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Laufberichte

Der Weg ist das Ziel

 

Wie unterschiedlich kann doch ein Novemberprogramm ausfallen! Im letzten Jahr noch über den großen Teich in New York City und Las Vegas aktiv gewesen, führt es mich in diesem Jahr an ein nur geringfügig kleineres Gewässer, den Rursee. Er ist der am Fassungsvermögen gemessen zweitgrößte deutschen Stausee, in der Nordosteifel, unweit von Monschau gelegen, wo man bekanntermaßen ebenfalls mit Hingabe dem (Ultra-) Marathon frönt.

Die ihn (neben der Urft) mit Masse füllende Rur (zur Unterscheidung von der zum Rhein fließenden Ruhr ohne „h“ !) im Hohen Venn (Belgien) entspringend, erreicht nach 39 km den Rurstausee und mündet nach 165 km bei Roermond („Rurmündung“, Holland) in die Maas.

Ort des Geschehens ist das 600 Seelen-Dörfchen Einruhr, dessen Einwohner anscheinend  besonders traditionsbewußt sind. Zogen diese vor gut 100 Jahren bei der Vereinheitlichung der Schreibweise der Rur vom seinerzeit ebenfalls gebräuchlichen Roer noch zähneknirschend mit, war es 1955 beim „h“ wohl zu viel der Innovation. Daher schreibt man Rur und Rurberg heutzutage ohne, Einruhr hingegen mit „h“. Mit Dünnschiß (Ruhr) haben beide Orte nach glaubhafter Versicherung der Eingeborenen allerdings nichts zu tun.

Wie immer hat das Orga-Team ein vielfältiges, buntes Programm im Angebot: Am Vortag eine geführte Ranger-Tour, (Nordic-)Walking, 5 km-Lauf, Kinderläufe, 40 km-Eifelhöhen-Mountainbike-Fahrt, heute zwei Läufe über 16,5 km und die Marathondistanz. Hügelig ist die Eifel, das ist eine Binsenwahrheit, mein Westerwald aber auch, daher bin ich unerschrocken angereist.

Der im November stark ausgedünnte Laufkalender führt notwendigerweise zu einer starken Konzentration derjenigen Läufer, bei denen die Saison zwölf Monate lang dauert. Entsprechend ist das Hallo im großen, anheimelnden Zelt, wo bereits zu früher Stunde ein prall gefülltes Frühstücks- und Kuchenbuffet der Vernichtung harrt. Wie bei einer erfolgreichen Traditionsveranstaltung nicht anders zu erwarten, läuft alles äußerst gesittet und routiniert ab. Im kommenden Jahr wird man sich selber mit der 20. Austragung beschenken.

Das Dauerhoch der letzten Woche setzt sich auch heute fort: noch ist es knapp unter 10° mild, draußen scheint aber bei Windstille bereits die Sonne. Daher halten sich viele Teilnehmer – für einen Novemberstart völlig unüblich – bereits lange vor dem Start draußen auf und genießen das ungewöhnlich gute Wetter. Das führt auch zu einer unglaublich hohen Nachmeldezahl, wie uns der Bürgermeister stolz berichtet. Erstmals seien sogar die Startnummern ausgegangen. Der Moderator warnt uns noch vor den Bodenverhältnissen, unter dem in den letzten Tagen gefallenen Laub warteten zahlreiche Stolperfallen. Gut tut er daran, zumindest bei mir, konzentriert geht es also ins Rennen.

Zunächst traben wir durchs trotz der Nähe zum Westwall und zur Ardennenoffensive kriegsverschonte Dorf, vorbei an schönen Fachwerkwerkhäusern, dann am Rand des Stausees entlang. Wenig später wird der Uferbewuchs lichter und, quasi als Déjà-vu, laufe ich schon wieder, wie noch vor kurzem am Wolfgangsee, ganz dicht an einem höchst attraktiven Gewässer. Das ist mir Balsam für Auge und Seele, ich kann es nicht oft genug sagen. In dieser Postkartenidylle liegt ein Ausflugsschiff, schon winterfest gemacht, am Ufer. Die Luft ist klar, die herrliche Landschaft spiegelt sich im Wasser, es ist warm, das Leben ist schön. Leider ist dies jedoch nach 2 km vorerst vorbei.

Denn die km 3 – 6 bringen uns vorübergehend vom rechten Weg, nämlich immer schön entlang des Sees, ab und führen quer über den ehemaligen Truppenübungsplatz, der erst seit rund 10 Jahren nach dem Rückzug der Belgier wieder für die Öffentlichkeit freigegeben ist. Allerdings ist es unter Androhung der vorläufigen Erschießung verboten, die Wege zu verlassen, und das aus gutem Grund: Überall liegen noch nach jahrzehntelanger militärischer Nutzung Blindgänger und Munitionsreste herum, die teils nicht per Metalldetektor (z.B. bei Glasminen) gefunden werden können. Nicht einmal Rauchen gestattet man uns, es ist wirklich eine harte Prüfung. Die ist es auch für Lauffreund Jörg, der heute mal ohne seinen Hund Charly unterwegs ist und ihn vermisst.

Der herrliche Waldweg bringt uns nach 5 km zum Wasser zurück. Am gegenüberliegenden Ufer erkennt man einen ehemaligen Bunker des Westwalls, der aufgrund des Wasseranstiegs wie eine Begrenzungsmauer wirkt. Dann wird es zum ersten Mal ernst: ein schmaler Trampelpfad führt über einige Serpentinen steil bergan, Demut ist angesagt. Oben zeichnet sich ein Engpass mit einem Tor ab. Leider, leider weiß ich schon von unserem Vorjahresbesuch, was sich dahinter verbirgt, daher hat es bei mir keinen erstmaligen Wow-Effekt, sondern es ist nur ein (allerdings sehr) freudiges Wiedersehen: Hinter dem Tor öffnet sich ein phantastischer Blick auf die Urftseestaumauer, die den Urftsee zur Rechten vom Rursee zur Linken trennt. Nach fünfjähriger Bauzeit 1905 eröffnet, war sie mit ihren 58,5 m Höhe sieben Jahre lang die höchste Europas und der Urftsee der größte Stausee. Man stelle sich vor: Oben ist die Mauer „nur“ sechs Meter dick, an ihrem Fuß stolze 50,5 m, was muß das für ein Druck sein! Zurzeit ist der aber deutlich reduziert, denn insbesondere rechterhand ist nur ein kläglicher Wasserrest zu sehen, linkerhand fehlen mindestens 10, vielleicht sogar 15 m Wasser.

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Informationen: Rursee-Marathon
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