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Laufberichte

Grandi Momenti

18.03.12
Autor: Klaus Duwe

 

Grande Momento

 

Der Höhepunkt des Marathons in Rom kündigt sich ganz unspektakulär an. Die Straßen sind gepflastert oder schlecht asphaltiert, die Häuser meist schmucklose Wohnblocks, ehe man rechts in die Via della Conciliazone einbiegt und das Bild des Petersdoms (km 17) so vor sich hat, wie man es aus dem Fernsehen kennt. „Grande Momento“, stöhnt da der Italiener und nicht wenige wischen sich Tränen aus den Augen. Es ist gigantisch. Der Marathon in Rom ist gelaufen. Jetzt kann nichts mehr passieren. Nichts, was diesen Moment übertrifft. Jede Menge Zuschauer bejubeln die Marathonis, Musik spielt. Keiner wird diesen kurzen Streckenabschnitt jemals vergessen.  Wie muss das beim Marathon am Neujahrstag 2000 gewesen sein? Start war einmalig hier auf dem Petersplatz, Papst Johannes Paul II. erteilte den Läuferinnen und Läufern den Segen.

So kann es ja nicht weiter gehen. Die Strecke wird ruhiger. Irgendwo soll man den Verlauf etwas optimiert haben, eine lang gezogene Steigung nach dem Foro Italia und den Überbleibseln der Olympischen Spiele 1960 soll es nicht mehr geben.

Der Marathon in Rom ist untrennbar mit der Geschichte des Olympischen Marathonlaufes 1960 verbunden. Es ist die Geschichte des jungen Abebe Bikila aus Äthiopien. Er dient bei der Kaiserlichen Leibwache und ist weit davon entfernt, es mit seinem sportlichen Talent und Können zu Ruhm und Ehre zu bringen. Als er an einer Parade zu Ehren der Läufer teilnimmt,  die für ihre Heimat an den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne teilnehmen sollen,  nimmt er sich vor, einer von ihnen zu werden. Bei der nächsten Parade will er auf der anderen Seite stehen.

Sein bis dahin  kaum gefordertes Talent, hartes Training und ein unbeugsamer Wille  machen es möglich:  Abebe Bikila qualifiziert sich und wird in letzter Minute für die Olympischen Spiele 1960 in Rom nominiert. Sein Traum erfüllt sich, ist aber noch lange nicht zu Ende.

Abebe Bikila ist arm. Geld kann man mit Laufen noch kaum verdienen, außerdem ist das Olympia-Teilnehmern ja sowieso verboten. Laufschuhe sind für ihn Luxus. Sein einziges Paar ist so verschließen, dass sie einen Marathon wohl kaum überstehen würden.  Bestimmt würde ihm irgendein Ausrüster ein Paar Schuhe zur Verfügung stellen. Aber er will in neuen, ungewohnten Schuhen nichts riskieren und läuft so, wie er meistens tut: barfuß.

Es ist der 10. September 1960. Mit der Startnummer 11 rennt Abebe Bikila auf der Via San Gregorio als Marathon-Olympiasieger barfuß über die Ziellinie. Die Bilder gehen um die Welt. 2:15:16 Stunden – Weltrekord. Erster Olympiasieg für Äthiopien. Mehr noch: erste Olympische Goldmedaille für Afrika. Die Spiele haben ihren Helden. Und den vergessen die Römer bis heute nicht. Die Startnummer 11 wird niemals an einen Läufer vergeben. Sie gehört für immer Abebe Bikila.

Wie immer werden auch noch über 50 Jahre nach diesem legendären Lauf  viele Läuferinnen und Läufer den letzten Streckenabschnitt um das Kolosseum bis ins Ziel barfuß laufen, um sich so vor dem großartigen Sportler und Menschen Abebe Bikila zu verneigen.

 

Rom feiert Marathon

 

Genau dann, wenn der Marathon so richtig schwer wird, auf den letzten 10 Kilometern also, erlebt man die Italiener, wie man sie kennt: Laut und temperamentvoll und das tausendfach. Und es sind durchaus nicht nur Touris und Shopper, die die Straßen bevölkern. Noch nie habe ich mehr Zuschauer in Rom erlebt und noch nie eine solche Stimmung wie heute. Auf der Piazza Navona geht es los. Wie man noch heute an den Umrissen und der Anordnung der Paläste und Kirchen erkennen kann, war auch hier einmal eine Arena. Der Platz um den Vierflüßebrunnen von Bernini ist das ganze Jahr über Treffpunkt von Jung und Alt. Unzählige Maler stellen ihre Bilder aus, Musiker und Akrobaten zeigen ihre Kunst. Und in den Cafés und Bars genießt man den Espresso und das beste Eis Italiens. Viele Szenen des legendären Films „La Dolce Vita“ wurden hier gedreht. Italien wie im Bilderbuch.

Jetzt läuft man auf die Piazza Venezia zu und blickt auf eine unübersehbare Menschenmenge.  Ein 5 Kilometer langes Schaulaufen steht auf dem Programm, ehe man einen Steinwurf weiter wieder auf die Piazza kommt, um die letzten ca. 3 km in Angriff zu nehmen.

Zunächst geht es schnurgerade auf der Via del Corso, einer der großen Einkaufsstraßen Roms, in Richtung der Piazza dei Popolo mit dem riesigen Obelisken, den Kaiser Augustus von  Ägypten nach Rom schaffen ließ. Ursprünglich hatte er seinen Platz im Circus Maximus. Dann die Spanische Treppe, so genannt wegen der Spanischen Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl, die sich seit dem 17. Jahrhundert gleich gegenüber befindet. Auf den 135 Stufen sitzen Touris, Fans und eine Blaskapelle wie auf einer Tribüne. An der 1854 errichteten Mariensäule vorbei geht es in eine schmale, schattige Gasse, die direkt zum Trevibrunnen, Roms berühmtesten und größten Brunnen, führt. Auch hier sorgen viele Zuschauer und Passanten für eine tolle Atmosphäre und für eine manchmal beängstigende Enge.

Dann ist die Piazza Venezia mit dem Palazzo wieder in Sicht. Die Steigungen  der gepflasterten Straße nimmt man nun doch deutlich wahr, allerdings auch das dazwischen liegende Gefälle. Das deutlich ausgedünnte Läuferfeld erlaubt nun schon eher einen Blick auf den Circo Massimo. Aber wie schon gesagt, viel zu sehen gibt es nicht. Die letzte Verpflegungsstelle wird noch einmal ausgiebig genutzt, denn gleich werden die letzten Kräfte gefordert. Die Straße entlang des Foro Romano in Richtung Kolosseum lief Abebe Bikila 1960  in der Gewissheit, das Rennen zu gewinnen. Beim Konstantinbogen war er am Ziel seiner Träume.

Die Straße um das Kolosseum steigt zunächst noch an. Viele Läuferinnen und Läufer gehen. Der letzte Handbiker bleibt auf der Steigung stehen. Läufer wollen helfen. „No, no, no“, protestiert er. Am Streckenrand atmet er durch. Dann unternimmt er einen erneuten Anlauf. Er schafft es. Gleich geht es abwärts.  Keiner zeigt mehr Schwäche.

Der Lauf endet, wie er beginnt. Mit Gänsehaut, Jubel, Freudentränen. Grandi Momenti.

 

Sieger

 

Männer

1 KANDA LUKA LOKOBE  KENYA  02:08:04
2 BARMAO SAMSON K.   KENYA  02:08:52
3 TSEGA DEMSSEW ABEBE ETHIOPIA 02:10:47

Frauen

1 KIMUTAI HELLEN JEMAIYO  KENYA 02:31:11
2 BEKELE ASHETE D.  ETHIOPIA  02:31:23
3 KOVALYOVA MARINA  RUSSIA    02:31:53


12676 Finisher

12
 
 

Informationen: Maratona di Roma
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