Kommenden Sonntag wäre der Freiburg Marathon. Er findet, wie etliche Veranstaltungen zuvor und viele danach, wegen dem Corona-Virus nicht statt. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass die Krise nicht noch viel schlimmer wird und bald vorbei ist.
Was uns der Corona-Virus nicht nehmen kann, ist die Erinnerung. Ideal, um sich an gute Zeiten zu erinnern, sind die Laufberichte auf Marathon4you und Trailrunning.de. Sage und schreibe 3.838 Stück gibt es davon, die Bilder dazu habe ich nicht gezählt. Es sind hunderttausende. Die Berichte unserer laufenden Reporter sind auch nach Jahren noch aktuell und unterhaltsam, sie bleiben kein Verfallsdatum.
Ich bin etliche Male den Freiburg Marathon gelaufen und habe daran schöne Erinnerungen:
Am Samstag hat es im Schwarzwald noch kräftig und teilweise bis in die Täler geschneit. Beim Blick auf die Schwarzwaldberge glaubte man sich in die Alpenregion versetzt. Die Höchsttemperaturen lagen bei gerade Mal 5 Grad. Der Wind blies kräftig und manchem schwante Böses. Aber Deutschlands südlichste und sonnigste Großstadt enttäuscht die über 14.000 Aktiven nicht. Nicht nur dass es nicht mehr regnet oder gar schneit, die Sonne scheint und lässt die Temperaturen im Laufe des Tages auf über 10 Grad ansteigen.
Vor der Messehalle herrscht schon jetzt Volksfeststimmung, der SWR 1 bringt fetzige Musik und immer wieder Live-Informationen. Die Teilnehmer und Zuschauer kommen in Scharen, teils aus der nahe liegenden S-Bahn-Station, teils (für Freiburg typisch) mit dem Fahrrad. Für die Autofahrer steht unmittelbar vor der Halle ein riesiger Parkplatz zur Verfügung, zusätzlich werden Parkflächen in nächster Umgebung zugewiesen. Alles läuft ohne erkennbare Probleme ab.
Vor dem Start herrscht in der Messehalle mit der Startnummernausgabe zeitweise beängstigende Enge. Weil es draußen noch ziemlich frisch ist, suchen auch die Leute, die mit ihren Startunterlagen schon versorgt sind, ein warmes Plätzchen. Es geht gegen 11:00 Uhr und die Startblöcke füllen sich. Es herrscht die übliche Nervosität und jeder informiert sich beim Nächsten über Strecke und Zielzeit. Auffallend ist, dass sehr viele junge Leute am Start sind. Wahrscheinlich sind etliche Studenten darunter, von denen Freiburg ja über 30.000 beherbergt. Aber auch aus der Schweiz und dem benachbarten Elsass sind viele Teilnehmer angereist.
Um 11:05 fällt der Startschuss. Es dauert aber noch eine ganze Weile, bis sich auch im Block der über 4-Stunden-Läufer etwas tut und erst nach über 20 Minuten laufe auch ich über die Startlinie. Mit viel Applaus verabschiedet uns die große Zuschauermenge. Eng geht es zu, erst als wir auf der Berliner Allee, der 4-spurigen Zufahrtstraße zur Messe sind, verteilt sich das riesige Läuferfeld. Wir sind noch keinen Kilometer gelaufen, spielt schon die erste von insgesamt 42 Musikgruppen auf. Auch hier stehen zahlreiche Zuschauer. Nach 3 Kilometern haben wir eine Trommlergruppe und mehrfach Rock- und auch Blasmusik gehört. Es wird wieder eng. Mir scheint, alle Anwohner stehen an der Straße und feuern uns an. Gut, dass ich hier nur dabei sein und keine schnelle Zeit laufen will. Der Laufrhythmus besteht nämlich aus Bremsen, Beschleunigen und Ausweichen.
Auch die Musiker sind noch frisch und unverbraucht und gehen engagiert zur Sache. Als es nach gut 2 Kilometern über die Zubringerbrücke geht und sich die Fahrbahn verengt, hat sich das Feld längst auseinander gezogen und jeder läuft ungestört „seinen Stiefel“. Alleine 4, vielleicht auch 5 Musikgruppen sind auf die Haslacher Straße verteilt, einem Wohnviertel, das ab den 60er Jahren entstanden ist. Die Anwohner hält es nicht in ihren Häusern, sie stehen an der Straße und feuern die Marathonis an. „Ist nicht mehr weit“, meint einer, der wohl glaubt, die erste Runde verschlafen zu haben.
Zwischen km 5 und km 6 laufen wir über die Blaue Brücke, jetzt Wiwili-Brücke genannt, nach der Freiburger Freundschaftsstadt in Nicaragua. Zusammen mit der Stühlinger Kirche im Hintergrund gibt die Radlerbrücke ein herrliches Fotomotiv ab. Die Stimmung bei den zahlreichen Zuschauern und Aktiven erreicht einen ersten Höhepunkt.
In der Wilhelmstraße kommen wir zur 1457 gegründeten Universität, die zu den ältesten in Deutschland zählt. Viele bekannte Persönlichkeiten haben in Freiburg studiert und gelehrt, darunter etliche Nobelpreisträger.
Wenig später erreichen wir die Freiburger Shopping-Meile, die Kaiser-Joseph-Straße. „Jetzt geht’s los“ spielen die Wiesensteiger Straßenmusikanten und das stimmt auch. Die Freiburger sind wieder total aus dem Häuschen und die feiern die Marathonis wie sonst nur ihren SC, wenn die Kicker wieder einmal einem Großen die Punkte klauen.
Rechts und links der Straße fließen die für Freiburg typischen schmalen und flachen „Bächle“, die es seit dem 13. Jahrhundert in vielen Gassen gibt. Sie dienten aber nicht, wie man leicht vermuten könnte, etwa der Entsorgung von Fäkalien, sondern der Brandbekämpfung. Zwischenzeitlich gibt es dafür natürlich wirkungsvollere Einrichtungen, aber die Freiburger pflegen diese Tradition und beschäftigen noch heute zwei „Bächlesputzer“, die für Sauberkeit und damit für die richtige Fließgeschwindigkeit sorgen.
Auch rund um Martins- und Schwabentor, beide aus dem 13. Jahrhundert und ehemals Teile der Stadtbefestigung, stehen die Zuschauer dicht gedrängt, unterhalten und animiert von Rock- und Sambaklängen.
Das berühmte Freiburger Münster, mit dessen Bau um 1200 begonnen wurde und der sich über 300 Jahre hinzog, sehen wir von der weniger bekannten Rückseite . Wegen der engen Gassen und der schon erwähnten Bächle rund um den Münsterplatz kann das Freiburger Wahrzeichen leider nur so in die Strecke einbezogen werden. Ansehen sollte man sich den Platz vor oder nach Lauf aber auf jeden Fall, denn sonst war man nicht in Freiburg, sagen nicht nur die Einheimischen.
Wir kommen auf die Schlossbergstraße, wo sich links gleich der 456 hohe gleichnamige Berg erhebt, auf dem die Geschichte von Freiburg ihren Ursprung hat. 1091 hat hier der Zähringer Herzog Berthold II das „Castrum de Friburch“ errichtet und sein Sohn Konrad 1120 der Handwerker- und Dienstleute-Siedlung am Fuß des Berges das Marktrecht verliehen.
Gleich kommen wir noch einmal zum Schwabentor und genießen die tolle Stimmung. Dann werden in der Hermannstraße aber andere Töne angeschlagen. Eine große Jahrmarktorgel weckt das Interesse der Läufer und Passanten. Vor 200 Jahren hat in Simonswald Ignaz Bruder mit dem Bau einer Drehorgel begonnen. Später, er war inzwischen nach Waldkirch umgezogen, begründeten seine Nachkommen ein Imperium, das mit seinen Musikautomaten, Dreh- und Jahrmarktsorgeln weltberühmt wurde.
In der Kartäuserstraße haben wir eine kurze Begegnung mit den vor uns liegenden Läuferinnen und Läufern und kommen zum Flüsschen Dreisam, nach dem in Kreuzworträtseln oft gefragt wird. Ganz müssen wir auch hier nicht auf Musik und Zuschauerunterstützung verzichten, obwohl es schon etwas ruhiger ist. Richtig zum Genießen ist der Lauf entlang des Wassers und durch die herrlich blühenden Grünanlagen.
Dann queren wir den Fluss, laufen zurück in die Altstadt und kommen in die Stadtteile Neuburg und Herdern. Feiern scheint den Leuten hier im Blut zu liegen. Jedenfalls erreicht der Geräuschpegel Orkanstärke und die Stimmung könnte auch bei einer Fasnetveranstaltung nicht besser sein. Zur Fasnet nämlich scheinen die Leute hier eine sehr enge Beziehung zu haben, jedenfalls haben sie den Dorfbrunnen mit einem Hästräger geschmückt. Das ist in der Alemannischen Fasnet das Narrenkostüm, das aus einer geschnitzten Holzmaske und dem Narrenkleid besteht.
Karibische Klänge muntern uns auf der Zähringerstraße auf. Wo Musik ist, wird auch gefeiert, da macht man auch hier keine Ausnahme. Nach einer leichten Steigung sehen wir auf das Messegelände, das einem riesigen Heerlager gleicht. Rechts geht es zum Ziel, geradeaus auf die zweite Runde.
Die Musiker nehmen sich die Läufer zum Beispiel und geben nach wie vor ihr bestes. Die Stimmung ist prächtig. Erneut kommen wir in die Innenstadt, zum Martinstor und von dort zum grünen Streckenabschnitt an der Dreisam. Dort wird jetzt kräftig gegrillt. Der Geruch von Bratwurst und Zwiebeln macht mir Appetit. Die vielköpfige Familie würde mir tatsächlich was abgeben, ich mache aber im letzten Moment einen Rückzieher und ziehe das Bananenstückchen und den Becher Wasser der Kalorienbombe vor.
Die Zeit vergeht im Flug. Schon bin ich wieder in der Zähringerstraße und biege rechts zum Messegelände ab. Der letzte Kilometer hat es noch einmal in sich, der Anstieg ist jetzt deutlich spürbar. Dann geht’s aber mit Schwung abwärts ins Ziel, wo erstaunlich viele Zuschauer den Finishern einen tollen Empfang bereiten.
Wie doch die Zeit vergeht. Die Bilder sind aus 2007. Vielleicht erkennt Ihr darauf den/die eine(n) Lauffreund(in).
Lust auf mehr? Hier gibt es viele weitere Laufberichte
und Bilder zum Freiburg Marathon
AUF WIEDERSEHEN in Freiburg am 11. April 2021!