Bei stetig steigender Temperatur drohte die Lahn bereits zu brodeln, als gegen 17 Uhr der Höhepunkt mit über 30 Grad erreicht wurde. Positiv sei zu bemerken, dass wir bis zum Start des 21. Marburger Nachtmarathons um 19 Uhr ganze 10% davon verlieren sollten. Und dann kam noch Glück hinzu, denn ein laues Lüftchen brachte zumindest im Schatten eine spürbare Erfrischung.
Für mich ging es heute etwas spontan direkt von der Arbeit ins nur 20 km entfernte Marburg. Unkomplizierte Parkplatzsuche am Universitätsstadion, schnelle Nachmeldung mit 3 € Aufschlag zu dem vernünftigen Startgeld von 27 € und schon sind die notwendigen Vorbereitungen abgeschlossen. Nur eine lange Schlange bei der Anmeldung zum Halbmarathon ist zu sehen, immerhin kommen auf jeden Marathoni hier fast 10 Halbe. In dem mit Studierenden gefüllten Marburg kommen traditionell immer noch viele kurzfristige Nachmelder hinzu. Man hört eigentlich jedes Jahr die Geschichten der verlorenen Wetten nach ein, zwei Bier zu viel. Vor ein paar Jahren waren es gleich soviele, dass die Marathonläufer keine Medaille mehr bekamen. Die Voranmeldungen liegen in etwa auf Vorjahresniveau, 1887 sind für Halbmarathon, Marathon und Marathon Staffel, im Ziel werden sich 1959 einfinden, davon 125 auf der Königsdistanz.
Vom Stadion aus führt uns ein gut ausgeschilderter rund 800 m langer Weg zum historischen Marktplatz in der Oberstadt. Wir überqueren die Lahn, die uns auf der Rennstrecke immer wieder begegnen wird, und bekommen den ersten Blick auf das Marburger Schloss auf dem 287m hohen Schlossberg. Die letzten Meter führen steil durch die Altstadt bergauf. Die hier erklommenen Höhenmeter kommen uns nach dem Startschuss zu Gute, die Strecke führt zur anderen Seite nach dem Start nämlich sanft bergab. Über dem Marktplatz thront das Rathaus und schließt diesen nach Süden ab. Hier versammelt sich so langsam das Läuferfeld, ab 18:30 unterhalten und informiert vom bekannten Marathon-Moderator Artur Schmidt. Er hat immer eine Anekdote parat oder jemanden zum Interview am Mikro. Dirk läuft mir über den Weg, zuletzt musste ich ihn als Pacemaker in Düsseldorf auf den 4:30 ziehen lassen, heute hat er sich unter 4 Stunden vorgenommen. Da bin ich direkt raus!
Artur heizt die Menge an und pünktlich wird gestartet. Jetzt versucht die Traube aus Läufern sich in das schmale Altstadtgässchen zu drängen, welches zu Beginn über Kopfsteinpflaster eingeengt durch Gastronomie führt und auf den ersten Metern Konzentration und Disziplin verlangt. Das Feld stockt immer wieder einmal, bis die Gasse zur Straße wird und dem Feld genügend Platz zum Durchstarten bietet. Mir fällt das Trikot mit der Aufschrift „Celebrating 60 Years“ auf, das auch ich mir erst vor 3 Wochen in Biel verdient habe. Nach ca. 800 m sind wir unten und haben die negativen Höhenmeter weitestgehend hinter uns. Ab hier ist der Nachtmarathon als flach zu bezeichnen.
Wir biegen auf die Hauptstraße ein und das Feld kann sich auseinanderziehen. Über uns liegt das Schloss, wir begeben uns auf eine nördliche Runde bis nach Wehrda. Jedes Fleckchen Schatten wird gesucht und angesteuert. Bis zum nördlichen Punkt laufen wir mit linksseitig ansteigendem Gelände halbwegs sonnengeschützt und ein leichter Wind macht das Laufen überraschend angenehm. Alexander und Silke schließen auf mich auf, während ich zum fotografieren stehen bleibe. Alexander begegnet mir von der Tortour über den Rennsteig bis nach Biel. Heute macht er den Hasen für Silke, sie geht ihren ersten Halbmarathon an und wird ihn mit Bravour meistern. Glückwunsch Silke!
Die Kilometer 5-10 führen uns von Wehrda aus zurück nach Marburg. Es geht über den Radweg durch die Lahnwiesen und die Sonne erwischt uns voll. Am zweiten Verpflegungspunkt geht’s noch hektisch zu, das Feld ist dicht die Läufer durstig. Es geht idyllisch an der Lahn zurück Richtung Innenstadt, die Zuschauer stehen an den Hot Spots dicht gedrängt. Nach ungefähr 10 km erreichen wir den Hirsesteig, der direkt am Stadion liegt und uns über die Lahn bringt. Hiermit beenden wir das erste Viertel, jetzt gilt es dreimal die südliche Runde zu laufen. Bei der folgenden Station zum Staffelwechsel herrscht Bombenstimmung, alle werden angefeuert und vorangetrieben. Überrascht ist die Fankurve, als ich gemütlich zum Fotografieren stehen bleibe.
Wir folgen wieder unmittelbar der Lahn. Die Wiesen der Lahnauen sind voll mit Picknickern, von denen die meisten das bunte Treiben auf der Rennstrecke mit ungläubigen Blicken begleiten. Es geht lange auf dem Fußgänger- und Fahrradweg geradeaus, bis wir in Cappel den nächsten VP erreichen. Beim Ultra Sport Club Marburg weiß man, was der Langstreckenläufer braucht. Meine Bier-Bestellung für die nächste Runde wird sofort aufgenommen. Wir drehen noch eine Runde durch die Lahnwiesen, vorbei am Schullandheim, wo früher Startpunkt für den Lahntallauf war. Hier lief ich 2012 meinen ersten Halbmarathon. Jetzt geht es auf Nordkurs durch die Felder und wir sehen in der Ferne das erhabene Marburger Schloss, das auf uns zu warten scheint.
Am Ende der Felder geht’s durch eine Unterführung, in der sich der nächste VP wettersicher versteckt hat. Wir folgen durch ein kleines Gewerbegebiet wieder dem Fußgänger- und Radweg der Lahn entlang. Teils sichtbar, teils hinter dichten Hecken folgen wir ihr, auf der anderen Seite nähert sich die Stadtautobahn. Beim Schwimmbad und schon hören wir die markante Stimme von Artur Schmidt aus dem direkt dahinter liegenden Stadion. Die erste Südrunde ist geschafft. Eine hin, noch zwei im Sinn. Hinter dem Hirsesteig wird es dann schlagartig ruhiger, die Halbmarathonis biegen ins Stadion ab, nur die Staffeln und Einzelläufer der Marathondistanz gehen auf die nächste Runde.
Es dämmert und der Vollmond wirft sein fahles Licht von einem wolkenlosen Himmel auf die Strecke. Das Laufen wird mit den abkühlenden Temperaturen angenehmer und ich kämpfe mich durch bis Cappel. Das bestellte Pils steht tatsächlich auf dem Verpflegungstisch für mich bereit. Medizinisch gesehen würde ich sagen, es hat Fieber! Zuviel und zu lange Sonne. Kurze Diskussion, ich komme ja noch einmal, also auf ein Neues. Zurück Richtung Stadt und Schloss, welches im Sonnenuntergang eine filmreife Kulisse bietet.
Mit dem Start in die letzte Runde packe ich meine Stirnlampe aus. Einige Läufer sind ohne unterwegs, ich frage mich, wie die noch den Weg finden. Diverse Abschnitte sind für mein Empfinden stockduster und ich kann noch ein paar Plätze gut zu machen. In Cappel erwartet mich ein gekühltes Bier, genau die Motivation, die ich brauchte. So langsam sind die meisten Staffeln durch und die Kilometer werden immer einsamer. Am Stadion darf jetzt auch ich endlich rechts abbiegen und meinen Zieleinlauf mit einer ¾ Stadionrunde genießen.
„Carsten, lauf!“, ruft Dirk. „Bier!“, rufe ich zurück. Während ich noch Fotos schieße, höre ich Stimmen hinter mir. Sorry Deniz & Tom, aber den Platz gebe ich nicht mehr ab. Also die Beine unter die Arme und die letzten 300 m unter dem Jubel der noch vorhandenen Zuschauer ins Ziel geflogen. Ein Blick nach hinten, der Vorsprung reicht für ein Foto vom Zielbogen und dann schnell über die Zeitmessung.
Ich werde freundlich in Empfang genommen und bekomme meine Medaille. Gut so, Marburg! Während ich noch meinen Zielsprint mit einem Becher Iso ausgleiche, kommt Dirk schon mit dem bestellten Bier. Er war mit 3:45 im Ziel und damit 4. AK, nochmal herzlichen Glückwunsch! Wir setzen uns zu Uwe und lassen den Nachtmarathon langsam ausklingen. Dann ist das Bier ist ausverkauft. Das war knapp.
Resüme für 2018: Genug Medaillen, zu wenig Bier. Der Lauf ist aus, wir gehen nach Haus…. Bis zum nächsten Mal in Marburg bei Nacht.
Männer im Ziel: 97
1. Dominic Rumpf – TuSpo 1920 e.V. Heidelberg - 2:56:36
2. Simon Sieminowski – SF Triathlon Rossdorf - 3:13:52
3. Andre Zwingmann – Adidas Runners Frankfurt – 3:19:01
Frauen im Ziel: 29
1. Dorothee Rogosch– SF Blau-Gelb Marburg – 3:23:34
2. Sylke Kuhn – LG Vellmar – 3:37:28
3. Renate Seidel – Troisdorfer LG M.U.T. - 3:53:54
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