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Laufberichte

Immer beliebter

 

Am Bodensee bin ich zu Hause. Nun denkt aber bitte nicht, der Schmidt hat Kohle, der hat eine Villa am Schwabenmeer. Nein, ich meine das marathonmäßig. Zum fünften Mal bin ich beim 3-Länder-Marathon am Start. Das ist schon was, denn dieser Lauf findet erst zum achten Male statt.

Schon am Samstag hole ich in der Inselhalle Lindau die Startunterlagen. Und bin gleich enttäuscht. Die Dame an der Ausgabe will meinen Personalausweis sehen, da ich die Anmeldebestätigung nicht dabei habe. Eh, die muss mich doch kennen, wo ich schon so oft dabei war! Aber für fünf Teilnahmen bekommt man hier keinen Blumenstrauß, da ist man nur einer von vielen. Falls ihr es noch nicht wissen solltet, der 3-Länder-Marathon ist nicht nur beliebt - er wird von Jahr zu Jahr beliebter!

Bei der Umfrage von „Marathon4You“ nach dem beliebtesten Marathon im deutschsprachigen Raum belegte er 2013 den 15. Platz, in Österreich den zweiten. Ja, auch wenn er in Lindau startet, der 3-Länder-Marathon ist ein österreichischer Marathon.  

Marathonmesse und Ausgabe der Startunterlagen, alles ist sehr übersichtlich gestaltet. Eine kleine Broschüre liegt aus, ein Marathon-Guide für die Veranstaltung. Wer den gelesen und dann immer noch Fragen hat, dem ist nicht mehr zu helfen. Informationen zum Gesundheitssymposium, zum Schiffs- und Bahntransfer zwischen Bregenz und Lindau und zurück, zum Kleidertransport, zur Streckenverpflegung, ein Streckenplan - alles ist aufgeführt.

Auch die Pastaparty. So dauert es nicht lange und schon bin ich auf dem Weg zum Hafen. Dort findet sie statt, auf einem Fahrgastschiff, der MS „Vorarlberg“. 6,50 Euro muss man hinblättern, das ist allerhand. Aber nicht erschrecken, zahlen müssen nur Nichtläufer. Finde ich richtig, wer nicht läuft, muss bestraft werden…

Ich verschlinge zwei große Portionen Spirelli. Womit sich die Frage erübrigt, ob es geschmeckt hat. Am Tisch neben mir sitzt der Sieger des morgigen Marathons. Woher ich das weiß? Na da sitzen die Kenianer und stochern bedächtig in Ihren Nudeln. Sie essen viel weniger als ich. Wahrscheinlich habe ich deshalb noch keinen Marathon gewonnen.

Es folgt ein Verdauungsspaziergang. Aber auch wer bei den Nudeln nicht so wie ich zugelangt hat, sollte sich für die malerische Insel Lindau etwas Zeit nehmen. Es gibt viel zu sehen. Den Hafen, viele historische Gebäude, die alte Stadtmauer, das Stadttheater. Wem es danach ist – eine Spielbank gibt es auch. Und nur mal so unter uns: Versteckt hinter dem Bahnhof findet ihr die Bodenseeklinik des ästhetischen Chirurgen Werner Mang… Man macht wirklich nichts falsch, wenn man den Samstag einfach mal für einen Inselausflug einplant.

Dann ist er endlich da, der Sonntag. Reichlich zwei Stunden vor dem Start sind wir in Lindau. Eine frühzeitige Anreise empfiehlt sich, denn es sind fast 6000 Läufer, die auf die Insel drängen. Wenn ich „wir“ schreibe, heißt das, meine Tochter Yvette ist wieder mit dabei.

An der Inselhalle treffen wir auf eine lustige Läufergruppe. Die muss ich natürlich fotografieren und stelle dabei fest, es gibt Leute, die haben eine weitere Anreise als wir. Die kommen doch wirklich aus Südafrika!

Ich habe mal wieder etwas vergessen – mein Getränk. „Ausgetrocknet“ an den Start gehen, das könnte zum Problem werden. Aber nicht in Lindau. In der Fußgängerzone finden wir einen Wasserspender und am Start wird Tee gereicht.

Der Start am Hafen ist wunderschön gelegen. „The Monroes“ spielen. Ich kenne die nicht, weiß nicht mal, ob ich den Namen richtig geschrieben habe. Aber eins weiß ich: Mit ihrer Musik aus Elvis Presleys Zeiten sorgen sie für eine tolle Stimmung. Unterstützt vom Wetter.

Der Start, der um 11.15 Uhr erfolgt, ist so eine Mischung aus Berlin-Marathon und Rennsteiglauf. Wie in Berlin wird in Blöcken gestartet, wie am Rennsteig der Hubschrauber bejubelt. Das war es dann aber auch schon fast mit den Gemeinsamkeiten. Hier laufen wir weder durch ein Regierungsviertel noch durch Tannenwälder. Hier steht der Bodensee im Mittelpunkt. Und nicht zu vergessen: Hier laufen wir durch drei Länder – welcher Marathon hat das zu bieten?

Yvette verlässt mich. Oder anders ausgedrückt: Sie entlässt sich heute, nachdem wir sieben Marathons mehr oder weniger nebeneinander gelaufen sind,  in die läuferische Selbstständigkeit. Sie meint, langsam kannst du mich mal – mit deiner nervenden Fotografiererei…

Wenige hundert Meter sind wir gelaufen, da schieße ich auch schon das erste Bild. Dazu laufe ich auf eine Erhöhung hinter der Stadtmauer, wo sich viele Zuschauer befinden. Der Blick auf das unter mir vorbeiziehende Läuferfeld ist beeindruckend. Ich mache einige Bilder. Bis der neben mir stehende Zuschauer sagt. „Sie haben wohl schon aufgegeben?“

Nach reichlich einem Kilometer verlassen wir die Insel. Wie schon erwähnt, groß ist sie nicht, die zweitgrößte Insel im Bodensee. Wir verlassen sie über eine Brücke, auf der sich darauf befindlichen zweispurigen Straße teilt sich das Läuferfeld, getrennt durch Werbebanner. Links und rechts der Bodensee. Das ist so ein Streckenabschnitt, bei dem man sich nicht mehr fragt, warum man sich die Qualen eines Marathons antut. Vor allem nicht, wenn so ein Abschnitt noch vor Kilometer zwei liegt…

Links die Bahnlinie, rechts der Bodensee, so zieht die Läuferschar Richtung Österreich. Am Anfang ist beides noch von Bäumen und Gärten verdeckt, aber immer öfter haben wir das Schwabenmeer in seiner vollen Schönheit im Blick. Naja, etwas Nebel gibt es auch.

Man muss nicht wissen, dass sich bei Kilometer 5 die erste Getränkestelle befindet und wir kurz danach in Österreich einlaufen. Wenn man es nicht weiß, hat man den Marathon-Guide nicht gelesen. Merken tut man es nicht. Ist schon eine schöne Sache, die EU.

Immer am Bodensee entlang erreichen wir Bregenz, passieren den Hafen und dann kommt das, auf was ich mich immer am meisten freue: Auf die Seebühne, die größte der Welt. In diesem Jahr mit dem aktuellen Bühnenbild der „Zauberflöte“. Denkste! Abgebaut haben die das Ding, was mich ärgert, aber auch heißt: Nächstes Jahr gibt es ein Neues!

Wir erreichen das Casino-Stadion Bregenz, unser Ziel. Auf die mit uns gestarteten Viertelmarathonis trifft das 100prozentig zu, die stürmen ins Stadion. Halbmarathonis und Marathonläufer werden am Stadion vorbeigeleitet. Die „Halben“ haben noch etwa 10 Kilometer vor sich. Und wir – ich denke lieber gar nicht darüber nach…

Yvette sehe ich schon lange nicht mehr, aber ich habe inzwischen eine neue Partnerin gefunden. Die weiß das nur noch nicht. Sie läuft in etwa mein Tempo, gleichmäßig, wie ein Uhrwerk. Wenn ich fotografiere ist sie weg, dann laufe ich wieder ran, aber irgendwo fotografiere ich wieder. Das wiederholt sich immer, immer wieder. Hoffentlich denkt die nicht, ich mache Intervalltraining. Fragen kann ich sie nicht, sie trägt Kopfhörer…

Sie ist Kenianerin. Das bilde ich mir einfach mal ein, weil die Hautfarbe stimmen würde. Und weil es gut für das Selbstbewusstsein ist, ab und an mal eine Kenianerin zu überholen. Wenn es für einen Kenianer schon nicht reicht.

Wir laufen durch Wälder, über Wiesen. Aber auch immer wieder taucht der Bodensee auf. Es ist ein Lauf für die Seele. Über meine Eindrücke könnte ich ein Lied schreiben. So etwa: Die Sonne sendet ihre Strahlen, bis auf des tiefen Teiches Grund. Die Fische fangen an zu schwitzen, liebe Sonne, treib es nicht zu toll… Hat aber leider schon ein anderer geschrieben. Ihr kennt es bestimmt, das Lied von der Fischerin am Bodensee. Ob die Fische schwitzen weiß ich nicht, aber mir läuft die Brühe – die Sonne treibt es toll.

Etwa bei Kilometer 17 bekomme ich Gegenverkehr. Einer meiner gestrigen kenianischen Tischnachbarn der Pastaparty kommt mir entgegen. Der hat vielleicht einen Zahn drauf! Der ist fast bei Kilometer 35! Motivierend wirkt so etwas nicht.

Hard haben wir hinter uns, überqueren den Rhein, erreichen Fußach und Höchst – und endlich die Schweiz. Auch hier will keiner unseren Pass sehen. Dass man in der Schweiz ist, merkt man eigentlich nur daran, dass die Leute an der Strecke „hopp, hopp, hopp“ rufen. Mir hilft das wirklich.

Ich kenne das schweizerische St. Magrethen schon aus den Vorjahren als eine der Stimmungshochburgen dieses Laufes. Heute ist das nicht anders. Ich erkenne auch beim Einmünden in eine Straße, dass es nun gleich die Leckerlis gibt. Ich liebe Trockenfrüchte. Und da stehen sie auch schon, die Helfer mit ihren Körbchen. Es ist schön, wenn man sich auskennt.

Überraschungen schließt das nicht aus. Und so eine erlebe ich, als ich noch an meinen Trockenfrüchte kaue. Mir kommt ein Mann mit einem Schäferhund entgegen, den führt er an einer langen Leine. Er (der Hund)  pinkelt in aller Ruhe ein Auto an. Für den Läufer vor mir interessiert er sich nicht. Was schlussfolgert da der erfahrene Läufer? Genau, wenn der Hund sich so verhält, besteht keine Gefahr. Ich  denke mir, ein schöner Hund. Der Hund denkt wahrscheinlich, ein schöner Läufer und verliert sein Interesse an dem Auto. Bevor ich überhaupt begreife was passiert, stürzt er auch mich zu, spüre ich ihn am Oberschenkel, dann noch etwas darüber. Als ich wieder klar denken kann, wird mir klar – das war verdammt knapp…

Warum ich und nicht der Läufer vor mir? Meine Frau hat mir das Verhalten des Hundes später erklärt. Es kann an meiner Haltung gelegen haben, sagt sie. Da könnte sie Recht haben, die ist wirklich mies. Es könnte aber auch das Stirnband gewesen sein. Sollte das dem Hund nicht gefallen haben? Oder, sagt sie dann, es lag am Geruch. Vielleicht habe ich gestunken? Garantiert, nach über 20 Kilometern! Ich glaube meine Frau versteht was von Hunden.

Irgendwo haben wir dann die Schweiz verlassen. Ich habe es gar nicht gemerkt, es wird mir erst bewusst, als ich schon das Ortsausgangsschild des österreichischen Höchst vor mir sehe. Da bin ich aber schon auf dem Radweg am Rheindeich unterwegs. Reichlich drei Kilometer führt er gerade aus. In den Vorjahren habe ich dieses Stück manchmal verflucht, weil es kein Ende nehmen will. Manchmal habe ich es aber auch weggesteckt wie nichts. Kein Marathon ist wie der andere.

Dieses Jahr habe ich wieder zu kämpfen, obwohl man Schilder mit lustigen Sprüchen am Radweg aufgestellt hat. Wie: „Lächle, du hast dafür bezahlt“. Ich will nicht mehr lächeln! Und obwohl ich immer noch mit „hopp, hopp, hopp“ angefeuert werde – ich will auch nicht mehr hoppeln. Yvette erzählt mir später, sie haben die Sprüche beflügelt.

Über die gleiche Rheinbrücke wie auf dem Weg Richtung Schweiz sind wir jetzt Richtung Ziel unterwegs. Es sind aber noch reichlich 10 Kilometer. Ein Stück am Rhein entlang, durch kleine Wälder, durch Auen. Durch Hard. Und nach über 40 Kilometern, wenn man eigentlich nur noch ins Ziel will - das ehrwürdige Kloster Mehrerau. Ein wirklicher Höhepunkt!

Vom Kloster aus sind es noch 1800 Meter bis zur Ziellinie. Ich bin nicht der einzige, der Gehpausen braucht. Aber die Nähe des Casinostadions setzt letzte Kräfte frei, denn gleich kommt das, was das schönste am Marathon ist – die Medaille danach.

Yvette hat ihre schon, als ich die Ziellinie passiere. 15 Minuten hat sie mir abgenommen, damit ist sie noch unter fünf Stunden geblieben. Am Bierstand treffe ich auch meine Kenianerin wieder. Kurz nach mir ist sie über die Ziellinie gehuscht. Was nichts anderes heißt als: Ich habe eine Kenianerin geschlagen! Nun spricht sie mich an. Das bringt ihr aber nicht viel, ich verstehe sie nicht. Nur gut, für ein Foto braucht man keine Worte.

Noch etwas ganz unter uns. Wie ich aus der Ergebnisliste erfahre,  ist meine Kenianerin gar keine Kenianerin. Nein, es ist Blessing Omakwu aus den USA. Auch nicht schlimm. So seht ihr wenigstens, wie international dieser Lauf ist. Läufer aus 63 Ländern stehen in der Startliste!  Auch ihr solltet euch für nächstes Jahr anmelden.

 

 

Siegerliste Marathon

 

Männer

1 Ngare, Francis Maina (KEN)  run2gether 02:11:42
2 Kiprono Brett, Richard (KEN)  run2gether 02:12:31
3 Kipkorir, Edwin (KEN)     02:21:32

Frauen

1 Urach, Sandra (AUT) Im Wald läuft's 02:50:38
2 Haderlein, Sandra (GER) SC Kemmern 02:53:37
3 Brandl, Sonja (GER) DJK Fürsteneck 03:02:51

1090 Finisher

 

Informationen: Sparkasse 3-Länder-Marathon
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