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Laufberichte

Die Eifel in den Farben des Herbstes

04.11.07
Autor: Klaus Duwe

Vor zwei Wochen standen noch 9 Marathonläufe in der Terminliste, letzte Woche immerhin noch das Schwergewicht Frankfurt, die Premiere in Luzern und die Attraktionen Röntgenlauf und Alb-Marathon. Dann kommt der November - Schluss mit der Lauferei?

 

Nur in Bottrop und am Rursee (dazu im LGA-Büro in Nürnberg) wird auf unserer Lieblingsdistanz gelaufen. Klar, Wind und Regen können einem im November schon mal übel mitspielen. Aber ist man davor in Zeiten des Klimawandels in irgendeinem anderen Monat sicher? Und was ist die größere Spaßbremse, 30 Grad im Schatten oder Nebel mit Nieselregen? Im Goretex- und Windstopper-Zeitalter sollte letzteres keinen mehr schrecken.

 

Trotzdem, die Landschaftsläufe haben es schwer. Kaum ein Newcomer sucht sich für seinen Erstling einen Lauf durch hügeliges Gelände aus. Ein Event muss dafür her, möglichst laut und bunt. Und prestigeträchtig muss es sein. An diesem Wochenende ist auch der New York Marathon. Unter den nahezu 40.000 Teilnehmern sind einer Pressemeldung zufolge fast die Hälfte Debütanten. Und aus Deutschland sind mehr Läuferinnen und Läufer am Start, als bei allen Marathonläufen an diesem Wochenende in der Heimat.

 

Dagegen ist wohl kein Kraut gewachsen. Generell aber gelten wie überall in der freien Wirtschaft bestimmte Regeln. Eine davon lautet, dass man in einem härter werdenden Markt, und davon kann man reden, wenn das Angebot schneller wächst als die Nachfrage, seine Anstrengungen im Kampf um den Kunden verstärken muss. Jeder macht das so gut er kann. Ob es ausreicht, wird sich zeigen. Der Verweis auf „allgemein sinkende Teilnehmerzahlen“ beruhigt wie Valium, ist aber falsch und löst das Problem nicht.

 

In Einruhr am Rursee hat man von alledem noch nichts gehört und hat dennoch keine Probleme. Die Teilnehmerzahlen (Marathon) liegen seit Jahren um die 400 (es waren auch schon über 500, in diesem Jahr sind es genau 423), was alles andere als schlecht ist. Das Läuferfest zieht sich über zwei Tage hin. Am Samstag wird gewalkt (16,5 km) und gelaufen (5 km), außerdem gibt es die Eifelhöhen-Montainbike-Fahrt. Am Abend wird im geheizten Festzelt gerockt und am Sonntag sind dann der Marathon und der 16,5 km-Lauf an der Reihe.

 

Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus der Region. Umso überschwänglicher begrüßt der Sprecher Ralf Thoma Gäste aus dem Ausland und manchmal gelingt ihm das sogar in deren Landessprache. Im Zelt gibt es die Startunterlagen und ein zweites Frühstück, zu dem unbedingt ein Stück selbst gebackener Kuchen gehört. Dann gibt es da noch den Verkaufsstand eines Sportgeschäftes, das ist alles. Man kennt das von anderen Landschaftsläufen.

 

Unter dem Startbanner versammelt man sich erst kurz vor dem Start, von Hektik keine Spur. Es hat so um die 8 Grad, es ist etwas trüb’ aber trocken. Zahlreiche Zuschauer, die meisten sind wohl Begleiter der Marathonis oder sind 30 Minuten später selbst am Start zum 16,5 km langen Lauf, stehen auf den ersten 100 Metern Spalier. Um 10.30 Uhr geht es dann mit viel Applaus auf die Strecke. An schönen Fachwerkhäusern und der Kirche vorbei laufen wir ins Grüne oder besser gesagt, ins herbstlich Bunte.

 

Einruhr liegt direkt am Obersee im Süden des merkwürdigen, weit verzweigten Seengebildes. Der östliche Ausläufer ist der Urft-Stausee und im Norden befindet sich die Rurtalsperre. Zusammen sind sie das Kernstück eines beliebten Ferien- und Naherholungsgebietes mit vielen Freizeitangeboten.

 

Die Strecke ist durchweg gut zu laufen, meist werden Natur- oder Asphaltwege genutzt. Anspruchsvoller ist da schon das Streckeprofil. Es ist kein Bergmarathon, keine Angst. Aber eben ist die Strecke fast nie. Einige Steigungen haben es auch ganz schön in sich. Es ist halt das, was man einen anspruchsvollen Landschaftsmarathon nennt.

 

Auf der nassen Asphaltpiste laufen wir entlang des Sees. Schon nach ganz kurzer Zeit hat sich das Läuferfeld verteilt und einem gemütlichen, genussvollen und stressfreien Sonntagslauf steht nichts mehr im Wege. Wir erreichen eine große Lichtung und entfernen uns für kurze Zeit vom See. Das nächste Ufer gehört schon zur Urfttalsperre. Das Wasser ist glatt wie ein Brett, das Spiegelbild mit den herrlich bunten Bäumen perfekt. In den See ragt eine lange, schmale Landzunge. Sie zu überqueren kostet einige Mühe, denn der Weg ist rauf und runter ziemlich steil, schmal und steinig. Nach der Staumauer (km 7) kommen wir zur ersten Getränkestelle.

 

Eine gute Stunde bin ich unterwegs, da kommen in großen Abständen die Schnellsten 16,5 km-Läufer angedüst. Einen Kilometer weiter verlassen sie uns und laufen links über den Paulusdamm (km 11) Richtung Rurberg. Wir genießen zunächst noch den schönen Blick auf den Ort und den Hafen, dann fordert eine lange Steigung Kraft und Konzentration. Hinter mir ist kein Läufer zu sehen, vor mir sehe ich einen. Ruhiger Sonntag.

 

Vor dem Start ist mir ein Läufer aufgefallen, der wohl für einen wüsten Lauf (oder Wüstenlauf) trainiert. Neben Kopftuch vom Marathon des Sables trägt er einen Rucksack und an den Schultergurten rechts und links hat er Wasserflaschen mit Trinkaufsätzen, wie ich sie bisher nur beim Ultra-Trail du Mont Blanc gesehen habe. Genial, aber man muss die Handhabung üben. So gesehen gibt es da nichts zu grinsen, der Mann hat recht. Wie komme ich jetzt darauf? Ich habe Hunger. Immer, wirklich immer, habe ich einige Riegel dabei - durch Berlin, durch Köln, über’n Brocken, immer. Heute nicht.

 

Gleich, bei km 14 kommt die erste Verpflegungsstelle. Wasser, Tee und Äpfel gibt es, Bananen sind aus. In meiner Verzweiflung nehme ich zwei kalte Apfelstückchen und bin am Schimpfen – auf mich, warum bin ich so langsam und warum habe ich nicht selber was dabei?

 

An die Verpflegungsstelle beim Parkplatz Budenbach (km 19) komme ich rechtzeitig, es sind auch noch Bananen da. Ein paar Stückchen lasse ich in Gedanken an Volker Berka, Werner Sonntag und einige andere, die noch hinter mir kommen, übrig. Dann renne ich parallel zur Hauptstraße weiter zum Staudamm Schwammenauel und dann beim Seehof hinunter zum See. Hoffentlich hat den Abzweig hier jeder gesehen. Außer einer Markierung auf der Straße, von der man nicht unbedingt wissen muss, dass sie zum Marathon gehört, sehe ich nämlich keinen Hinweis. Vielleicht haben die Flatterbänder Souvenirsammler mitgenommen und der Streckenposten ist mal um die Ecke …

 

Trotz des trüben Wetters, es ist wunderschön. Ich freue mich schon auf das nächste Wochenende. Da bin ich am Lago Maggiore und habe zu den herrlichen Herbstfarben auch noch Sonne und blauen Himmel. Hoffentlich …

 

Einen Segler sehe ich auf dem See und ein Ruderboot, sonst ist da absolut nichts los. Das Ruderboot rührt sich nicht von der Stelle. Ob die angeln? Aale, Hechte und Karpfen soll es hier ja massenweise geben.

 

Bei km 24 erreichen wir nach einem heftigen Anstieg eine weitere Verpflegungsstelle. Dort sind die Aufräumungsarbeiten schon voll im Gange. „Feierabend?“, will ich wissen. „Was sollen wir noch hier, außer Wasser ist nichts mehr da,“ weiß der THW-Mann. Ich sollte aber was haben, ich habe Hunger.

 

Wenig später überhole ich Claudi, sie hat einen großen Rucksack dabei. Attrappe, oder ist was drin? Ich will es wissen:

 

„Der Rucksack ist eine gute Idee, mache ich nächstes Mal auch.“
„Ja, man ist halt unabhängig.“
„Genau, ich habe auch immer was dabei, nur heute nicht, ausgerechnet.“
„Brauchst du was?“

 

Mensch, das klappt. Jetzt nur kein falscher Stolz.

 

„Hast Du was über?“ Klar, sonst würde sie doch nicht fragen. Sie kramt aus den Seitentaschen einen Riegel und gibt ihn mir.

 

„Echt, kann ich den nehmen? Hast Du ihn übrig?“ Ich will, dass sie ihn mir aufdrängt und sie tut mir den Gefallen.

 

„Nimm schon, ich trage dann leichter.“ Jetzt tue ich auch noch ein gutes Werk, sage aber trotzdem dreimal „danke“.

 

Das Ding ist klasse. Kein so klebriges, künstliches Zeugs, eher so ein Bioriegel aus Getreide und so. Und groß ist er, mein Hungergefühl ist weg. Ich sag’s immer: Man muss nur reden mit den Leuten.

 

Weiter geht’s durch enge Buchten an teilsweise steilen und felsigen Ufern entlang. Die nächste Verpflegungsstelle wird groß angekündigt: „Futterstelle 400 m“. Da bin ich mal gespannt. Von weitem ist schon Musik und Gelächter zu hören. Der erste „Action-Point“ (km 29) am Rursee? Das nicht gerade, aber sonst ist alles da: Cola, Iso, Wasser, Bananen, Äpfel und ein paar Zuschauer. Applaus und gute Wünsche begleiten uns.

 

Den Schwung kann man gut gebrauchen, es geht bergauf, lang und ziemlich steil. Woffelsbach (km 31) wird erreicht und die nächste Steigung. Da helfen auch die Anfeuerungen der Handvoll Unentwegter nichts, es wird marschiert. Vom Gasthof „Alte Frische“ ist es nur noch ein kurzes Stück und wir sind an Verkehrsstraße (L128) Richtung Rurberg, die jetzt ganz bequem etwas vom See entfernt entlang von Pferdekoppeln und Viehweiden verläuft. Statt in den Ort laufen wir am Campingplatz links zum Seeufer und folgen dort einem schmalen Naturweg.

 

Bei km 36 sind wir auf der verwaisten Uferpromenade von Rurberg. Außer ein paar versprengten Spaziergängern und den letzten Marathonis ist kein Mensch unterwegs. Beim Paulusdamm (km 37) folgen wir ein Stück der Verkehrsstraße und einem steilen Weg aufwärts. Ich möchte nicht wissen, wie viele Flüche heute hier schon ausgestoßen wurden.

 

Nach 500 Metern sind wir oben und folgen einem Wiesenweg mit herrlichem Blick auf bunte Wälder und den See, den wir bei km 38 wieder erreichen und jetzt bis zum Ziel nicht mehr aus den Augen verlieren. Dass mir aber keiner die letzten 4 Kilometer unterschätzt. Sie sind niemals eben, gehen dauernd rauf und runter, sind teilweise schmal und steinig, kurz: sie gehen noch mal richtig in die Beine.

 

Aber sie sind auch so etwas wie die Zusammenfassung der letzten 38 km: herrliche Herbstlandschaft mit Wiesen, bunten Bäumen und Sträuchern, schönen Uferwegen und schmalen Pfaden, Wasser und ein paar Zuschauern. Die letzte Steigung bei km 41 ist jetzt auch egal, gegenüber liegt Einruhr, gleich werden wir da sein. Ein Stück folgen wir dem schmalen Weg entlang der B 266 und schon geht es links ins Ziel. Zuvor überholt mich aber noch Claudi mit ihrem Rucksack. Sie muss ihn noch weiter geleichtert haben, denn mit ihren großen Schritten lässt sie mir keine Chance. Da kann man mal sehen, was eine gute Verpflegung ausmacht.

 

Im Ziel ist alles da, Medaille, Getränke und Obst. Das Beste ist aber (für mich) der Kaffe und der Kuchen. Im Zelt ist es echt gemütlich. Gerade hat die Siegerehrung begonnen. Schön, dass ihr auf mich gewartet habt.

 

Auf einer kleinen Bühne werden Siegerinnen und Sieger gebührend gewürdigt. Über jede und über jeden weiß Ralf Thoma bestens Bescheid. Ich sagte es schon, man kommt aus der Gegend und kennt sich. Für die Siegerin wird kurz „Supergirl“ eingespielt, für den Sieger „We are the Champions“. Eine wirklich schöne und liebevolle Inszenierung.

 

Erstplatzierte Marathon

Männer

1. Hermes, Guido   PSV Grün-Weiß Kassel 02:35:51.1
2. Peters, Helmut   SV Bergwacht Rohren 02:47:14.3
3. Röhl, Francis  BEL SV Bergwacht Rohren 02:48:58.0

 

Frauen

1. Sokolowska, Agnieszka   RTC Frechen 03:26:55.5
2. Köstner, Ursula   TV Kalterherberg 03:40:41.2
3. Engels, Angelika   Tri Power Rhein-Sieg 03:41:00.3

 

423 Marathonis im Ziel

Streckenbeschreibung:
Herrlicher Rundkurs, meist auf Wanderwegen und teilweise schmalen Pfaden entlang dem See. Sehr abwechslungsreich, aber auch nicht ganz einfach durch ständiges Auf und Ab.
 
Zeitmessung:
Bibchip
 
Rahmenprogramm:
Am Samstag Walking- und Montain-Bike-Tour, Musikabend im Festzelt
 
Auszeichnung/Startpaket:
Medaille, Urkunde und Funktions-Shirt
 
Logistik:
Start und Ziel im Festzelt in Simmerath-Einruhr, Parkmöglichkeiten an den Zufahrtstraßen und teilweise im Ort.
 
Verpflegung:
Alle 5 km Getränke (Wasser, Iso, Cola) und Verpflegung (Äpfel und Bananen)
 
Zuschauer:

Beim Start und Zieleinlauf gute Stimmung. Unterwegs ist wie bei fast allen in der Beziehung nichts Landschaftsläufen nichts los.

 

Informationen: Rursee-Marathon
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