Bereits zum 2. Mal gebe ich meine Visitenkarte in Marburg ab. Obwohl ich im Vorfeld meine Bedenken habe. Bei meinem ersten Mal war es eine tropische Nacht und hohe Temperaturen liegen mir nicht so. Doch mit den Wetteraussichten schwinden meine Befürchtungen auf ein Hitzerennen. So machen Silke und ich uns nach dem Mittagessen entspannt auf den Weg nach Hessen. Der Start um 19 Uhr macht es möglich. Nach 2 Stunden Anfahrt ist genügend Zeit zum Einchecken im Hotel und um die Startnummer abzuholen. Dazu machen wir uns auf den kurzen Weg zum Universitätsstadion. Hier wird nachher auch der Zieleinlauf sein.
Trotz hoher Anmeldezahlen erfolgt die Ausgabe ganz entspannt und können anschließend die schöne Innenstadt erkunden. Nur der Schlossberg ist zu erklimmen, um zum Startbereich auf dem Marktplatz zu kommen. Der historische Stadtkern ist gut erhalten, es macht Spaß zu bummeln, nur nicht zu lange, denn 42 Kilometer liegen ja noch vor mir. Das Rathaus bietet die würdevolle Kulisse für den Start, wenn sich auch um 17 Uhr noch wenige Läuferinnen und Läufer hierher verirrt haben. Da sind noch ein Flammkuchen und ein Gläschen Wein drin. Letzterer nur für Silke, ich bin diszipliniert und begnüge mich mit einer Cola.
Wir kommen mit einem Ehepaar aus der Gegend ins Gespräch und erfahren von ihnen, dass sie bei den ersten Austragungen mit dabei waren. Damals war der Start noch um 22 Uhr, was dem Namen Nachtmarathon noch mehr entsprochen hat. Auch die Streckenführung war deutlich länger an der Lahn entlang. Aufgrund des hohen Aufwandes ist die Abänderung auf die heutige Strecke für mich verständlich.
Gegen 18.30 schlendern wir zum Start am Marktplatz. Das Bild hat sich komplett gewandelt, es ist schwierig, noch ein Plätzchen zu finden. Über 1.200 Teilnehmer füllen den Bereich und dabei sind die zahlreichen Gäste der Restaurants mit ihren Sitzplätzen noch nicht mitgerechnet. Historische Stätten haben ihren Reiz und dieser ganz besonders, denn hier wurde 1248 Hessen gegründet.
Moderator Markus begrüßt mich und kündigt schon einmal meinen Bericht an, dazu gibt es letzte Informationen zum Lauf und etwas Musik. In der Starterliste habe ich für mich kaum bekannte Namen gefunden, weshalb ich nicht damit rechne, einen Bekannten in der Menge auszumachen. Da sehe ich auf einmal Gerno vom Bilstein Marathon, dem heute der Halbe reicht. Da ist die Unterhaltung bis zum Start gerettet und eine angenehme Begleitung auf der ersten Hälfte habe ich auch.
Die Rathausuhr zeigt 19 Uhr, doch der Startschuss ist kaum zu vernehmen. Wir verlassen den Marktplatz durch eine enge Gasse, da dauert es halt, bis die Läuferschar in Bewegung kommt. Nach und nach nähern auch Gerno und ich uns der Startlinie, die nach knapp 2 Minuten erreichen und endlich auch in lockeren Trab kommen. Keine Gefahr zu schnell anzulaufen, auch wenn es leicht bergab geht. Vorbei an den Gästen und deren Anfeuerung geht es los.
Kurz vor KM 1 verlassen wir den direkten Bereich der Innenstadt und biegen in die Universitätsstraße ein. Die Philipps-Universität, gegründet 1527 durch den Landgrafen Philipp dem Großmütigen, ist nicht nur die älteste Universität in Hessen, sondern auch noch die älteste bestehende Universität, die auf eine protestantische Gründung zurück geht. Die Straße ist jetzt deutlich breiter und die Läufermassen verteilen sich auf der Strecke. Der Zuspruch der Zuschauer ist groß, die Anfeuerung enthusiastisch. Eine Trommlergruppe heizt uns mit ihren Rhythmen ein. Sie werden noch den Standort wechseln, denn hier werden wir heute nicht noch einmal vorbeilaufen. Eigentlich schade, denn die Architektur ist dem Auge gefällig und bietet viel Abwechslung.
Über den Pilgrimstein führt die Strecke vorbei an der Universität und bekommen am Ende die Elisabethkirche aus dem 14. Jahrhundert in den Blick, benannt nach der Heiligen Elisabeth von Thüringen und erbaut über ihrem Grabmal. Da verwundert es nicht, dass Marburg im Mittelalter ein bedeutender Wallfahrtsort war. Bevor wir die Kirche erreichen, biegen wir in Richtung Ortsteil Wehrda ab. 3 KM liegen bereits hinter uns. Das Tempo mag zwar schneller sein als bei einer Wallfahrt, ist aber immer noch moderat.
Den Bereich der Kernstadt haben wir jetzt verlassen und kommen durch ein Wohngebiet. Die Zuschauer werden weniger, dafür wartet schon die erste Getränkestation. Trotz angenehmer Temperaturen sollte schon mit der Zuführung von Flüssigkeit begonnen werden.
Zum ersten Mal kommt jetzt rechts die Lahn in den Blick, deren Flussbett ich ab jetzt die meiste Zeit folgen werde. In diesem Bereich schmiegt sie sich an den Hang der Kirchspitze und des Wannkopfes, weshalb wenig Platz für Wohnbebauung ist. Enge Kurven sind hier nicht angesagt, eher leichte Biegungen. Etwa bei KM 4,5 erreichen wir den Ortsteil Wehrda, der sich im hier breiter werdenden Flusstal ausbreitet. Orientierung bietet der Turm der Martinskirche. Bei KM 6 verlassen wir den Ortsteil schon wieder, um zum ersten Mal die Lahn zu überqueren. Der 245 Kilometer lange Nebenfluss des Rheins hat hier bereits über die Hälfte seiner Höhenmeter verloren und fließt entsprechend gemächlich an Marburg vorbei. Wir folgen ihr die nächsten Kilometer durch freies Feld und genießen die abendliche Sonne. Die nächste Wasserstelle wartet und wird gerne genutzt.
KM 7,5: Die Strecke führt an der Bundesstraße vorbei. Stören tut sie nicht, denn sie verläuft aufgrund ihrer Bauweise oberhalb von uns. Wir sehen nur die tragenden Betonwände, verziert mit verschiedenen Graffiti. Silke hat es auch in diesen Bereich geschafft und lichtet fleißig das Läuferfeld ab. Rechts fließt die Lahn ruhig dahin. Ich bin weiter intensiv mit Gerno im Gespräch.
Bei KM 9 nähern wir uns wieder dem Stadtbereich. Die Elisabethbrücke führt dorthin. Die Zuschauer haben wieder zugenommen und feuern uns fleißig an. Die nächsten Kilometer gibt es wenig ruhige Passagen, immer wieder säumen Zuschauer die Strecke. Kurz vor KM 11 streifen wir den Nordhamptonpark und lassen die Hirsemühle links liegen. Den Zielbereich im Universitätsstadion können wir links schon erahnen, doch bevor wir ihn erreichen, werden wir nach rechts über die Lahn geleitet. Kurz darauf erreichen wir die Frankfurter Straße und den
Wechselpunkt für die Staffeln. Logistisch gut überlegt, denn ich befinde mich jetzt auf der ersten von 3 Runden, die ich bis zum Ziel noch zu laufen habe. Alle Wechsel der Staffeln finden hier statt.
Die Stimmung ist super, das Feld wegen der Halbmarathonis noch gut gefüllt. Beschwingt laufe ich weiter, um kurz darauf in die Haspelstraße einzubiegen. Hier wartet die nächste Verpflegungsstation, jetzt neben Wasser auch mit Iso und Cola sowie Salzgebäck und Bananen. Eine Auswahl, die sich ab jetzt meist wiederholt und teilweise noch durch Bier ergänzt wird.
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Auf direktem Weg werden wir auf die Lahnwiesen geführt, bis KM 15 geht es immer auf dem Radweg entlang. Im Ortsteil Gisselberg wird bereits die nächste Verpflegung erreicht. Geradeaus verläuft die B 3, die aber dem Blick hinter Bäumen und Sträuchern verborgen bleibt. Wir folgen ihr einen knappen Kilometer und queren dabei die Lahn in Richtung Ostufer. Dann unterqueren wir die B3 und haben kurz darauf eine Wasserstelle und den Wendepunkt vor uns.
Eine Trommlergruppe dreht mächtig auf und die Sonne geht langsam unter. Wir biegen in den Planetenweg ein, der uns ins Stadion bringen soll. An einer Unterführung bei KM 18,5 warten die Mitglieder des THW darauf uns zu erfrischen. Eine letzte Verpflegung kurz vor Ende der Runde. Immer noch sind wir locker unterwegs und ich kann mit Gerno mithalten. Die Lahn ist über den Dükerweg nur noch zu erahnen. Wir nähern uns dem Zielbereich, vorbei an Campingplatz, einem Restaurant und dem Schwimmbad. Dann kann man schon das Stadion mit dem Zieleinlauf sehen, gut gefüllt mit zahlreichen Finishern des Halbmarathons. Mit über 900 Teilnehmern stellen sie den größten Teil des Feldes. Gerno darf sich zu ihnen gesellen und am Ende des Stadions rechts abbiegen, während ich nach links wieder über die Lahn auf die nächste Runde geleitet werde.
Schlagartig wird es ruhig um mich. Aber nur kurz, denn an der Frankfurter Straße warten die nächsten Staffelläufer. Zum Fotografieren ist es jetzt schon zu dunkel, ich packe die Kamera weg. In den Lahnwiesen lege ich die ersten Gehpausen ein, aber dosiert, um nicht zu langsam zu werden. Die Begleitung vermisse ich jetzt schon, komme aber trotzdem gut nach Gisselberg. Die Verpflegungsstellen habe ich jetzt fast für mich allein und damit die volle Aufmerksamkeit und Auswahl.
Kurz darauf werde ich von Norbert überholt, mit 84 Jahren der älteste Teilnehmer heute. Seine Altersklasse wird er locker gewinnen und vor mir das Ziel erreichen. Ich bin nicht so verwegen, mich lange an ihn dranzuhängen. Als ich zur Wasserstelle jenseits der B3 komme, bin ich etwas verwirrt, die Fahne des Wendepunktes ist weg. Ein Helfer klärt mich auf, dass ich ab dieser Runde einige Meter weiter laufen darf. Hier warten also die zusätzlichen Meter für die Marathonstrecke, die ich eben schon erwartet hatte. Etwa einen halben Kilometer macht das auf dem Begegnungsstück aus. So nehme ich sie unverdrossen unter die Füße. Die Trommler warten schon und schicken mit rhythmisch zurück auf den Planetenweg. Das THW ist guter Dinge und ich mache mich erfrischt auf den Weg, 30 Kilometer sind fast bewältigt und bei mir läuft es wieder richtig gut. Da gehe ich kurz darauf locker in die letzte Runde.
An der Frankfurter Straße warten immer noch Staffelläufer darauf, endlich loslaufen zu dürfen. Es wird immer ruhiger, nur die Verpflegungsstellen sorgen für Abwechslung. In den Lahnwiesen ist es jetzt stockduster. Auf dem Radweg nach Gisselberg lassen die Bäume kaum das Licht der Straßenleuchten durch. Als ich an den Feldern kurz vor der Ortschaft vorbeilaufe, strahlt mich dann der volle Mond an.
Über die Lahn höre ich es immer noch trommeln, über 35 Kilometer liegen bereits hinter, zwei Verpflegungsstellen noch vor mir. Das sollte kein Problem sein. Einige Läufer sind mir Stirnlampe unterwegs, sodass ich ganz ohne zurechtkomme. Störend sind nur die blendenden Radfahrer. Auf dem Asphalt komme ich trotzdem gut und sicher voran. Ein Vorteil ist, dass man die Strecke auf der dritten Runden genau kennt.
Jetzt kommt der Campingplatz, das Restaurant und das Schwimmbad und schon bin ich am Stadion. Silke wartet schon. Der Moderator begrüßt mich, wie versprochen. Einzelne Läufer und Staffeln haben ihren Fanclub und werden bejubelt, . ganz besonders das Geburtstagskind, das kurz nach mir das Ziel erreicht.
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