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Laufberichte

Wieder so ein Extremlauf

 
Autor: Joe Kelbel

So, endlich mal wieder am Rudolfsplatz, dreimal kommen wir hier noch vorbei. Eigentlich würde ich jetzt direkt zur Rooneburg laufen und die Preise an der Bierbörse nach oben treiben.  Morgen Abend ist hier wieder „Fucking Monday“, die Party, die ich mir nicht entgehen lasse! Deswegen hat dieser  Bericht so lange gebraucht.

Barbarossaplatz, das war schon ne geile Wohnung, kiloweise haben wir die Kirschkerne auf die wartenden Fahrgäste gespuckt. Wir hatten ja damals  nix! Wir mussten uns von Omas  Rumtopf ernähren!

Oh Mann, ein wenig weiter ist der Schmelztiegel. Irgendein Apotheker hat die Anlage aus Schottland importiert und dort aufgebaut, jetzt gibt es regelmäßig Kopfschmerzen. Ausgerechnet ein Düsseldorfer hat dort 1984 eine Kneipe eröffnet und 6 Monate später Konkurs angemeldet. Jetzt brummt der Laden wieder. Aber geh da nicht mehr rein, man kommt nicht mehr raus!

Rechter Hand Haus Unkelbach.  Wer hier am 11.11 um 11:11 Uhr oder an Weiberfastnacht reinkommen will, der muss sich um 6 Uhr am Drängelgitter anstellen. Dafür gibt es Musik, Tanz und Bützgens. Toiletten sind auf dem Nachbargrundstück, denn um diese Uhrzeit läufts durch, ich jetzt auch. Kölsch gibt es auch in den USA, mehr als 500 Kneipen versorgt allein die Gaffel Brauerei, 80 Kneipen gibt es in New York, das Loreley ist Nähe Bowery. Und immer dran denken: als Kölner bestellt man gleich ein Glas für seinen Nachbarn mit, denn mer fiere zusamme un net allein!

Km 14,5: Das Highlight des Köln Marathons: Hans Süper! Sein Name ist unbekannt, der Name „Colonia Duett“ auch. Doch alle kennen den Kleinen mit der  Mandoline („Flitsch“) und seinen ernsten Kollegen Hans  „Zimmermääään“  mit der popligen Gitarre, „Wiso datt dann?“ Von 1974 bis 1990 traten er und Zimmermääään regelmäßig auf. Bis zu 300 Auftritte  pro Jahr, und ich habe jedesmal Tränen gelacht. Die Bezeichnung Zimmermanns als „Ei“ bezog sich auf dessen kahler werdenden Kopf. Hans hat immer noch Geistesblitze mit feinsten Wort- und Situationswitzen, als Kölner bestellt er gleich ne Runde Getränke.

Ich höre Schreie und Fluchen. Was ist passiert? Auffahrunfall! Denn, jeder, der mich kennt, macht jetzt Vollbremsung mit Einkehrschwung, das gibt Unruhe im Läuferfeld. Irgendwer erzählte mir Stunden später, er hätte den Pumuckl auf einem der kleinen Besenwagen gesehen. Wie gesagt, in Köln ist nix normal.

Michèl ist der Spasspräsident, der einst aus der französischen Kaserne am Bodensee flüchtete. Er hatte keinen Bock, Deutschland zu besetzen. Als Soldat durfte er nur in Uniform nach draussen, deswegen deponierte ein Fluchthelfer Zivilklamotten in einem Bahnschliessfach. Zur deutschen Wiedervereinigung lief er von Paris nach Berlin. Klasse! „Vive la France!“ „Quoi d´otre?“

„Hey, ich kenn dich, du bist doch der, der da wo immer Extremläufe macht!“ Scheisse. Der Dicke hat mich erkannt und jetzt will er an mir vorbeiziehen. Das bremse ich gekonnt mit einem Fotoangebot aus.

Der Melatenfriedhof (franz. Malade = krank) ist eine ehemalige Leprakolonie. Mancher Verbrecher liess sich einen Siechenbrief ausstellen, um sich auf diesem Gelände zu verstecken. Fand man ihn, konnte man ihn gleich auf dem Rabenstein entsorgen. So nannte man die Hinrichtungsstätte auf dem Gelände. Berühmt ist das Grabmahl des kleinen Martin Steinnus, genannt „ Fröschlein“. Nicht nur ein Frosch, sondern auch ein großer Sensenmann zieren das Grab. Am Aachener Weiher liegen auch welche. Keine Toten, sondern liebende Lebende.  Man genießt die letzten Sonnenstunden.

Gott, was hatte ich für ne böse email bekommen: „Der Weisse Hollunder hat nichts mit dem Rotlichtmillieu zu tun, Joe!“  Dann hätte ich die 20 Mark nicht zahlen müssen?  Hier am Weissen Hollunder machen die  laufmonster.de  eine Charity-Party, hier fühle ich mich sauwohl.  Keith Richard auch, wir sind endlich zurück!  

Rudolfplatz zum Zweiten, Hohenzollernring, Friesenplatz und Tempo! Der Fernsehturm, und in Sichtweite die riesige Kölner Moschee.  Da sind die Türme von St Gereon nicht mehr sichtbar. Der Stadtheilige Gereon war ein römischer Offizier, der sich mit seinen Soldaten zum Christentum bekannte. Alle wurden geköpft und hier in einen Brunnen geworfen. Dieser Stadtteil hiess früher „ad martyres“, daraus wurde Ehrenfeld. Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, liess über dem Brunnen die Gereonskirche bauen, in deren Inneren steht eine Säule, die Blut ausschwitzt.

Ralle und Wolle sind wie immer da!  Infostand-süd.de nennen sich die beiden Rastafaries ganz harmlos. Das eiskalte Kölsch aus dem 50 Liter Fass schmeckt besser als Kerosin. Wolle wünscht mir noch einen glücklichen Weiterlauf mit eigener Leber, denn in wenigen Kilometern sehen wir uns wieder.

Bei km 26,5 ist vor dem Ebertplatz das Eigelsteintor, während der französischen Besatzungszeit 1794-1814 noch Porte d´Aigle (Adlertor) genannt. Daraus wurde Eigeltor. Oben am linken Fries steht geschieben: "Halt fass am Rich do kölsche Boor, loss et nit fall ov söös ov soor" (Halt fest am Reich, du kölscher Bauer, lass es nicht fallen, ob die Zeiten süß oder sauer sind). Im ersten Weltkrieg stand hier der „Kölsche Boor“, man durfte einen Nagel in die hölzerne Figur schlagen, wenn man seinen Trauring zum Einschmelzen gab.

Die Sonne hat sich durchgekämpft und bringt uns auch zum Schmelzen. Anwohner bringen auch was, und zwar ihren gesamten Hausstand und wollen den am Strassenrand verkaufen. Köln ist so bekloppt, die legen sogar Bananen aus und denken, dann kommen die Läufer!

Am Weinmuseum gibt es einen Verpflegungsstand: „Kölns Weinmuseum bietet Besuchern einen einzigartigen Einblick in die Welt des Weines – von der Pflanze bis zur fertigen Flasche.“  Na super denke ich mir, als hätte ich noch nie ne fertige Weinflasche gesehen. Die spinnen die Kölner! Also schnell hinter die Theke und mal schauen, was hier ausgeschenkt wird! Uiiii, das gibt Power!

Je weiter ich komme, desto lustiger werden die Zuschauer. Manche haben ihr Wohnzimmer an die Strecke geschafft, andere beschränken sich aufs Wesentliche: Das Fass Kölsch. Oft sitzen überernährte Biertrinker in tiefen Sesseln, ich bin dann der Vermittler zwischen deren und der Läuferwelt. Unerklärlich finde ich, dass neben dem angenagten Frühstücksei eine Flasche Maggi steht. Also probiere ich auch die Kräutersoße und bin begeistert, da sind nämlich jede Menge Elektrolyte drin.

Die Zeit, die ich bei den lustigen Leuten, also meinen Fans verbringe, die hole ich teilweise an den Verpflegungsständen wieder auf, denn Bananen und Wasser bekomme ich auch zuhause. Also düse ich vorbei.

Die Kölschkneipe „ Em Goldenen Kappes“ wurde 1913 gegründet. Der Nippeser Wirt Matthias Becker bat in einer Anzeige „um gütigen Zuspruch“.  Für die Auswärtigen, die nicht wissen, was Kappes ist, denen singe ich jetzt ein uraltes Weihnachtslied: „Oh Kopfsalat, oh Kopfsalat, du herrliches Gemüse….. denn nur wer im Sommer Kappes klaut, der hat im Winter Sauerkraut! Oh Kopfsalat …“

Ich muss jetzt wirklich schneller laufen, werde überall ausgebremst. Köln ist sehr extrem. Km 37, wir kommen an der Zoobrücke vorbei. Oben baumeln die Gondeln der Rheinseilbahn, darunter die Blitzeranlagen. Auf der anderen Seite ist der Rheinpark mit der Kleinbahn, die ich als Kind immer überholt habe, glaube ich. Dann kommen wir zu einer geilen Kuriosität -  am Theodor-Heuss-Ring, Ecke Clever Strasse ist der Einstieg zum Kronleuchtersaal im Abwassersystem. Eigentlich wurde der Kronleuchter angebracht, weil der Kaiser die Kanalisation begutachten wollte. Der kam aber nicht. Nun gibt es hier Konzerte und nebenan fliesst die Scheisse. Das habe ich zuhause zwar auch,  hier gibt’s das aber mit Führung.

Die Gereonsmühle ist ein Rest der alten Stadtmauer, dahinter ist der Klingepütz, das Gelände des früheren Gefängnisses. Und wieder der infostand-süd.de. Ich bin nicht zum Spass hier, Thorsten und Rolf sind seit einiger Zeit bei mir, weil Pumuckl, wie schon gesagt, irgendwo auf dem Besenwagen rumturnt. Schnell weiter, sonst kommt mein Bericht erst am Donnerstag an die Öffentlichkeit. Zum dritten Mal geht es über den Rudolfplatz, schnell durch das Haifischtor der Kölner Haie, und ab in die Hohe Strasse. Der Zieleinlauf ist um diese Zeit unspektakulär. Aber der Weg ist das Ziel, ich hätte mir gerne sogar noch mehr Zeit genommen.

Spektakulär ist dann allerdings die Zielverpflegung. Hier zeigt der Köln Marathon absolut weltmeisterliches Niveau! Super Klasse! „Reissdorf“ ist einfach geradeaus! Die Kölschbrauerei spendiert uns den Partybereich. Hier wird getanzt und naja….in Köln ist eben nichts normal. Wie bekommt man eigentlich kussechten  Lippenstift wieder ab?

 

Marathonsieger

 

Männer

1 Waweru, Benson (KEN) 02:16:03
2 Zewde, Wubishet (ETH) 02:16:22
3 Lablaq, Khalid (MAR) 02:16:38

5 Reinwand, Sebastian (GER) 02:31:30

Frauen

1 Senbete, Gelane (ETH) 02:37:31
2 Asmid, Fatiha (GER) 02:45:19
3 Lamberty, Anja (GER) 02:53:27

4372 Finisher

 

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Informationen: Generali Köln Marathon
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