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Laufberichte

Eine laute und eine ruhige Runde

 

Am ersten Wochenende im April lädt die Badische Metropole Freiburg zum Marathon. Weil die Freiburger einen Pakt mit Petrus geschlossen haben, ist an diesem Sonntag (egal was vorher und nachher geschieht), immer schönes Wetter. Optimal für Schlachtenbummler und Fans, aber eine Herausforderung für den Läufer. Gerade ist man noch mit langer Hose und Jacke unterwegs und soll nun, allen Ernstes, das kurze Sommeroutfit aus dem Schrank holen? Auch der Körper ist mit so einer Umstellung leicht überfordert. Gut, dass die Veranstalter dies einkalkulieren. Wasser zum Trinken und Kühlen ist immer in ausreichender Menge verfügbar.

Norbert und ich waren bereits  2010 und 2011 hier am Start. Wir wissen, dass eine rechtzeitige Anfahrt von Nöten ist, will man noch einen Parkplatz an der Messe ergattern. Den weitläufigen Hallen und der vorbildlichen Ausschilderungen sei Dank, ist die Startnummernausgabe leicht zu finden. Nach Vorlage der Teilnahmebestätigung bekommt man seine Startnummer und einen Umschlag mit diversen Infos. Der übliche Starterbeutel ist vergriffen.

Der Start erfolgt um 11.15 Uhr auf der Straße direkt hinter den Parkplätzen. Auf der Startnummer ist bereits der Startblock aufgedruckt. Es gibt A für die Schnellen (Marathon bis 3 h, HM bis 1h30), B für die Langsamen (Marathon bis 4h15 und HM bis 2 h) und C für die Genussläufer. Norbert will langsam angehen und stellt sich in meinen Startblock C. Wir sind ziemlich weit hinten. Das Startbanner kann man nur in der Ferne erahnen. Dazwischen stehen dicht gedrängt tausende Menschen. Langsam erfasst mich die Vorstartnervosität. Es ist wie bei Pawlow mit seinen Hunden: wenn die Musik ertönt und der Moderator die Massen anheizt, will ich laufen. Der Start rückt näher.

Aber vorher gibt es das Badnerlie.  Ganz nach dem Motto: „Wir haben nichts gegen die Schwaben, vor allem nichts, was hilft“ wurde für die gepeinigte Badener Seele eine eigene Hymne kreiert. Und die geht so:

Das schönste Land in Deutschlands Gau'n,
Das ist mein Badner Land,
Es ist so herrlich anzuschaun,
Und ruht in Gottes Hand.
Drum grüß' ich dich, mein Badner Land,
Du edle Perl im deutschen Land, deutschen Land,
Frisch auf, frisch auf, frisch auf, frisch auf, mein Badner Land!

Es gibt anscheinend auch  heute noch einige echte Badener, die unter dem Beschluss der Bundesregierung von 1952 leiden, Baden und Württemberg zu "vereinen". Zumindest kann ich einige der Umstehenden mehr oder weniger heimlich beim Mitsingen beobachten.

 

 

Es wird herunter gezählt und das Startsignal ertönt - dann passiert erst mal nichts. Nach ein paar Minuten werden die Läufer des B-Blocks nach vorne gebeten. Auch für uns geht es jetzt ein paar Schritte nach vorne. Nach einer gefühlten  Ewigkeit wird ein kleines Warmup anmoderiert: Hände nach oben usw., das hatten wir bereits vor dem ersten Start. Wir nehmen es mit Humor. Das Signal ertönt, der B-Block startet, wir dürfen weiter nach vorne. Links über den weiten Parkplatz hinweg kann man Läufermassen auf der Straße laufen sehen. Ich will auch, wann geht es endlich los? Nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit wird erneut zum Aufwärmen animiert. Ich bin schon müde, bevor es losgeht.

Dann ertönt auch für uns das ersehnte Startsignal. Nach Passieren des Starttors geht es scharf links und am Publikum vorbei leicht bergauf. Dann laufen wir rechts über die Eisenbahnbrücke und auf der Kaiserstuhlstraße am romantischen Hauptfriedhof entlang. Links, an einer Trommlergruppe vorbei, gleich sind wir in einem Wohngebiet. Hinter km 1 wird die Straße breiter. Der Alte Zollhof liegt direkt in Front. Im rechten Hallenkomplex des stillgelegten Gebäudes ist ein großer Fitnesstempel untergebracht. Beim Vorbeilaufen können wir uns einen Überblick über das reichhaltige Angebot machen.

Es folgt nun eine kleine Begegnungsstrecke. Wir laufen die Eugen-Martin-Straße hinauf, um die Kurve und dann auf der anderen Seite wieder hinunter. Die  Zierkirschen, mit denen der Mittelstreifen reich bepflanzt ist, stehen in weißer Blüte. Norbert ist das Feld zu dicht und zu langsam. Er verabschiedet sich und gibt Gas. Bei km 2 biegen wir rechts auf die breite (B3). Hier gibt es jede Menge Platz und man kann gut sein Tempo laufen. Dann die Zähringerstraße -  zunächst laufen wir noch auf dem Stadtbahngleis, bis diese ihr eigenes Gleisbett bekommt und wir ganz auf die Straße ausweichen können.

Erneut kommen uns Läufer entgegen. Nicht lange, dann dürfen auch wir kehrt machen, auf der anderen Seite der Stadtbahn geht es zurück. Nach ca. 100 m werden wir allerdings schon wieder links weg geleitet. An der Ecke hört man Rockmusik aus einem Gartenlokal, dazu hat sich eine Menge Publikum eingefunden. Das macht auch den Läufern Laune. Auf der schmalen Hinterkirchstraße hält es die Bewohner nicht mehr in ihren Häusern. Mit diversen Lärmutensilien feuern sie die Läufer an. Es geht leicht bergauf und im Tunnel unter der Eisenbahn hindurch. Gerade fährt oben ein Zug, der Lärm ist ohrenbetäubend.

 

 

Die Händelstraße bringt uns zurück Richtung Stadtmitte. Blühende Magnolien und Zierkirschen glänzen weiß und rosa in der Sonne. Überall stehen Schlachtenbummler und spenden der Läufermasse Beifall. Kurz vor km 5 kommt die erste VP. Im Akkord werden Becher aufgefüllt und sofort an die Läufer weitergereicht. Es gibt Wasser und Iso. Auch Bananen sind im Angebot. Angesichts der bereits gestiegenen Temperaturen ist das kühle Nass  sehr begehrt.

Wir kommen an eine kleine Kreuzung und halten uns rechts. Der hohe Glockenturm der Pfarrkirche St. Urban weist uns den Weg. Wir erreichen den Freiburger Stadtteil Herdern. Hier tobt die Menge. Gleich sind wir sind in Neuburg. Weil der Staffelwechsel ansteht, ist hier fast noch mehr los.

Bevor wir auf den breiten Schlossbergring einbiegen, unterqueren wir noch die Schlossbergbahn. Diese Schienenbahn bringt den Erholungssuchenden in 3 Minuten vom Stadtgarten auf den Freiburger Schlossberg. Dort oben errichteten die Herzöge von Zähringen im Jahr 1091 das Burghaldenschloss, von dem leider nur noch Ruinen erhalten blieben. Doch der Aussichtspunkt und die weitläufigen Parkanlagen ziehen trotzdem unvermindert die Besucher an.

Nachdem wir den stressigen Staffelwechsel unfallfrei hinter uns gelassen haben, geht es den vierspurigen Schlossbergring und dann den Schwabentorring entlang. Auf der Gegenspur kommen schon wieder Läufer entgegen. Ich habe keine Ahnung, wie weit sie vor mir sind. Die Wasserstelle ist eigentlich für den Gegenverkehr, aber auf Anfrage wird auch auf unserer Seite ausgeteilt. Hinter km 7 werden wir nach links geleitet. Hier stehen nur insgesamt 2 Fahrspuren für die Läufer hin und zurück zur Verfügung, so dass eine Absperrung in der Mitte der Straße die Spuren teilt. Man geht fast auf Tuchfühlung mit den Entgegenkommenden.

 

 

Ab km 8 haben wir die Straße dann für uns allein. Bei km 9 überqueren wir die Dreisam und laufen weiterhin Flussaufwärts, allerdings nun auf einem schmalen Radweg. Die Abwechslung zur lauten Stadt tut gut. Man fühlt sich in die einsame Natur versetzt. Bei km 10 ertönt laute Musik. Wir verlassen den Fluss. Es gibt wieder einen VP. Bei km 11 gibt eine Percussiongruppe den Takt vor. Hier waren wir schon einmal, vorhin beim Übergang über die Dreisam. Diesmal lassen wir die Brücke rechts liegen und laufen erneut auf dem Radweg ein Stückchen bergab.

Direkt am Fluss entlang geht es weiter. Beim Bürgerverein Oberwiehre-Waldsee spielt eine Band auf einer LKW-Pritsche. Leider können wir uns nicht dem Publikum anschließen und der wirklich guten Rock-Musik lauschen; wir müssen weiter. Eine kleine Brücke bringt uns über die Dreisam, wo die nächste Band die Fans unterhält. Die Stimmung ist super, Gänsehaut garantiert.

 

 

Am gegenüberliegenden Ufer der Dreisam liegt das imposante Gelände der Brauerei Ganter. 1865 gründete der 24jährige Louis (Ludwig) Ganter in Freiburg die Brauerei, die bis heute ein selbständiges, regionales Familienunternehmen geblieben ist. Vom Applaus des Publikums begleitet, kommen wir zurück zur Begegnungsstrecke in der Kartäuserstraße. Was ist denn das? Da hängen Bewohner mit einer langen Angel eine Banane aus dem Fenster. Immer wenn ein Läufer sie schnappen will, wird diese blitzschnell nach oben gezogen. Die Umstehenden haben ihren Spaß und die Läufer nehmen es mit Humor.

Ein Vorgeschmack auf die kommende Runde in die Freiburger Altstadt bietet das beeindruckende Schwabentor, das sich nun vor uns aufbaut. Als wir vorhin auf diesem Begegnungsstück von der anderen Seite kamen, ist es mir gar nicht aufgefallen. Bevor wir das Tor erreichen, werden wir rechts daran vorbei auf die Ringstraße geleitet. Drüben kommen bereits schnelle Marathonis und Staffelläufer entgegen. Bei km 14 verlassen wir den Ring. Fast hätte ich das Freiburger Münster übersehen. Unglaublich, aber wahr. Es liegt etwas nach hinten versetzt rechts und ist eingerüstet. So kann man das faszinierende spätromanisch/gotische Bauwerk mit seinem 116 m hohen Turm nur erahnen.

 

 

Freiburg-Neulingen wird die kleine Rinne rechts an der mit Kopfsteinen gepflasterten Straße auffallen. Vermutlich dienten sie früher als Schmutz-und Brauchwasserkanäle. Positiver Nebeneffekt ist ein wunderbares Kleinklima. Aber aufgepasst, denn eine Legende besagt, wer aus Versehen in ein Bächle tritt, muss eine Freiburgerin, bzw. einen Freiburger heiraten.

Wir biegen in die breite Kaiser-Joseph Straße ein. Als zusätzliches Hindernis neben Bächlein und Kopfsteinpflaster liegen hier auch noch Stadtbahngleise.  Das Publikum steht wieder dicht gedrängt und feuert die Läufer an. Das ist ein Gefühl wie beim Zieleinlauf, einfach großartig. Der Berholdsbrunnen ist architektonisch nicht so mein Fall: zu hoch und zu abstrakt. Das in Laufrichtung stehende Martinstor schon eher. Da kommen wir aber noch nicht hin, denn die Strecke biegt nach links in die Salzstraße ein. Sie war zu Gründerzeiten die wichtigste Handelsstraße des aufstrebenden Fleckens. Hier stand das Salzhaus, in dem das aus Schwaben importierte Salz verkauft wurde.

Am km 15 Schild vorbei gelangen wir in Freiburgs schönste Ecke, genannt Oberlinden. Die alte Linde beim Marienbrunnen ist an die 300 Jahre alt. Das Gasthaus zum roten Bären aus dem 12. Jahrhundert gilt als das älteste Deutschlands. Jedes Jahr Ende Juni zieht der Oberlindenhock auch über die Stadtgrenzen Freiburgs hinaus zahlreiche Besucher an. Drei Tage lang wird hier badisch geschlemmt. Natürlich darf auch musikalische Unterhaltung nicht fehlen.

Wir verlassen den Platz nun durch das bereits erwähnte Schwabentor, nicht ohne das Bildnis des schwäbischen Kaufmanns zu bewundern. Nach einer Erzählung war ein reicher schwäbischer Bauer nach Freiburg gekommen, um die Stadt zu kaufen. Er hatte zu diesem Zwecke zwei Fässer voller Gold mitgebracht und fragte nun: »Was kostet's Städtli?« „Tausendmal mehr als dein Geld, wurde ihm zu seinem Erstaunen erwidert. Als die Fässer geöffnet wurden, kam aber statt Gold nur Sand zum Vorschein. Die Frau des Bauern hatte nämlich den Inhalt ausgetauscht. Das Gelächter kann man sich gut vorstellen.

Jetzt laufen wir Richtung Martinstor. Es ist das ältere der beiden noch verbliebenen Tore. Freiburgs Stadtbefestigung bestand ja ursprünglich aus 4 Toren. Dass eine internationale Fast-Food-Kette seinen Schriftzug am Torbogen anbringen durfte, finde ich bemerkenswert. Wenigstens wurde das Firmenlogos weggelassen.

Wir sind wieder in der Kaiser-Joseph Straße und laufen nun zum Bertholdsbrunnen zurück. Von dort geht es in die Bertholdstraße, wo sich das Uniseum und die Universitätskirche befinden. Das Uniseum der Albert-Ludwigs-Universität ist Museum und Forum in einem. Zu sehen gibt es Forschungsarbeiten und Lehren seit den Anfängen der Universität vor 550 Jahren. Heute studieren an der Albert-Ludwigs-Universität über 23 000 Studenten.  Sie deckt nahezu alle Gebiete der Geistes-, Natur- und angewandten Wissenschaften sowie der Medizin ab.

 

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Informationen: Mein Freiburg Marathon
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