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Laufberichte

Hitzeschlacht auf Himmelswegen

 

Schon vor 2 Jahren wollte ich sie endlich haben, die Himmelsscheibe von Nebra. Da diese im Original nicht so einfach zu bekommen ist, würde mir auch die Medaille zum Himmelswegelauf reichen. Diese ist der Himmelsscheibe nachgebildet, nur viel kleiner. Und als Belohnung für einen Lauf auch ganz legal zu bekommen. Damals musste der Lauf leider abgesagt werden. Da wir aus der Hotelbuchung nicht mehr rauskamen, machten wir ein paar Tage Urlaub an Saale und Unstrut, gingen wandern und erforschten die bekannten Weine dieser schönen Anbauregion. Nach erneuter Absage letztes Jahr konnten wir für 2022 endlich planen.

Bereits Donnerstag ging es für uns nach Nebra. Im Schlosshotel fanden wir eine würdige Herberge. Ein Tag zum Akklimatisieren war zwar nicht wirklich notwendig, aber durch den Feiertag ergab sich die Gelegenheit. Freitag standen, neben Wein einkaufen, einige Besichtigungen und die Abholung der Startunterlagen auf dem Plan. Diese waren in der Arche Nebra von 16-20 Uhr abholbereit. In den Räumen unterhalb der Arche war alles vorbereitet auf eine flotte Ausgabe, während draußen die Aufbauarbeiten im vollen Gange waren. Als Kleiderbeutel gab es eine mit Nummer beschriftete Tasche, welche für einen Transport vom Start ins Ziel nutzbar war. Tanja hatte sich für die 10 km gemeldet, denn auch mit dem sogenannten Himmelsscheibenlauf kann man sich die Medaille verdienen. Desweiteren ist das auch noch mit Wandern, Nordic  Walking, Halbmarathon und Radtour möglich.

 

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"Einfach nur astronomisch"
Anmerkungen von Wolfgang Bernath

 

Zwei Grabräuber fanden 1999 durch Zufall auf dem 252 m hohen Mittelberg, 3 km von der nahe Naumburg gelegenen Ortschaft Nebra gelegen, einen „Blechteller“ von 32 cm Durchmesser und 2,3 kg Gewicht, der sich schließlich als einzigartiger Fund herausstellte. Es handelt sich nämlich um nicht weniger als die auf ein Alter von 3.700 bis 4.100 Jahre geschätzte, weltweit zweitälteste Himmelsdarstellung aus mit Goldapplikationen verzierter Bronze mit Barke, Sonne, Mond und Sternen. Forscher rekonstruierten damit, wie man sich in der Bronzezeit den Weltenlauf vorstellte. Man vermutet eine jahrhundertelange religiöse Nutzung, bevor das Teil, warum auch immer, vor rund 3.600 Jahren vergraben wurde. Die Originalscheibe befindet sich im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle. Und exakt dieses hübsche und geschichtsträchtige Teil ist der Lohn unserer Mühen, wenn auch in deutlich verkleinerter Form. Will ich haben!

Drei km von der Fundstelle der Himmelsscheibe entfernt hat man ein großes, architektonisch, wie soll ich sagen, wagemutiges Dokumentationszentrum über dem Unstruttal errichtet. Zu diesem gilt es für uns Männer zu laufen. Und zwar ab der Ortschaft Goseck, die thematisch sehr gut zur Himmelsscheibe passt. Denn dort hat man 1991 bei einem Erkundungsflug ringförmige Bodenverfärbungen entdeckt, in denen man die Überreste einer jungsteinzeitlichen Kreisgrabenanlage erkannte. Sie liegt auf einem Plateau oberhalb des Saaletals, besteht aus einem annähernd kreisförmigen Ringgraben von etwa 71 m Durchmesser und hat drei nach Norden, Südwesten und Südosten ausgerichtete Zugangswege. Anhand derer lassen sich die Sommer- und Wintersonnenwenden feststellen.

Zwischen 2002 und 2004 wurde das als Sonnenobservatorium identifizierte Bodendenkmal vollständig ausgegraben und wiederhergestellt. Es war während des Mittelneolithikums, in der Jungsteinzeit, vor etwa 6.900 Jahren errichtet worden, ist damit 2.000 Jahre älter als Stonehenge (!) und wird von einigen Archäologen als das älteste Sonnenobservatorium der Welt bezeichnet. Das war deshalb von überragender Bedeutung, weil man so den Zeitpunkt der Aussaat richtig bestimmen konnte. Die Ägypter sollen erst tausend Jahre später darauf gekommen sein. Zusammen mit dem Fundort der bronzezeitlichen Himmelsscheibe von Nebra, dem Großsteingrab Langeneichstädt, der Kreisgrabenanlage von Pömmelte und dem Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle ist sie eine Station auf der touristischen Straße „Himmelswege“. Und exakt auf dieser findet der Marathon statt.

 

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Da es sich bei dem Marathon um eine Punkt zu Punkt Strecke handelt, ist etwas organisatorischer Aufwand notwendig. Für alle ist das Ziel die Arche Nebra in Wangen. Start für den Marathon ist das Sonnenobservatorium in Goseck. Da sich die meisten Übernachtungsmöglichkeiten im abseits der Strecke liegenden Naumburg befinden, dreht sich darum der Transportservice. Morgens fahren 2 Busse von Naumburg nach Goseck, nachmittags steht mit der Startnummer die Fahrmöglichkeit mit der Unstrutbahn von Wangen nach Naumburg zur Verfügung. Der Marathon startet um 9 Uhr. Da es für Tanja erst um 10 Uhr losgeht, fährt sie mich nach Goseck, da dies genauso weit von Nebra entfernt ist wie Naumburg mit dem Busservice. Schon auf dem Weg dorthin klettert das Thermometer auf 25 Grad, bis zu 34 sind angekündigt, der Wetterdienst warnt vor extremer Hitze und die Feuerwehr erhöht auf Warnstufe 5, die höchste! Beim Ortseingang Goseck ist ein Parkplatz eingerichtet, von hier sind es noch 400 m bis zum Sonnenobservatorium, ein leichter Wind geht aber die Sonne drückt schon kräftig.

 

 

Innerhalb der Holzpalisaden versammeln sich die Läufer und suchen Schatten. Eine Startnummernabholung ist eingerichtet und die Vorbereitungen laufen. Es folgen letzte Instruktionen, einige wenige laufen sich warm. Es ist erstaunlich ruhig, die meisten haben sich eine stille, schattige Ecke gesucht und kühlen noch einmal runter. Ich schätze, dass sich rund 120 Starter hier befinden. Die letzten Infos erfolgen, man bittet darum, es beim Laufen nicht zu übertreiben und  lieber nicht zu oft auf die Uhr zu schauen, damit wir alle gesund im Ziel ankommen und gefeiert werden können. Auf die Zielzeit von 6 Stunden legt man heute keinen Wert, alle werden gewertet. Für mich habe ich bereits entschieden, dass es heute eine halbe Stunde länger dauern darf  als sonst. Freundliche Worte vom Landrat zusammen mit der Info, dass sich die Himmelsscheibe gerade auf Tour in Großbritannien befindet, dann gibt dieser den Startschuss.

Wir laufen aus dem Palisadenring heraus und folgen einem Wirtschaftsweg Richtung Goseck. Eine Runde durch den Ort, damit es am Ende auch 42,195 km sind, und wir kommen wenige Meter neben dem Start noch einmal vorbei, dann geht’s Richtung eingangs erwähnten Parkplatz. Schließlich laufen wir auf der Straße zum Nachbarort Markröhlitz wo es die ersten Höhenmeter zu bewältigen gilt.

 

 

Polizei und Feuerwehr sperren die Straße halbseitig ab, wir laufen auf dem Asphaltband direkt in der Sonne. Etwas Erfrischung bietet ein angenehmer Wind. Ich laufe auf Frank auf und wir unterhalten uns beim lockeren Traben. Er hat mit 72 Jahren schon 25x Berlin gefinisht, mit diversen Marathon und Triathlon Veranstaltungen haben wir Gesprächsthemen und der erste VP bei km 6 in Dobichau ist schnell erreicht. Meine Verpflegung geht schneller und ich setze mich ab. In der Ferne sehen wir als markantes Zwischenziel den „Dicke Wihelm“, ein gigantischer Bergfried der Neuenburg in Freyburg, rund 7 km entfernt. Diese haben wir gestern noch besichtigt und ist absolut empfehlenswert, wenn man sich für Schlösser interessiert .

Der frische Wind lässt mich übermütig werden, mein neuer Plan ist, etwas Gas zu geben, um mehr Strecke zu bewältigen bevor die Hitze weiter zunimmt. Es geht auf flachem Kurs durch die Felder, schon jetzt suche ich jeden Schatten der auf die Strecke fällt, aber außer wenigen Bäumen kommt da nicht viel zusammen.

 

 

In Nissmitz ist der 2. VP, 1,5 km eher als erwartet am Fuße der Weinberge, die bereits zu Freyburg gehören. Wegen der Hitze gibt es zusätzliche Wasserstationen. Ein schöner Blick auf das Schloss Neuenburg gibt es aus dem Tal, für den Weinausschank ist leider keine Zeit. Wir folgen dem Radweg weiter durchs Unstruttal, die Temperatur nimmt zu, der Schatten wird weniger. Bei der alten Mühle Zeddenbach mit der eingestürzten Scheune queren wir erneut die Unstrut. Majestätisch erhebt sich vor uns das Kloster Zscheiplitz vor gnadenlos wolkenlosem Himmel. Der dritte VP wird gerne genommen, es gibt Wasser, Cola, Banane und Apfel.

Flache Kilometer an der Unstrut entlang, dann entfernen wir uns vom kühlen Nass,  es steigt durch die Felder windgeschützt an. Fühlt sich wie ein Aufguss an! Die ersten Radfahrer der Radtour kommen von hinten und sorgen für ein wenig Abwechslung. In Weihschütz der nächste VP, ein paar Häuser im Ort spenden etwas Schatten und über eine weitere Brücke verlassen wir den Ort. Schnurrstracks geht es Richtung Laucha, wo wir die Hälfte der Strecke erreichen. Hier sind um 10 Uhr die Halbmarathonis gestartet. Am Ende des Ortes hat die Feuerwehr eine Dusche aufgebaut, einfach herrlich! Meine Anfrage, ob ich diese mitnehmen darf, wird lachend verneint. Schade, denn die Abkühlung ist nur von kurzer Dauer. Inzwischen sind die angekündigten 34 Grad erreicht und wir sind erst bei 11:30 Uhr.

Zurück auf dem Fahrradweg geht es wieder durch die Felder nach Dorndorf, hinter dem Ort folgen wir wieder der Unstrut, als plötzlich Musik aus dem Schilf zu vernehmen ist. Eine Gruppe mit Schlauchbooten und Kajaks ist unterwegs. Es wäre ein Traum, jetzt die Füße ins Wasser zu hängen… aber nein, dann käme ich bestimmt nicht mehr in die Gänge.

 

 

Wir lassen den Flugplatz Laucha rechts liegen, wenig später beginnt die Strecke anzusteigen, die scih wieder vom Fluss entfernt. Über eine staubige Schotterpiste kämpfen wir uns hoch nach Burgscheidungen. Es sind zwar nur 40-50 Höhenmeter, aber aufgrund der Hitze sind es unangenehme Meter. Oben angekommen, wartet eine Wasserstelle.

Erleichterung und so etwas wie Erholung kommt bei der kurzen Abwärtspassage auf, dann geht es auf einer breiten Hauptstraße sanft ins Tal, Windstille,  der Asphalt glüht, ein Teil der Straße ist Baustelle und vorbeifahrende Autos  schicken Staubwolken in die Luft. Gefühlt wie in der Wüste nähert sich nur langsam das im Tal liegende gigantische Betonwerk in Karsdorf. Einmal quer durch den Ort mit den nächsten VP inklusive der nächsten Dusche.

Raus aus dem Ort steuern wir das nächste markante Ziel mit der ICE Unstruttalbrücke an, welche die Strecke Frankfurt-Leipzig verbindet. Ein schnurstracks verlaufender Fahrradweg führt durch brütende Hitze. Noch immer weht kein Lüftchen. Wäre doch die Brück noch etwas breiter,  sie könnte etwas Schatten spenden in diesem Jammertal. Auch der nächste VP mitten im Nichts macht nicht froh, das Wasser ist inzwischen fast lauwarm und erfrischt nicht mehr wirklich. Durch Reinsdorf nähern wir uns dem erhabenen Schloss Vitzenburg als nächsten Punkt. Aber vorher steuern wir Nebra an. Einmal quer durch den Ort und dabei jeden Schatten nutzen den ein paar Gebäude bieten. Über  eine weitere  Brücke geht es wieder auf die andere Seite der Unstrut.  Die letzten Kilometer bis Wangen ziehen sich unspektakulär, dafür wieder etwas luftiger durchs Tal.

Endlich, in Wangen verläuft die Strecke am Bahnhof entlang. Hier warten 30-40 Läufer auf die Unstrutbahn nach Naumburg und es gibt noch einen kräftigen Anfeuerungsschub. Ab hier kommen jetzt ständig Finisher entgegen, die Anfeuerungen tun gut. Einer meint sogar: „Der sieht aber noch locker aus“. Wer’s glaubt ….  

 

 

Die finale Steigung hoch zur Arche Nebra beginnt und meine Beine wollen nicht mehr. Zu meiner Freude kommt Frank von hinten, er hat die letzten Kilometer mit Herlinde bestritten.  Ich gebe zwei Plätze gerne und kampflos ab. Hut ab vor der Leistung! Die letzten Meter genießen und noch ein paar Fotos schießen, dann ist es geschafft. Tanja wartet schon mit einem eiskalten Radler. Ich nehme  die ersehnte Medaille für den Himmelswegelauf in Empfang und bevor das Radler verdunstet, ist es in wenigen Schlucken getrunken. Dafür habe ich die Zielverpflegung geschont. Die Medaille lasse ich mir gleich noch gravieren. Sie wird als tolle Erinnerung die einen Ehrenplatz bekommen.

Auf dem Marathon kamen 276 Höhenmeter zusammen, die Strecke führt zu großen Teilen über den Unstrut Radweg und ist gut zu laufen. Perfekte Markierung und viele Helfer an allen markanten Ecken machen ein Verlaufen nahezu unmöglich. Schön ist, dass man sich immer an gewissen markanten Punkten orientieren kann, und im Kopf die Strecke  aufteilen kann. Freude und Genuss kommen bei der Hitze natürlich etwas zu kurz, der Finisher-Stolz ist dafür umso größer.

Da der Himmelswegelauf zur Sommersonnenwende durchgeführt wird, gibt es in Goseck und Nebra abends noch Feste mit einem großen Feuerwerk zum Abschluss.  Unserer 4 Tage-Himmelswege-Tour wird uns unvergessen bleiben.

 

Ergenbisse

Frauen:

3:38:59 – Maria Korn
3:47:40 – Antje Müller
3:55:37 – Sabine Mönch – Lausitzer Heideläufer

Männer:

3:13:30 – Jürgen Murmann
3:21:03 – Stefan Thiel – SV Empor Buttstädt
3:23:00 – Christian Jakob – LC Auensee Leipzig

 

Informationen: HimmelswegeLauf
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