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Laufberichte

Good Night Allgäu

 

Bei idealen Bedingungen findet heuer die 27. Austragung des Iller-Marathons statt.  Der Lauf hat also eine lange Tradition. Bevor Joachim Saukel vor drei Jahren die Organsisation übernahm und das Konzept komplett überarbeitete, lief man den Marathon auf einem 21 km-Pendelkurs entlang der Iller.  Daraus wurde schließlich AÜW Iller-Marathon bei Nacht .

Bei dieser Variante bin ich nun zum zweiten Mal dabei. Die Strecke führt immer noch von Immenstadt nach Sonthofen, zurück nach Immenstadt und dann weiter Richtung Kempten. Joachim verspricht weniger Straßenanteil und weniger Anstiege. Er hat die Strecke nochmals optimiert. Ich bin gespannt und mache mich am frühen Samstagnachmittag mit meinen Freunden Charly und Jan auf den Weg nach Kempten. Wir suchen uns einen Parkplatz in der Nähe des Allgäuer Überlandwerkes, kurz AÜW, denn dort wird später das Ziel sein. Das AÜW ist nicht nur Namensgeber des Nacht-Marathons, sondern auch der Zielort. Das AÜW hat direkt an der St.-Mang-Brücke ein kleines Restwasserkraftwerk gebaut, das für rund 350 Haushalte Ökostrom liefert. Auf dem Kraftwerk findet man eine stylische Bar, von dessen Terrasse man einen herrlichen Blick auf die Iller hat.

Vom AÜW aus gibt es die Möglichkeit, mit einem Shuttlebus zum Start nach Immenstadt zu fahren. Allerdings ist eine vorherige Anmeldung erforderlich. Wir machen uns am Parkplatz bereits für den Lauf fertig und wollen so wenig wie möglich zum Start mitnehmen, obwohl natürlich ein Gepäcktransport zurück nach Kempten angeboten wird.

Noch am Parkplatz lernen wir Sandra und Uli aus Stuttgart kennen. Sandra wird später an einer Verpflegungsstation stehen, während Uli seinen dritten Marathon unter die Füße nehmen will. Schon nach einem kurzen Gespräch bieten uns beide an, uns mit nach Immenstadt zu nehmen. Diesen Service lassen wir uns natürlich nicht entgehen und wir sparen uns die Wartezeit auf den Shuttlebus. Die Fahrt ist äußerst kurzweilig. Es gibt viel zu erzählen und so chauffiert uns Uli sicher zum Illerstadion.

 

 

Dort angekommen, nehme ich schon mal die erste kleine Veränderung wahr. Bei den letzten beiden Ausgaben fand die Startnummernausgabe in der großen Schulaula statt. Die Türen sind in diesem Jahr allerdings verschlossen, die Unterlagen gibt es heuer in einem Nebengebäude, was reibungslos funktioniert. Dort kann man sich für einen geringen Obolus mit Kaffee und Kuchen stärken und noch etwas in den ausgelegten Flyern stöbern.

Noch ist es ruhig rund um das Illerstadion. Wir sind früh dran und suchen uns einen Schattenplatz, um noch etwas auszuruhen. Eine kleine Marathonmesse ist im Freien aufgebaut, hier kann man sich notfalls noch mit Stirnlampen und reflektierenden Westen eindecken, die für den Nachtmarathon zur Pflichtausrüstung gehören. Wir haben alles mit dabei und ich checke auch nochmals kurz die Funktion meiner Stirnlampe. Man lernt aus der Vergangenheit. Ich bin schon einmal bei einem Nachtmarathon mit leeren Akkus am Start gestanden, was ich heute unbedingt vermeiden wollte. Als schließlich der erste Schuttlebus mit den Marathonis eintrifft, füllt sich das Gelände rasch und ich kann wieder ein paar der üblichen Verdächtigen begrüßen. Axel Ott ist da und auch Roland Krauss, der noch am selben Morgen die 100 Kilometer in Biel gefinisht hat. Sollte er heute gut durch die Nacht kommen, liebäugelt er noch mit einer Teilnahme am Frankenweg-Lauf am nächsten Tag. Da sagen  manche, ich sei verrückt. Eine Stunde später trifft dann auch der Bus mit den Teilnehmern des Illertrails über 25,5 Kilometer ein, der eine halbe Stunde nach dem Marathon gestartet wird. Zudem gibt es noch die Möglichkeit, die Marathonstrecke mit sechs Läufern als Staffel zu laufen.

Auf dem Veranstaltungsgelände ist nun ganz ordentlich was los. Am Ende werden 127 Läufer den Marathon finishen, beim Illertrail sind es mit 241 erwartungsgemäß deutlich mehr und auch 21 Staffeln werden das Ziel in Kempten erreichen. Rund eine halbe Stunde vor dem Start, der für uns Marathonis um 20:00 Uhr erfolgen soll, finde ich mich im Stadion ein. Ich treffe noch kurz auf Joachim, der natürlich so kurz vor dem Start noch allerhand zu tun hat. Dann ticken auch schon die letzten Minuten und die Tartanbahn füllt sich hinter dem blauen Startbogen mit den Marathonis und Staffelläufern. Einige Zuschauer und der Großteil der Teilnehmer des Illertrails bevölkern das Stadion und die kleine Tribüne. Dazu scheint die Sonne bei angenehmen Temperaturen. Schöner könnte es gar nicht sein.

Pünktlich ertönt der Startschuss und das Feld setzt sich in Bewegung. Zunächst gilt es eine Runde auf der Tartanbahn zu drehen und eines ist klar, die ist schnell. Unter dem Beifall und den Augen der Zuschauer will hier wohl keiner als Letzter das Stadion in Richtung Illerdamm verlassen. Mit einem Schnitt von unter fünf Minuten finde ich mich schon im hinteren Drittel des Feldes wieder. Nach gut 500 Metern biegen wir am Ende der ersten Kurve scharf nach rechts ab und es geht über einen kurzen Anstieg rauf auf den Illerdamm. Jetzt heißt es erst mal deutlich Tempo rauszunehmen.

 

 

Immer am Fluss entlang laufen wir in Richtung Süden. Sonthofen ist unser Ziel, bevor es wieder zurück nach Immenstadt geht. Diese Schleife ist uns Marthonis vorbehalten. Die Teilnehmer des Illertrails machen sich in einer halben Stunde auf den direkten Weg nach Kempten. Nach gut zwei Kilometern habe ich mein Tempo gefunden und trabe nun entspannt vor mich hin. Das Feld hat sich sortiert und auch schon deutlich auseinandergezogen. Vor mir entdecke ich immer wieder mal Jan, doch der wird mir sicherlich noch davonlaufen. Axel ist auch in der Nähe und wird wohl mal wieder mein Laufpartner werden. Gerade in der Nacht tut man sich zu zweit leichter. Aber noch steht die Sonne über uns und bietet uns eine hervorragende Sicht auf die Allgäuer Berge.

Wir passieren eine Kleingartenanlage, wo hier und da gegrillt wird. Es wehen mir unverschämt leckere Düfte um die Nase. Doch mit einer Bratwurst wird es heute Nacht nichts werden, obwohl auch am Ufer Jugendliche am Brutzeln sind. Meine Nahrung wird für die kommenden Stunden jedoch aus Chips, Salzgebäck und klebrigen Riegeln bestehen.

Etwa nach einer halben Stunde passieren wird Blaichach und erreichen die erste Verpflegungsstation und Wechselstelle der Staffelläufer. Vorbei an Biehlerdorf führt die Strecke jetzt wunderschön an der Iller entlang. Vor uns liegen der Sonthoferer See und die Allgäuer Berge, die nun von der tiefstehenden Sonne erstklassig in Szene gesetzt werden. Ich schaue kurz auf meine Uhr. Etwas über eine Stunde bin ich unterwegs und rund zehn Kilometer habe ich hinter mir. Also habe ich noch etwa eine halbe Stunde Zeit um die Stirnlampe einzuschalten. Ab 21:30 Uhr müssen diese nämlich eingeschaltet werden. Bei Zuwiderhandlung droht die Disqualifikation.

Kurz nach dem Sonthoferer See überqueren wir eine Brücke über die Iller und wir machen uns auf den Rückweg in Richtung Immenstadt. Auf der Brücke muss ich aber kurz einen Fotostopp einlegen, zu schön ist die Aussicht. Dies haben auch Sabine und ihr Laufpartner erkannt. Sabine macht mit ihrem Smartphone eine Panoramaaufnahme und ich biete ihr an, sie gemeinsam vor der Bergkulisse abzulichten. Wir begleiten uns nun ein paar Kilometer auf dem Rückweg und tauschen uns über diverse Marathons aus. Sie empfiehlt mir den Bottwartal-Marathon im Oktober, doch den habe ich eh schon auf meiner Agenda. Wir passieren nun Sonthofen und dessen Ortsteil Rieden. Zwischen den Häusern entdecke ich immer wieder den Grünten und muss dabei unweigerlich an meine Teilnahmen beim Allgäu Panorama Marathon denken.

Apropos APM, die nächste Verpflegungsstation ist bald erreicht. Diese wird unter Regie von Axel Reusch, dem Veranstalter des APM geführt. Doch irgendwie kann ich ihn nirgends entdecken. Dennoch finde ich es toll, dass sich Laufveranstalter unterstützen. Unser nächstes Ziel ist der Ortwanger See, der am Ortsrand von Sonthofen gelegen ist. Davor überqueren wir auf einem Holzsteg die Ostrach einen Zufluss der Iller. Linkerhand fließt die Iller, rechterhand liegt der Ortwanger See. Ein schönes Bild, das aber auch Nachtteile hat. Wo viel Wasser ist, gibt`s natürlich auch verhältnismäßig viele Mücken und sonstiges lästiges Viehzeug, das meist in Schwärmen in der Luft umherschwirrt. Ich schließe wieder auf Axel auf und wir laufen etwas gemeinsam. Inzwischen wird es dunkel, und es ist Zeit, das Licht anzuschalten. Ich bin inzwischen anderthalb Stunden unterwegs, was auch heißt, dass die nächste Verpflegungsstation bei Kilometer 15 nicht mehr weit entfernt ist. Dort werde ich mit den Worten: „Da bist Du ja endlich. Die anderen sind schon durch!“, empfangen. Es ist Sandra. Wir witzeln noch etwas und dann mach ich mich wieder auf den Weg. Das Ende der Schleife über Sonthofen ist fast erreicht.

 

 

Als ich Immenstadt nach rund zwanzig Kilometern wieder erreicht habe, ist es stockfinster. Jetzt kann er beginnen, der Iller-Nachtmarathon. Bei Immenstadt wechseln wir noch einmal die Flussseite und haben nun quasi die Strecke des Illertrails vor uns. Ich pfriemle an meiner Stirnlampe und versuche die ideale Lichtstärke einzustellen. Ich entscheide mich für die weniger intensive Variante, denn einerseits will ich meinen Akku nicht unnötig verheizen, andererseits macht allzu grelles Licht die nächtliche Atmosphäre kaputt. Seite an Seite mit Axel laufe ich durch die Nacht. Wir reden nicht viel und genießen stattdessen Stille der Nacht. Nur das Rauschen der Iller, das  Quaken der Frösche und  das Zirpen der Grillen sind zu hören.

Irgendwann meint Axel, dass wir ja ein ganz gutes Tempo laufen. Ein Blick auf die Uhr verrät jedoch das Gegenteil. Wir sind bei einem Schnitt von sieben Minuten angekommen. Nachts empfindet man das Tempo einfach ganz anders. Es fehlen Orientierungspunkte, die einem das Gefühl für Geschwindigkeit geben und somit kann man sich schon mal vertun. Wir laufen dennoch im gleichen Tempo weiter und fühlen uns wohl.

So erreichen wir schließlich den nächsten Verpflegungspunkt und die dritte Wechselstation für die Staffelläufer, die inzwischen natürlich alle schon weg sind. Wir stärken uns kurz, plaudern noch etwas mit den gut gelaunten Helfern und machen uns wieder auf den Weg, um gleich darauf die Zeitmatte für den Halbmarathon zu überlaufen. Die Hälfte ist geschafft.

Auf den nächsten fünf Kilometern bis zur nächsten Verpflegungsstation entfernen wir uns wieder etwas von der Iller und ich verliere irgendwie das Gefühl für Zeit und Strecke. Ich schalte geistig ab und laufe einfach vor mich hin.  Nur einmal werde ich „wach“, als der motorisierte Sanitäter, der ständig auf der Strecke patrouilliert,  nach meinem  Befinden fragt. Alles gut. Allerdings ist so ein Nachtlauf eine ganz andere Herausforderung, denn der Körper ist eine derartige Belastung zur Nachtzeit nicht gewohnt. Kein Wunder also, dass an den Verpflegungsstationen immer einige Marathonis in Folie gepackt auf das Servicefahrzeug warten.  

Auf Höhe von Rauns bei Kilometer 30 erwartet uns wieder eine Verpflegungsstelle. Die jungen Mädels hier machen ordentlich Stimmung. Ich stärke mich für die letzten zwölf Kilometer. Es ist Mitternacht und mit einem Finish unter fünf Stunden, das ich anvisiert hatte, wird es wohl nichts mehr werden. Irgendwie ist die Zeit zu schnell vergangen. Aber ich fühle mich gut, und das ist wichtig.  

Irgendwie stellt sich bei mir immer bei Kilometer 32 immer das Gefühl ein, es geschafft zu haben. Ich spüre, dass nichts mehr schiefgehen kann. Zur Zuversicht kommt heute noch die nächtliche Atmosphäre,  die der sich in der Iller spiegelnde Vollmond perfekt macht.

Gemeinsam mit Axel überquere ich bei Kilometer 35 den Fluss und komme zur letzten Verpflegungsstation. Axel will etwas verweilen und fragt nach einem alkoholfreien Bier. Selbstverständlich, bitteschön. Ich laufe derweil weiter.

Bald ist Kempten erreicht. Durch die Ortsteile Weidach und Oberkottern geht es leicht hügelig weiter in Richtung Ziel. Anders als sonst bleiben wir auf dem traumhaft schönen Uferweg, auf dem ich mein Tempo deutlich anziehe.  Erst kurz vor der St.-Mang-Brücke bin ich wieder auf die Straße und  vor mir liegt das AÜW. Es geht über die Brücke und gleich wieder der Iller entlang bis zur nächsten Brücke, die mit blauen Strahlen ausgeleuchtet ist. Einfach herrlich.

 

 

Auf der mit Fackeln beleuchteten Zielgerade läuft man jetzt direkt auf die Turbinenhalle des AÜW zu und dann hinein. Ein phänomenaler Zieleinlauf und Joachim gratuliert zum Finish.

Schnell hat sich unsere Gruppe gefunden und jeder hat was zu erzählen. Für viel Gemütlichkeit ist aber leider keine Zeit, denn es ist inzwischen halb zwei Uhr und die meisten von uns müssen ja noch nach Hause fahren.

Mir hat schon die erste Austragung des Nachtmarathons gefallen. Die überarbeitete Strecke verleiht dem Marathon noch mehr den Charakter eines Naturlaufes, was ich natürlich begrüße. Zudem ist die ganze Veranstaltung mit dem Bustransfer, der Startnummernausgabe und der auch bei Dunkelheit  idealen  Streckenmarkierung perfekt organisiert. Von mir gibt`s für den Iller-Nachtmarathon ein uneingeschränktes Daumen hoch.

 

 

Informationen: Iller Marathon
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