Es geht zum 22. Marburger Nachtmarathon und ich stelle in meiner persönlichen Statistik fest, dass es bereits meine 6. Teilnahme hier ist. Damit schließt Marburg auf den ersten Platz meiner häufigsten Starts auf, gemeinsam mit dem Bottroper Herbstwaldlauf und Biel. Nehme ich den im Frühjahr auch vom Ultra Sport Club Marburg organisierten Lahntallauf hinzu, bin ich bereits zum 11. Mal hier in Marburg. Damit geht es heute wieder in meine beliebteste Marathon-Stadt.
Der Nachtmarathon ist für mich immer etwas stressig, denn ich fahre am Freitagabend direkt von der Arbeit in die schöne Stadt an der Lahn. Höchstleistungen sind für mich dort sowieso nicht drin, aber immer wieder lockt mich die besondere Atmosphäre der Veranstaltung und die schöne Strecke. So geht es auch 136 Finishern auf der Königsdisziplin, 171 Marathon Staffeln und 1168 Halbmarathonis.
Schon vor der Anmeldung im Universitätsstadion nimmt uns ein Helfer in Empfang und leitet uns zum richtigen Anmeldeslot, beantwortet Fragen und hilft weiter. Sozusagen ein mobiles Helpdesk. Schnelle und unkomplizierte Anmeldung, kein Schnick-Schnack und das ganze zu günstigen Preisen. Direkt um die Ecke geht es ins Stadion. Hier ist schon alles für den späteren Zieleinlauf vorbereitet, zum Start begeben wir uns Richtung Marburger Schloss bergauf. Kurz davor liegt der historische Marktplatz, welcher traditionell der Startplatz ist. Rund 1500 Läufer füllen den Platz, es ist kuschelig. Die markante Stimme von Artur Schmidt schallt aus den Lautsprechern, er führt Interviews, gibt Informationen aus seinem unermesslichen Laufwissen preis und begrüßt auch den Marburger Bürgermeister, der wiederum die anwesende Läuferschar begrüßt.
Pünktlich fällt der Startschuss und alles quetscht sich in das enge Altstadtgässchen. Rund 3 Minuten dauert es, bis alle auf der Reise sind. Nur einer hat den Start verschlafen und geht mit 13 Minuten Rückstand auf die Jagd. Auch das ist in Marburg möglich. Die ersten Meter sind wie immer eng und bis zum Ende der Altstadt herrscht leichtes Chaos. Langsame, die sich zu weit vorne einreihen, bremsen und Übermotivierte drängeln. Zum Glück sind die meisten Läufer*innen aber diszipliniert.
Schon kurz danach ist der Weg bergab beendet und wir biegen auf die breite Hauptstraße ein. Viele Zuschauer säumen den Weg durch die Stadt und die stetige Anfeuerung trägt uns voran. Es geht nach Norden durch die Stadt Richtung Wehrda in einem Mix aus schattigen Passagen und Abschnitten mit praller Sonneneinstrahlung. Dieter spricht mich an, er hat meinen Bericht aus dem Vorjahr zur Vorbereitung für heute gelesen und freut sich schon auf meinen heutigen Beitrag.
Ich laufe auf Verena auf, wir unterhalten uns und verbringen die nächsten Kilometer zusammen. Die erste Verpflegungsstation bringt ein wenig Erfrischung und ich trinke reichlich, da es nach dem nördlichsten Punkt in die Lahnwiesen geht und dort erfahrungsgemäß Sauna-Temperaturen angesagt sind. Es geht kaum ein Lüftchen. Gerade schiebt sich eine große Wolke vor die Sonne und die sonst heißesten Kilometer können überraschend angenehm bewältigt werden.
Nach jeder Fotopause laufe ich wieder mit Verena und wir quatschen uns kurzweilig über die Strecke. Sie trägt die Startnummer 42100 und verrät mir ein Geheimnis. Die Startnummern der Marathonis beginnen alle mit 42, sie hat also praktisch die Nummer 100. Und das nicht ohne Grund, sie läuft heute nämlich ihren 100. Marathon! Ich bin begeistert, da dies ja auch mein großes Ziel ist und möchte sie auf ihrem Jubiläumslauf begleiten.
Es geht durch eine Kleingartenanlage mit dem nächsten VP, wir laufen der Lahn entlang zurück Richtung Marburg und genießen dort wieder die Stimmung der vielen Zuschauer. Man kann die Marburger Strecke in vier Runden einteilen: Einmal nördlich bis Wehrda und dann dreimal südlich bis Cappel.
Direkt am Universitätsstadion liegt der Hirsesteig, eine Fußgängerbrücke über die Lahn. Hier wechseln wir über die Lahn auf die andere Seite und begeben uns auf die erste der drei anstehenden südlichen Runden durch das Lahntal. Wir laufen durch die Wechselzone der Staffeln und erleben auf 200 m Länge den Anfeuerungsdruck von hunderten Aktiven und Fans. Genuss pur!
Dann folgen wir dem Rad- und Fussgängerweg der Lahn entlang bis Cappel. Am Beginn der Lahnwiesen der nächste VP, hier sorgt das THW für Verpflegung und später auch für Flutlicht. Auf den Lahnwiesen ist wie immer viel Betrieb. Einige Leute haben den Grill an, andere spielen Frisbee, manche liegen einfach nur im Gras, aber alle haben eins gemeinsam: ungläubige Blicke für die Verrückten, die bei der Hitze um die Wette rennen.
Schon in Cappel gibt es wieder Essen, Trinken und Schwämme, besonders angenehm bei den Temperaturen, um mal das Salz von der Haut zu bekommen. Weiter geht es Richtung Schullandheim Steinmühle, kurz davor eine neue kurze Pendelstrecke, um die leicht geänderte Streckenführung auszugleichen. Der bisherige kurze Trail unter der B3 hindurch entfällt somit und macht die zu laufende Strecke angenehmer, vor allem in der anstehenden Dunkelheit.
Der südlichste Punkt ist erreicht und es geht zurück. Kurze Zeit später eröffnet sich der Blick auf das rund 4 km entfernte und erhaben über Marburg thronende Schloss. Schön flach durch die Felder rückt das Ende der ersten Runde schnell näher. Wir passieren das Stadion, wo die Stimmung bei den Halbmarathonis auf dem Höhepunkt ist. Die Schnellen sind zwar schon lange fertig, aber so um die 200 haben wir noch hinter uns auf der Strecke. Nach rechts geht es ins Stadion, wir dürfen nach links über den Hirsesteig und die nächste Runde genießen.
Die Stimmung ist unverändert sehr gut in der Staffelwechselzone und wir bekommen noch etwas Schwung für die nächsten 10 km. Es wird leicht kühler, die Sonne sinkt tiefer und wir sind guter Dinge. Jetzt in der zweiten Hälfte des Rennens genehmige ich mir in Cappel ein Bier. Dadurch hängt Verena mich kurz ab, ich kann die Lücke frisch gestärkt schnell wieder schließen. Wir werden etwas langsamer und die Hochrechnung geht auf über 5 Stunden. Egal, ich freue mich mit ihr auf ihr 100. Marathon-Finish.
Der Rückweg durch die Lahnwiesen hält diesmal wieder ein besonderes Ereignis bereit. Parallel von uns verläuft die B3, auf der ein Radargerät schon mal für ein regelrechtes Blitzlichtgewitter und damit für Erheiterung unter den Läufer*innen sorgte. Inzwischen kennt man das Ding und die letzten Jahre war nichts zu sehen. Gerade als ich daran denke, erhellt wieder ein roter Flash die Dunkelheit und sorgt für Schadenfreude.
Schnell geht die zweite Südrunde zu Ende und wir rüsten bereits auf dem Rückweg mit Stirnlampen auf. Im Stadion ist es inzwischen deutlich ruhiger, die meisten Halbmarathonis sind fertig und noch Staffeln und Marathonis unterwegs.
Hirsesteig der Dritte, noch einmal durch die Staffelzone und es geht in die Nacht zur letzten Runde. Jetzt heißt es nur noch im Licht der Stirnlampe die Kilometer abspulen. Es wird spürbarer kühler, nach Vorhersage soll es bis auf 16 Grad abkühlen. Sehr angenehm! Wir laufen auf Sina auf. Sie hat auf ihrem ersten Marathon gerade einen Durchhänger und wir nehmen sie einfach mit. Etwas Unterhaltung, ein paar Anekdoten zur Ablenkung und wir bekommen sie gut über die Strecke.
Es geht Richtung Ziel, die Vorfreude steigt. Und dann ist es endlich soweit, das Stadion kommt in Sicht, ein durch Flutlicht erhellter Platz, ich bekomme Gänsehaut. Das nächste Finish für mich, aber die Nummer 100 für Verena und das erste für Sina! Die letzten Meter auf der Stadionrunde und dann ist es geschafft. Glückwunsch an beide. So ganz nebenbei schafft Verena noch den ersten Platz in ihrer AK. Wir schießen einige Fotos zur Erinnerung und es gibt ein wohlverdientes Bier. Es war mir eine Ehre! Marburg, bis demnächst.
Männer im Ziel: 113
1. Robert Wilms – SG Wenden - 2:45:29
2. Gabriel Lautenschlager – Gießen - 2:48:35
3. Marco Diehl – DVAG Marathon Team – 2:57:36
Frauen im Ziel: 23
1. Birgit Schönherr-Hölscher – PV Triathlon Witten – 3:22:29
2. Hang An – Monsterbabies China – 3:35:03
3. Doris Remshagen – TV Refrath - 3:41:11
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