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Laufberichte

In der Hitze der Nacht

02.07.10

Die ersten km treffen Werner Kerkenbusch, der wie so häufig mit seiner Frau Inge vor Ort ist, und ich immer wieder zusammen. Für seine geplanten 4:30 Std. ist er ziemlich zügig unterwegs. Auf den breiten Straßen läßt es sich gut laufen und das nimmt sich auch der Schweiß zu Herzen, denn er rinnt in Strömen, ruck-zuck ist man klatschnaß. Auf dem Weg ans nördliche Ende unserer Laufstrecke behalten wir lange das Landgrafenschloß im Auge, ein imposanter Anblick. In Marburg-Wehrda fragen wir: „Wer da?“ und weil keiner antwortet, machen wir uns flugs auf den Rückweg nach Süden.

Die ersten, mittlerweile wohl unvermeidlichen Vuvuzelas blasen uns den Marsch. Furchtbar, diese Dinger, ich hasse sie. Meine eigene wartet zuhause auf ihren nächsten Einsatz gegen Argentinien... Erstmals betreten wir den Lahntalradweg, der die Strecke deutlich verjüngt. Da aber das Feld inzwischen erheblich auseinandergezogen ist, macht das keine Schwierigkeiten. Die Sonne sticht noch ordentlich, die Bezeichnung „Nachtmarathon“ verspricht mehr als sie hält, richtig dunkel wird es erst im Ziel sein. An den Verpflegungsstellen wird im Akkord gearbeitet, ich saufe wie ein Kamel. Süß ist der kleine Dreikäsehoch, der mir erwartungsfroh zwei Becher entgegenhält und den ich direkt ablichte.

Immer wieder unterqueren wir entlang der Lahn kleine Brücken, auf denen ab und an ein paar Leute stehen und sich das Treiben recht emotionslos von oben anschauen. Es wird auch deutlich, daß Marburg eine Studentenstadt ist. Nicht nur bestehen viele Staffeln eindeutig aus solchen, auch kommen wir an einigen Studentenwohnsiedlungen vorbei. Kurz vor km 10 sind wir wieder im Bereich, den wir auf dem Fußmarsch zum Start schon gesehen haben. Eine alte Fußgängerbrücke wird, einige sagen schon ewig, renoviert und ist behelfsmäßig mit Bohlen ausgelegt, die unter dem Getrappel ordentlich schwingen.

Dann kommt ein sehr interessanter Bereich, eine Liegewiese an der Lahn. Hier hängen viele junge Leute ab, spielen, quasseln und lassen es sich gut gehen. Vor allem sind sie durch die Bank nett, denn jede Kontaktaufnahme wird freundlich beantwortet. Das Grillgut knipse ich an einer Stelle und die Einladung zum Bier schlage ich angesichts der Witterung lieber aus. Dem Anton wäre das nicht passiert. Nach etwa 16 km sind wir an der Südspitze unseres Kurses angekommen, schwenken nach links ein und machen uns auf den Rückweg auf der anderen Lahnseite. Ganz toll ist ein Bogen mit drei Duschköpfen, die ein Sponsor aufgebaut hat. Ich verzichte auf die Abkühlung, habe Bedenken wegen nasser Füße und v.a. abgesoffener Kamera.

Als wir Gisselberg nach 17 km hinter uns gelassen haben, traue ich meinen Augen nicht. Das Bild kenne ich doch! Klar, der Planetenlehrpfad! Das war beim sog. Frühjahrsmarathon am Tag des „Kyrill“ die Ausweichstrecke in Form eines 2,5 km-Pendelkurses. Den laufen wir komplett bis zur Stelle des damaligen Zieles ab und noch weiter. Immer noch ist es schön hell, von Nacht keine Spur. Sehr viel mehr Spuren hinterläßt die Hitze: Waren die ersten Fußgänger schon bei km 5 auszumachen gewesen, sehen wir jetzt leider einige Einsätze der Sanitäter, um Kollabierte zu behandeln. Mir geht es glücklicherweise prima und ich bin dankbar dafür.

Im Bereich der Halbzeit, die bei mir nach 1:59 Std. kommt, passieren wir das Stadion, in dem noch eine letzte Dreiviertelrunde Schaulaufen angesagt ist. Draußen und drinnen ist der Bär los, Hauptankunftszeit der Halben. Ich bedauere ein wenig, daß bei meiner Ankunft vermutlich das genaue Gegenteil der Fall sein wird. Mir macht das Abbiegen am Ziel nichts aus und laufe wieder über die etwas zweifelhafte Brücke und auf die zweite von drei Südrunden. Wie erwartet, ist die Szenerie sofort wesentlich anders: Nämlich kaum noch etwas los. Gut, das ist halt bei einer Veranstaltung, die zwar Marathon heißt, wo die Musik aber beim Halben liegt, einfach so.

Gleich findet wieder ein Sanitätseinsatz statt und direkt noch einer. Die Kamera kann ich jetzt wegstecken, denn auf der Strecke ist nichts mehr los, einige wenige Ausnahmen bestätigen die Regel. Auch die Studenten an der Lahnwiese haben ihr Pulver verschossen. So, wie es aussieht, habe ich das auch. Nach 22, 23 km kann ich mir nicht mehr vorstellen, das bisherige Tempo einigermaßen zu konservieren. Die Hitze und der erst drei Wochen zurückliegende Hunderter fordern ihren Tribut. Und so ziehe ich, nur zweimal von den beiden Führenden (der spätere Sieger läuft in der M 50!) und einigen wenigen Staffeln überholt, einsam meine Kreise. OK, darauf war ich durch Markus‘ letztjährigen Bericht vorbereitet und umgehen kann ich damit auch ganz gut. Und so spule ich km für km ab und die Salzschicht auf meinem Astralkörper wird dicker und dicker.

Auf der letzten Runde wird es dann endgültig einsam. Ich freue mich, auf Volker Berka aufzulaufen, der zwar langsam, aber wie ein Uhrwerk seine km abspult. Gefühlsmäßig lasse ich immer mehr nach, werde dann aber doch immer wieder dadurch motiviert, daß ich einerseits langsame Staffeln und den einen oder anderen Mitläufer noch überholen kann und andererseits aber kaum noch überholt werde. Endlich am Ziel angelangt, geht es noch eine letzte Dreiviertelrunde auf der hochwertigen Tartanbahn entlang und dann werde ich nach 3:58 Std. (doch noch geschafft!) vom unermüdlichen Moderator im Ziel beglückt. „Marathon4you.de, immer wieder eine tolle Sache!“, meint Arthur Schmidt. Das bestätige ich ihm darauf gerne, aber auch auf ihn mag man ungern verzichten. Seine gute Laune ist gerade in schwierigen Situationen (arg tröpfelnder Zieleinlauf) sehr von Vorteil.

Werners Inge fotografiert mich im Ziel und gute 20 Minuten später ist auch er selber, Sieger der AK M 60 (!) zu Hause. „Na Inge, war’s Dir auch schon mal langweilig?“. „Na ja, wenn ich ehrlich bin, schon.“ Und wenn man dann bedenkt, daß die Gute fast immer dabei ist, wenn ihr Held läuft, kann man das nur bewundern und Werner zu seiner Frau herzlich gratulieren. Noch eine Stunde sitzen wir zusammen, regenerieren, tratschen und duschen.

Ein an dieser Stelle nicht namentlich genannter, aber wohlbekannter frisch Operierter, der selbst im OP seine große Klappe nicht halten kann, hätte jetzt die restliche Nacht genutzt, um den diesjährigen Marburger Bier-Durchschnittsverbrauch noch signifikant zu erhöhen sowie mit dem feindlichen Häuptling Haglund und seinem Krieger Ferse Sporn ein Kalumet nach dem anderen zu rauchen. Mich hingegen zieht es heim zu Frau und Kindern und so mache ich mich frohgemut und zufrieden, hier gewesen zu sein, nach Hause auf.

Marathonsieger

Männer

1 Löschner, Frank Freudenberg TV Büschergrund 2:48:18,7
2 Karl, Dirk Worms TSG Grünstadt 3:03:43,5 
3 Sanhji, Iamal Cölbe Fleckenbühl 3:08:54,7

Frauen

1 Lenhard, Iris Sulzbach   3:47:01,8
2 Hein, Susanne Hilchenbach Anlauf-Marathonteam 3:53:50,6
3 Schraub, Simone Kirchhain   4:15:59,0

142 Finisher

 

 

12
 
 

Informationen: Nachtmarathon Marburg
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