... da laufe ich gerne ein paar Meter mehr
Heute geht’s ins tiefste „schwäbische“ Land, genauer gesagt nach Immenstadt im Allgäu. Der 18. Illermarathon steht an. Und der ist für mich als Vielläufer eine Premiere - da war ich noch nicht.
Wo ist denn eigentlich die Stadt im Kreis Oberallgäu? Die Autobahn 7, die von ganz oben nach ganz unten führt, kennt ja wohl jeder. Kempten ist fast am untersten Ende des Asphaltbandes und von da sind es keine 20 Kilometer (B19 Richtung Oberstdorf) mehr nach Immenstadt. Selbst mit der Bahn ist die Stadt gut zu erreichen. So gibt es einzelne IC-Züge Richtung Norden sowie mehrmals täglich den ALEX nach München, der frühere Allgäu-Express. Jetzt heißt diese Verbindung Arriva-Länderbahn-Express.
Der Illermarathon ist für Läufer, die es lieber familiär und ruhiger im Wettkampf haben. So werden wohl uns keine Zuschauermassen anfeuern, stattdessen dürfen wir uns an der Natur und Landschaft erfreuen. Leider hat der Wetterbericht für den Laufsonntag keine günstige Prognose parat. So soll es eher kühl und regnerisch werden.
Informationen: Iller Marathon
Was gibt es denn zum Lauf zu erwähnen? Wettbewerbe sind ausgeschrieben für die Marathonliebhaber, es gibt einen Halben als Lauf und als Nordic Walk, für beide Gruppierungen auch noch einen 10er. Die Anmeldung ist einfach Online zu bewerkstelligen oder aber herkömmlich mit Fax und Brief. Bei zeitiger Meldung beginnen die Preise bei 18 EUR bzw. bei 8 EUR und steigen als Nachmeldung bis 30 EUR bzw. 10 EUR (jeweils bei Marathon bzw. 10 Kilometer).
Dafür erhalten wir nicht nur einen schönen Landschaftslauf, sondern auch Medaille, Urkunde (als pdf) und T-Shirt für alle. Die Besten der Klassen erhalten Pokale und Medaillen. Eine Tombola sowie eine Nudelparty am Vortag runden das ganze ab. Im Auwald-Stadion finden wir Start und Ziel, einfach gesagt, funktionell. In der Stadt finden wir bereits Hinweise und Schilder auf den Marathon.
Am Vortag reise ich an, leider alleine, denn Michi muss kurzfristig arbeiten und kann so nicht um den Sieg kämpfen. Vor drei Jahren war er bereits hier und hat den Marathon in 2.43.58 Stunden gewonnen. Ich erreiche Immenstadt gegen 18.00 Uhr, es hat merklich abgekühlt. Gerade mal 12 Grad Außentemperatur und keine Sicht auf die umliegenden Berge. Die Nudeln werden mit einer guten Fleischsauce ausgegeben und es gibt sogar noch ein Getränk zum Nulltarif dazu. Die Startunterlagen sind zweckmäßig zusammengestellt. So finden wir in der Tüte Startnummer, eine Laufzeitung und ein gelbes T-Shirt. „Prüfe die Startnummer und den Chip, die müssen nummernmäßig zusammenpassen“, gibt man mir noch als Ratschlag mit.
Am nächsten Morgen ist es eine gute Stunde vor dem Start noch verhältnismäßig ruhig. So kann ich in Ruhe eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen als Frühstück verdrücken. Als ich das Foyer verlasse, sehe ich bereits Manfred Luginger, den Polizisten im Ruhestand, beim Dehnen. Vor drei Wochen war er noch auf Rügen beim dortigen Rügenbrückenmarathon. Heute will er, soweit die Wade hält, wieder die 3.30 Stunden unterbieten.
Gegen 08.00 Uhr mache ich mich auf zum Start. Zahlreiche Läufer stehen schon bereit. Der Moderator informiert uns, dass sich jeder registrieren lassen muss. Das dauert für die fast 300 Marathonis und Halben entsprechend lange. Der Start wird dann halt einfach ein paar Minuten nach hinten verschoben.
Vorgestellt wird noch der Schlussläufer, der einen Rucksack umgeschnallt hat, wohl mit allerlei Ausstattungsgegenständen, vom Zuckerbrot bis zur Peitsche. “Hinter dem isch koiner mehr, nur no da Besawaga, “ so der Moderator.
Dann erfolgt kurz nach 08.15 Uhr völlig unspektakulär der Start. Keine Pistole, kein großartiges Herunterzählen oder ähnlicher Schnickschnack, ein gesprochenes „Los“ irritiert eher die schnellen Hirsche, erst auf ein „Los geht’s“ beginnen wir mit unseren Tageswerk.
Zwei Runden auf der Tartanbahn als Beginn. Da ich mehrmals mit der Kamera herumhantiere, finde ich mich schon in Griffweite zum Schlussläufer. Die Bewölkung hat sich mittlerweile fast ganz aufgelöst. Es scheint ein schöner Tag zu werden, auch wenn die Wettervorhersage nicht positiv war.
Vom Stadion laufen wir in die Innenstadt von Immenstadt, das gut 14000 Einwohner hat. Um 1255 wurde der Ort erstmals als Ymmendorff erwähnt. Bereits 1360 verlieh Kaiser Karl IV das Stadtrecht. Im 19. Jahrhundert waren für einige Jahre die Österreicher am Kommandieren. Heute ist die Stadt auf den Tourismus ausgerichtet.
In der Innenstadt sehe ich bereits eine Fahne des amtierenden Fussballweltmeisters, die hat wohl ein Pizzabäcker angebracht. An einem Kreisverkehr liegt rechterhand die Stadtpfarrkirche St. Nikolaus. Das Gotteshaus dürfte aus dem 12. Jahrhundert stammen und ist heute der größte Sakralbau des oberen Allgäus. Nur wenige Interessierte stehen am Rand und schauen uns zu. Die Strecke ist aber mustergültig markiert und abgesperrt. Zahlreiche Helfer, auch einzelne Feuerwehrmänner und Polizisten, sind in die Streckensicherung eingebunden.
Sehr schnell verlassen wir die Stadt. Leicht wellig führt uns nun der Weg an den Kleinen Alpsee. Jetzt erkenne ich, dass jeder Kilometer an den viereckigen gelben Markierungstafeln angegeben ist. Das Seebad am Kleinen Alpsee würde zum Wassersport einladen, nur, dafür ist es wohl jetzt mit knapp 15 Grad zu schattig.
Wir rennen nun auf dem Trieblingser Weg, für uns wird heute hier abgesperrt. Leicht wellig laufen wir an den Großen Alpsee heran. Der ist gut drei Kilometer lang und wird gespeist von der Konstanzer Ache. Durch die vorherrschenden westlichen Winde ist das Gewässer ein gutes Revier für Segler und Surfer.
Weiter an diesem Rad- und Wanderweg laufen wir durch Wiesen und Weiden. Einzelne Bauernhäuser sind schön herausgeputzt, denn die Sommersaison hat bereits begonnen. An den Getränkestellen wird Wasser und Iso angeboten. So alle vier Kilometer können wir unsere Speicher auffüllen.
Damit wir wieder auch was lernen: Als Alpen bezeichnet man im Allgäu die Viehhütten, wo die Sennerinnen und Senner den Sommer mit dem Vieh verbringen. In Oberbayern und Tirol sagt man auf Hochdeutsch Alm, im O-Ton Süd is des a Oim.
Unser Weg führt jetzt durch die Weiler Alpseewies und Trieblings, rechterhand ist eine Kapelle zu sehen, die dem „Waschtl“ (St. Sebastian) geweiht ist. Mittlerweile ist links von uns die Bahnlinie nach Oberstaufen und Lindau. Mehrmals kommen Züge angebraust. Dann wird das Geschäft lebhafter. Unsere Strecke wird etwas schmaler, dafür kommen bereits die Halbmarathonis mit einem Karacho entgegen.
Der ehemalige Bahnhof Ratholz hat schon bessere Zeiten gesehen, denn die ersten zwei Buchstaben sind davon geflogen oder heruntergefallen, „..tholz“ steht noch da und halten werden die Züge heute auch nicht mehr. Ich schaue immer wieder auf meine Uhr. Für eine Zeit unter 3.30 Stunden habe ich bisher ein paar Minuten liegengelassen. Das ist mir jetzt egal, ich will heute nur genießen und kann ja nach der Wende etwas Gas geben. Die ist jetzt nicht mehr weit weg, denn immer mehr Athleten kommen entgegen, darunter auch Manfred Luginger.
Die Wende kommt dann schnell, wir erhalten als Nachweis ein schwarzes Band, das ich mir um den Hals hänge. Die Halbmarathonis werden mit einem roten Bändel ausgestattet. Zurück. Am folgenden Bauernhof stehen vier Kinder, wohl gerade eingeschult oder noch im Kindergarten, sie sind eifrig und interessiert und wollen jeden Läufer abklatschen. An der nächsten V-Stelle sind weitere Kinder beschäftigt mit Becher einsammeln oder Getränke ausgeben. Ich muss grinsen, als ich die Kinder in den viel zu großen T-Shirts sehe. Die erwachsenen Helfer lachen, als ich für einen Fotoschuss stehen bleibe. Ja, so viel Zeit muss schon sein.
Ich lasse es jetzt rollen und kann auf einen Seniorenläufer auflaufen, der anhand der roten Markierung auf der Startnummer als Teilnehmer des Halbmarathons zu erkennen ist. Es geht wieder an beiden Seen vorbei. Bei einer Kilometermarkierung prüfe ich wieder meine Zeit. Irgendetwas scheint nicht zu stimmen. Ich bin nun über zehn Minuten dem 3.30-Stunden-Fahrplan hinterher. Ich kann aber nicht ergründen, an was es liegt. Ich hab doch das Tempo gesteigert. Wurscht und weiter.
An der Immenstädter Feuerwehr sperren Feuerwehrler den Verkehr für uns ab. Ich sehe einen Maibaum, der für meine Kamera zu groß ist. Wir durchlaufen die Stadt jetzt auf einer anderen Route und befinden uns plötzlich wieder im Sportzentrum. An einer Mülltonne als Trennungspunkt müssen die Marathonis links laufen und für die Halben ist rechts das Ziel. Ein Läufer vor mir hat die Schnauze voll. Auf ein „Links“ der Helferin entgegnet er: „Ich hab genug für heute.“
Wir durchlaufen das Stadion und verlassen dieses nach einer halben Runde wieder in den Auwald an der Iller. Kilometerschild 22 folgt auf dem gesplitteten Dammweg. Es ist sehr ruhig geworden. Jetzt laufen wir am linken Illerufer, den Fluss meist im Blickfeld. Rainer Hrach und Helmut Gerer lachen und heben die Hand, als ich beide ablichte.
Mittlerweile sind wir im Gemeindegebiet von Blaichach angekommen. Darauf weist die Bebauung hin, die mitunter bis zum Damm heranreicht. Blaichach ist eine Gemeinde mit 6000 Einwohnern. Bosch produziert hier mit vielen Mitarbeitern. Bis hierher ist die Strecke der Zehnkilometer-Läufer ausgeschildert, diese biegt dann scharf nach rechts ab.
Ich blicke nach Westen Richtung der Hörnergruppe. Ja, hier ging es letztes Jahr im August beim Allgäu-Panoramamarathon in die Berge. Auch eine Veranstaltung, die familiär durchgeführt wird und die ich ohne Einschränkung weiterempfehlen will. Gleiches gilt auch für die Wettbewerbe in Oberstaufen, Füssen und Kempten. Und natürlich für den Gebirgsmarathon über die ganze Hörnergruppe im August in Immenstadt. Schaut einfach mal in den Marathonkalender.
Ich merke, dass ich mein Tempo halten kann - oder hab ich sogar gesteigert? Denn immer wieder kann ich einzelne Läufer ein- und überholen. Ich wechsele mit Manne Luginger ein paar Worte. Er berichtet mir, dass die erste Wende 800 Meter zu weit draußen platziert war. Wir haben etwa 1600 Meter mehr zu laufen. Aha, das ist also der Grund, dass die Zeiten, nicht nur bei mir, nicht gestimmt haben. Manne hat für die betreffenden „zwei“ Kilometer statt 10 Minuten 16 Minuten gebraucht. Ja, dann wird’s heute richtig günstig. Für das Marathonstartgeld einen Ultralauf zu bekommen, ist doch ein richtiges Schnäppchen, oder eher ein Schätzchen?
Rechts ist der Sonthofener See, nur einzelne Angler und Besucher sind zu sehen. Wir sind jetzt bereits in Sonthofen. Die Ordensburg, die von der Bundeswehr genutzt wird, dominiert von unserem Stadtpunkt aus die Stadt mit 21000 Einwohnern. Nicht mehr weit muss es sein bis zum zweiten Wendepunkt. Ein Auto steht dann mitten auf dem Damm, zwei Helfer weisen uns in die Flussaue. „Da, bei dem Schild herumlaufa“, so kommandiert man mich in die Pampa. „Und wenn ich nicht will?“ „Dann wirscht uffgschrieba!“ Es geht zurück.
An den V-Stellen werden mittlerweile auch Cola und Bananen angeboten, aber kein Freibier. Nur wenige Spaziergänger und Radfahrer sind unterwegs. Später kommt ein ziemlich ruppiges Wegstück. Das jüngste Hochwasser hat hier den Untergrund arg ramponiert. Bei Kilometerschild 40 ist das Ärgste geschafft, dafür kommen ein paar Höhenmeter auf eine Dammkrone. Ich nehme das Tempo zurück, denn nach vorne sehe ich keinen Gegner mehr und meinen Verfolger kann ich jetzt gut kontrollieren.
In der Iller sind einige Raftingboote unterwegs. Die Jugendlichen haben mehr Spaß, einander nass zu machen als vorwärts zu kommen. Wo ist Kilometer 41? Das habe ich übersehen, als ich von einem Helfer auf eine Brücke über die Iller gewunken werde. Noch 500 Meter, vernehme ich. Wir belaufen noch ein kurzes Stück auf dem Königsee-/Bodensee-Radweg, bevor wir an das Sportzentrum heranlaufen. Auf einem Nebenplatz wird in einem Fußballpflichtspiel mit dem Schiedsrichter debattiert. Der zieht dann eine gelbe Karte für den Wortführer heraus.
Am Eingang zum Stadion werden wir fotografiert. Der Moderator hat keine Probleme, für jeden eine Ansprache zu finden. „Der hat immer noch seine Kamera in der Hand“, so werde ich angekündigt. Im Stadion gibt es reichlich Getränke (Iso, Wasser und Zitronentee). Obst ist keines mehr da, das haben wohl die „gefräßigen“ Halbmarathonis verputzt.
Nach einer kurzen Regeneration gehe ich nochmals zurück auf die Strecke, um noch einige Bilder zu bekommen. Bei der Siegerehrung, die pünktlich beginnt, werden die Klassenersten mit Pokalen und Medaillen geehrt. Mit Müh und Not kann ich noch das allerletzte Kuchenstückchen schnappen.
In der Ergebnisliste sehe ich dann bei mir eine 3.32.33 Stunden. Wenn die erste Wende richtig gestanden hätte, dann wäre das wieder ein klarer Lauf unter 3.30 Stunden gewesen. Aber wo halt Menschen arbeiten, passieren Fehler. Das nächste Mal steht der Posten richtig, davon bin ich überzeugt. „Hans-Peter Refle, nimm den Lapsus nicht tragisch“, das lasse ich den Big Boss des Immenstadt-Marathons nach der Siegerehrung wissen. Der eingeschlagene Weg ist richtig.
Sieger:
Männer:
1. Thomas Geisenberger, 2xK Der Laufladen Axel Reusch, 2.47.02;
2. Bernhard Munz, Dietmannsried, 2.56.14;
3. Manuel Heller, Sonthofen, 2.59.28.
Frauen:
1. Simone Wagner, Lindenberg, 3.47.37;
2. Miriam Wegmann, Eglfing, 3.59.59;
3. Sabine Killisperger, Bad Wörishofen, 4.04.09.
Streckenbeschreibung:
Landschaftsmarathon. Erste Hälfte in das Konstanzer Tal durch Immenstadt und an der Kleinen und Großen Alpsee als Wendepunktstrecke, fast ausschließlich asphaltiert. Zweite Hälfte links und rechts der Iller Richtung Sonthofen, flacher, Wege meist befestigt.
Rahmenprogramm:
Preiswerte Verpflegung bei der Siegerehrung. Nudelparty am Vortag. Tombola.
Auszeichnung:
Medaille, Baumwollshirt (bereits bei den Startunterlagen), Urkunde übers Internet. Pokale/Medaillen für die Klassensieger.
Logistik:
Zahlreiche Parkplätze am Sportzentrum.
Verpflegung:
Zahlreiche Versorgungsstellen mit Wasser, Iso, später auch Cola und Bananen. Alle vier Kilometer.
Finisher:
Marathon 90, Halbmarathon 159. Insgesamt rund 400 Meldungen.
Zuschauer:
Nur wenig Zuschauer.
Zeitnahme:
Transponder am Handgelenk
Informationen: Iller Marathon