hoch, der zugehörige Stausee winzig. Wird schon seinen Sinn haben. Ich philosophiere über die fehlenden fünf Kilometer. Eine sub 4:20 h ist noch drin. Judith habe ich weit vorne auch noch gesehen. Nun gut. Die Zuschauervierergruppe mit Dackel ist wieder da und dann sehe ich diesen Berg: 70 Höhenmeter auf 600 Metern. Gut, das hatten wir schon mal. Aber da war ich noch frisch.

 

 

Für die Anstrengung entschädigt der Blick von der Kuppe auf die Wälder in der tiefstehenden Nachmittagssonne. Der Verpflegungsstand hier hätte Bier im Angebot. Ich lehne ab, freue mich auf einen „Gerstensaft“ im Ziel – und komme auf 10 Minuten für diesen Bergkilometer. Ein kurzes Stück laufen wir steil bergab. Das viele Laub und der sehr holprige Untergrund sind eine echte Herausforderung. Aber immerhin gibt es ein Geländer zum Festhalten. Irgendwie fühle ich mich jetzt an den Achenseelauf in Tirol erinnert.

Noch drei Kilometer. Ein schöner Waldweg am See. Vorsichtig frage ich meinen Begleiter, ob noch ein Anstieg bevorsteht. „Nur ein kleiner“,  kommt zur Antwort. Das wird jetzt noch mal richtig idyllisch. Eine Gruppe Wanderer kündet davon, dass es bis Einruhr nicht mehr weit sein kann. Die ersten Häuser tauchen auf der anderen schmalen Seeseite auf. Über die Straßenbrücke, dann noch eine Schleife und das Ziel ist erreicht. Nicht nur die Marathonentfernung, sondern auch 400 Höhenmeter liegen hinter uns.

 

 

Tja, Bier gibt es leider keines bei der Zielverpflegung. Der Damenduschcontainer steht direkt hier. Die Herren gehen ins 400 m entfernte Erlebnisbad. Dann noch mal ins Festzelt. Endlich ein Bierchen, Kuchen und Pommes zum günstigen Preis. Die Gesamtsieger und die AK-Ersten werden prämiert, unterstützt von den Trommelwirbeln einer Sambagruppe, die auch an der Strecke für Stimmung gesorgt hat.

Nach 7:48 Stunden kommt kurz vor dem Besenwagen der letzte Ultra-Teilnehmer ins Ziel und kann sich im Festzelt gleich feiern lassen – als Schnellster seiner Altersklasse M 75.

Der Lauf hat mir jetzt trotz Kälte doch sehr gut gefallen. Ich kann verstehen, dass es viele „Wiederholungstäter“ gibt und etliche davon auch sehr schnell unterwegs sind. Ein Wochenende am Rursee kann ich gut empfehlen. Und der Ultra wäre ja noch eine zusätzliche Herausforderung...


Wettbewerbe

Samstags Ranger-Tour, Walk/Nordic-Walk, Eifelhöhen-Mountainbike-Fahrt, Kinderläufe und 5-km-Lauf für Erwachsene und Jugendliche

Sonntags Marathon, Ultra (52 km) und 16,5-km-Lauf

Finisher Marathon: 308
Finisher Ultra: 146


Sieger Marathon Männer:
1.    Probst, Andreas (Skikeller Kaulard&Schroiff) 2:40:44
2.    van Dongen, Heinz (Weeze) 2:57:32
3.    Jungbluth, Torsten (TriTeam MAXMO) 2:58:13

Siegerinnen Marathon Frauen:
1.    Esefeld, Katrin (LG Mettenheim) 3:14:40
2.    Valdix, Claudia (ATG Aachen) 3:18:08
3.    Wald, Inka (SRL Triathlon Koblenz) 3:25:28

 Sieger Ultra Männer
1.    Mey, Markus (Peters-Sportteam) 3:46:48
2.    Gallenkamp, Falko (Running Team Grafenberg) 3:52:22
3.    Breuer, Markus (SV Germania Dürwiß - Sportsfreund) 3:55:59

Sieger Ultra Frauen
1.    Andres, Gaby (Skikeller Kaulard & Schroiff) 04:15:43
2.    Fätsch, Sandra (Eichi´s Laufladen/ Team Erdinger) 04:22:38
3.    Wu, Xiabingqing 04:37:05

 

Informationen: Rursee-Marathon
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