In den dichten, urigen Eichen-und Buchenwäldern und dem menschenleeren Grasland der Eifel leben Störche, Bieber, Milane, Eisvögel, Wildschweine, Hirsche und tausende seltene Pflanzenarten. Wenn man dann noch die Ranger des Nationalparks Eifel mit ihren Mounty-Hüten sieht, dann erinnert das schon ein wenig an Kanada. Doch dieser Lauf versetzt mich augenblicklich nach China, an den Jangste, an den Drei Schluchten Staudamm, in das Reich der Mitte.
Die ersten, die sich in die dunklen Wälder trauten, waren die Römer. Die hatten hier eine Strasse gebaut, um zur Heilsteinquelle in Einruhr zu gelangen. Wie ich in meinem Bericht von Bad Pyrmont beschrieben hatte, galten bei den Römern einige Quellen als heilig und so warf man auch hier seine Fiebeln als Opfergabe in das blubbernde Wasser, so wie man heute noch seine Münzen in den Trevibrunnen wirft.
Die Ausgrabungen römischer Spuren in den 50er Jahren, wie Badehaus, Getreidespeicher, Grabanlagen und Wirtschaftsgebäude sind wieder zugedeckt worden. Kleine Tümpel im sogenannten Badewald sind Reste römischer Erzgruben, sogenannte Pingen, daneben sind gut erhaltene Schmelzöfen zu finden (Tipp: der Pingenwanderweg, 12 km ab Kall).
Strassennamen wie „Römerstraße“ und „Auf dem Römer“ und Flurbezeichnungen wie „Schlachtenberg“ und „Römerkuhl“ verheissen gute zukünftige Grabungsergebnisse, doch hier konzentriert man sich auf den Naturtourismus. Der Nationalpark lockt pro Jahr 200.000 Besucher an.
Die Heilsteinquelle hat jodhaltiges, durch den Vulkanismus kohlensäurehaltiges Wasser, sie wurde neu eingefasst und befindet sich hinter dem Heilstein-Haus, dem Eingang zum Nationalpark Eifel. Dort wird gerade das Wasser für die Verpflegungsstellen abgefüllt, es schmeckt hervoragend.
Früher wurde diese Rur auch mit „h“ geschrieben. Westlich wird der Fluß „Roire“ bzw„Roer“ genannt, deswegen wurde lange gestritten, ob mit „h“ oder ohne. Die Schreibweise „Rur“ setzte sich dann 1955 durch, nur die Leute von Einruhr wollten ihre Briefköpfe nicht ändern.
Die Infrastruktur des Marathon befindet sich also in Einruhr. Die Anreise ist selbst mit dem Auto beschwerlich, ich glaube nur Renate Werz gelingt die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln. „Jo, wat es denn hee ald loß?“ fragt mich ein Eifelöhi.
Es wird innovativ geparkt, Politessen gibt es in Einruhr nicht, so gibt es genügend Plätze, auch wenn der Andrang der Nachmelder aufgrund des genialen Wetters enorm ist.
10:30 Start. Der Rursee wird durch zahlreiche Sperren, Vorsperren, Felsschüttdämmen, Stützkörper, Überfallwehre und Aufbauten gebildet bzw unterteilt, für einen Läufer zu verwirrend. Außerdem interessiert mich Wasser nur peripher. Der Eifelgott wollte es so, daß der Uferweg um das riesige Stauseegebilde genau 42,195 km beträgt.
Einruhr liegt am Obersee, der ist randvoll. Die herbstlichen Bäume spiegeln sich im glasklaren Wasser, nur unterbrochen von einigen Wasservögeln und Seerosen. Nun bin ich kaum ein Romantiker, doch die wunderbaren Fotomotive bewirken, daß ich gleich zu Beginn des Marathons im hinteren Feld bin. Gemalte, impressionistische Bilder, eine Freude hier zu laufen.
Wenig romantisch sind die Warnschilder, als wir in den Nationalpark kommen. Wegen des Westwalles (1938 ausgebaut) existieren noch Glasminenfelder. Man kann diesen Minentyp nur schwer räumen, es gibt kein Gerät, das diesen Minentyp erkennt. Sprengstoffspürhunde können nicht eingesetzt werden, da sich durch Kriegshandlungen überall Sprengstoffspuren verteilt haben. Verletzungen durch diese Minen zu behandeln ist schwer, da die Glassplitter durch Röntgen nicht erkannt werden. Ein weiterer Minentyp, die Betonminen, haben sich wohl durch eindringende Feuchtigkeit in den Jahren erledigt, dies ist bei Glasminen jedoch nicht möglich, da diese immun gegen Feuchtigkeit sind. Zudem sind einige Bereiche mit Munitionsresten aus den Zeiten des Truppenübungsplatzes Vogelsang verseucht. Diese Bereiche sind mit Flatterbändern und roten Pfosten abgesperrt (Tipp: 80 km Wildnis-Trail, GPS Daten auf eGoTreck).
Die Schilder sind unübersehbar, doch etliche Läufer begeben sich hier in die Büsche. Der Kerl mit den rosa Stützstrümpfen lacht nur, seine Fußteile wären ja gut zu finden.
Steiler Anstieg zur Urfttalsperre. Tiefe Bombentrichter bilden kleine Biotope. Oben auf der Talsperre herrlicher Blick, links der volle Obersee, rechts der fast wasserlose Urftalsperrensee. Über den Bäumen der Turm der Festung Vogelsang. Was romantisch nach Natur und geruhsamen Genuß klingt, ist aber eine von den Nazis gebaut Festung. Eine Führung durch die „Ordensburg“ gibt Einblicke in Ziele und Wirkung der nationalsozialistischen Erziehung.
Den Urftalsperrensee umrunden wir nicht, hinter der Sperrmauer gehts links herum, weiter am Obersee entlang, vorher erster Verpflegungspunkt, dort gibt es nichtisotonische Getränke. „Für den Magen“, wie mir die freundlichen Eiflerinnen erklären.