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Laufberichte

Beim Jubiläum simmer dabei

 

 

Seit 2015 kommentiert hier der Kölner Comedian Guido Cantz den Karnevalsumzug. Als Läufer hat er 2004 den Köln-Marathon bestritten und sich danach auf die Halbmarathonstrecke in der Domstadt spezialisiert. Er soll übrigens ein Neffe 10. Grades von Albert II. von Monaco sein. Mein Stammbaum hingegen ist mit dem Standesamt in Koblenz im Krieg verbrannt. Vielleicht bin ich mit Haile Gebrselassie verwandt?

Die Severinstraße ist so etwas wie mein persönliches Köln-Highlight, wenn ich auch heute die Jecken vermisse. Nicht sehr viele Läufer sind verkleidet unterwegs. Unter den zahlreichen Zuschauern führen bereits etliche ihre Winterkleidung spazieren.

Die schicken neuen U-Bahn-Stationen wirken verwaist. Da war doch was? Ja, leider: Am 3. März 2009 stürzte hier das historische Archiv der Stadt Köln samt zweier Wohnhäuser in die U-Bahn-Baustelle, zwei Bewohner starben. Erst im Jahr 2023 soll die Bahn nun ihren Betrieb aufnehmen. Zusätzlich ist diese Baustelle das größte römische Grabungsfeld Europas. Im Verlauf des Baus wurden Teile des römischen Rheinhafens mit Kaianlagen und Schiffen freigelegt. Bis in das Mittelalter hinein gab es sogar eine römische Brücke über den Rhein. Und wieder einmal stelle ich fest, dass ein Marathon-Wochenende eben viel zu kurz ist, um eine Stadt in allen Einzelheiten kennenzulernen.

 

 

Jetzt sind wir wieder richtig drin im Zentrum. Dicht gedrängt stehen die Zuschauer vor dem „erotic store“. Besteht hier womöglich ein Zusammenhang zu den Kondomen im Starterbeutel? Liefen wir hier geradeaus, hätten wir nur noch einen Kilometer bis zum Ziel. Wir schwenken jedoch nach links. Die nächsten Stadtviertelbesichtigungen stehen an. Zuvor die Zuschauer-Hochburgen Neumarkt und Rudolfplatz. Die Straßen um den Barbarossaplatz scheinen ein Ausgehviertel zu sein. An der „Furchtbar“ vorbei. Die Blauen Funken haben hier ihren Stimmungs-Hotspot aufgebaut. Wo sind nur die ganzen Funkenmariechen aus dem TV? Und dann gibt es doch auch immer diese Jungfrau, die mit Prinz und Bauer als Dreigestirn während einer Session des Kölner Karnevals über das närrische Volk herrscht? Na ja, bis zum 11.11. dauert es halt noch. Das Gewand der Jungfrau soll übrigens an die römische Kaisersgattin Agrippina die Jüngere erinnern, die ihrer Geburtsstadt einst zu dem Namen Colonia Claudia Ara Agrippinensium verhalf.

Es geht durch den Grüngürtel nach Sülz. Ich wünsche den Wartenden viel Spaß, bis der nächste Bus kommt. Der Platz vor der Universität ist zweimal zu unterqueren. Auf der Zwei-Kilometer-Schleife durch Sülz wird uns trotz beginnenden Nieselregens viel Zuspruch zuteil. Vor einem Café ein Alleinunterhalter mit vielen Senioren, die nicht so recht wissen, ob sie dem Sänger oder uns applaudieren sollen.

Auf nach Lindenthal – irgendwie ist die neue Rechtschreibung hier noch nicht angekommen – mit seinen schönen Villen. Immer wieder sieht man Bewohner beim Brunch vor ihrem Haus sitzen. Und das bei dem Wetter. Vielen Dank und nehmt noch einen Schluck Jagertee auf unser Wohl! Der mondäne Rautenstrauchkanal wird überquert, bevor wir auf die Aachener Straße kommen. Der Melatenfriedhof liegt weit links. Rechts stehen die nächsten Trommelgruppen. Vier Stück auf einem Kilometer – das soll mal einer nachmachen.

 

 

Rechts der viereckige Aachener Weiher, 1920 vom Oberbürgermeister Konrad Adenauer in Auftrag gegeben. Dahinter der Hiroshima-Nagasaki-Park, eine Hügellandschaft aus dem Schutt der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Häuser. Die Schülerstaffeln warten noch auf ihre Läufer.

Wieder sehr viele Zuschauer. Rudolfplatz. Hier kommen wir drei Mal vorbei. Ich hätte mir den Streckenverlauf doch besser einprägen sollen. Hohenzollernring: Welch schöne Pappelalleen gibt es hier!  

Vor der Bismarck-Kneipe ein Böllerschuss mit schwarz-rot-goldenem Konfettiregen. Für ein Foto bin wieder zu spät dran. A propos Schwarz-Rot-Gold: Tag der Deutschen Einheit ist erst morgen! Weit hinten der Fernsehturm, neben uns der Firmenstaffelwechsel Nummer zwei. Judith zieht an: 2:00 h für 22,2 km. So schnell? Das könnte noch ein sub 4 werden. B.Y.O.B. - bringyourownbeer heißt die erste Band, die Radio Köln für uns ausgesucht hat, hier am Fröbelplatz.  Der Name scheint Programm zu sein, denn Bier gibt es keines an den elf Verpflegungsstellen von Rewe. Anfangs Wasser, dann Bananen und Iso, ab km 31 auch Cola. Dafür höre ich ein „Andreas, nimm noch en Stück Banane“. Da kümmert man sich um mich.

Ehrenfeld finde ich cool. Vor uns das 4711-Hochhaus. Wer mal auf einer Quittung zur Girokartentransaktion die „4711“ in der Autorisierungsnummer findet, der weiß, dass sie beim Bank-Verlag in Köln autorisiert wurde. So untrennbar sind diese vier Ziffern mit der Domstadt verbunden. Ursprünglich war 4711 die Nummer eines Hauses in der Glockengasse, wo der Unternehmer Mülhens sein bis heute berühmtes „Kölnisch Wasser“ vertrieb. Die Mädels im cafecafe haben kein Auge für mich, so sehr biegt sich der Tisch unter ihrem Frühstück.

Und darauf habe ich schon gewartet: Hinter einer Tankstelle taucht ein weiteres Zeugnis deutscher Bautradition auf: Die schicke sunnitische DİTİB-Zentralmoschee mit zwei 55 Meter hohen Minaretten. Die Eröffnung ist aufgrund von Baumängeln auf unbestimmte Zeit verschoben.

Wieder unter der Eisenbahn hindurch. Inzwischen habe ich mir zurechtgelegt, dass der Eisenbahnring hier das Zentrum umschließt. Links ein See, dahinter der neu entstandene Media-Park auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs. Der Köln-Turm misst 148 Meter und ist damit das höchste Bürogebäude der Stadt. Im See Reste eines Aquädukts.

 

 

Eisenbahnstation Köln-Hansaring, km 26. Jetzt geht es nach Norden. Ein Sprecher ruft „km 38, ihr habt es bald geschafft“. Diese aufmunternde Information gilt allerdings nicht uns, sondern den an dieser Stelle Entgegenkommenden, welche die 12-km-Schleife durch Riehl und Nippes bereits hinter sich gebracht haben.

Die nächsten zwei Kilometer sind vielleicht nicht die aufregendsten. Aber auch hier immer wieder Anfeuerung und Musik aus der Konserve. Dann rein nach Nippes. Die Stimmung baut sich langsam auf und kumuliert beim Handelshof in der Niehler Straße. Sonnenschein und anhaltend gute Laune in der Florastraße. Eine private Verpflegungsstelle mit Weinprobe wartet auf mich. Sicher sind die Getränke alkoholfrei? Auf einen Test lasse ich mich aber lieber nicht ein.

Aus dem Jugendkulturtruck Techno-Musik. 60er Jahre-Architektur, zwei Kirchen, Moschee, Hüpfburg. Kurze Begegnungsstelle auf der Amsterdamer Straße. Manfred von den „Laufmonstern“ überholt mich. Konnte ich den 76-Jährigen beim Karwendelberglauf in Mittenwald noch knapp hinter mir lassen, wird er heute das Ziel eine Minute eher erreichen – aber auch ich werde älter und dann schlage ich zurück!

Ich sehe Judith knapp 500 m voraus. Die U-Bahn taucht ab, wir können wenden. Letzte Wechselstellen: Nummer drei für die Firmenstaffel, Nummer fünf für die Schüler. Noch sieben Kilometer bis ins Ziel. Trommelgruppe, Musiktruck. Ich habe einen guten Tag erwischt und liege meist noch unter 6:00 Minuten pro km. Mein Zeitpuffer wird langsam größer. Vielleicht wäre ein Lauf durch den Rheinhafen auch ganz interessant gewesen. Den nahen Zoo übersehe, überhöre und überrieche ich. Auch die Flora, den 1864 eingeweihten Botanischen Garten samt Seilbahn über den Rhein.

Wer hat denn jetzt diese blöde Brückenauffahrt in die Strecke eingebaut? Ein paar läppische Höhenmeter nur, aber eben bei km 36. Begegnungsstrecke. Es kommen immer noch Läufer hinter uns. Am Ebertplatz schwenken wir auf den Hansaring unter der Bahn durch. Vier Kilometer Party pur warten auf uns. Noch schnell zwei Cola, dann auch noch ein Red Bull. Wo ich gerade genau bin, weiß ich nicht so recht. Aber Spaß macht es. Ich treffe Schlachtenbummler Michel aus Frankreich, der uns auch in Berlin angefeuert hat.

Km 40: Ich bleibe sicher unter 4 Stunden. Habe noch 15 Minuten für zwei Kilometer. Dann schon wieder dieses Stadttor: An d'r Hahnepooz, wie es auf Kölsch heißt. Das Hahnentor aus dem Jahr 1180 ist Teil der Königskrönungsstraße. Aus Aachen pilgerten die frisch gekrönten Kaiser und Könige einst durch das Hahnentor in die Stadt zum Dom, um den Heiligen Drei Königen zu huldigen, deren sterbliche Überreste sich im dortigen Goldschrein befinden sollen.

Uns hingegen „huldigt“ der von vielen Sportveranstaltungen bekannte Sprecher Artur Schmidt, als wir am Tor vorbei laufen. Am Neumarkt wenden die Stadtbahnen und begrüßen uns mit lautem Klingeln. Ein Kölner Hai kommt auf mich zu – das letzte Lauf-Tier dieser Art hatte ich beim Hongkong-Marathon gesehen, damals als Protest gegen den Verzehr von Haifischflossensuppe gedacht. Hier könnte es sich hingegen um das Maskottchen des heimischen Eishockey-Clubs handeln.

Jemand ruft meinen Namen: Wolfgang vom M4Y-Team steht an der Strecke, wir sehen uns nächste Woche in München, von wo er auch den Marathon-Bericht liefern wird. Endlich die Hohe Straße mit ihren am heutigen Sonntag geschlossenen Geschäften. Kurz vor dem Dom halten wir uns leicht links. Kurzer Blick auf das riesige Gebäude. In die Komödienstraße – haha - die Kirche meines Namenspatrons St. Andreas! Dann Zuschauertribünen, roter Teppich des Hauptsponsors Rheinenergie. Einige Marathonis ziehen vorbei. Ich genieße die Stimmung und dann „Rhein ins Ziel“, wozu uns Spruchbänder animieren und was wir uns natürlich nicht zweimal sagen lassen.

 

 

Judith hat mir schon wieder fünf Minuten abgenommen und ist persönliche Jahresbestzeit gelaufen. Ich habe jede Menge Fotos hinter mir und bin endlich mal wieder unter vier Stunden geblieben. Der Römerturm vor uns hat als Latrine des Klosters St. Klara die Zeiten überlebt. Für uns gibt es Dixies und zur Erfrischung nach dem Lauf die schicken hansgrohe Duschtrucks.

 

 

Die Zielverpflegung in Köln ist legendär und reicht weit über das sonst Angebotene hinaus: Neben dem üblichen Obst, Studentenfutter und verschiedenen Getränken erwarten uns Hotdogs, Suppe, Eier, Wurst- und Schmalzbrote, Mutzen (ein rheinisches Siedegebäck) und vieles mehr. Nur auf Kamellen und Funkenmariechen müssen wir verzichten. Bei der Abschlussparty mit Live-Musik auf dem Neumarkt wird es dann neben dem „bleifreien“ auch noch „richtiges“ Bier geben.

Wir treffen nach der Ziellinie auf Pacemaker Dirk sowie den M4Y-Kollegen Herbert aus Österreich und dessen Landsmann Gerhard Wally, der im November seinen 600. Marathon laufen will. Aber bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein hinunter.

 

Ergebnisse

Marathon Männer

1.    Raymond Kipchumba Choge (KEN) 2:08:39
2.    Nicholas Manza Kamakya (KEN) 2:10:22
3.    Allan Kipkorir Kiprono (KEN) 2:10:41

 

Frauen:
1.    Bornes Jepkurui Kitur (KEN) 2:32:16
2.    Maike Schön (GER) 2:47:51
3.    Claudia Maria Henneken (GER) 3:02:50


Finisher: 5.101 im Marathon plus 638 Firmenstaffeln und 258 Schulstaffeln, 11.846 im Halbmarathon. Am Samstag fanden vorab diverse Kinderläufe statt.

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Informationen: Generali Köln Marathon
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