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Laufberichte

Autofreier Sonntag

04.09.11

Im Herzen der fränkischen Schweiz die Wiesent rauf und runter

 

Mein Laufverein, die Laufgemeinschaft Vellmar e. V.,  macht jedes Jahr eine 3-tägige Vereinsfahrt zu einem schönen Laufevent. In diesem Jahr heißt es ab nach Ebermannstadt. Da bei uns nicht alle Marathon laufen wollen, suchen wir uns immer eine Veranstaltung, die darüber hinaus auch noch untere Distanzen anbietet. An diesem Wochenende gibt es eine ganze Menge solcher Läufe. Wir entscheiden uns für den Fränkische-Schweiz-Marathon.

Wir fahren mit einem Bus nach Ebermannstadt, wo sich unser Hotel befindet. Hier ist auch das Ziel für alle Läufe und somit auch der Mittelpunkt für alles rund ums Laufen an diesem Wochenende.

Die Fränkische Schweiz liegt, wie der Name schon sagt, in Franken. Mit dem Begriff Schweiz bezeichnete man im 19. Jahrhundert gern Landschaften, die dem Bild, das von der Schweiz mit ihren Bergen, Tälern und Felsen hatte, ähnlich war. So gibt es in Deutschland die Sächsische Schweiz, Märkische Schweiz, Mecklenburgische Schweiz und die Holsteinische Schweiz.

In unserem Fall ist Fränkischen Alb gemeint, wobei man mit Fränkischer Schweiz  eigentlich nur das bergige Gebiet der Wiesent mit den markanten Felsformationen und Höhlen und den vielen  Ruinen und Burgen meint. Die Wiesent ist ein 78 km langer rechter Nebenfluss der Pegnitz.

Unser Bus kommt gegen Mittag in Ebermannstadt an, nachdem wir uns noch vorher das Levi Strauss Museum in Buttenheim angesehen haben, wo der Jeans-Erfinder geboren wurde. In einem kleinen Fachwerkhaus wird die Geschichte der Brüder Strauss und speziell von Levi erzählt, von den Anfängen bis zum weltweiten Imperium. Nachdem wir eingecheckt haben, geht es in kleineren Grüppchen in die Stadt, um sie zu erkunden. Ebermannstadt hat mit seinen 13 Stadtteilen knapp 7.000 Einwohner und gehört zum Landkreis Forchheim. Der Name entstand wahrscheinlich vor der Besiedlung der Franken im Jahr 531, wo der Stammeshäuptling Ebermar seine Stätte hatte.

Heute ist die Region um Ebermannstadt touristisch geprägt, denn sie gilt als eine der ältesten Urlaubsregionen Deutschlands. Die ersten Impulse kamen schon  im 19. Jahrhundert, als Molkekuren angeboten wurden. Die Höhlen der Fränkischen Schweiz waren jedoch die größten Anziehungspunkte. Die größte und bekannteste Karsthöhle ist die Teufelshöhle mit einer Länge von 3km.

Für den kulturhistorisch interessierten Touristen sind sehenswert: die Marienkapelle, die neoromanische Nikolauskirche, die altfränkischen Fachwerkhäuser am Marktplatz, der Marienbrunnen am Marktplatz, das Wasserschöpfrad aus dem Jahr 1606, das auch als Wahrzeichen der Stadt gilt. Schon damals durchfloss das Schöpfwasser als kleiner Bach den Ort vom Oberen zum Unteren Tor. Diesen Wasserlauf flankierten vier Sandsteinfiguren, die „Ortspatrone“ der Stadt. Wasserräder sind schon seit dem 16. Jahrhundert an der Wiesent bekannt. Sehenswert ist auch die Burg Feuerstein im Stil der fränkischen Burgen, obwohl erst 1941 erbaut, der Burgstall Schlüsselstein, der Aussichtsturm Wallerwarte, das obere und untere historische Scheunenviertel, das Heimatmuseum, die Fränkische-Schweiz-Bibliothek sowie die Dampfbahn Fränkische Schweiz. Da der Stadtkern recht klein ist, hat man in knapp einer Stunde vieles gesehen.

Nach unserem Kulturrundgang gehen wir zum Hotel Sonne direkt neben dem Marktplatz. Hier im 1. Stock im Saal gibt es die Startunterlagen. Im Starterbeutel gibt es neben der Startnummer und verschiedenen Proben und viel Papier auch einen Gutschein für ein Nudelessen auf dem Marktplatz. Wir treffen wir uns mit einigen Läufern auf dem Marktplatz und lösen unseren Gutschein für das Carboloading ein.

Im Startgeld, das je nach Anmeldung zwischen 30€ und 45€ liegt, sind außerdem enthalten: Meldebestätigung, VGN-Kombi-Ticket (kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs am 04.09.2011), kostenloser Bus-Shuttle-Service zum Start in Forchheim, Gepäcktransport zum Ziel in Ebermannstadt, Verpflegung entlang der Strecke und im Ziel, Elektronische Zeitmessung, Finisher-Medaille und ein kostenloser Urkundendruck übers Internet. Als zusätzlichen Service gibt es die Möglichkeit, sich ein Funktions-Shirt bzw. ein Funktionskäppi mit dem Marathonlogo des Veranstalters zu kaufen. Auf dem Marktplatz findet auch eine kleine Marathonmesse statt, wo man sich vielleicht für die bevorstehende Hitze für Sonntag noch mit einem Trinkgürtel eindecken kann.

Für unsere Gruppe heißt es den Startort Forchheim erkunden, denn morgen am Starttag sehen wir nicht viel davon. So geht es mal wieder in Kleingruppen kreuz und quer durch die Stadt mit Schäuffela Essen und Bier vom ortsansässigen Brauer.

Sonntag-Marathontag:

Heute heißt es mal wieder früh aufstehen, denn die Marathonläufer müssen per Bus zum Startplatz nach Forchheim. Zwischen 6:45 Uhr und 8:00 Uhr fahren Busse. Es gibt auch die Alternative mit der Bahn zu fahren. Immer gilt die Startnummer als Fahrausweis. Da ich mich schon komplett für den Lauf angezogen habe, nehme ich einen Bus so gegen 7:30 Uhr, der uns Läufer in 20 Minuten nach Forchheim transportiert. Ca. 1.000 Personen zu befördern, bedeutet einen großen Aufwand für den Veranstalter.

Es fängt auf der Fahrt an zu regnen und viele hoffen, dass es damit heute nicht zu heiß wird. Diese Rechnung wird jedoch nicht aufgehen. Der Regen hält nicht lange an und an der Schwüle ändert sich nichts.

Wir treffen in der alten Königsstadt Forchheim am Paradeplatz ein. Die Kreisstadt wird auch das Eingangstor zur Fränkischen Schweiz genannt. Da der Paradeplatz sich südlich an den mittelalterlichen Stadtkern anschließt, bekommen wir nur in einen kleinen Eindruck von dieser sehr schönen Stadt. Gut,  dass wir gestern noch hier waren und umgesehen haben. Der Platz war früher Aufmarschplatz für die Truppen der Garnison, heute wird er als Aufmarschplatz für die vielen Starter zum Fränkische-Schweiz-Marathon genutzt.

Schöne Häuserzeilen aus verschiedenen Zeiten und Stilepochen prägen das Bild. Bei genauem Hinsehen entdeckt man kunstvoll geschnitzte Balken. Besonders repräsentativ ist das Gasthaus Zum Schwanen. Es ist gerade eingerüstet und wird deshalb kaum beachtet. Wer noch mehr Zeit hat, sollte sich das alte historische Rathaus, die Forchheimer Burg, die St.-Martins-Kirche, Marienkapelle, die mittelalterliche Festungsmauer, Kammerersmühle, Katharinenspital sowie das Kloster mit Klosterkirche ansehen.

Nun zurück zum Lauf. Da die Wettervorhersage uns heute bis 30 Grad Wärme mit nur wenigen Wolken voraussagt, steht die Kleidung fest. Neben dem Platz stehen große LKW`s für den Transport der Kleiderbeutel bereit. Ich mache noch ein Paar Fotos von lustig angezogenen Typen sowie von den Tempomachern, die es heute für bis 5 Stunden gibt. Udo Schick vom FC Deutsche Post ist wohl der Auffälligste heute Morgen. Er und seine Post-Kollegen sind auch gleich bereit für ein Gruppenfoto.

Auf dem Weg zum Start in der Nürnberger Straße kommt man am südlichen Teil des Paradeplatzes vorbei. Hier befindet sich das Braunauer Heimatmuseum, in dem Trachten und Zeugnisse regionaler Volksfrömmigkeit und Werke von Braunauer Künstlern ausgestellt werden. Nach Kriegsende 1945 wurden zahlreiche Braunauer Familien mit ca. 2,5 Mill. Sudetendeutschen gewaltsam vertrieben und viele fanden hier eine neue Heimat. In der Nähe befindet sich die ehemalige fürstbischöfliche Kommandantur, die zwischen 1743 und 1747 erbaut wurde.

Es ist kurz nach Halb Neun. Die Spannung steigt.  Die Handbiker gehen um 8:40 Uhr, die Speed-Skater um 8:45 Uhr und die Fitness-Skater um 8:50 Uhr auf die Strecke. Bei den Handbikern startet heute auch Lilly Anggreny vom RSV Bochum/TV Wattenscheid, die schon Goldmedaillen bei den Paralympics gewonnen hat. In diesem Jahr laufen erstmals auch blinde Skater mit Begleitung über die Marathonstrecke.

Nachdem alles was Rollen hat auf der Strecke ist, nehmen die Marathonis, Staffelläufer und die 16 km Läufer Aufstellung am Startbanner. Auch für uns gibt es erst Fanfarenklänge und dann erfolgt der Startschuss. Es ist 9:00 Uhr und die große Gruppe der ca. 1.300 Starter setzt sich in Bewegung. Es ist keine Eile angesagt, außer man will auf’s Treppchen laufen. Es wird die Nettozeit mit dem Champion-Chip gemessen. Zielschluss in Ebermannstadt ist offiziell um14 Uhr, wird aber wegen der voraus gesagten extremen Witterung offiziell um 1 Stunde verlängert.

Wir laufen über die Nürnberger Straße, verlassen den historischen Teil der Innenstadt und kommen über die Daimler- und Dieselstraße in einer Südschleife auf die Willy-Brandt-Allee der wir ca. 1,7km folgen. Dass es heute kein flacher Lauf wird, zeigt schon der lange sanfte Anstieg der Allee. Nach 4 km sind wir auf der B 470. Von nun an ist es ganz einfach:  25km auf der verkehrsfreien Bundesstraße nach Osten, an der Sachsenmühle wenden und zurück auf gleichem Weg bis in Ziel in Ebermannstadt.

Bis dahin gibt es aber noch einiges zu sehen und zu erleben. Wir kommen zum Stadtteil Reuth. Schon wieder ist eine spürbare Welle zu laufen, aber jetzt sind ja noch alle frisch. Hinter km 5 kommt die erste Wasserstation, die schon sehr dankbar angenommen wird. Am Ortsende werden wir durch eine Trommlergruppe verabschiedet. Bei einem Landschaftslauf gibt es ja kaum Zuschauer. Beim Fränkische Schweiz Marathon aber werden in den vielen Orten richtige Volksfeste gefeiert und die Läuferinnen und Läufer begeistert angefeuert. Auch an der Bundesstraße stehen viele Anwohner und klatschen den Läufern zu. Toll, dass man das Frühstück unterbrochen oder vorverlegt hat wegen der Marathonis. Die Straße ist inzwischen abgetrocknet und die Wärme nimmt recht schnell zu. Schon nach 7km müssen die ersten Läufer gehen. Sie stöhnen über die Hitze und die enorme Schwüle.

Wir laufen durch eine herrliche Landschaft und folgen der rechts neben uns fließenden Wiesent. Der nächste Ort ist bei km 10 Weilersbach. Der Heimat- und Trachtenverein feiert an diesem Wochenende sein schon traditionelles Backofenfest. Neben Kuchen werden auch Haxen im Backofen zubereitet. Viele sind schon auf den Beinen und haben sich an die Bundesstraße begeben, um dem vorbeiziehenden Läuferpulk zu applaudieren.

Es geht weiter in der prallen Sonne zum nächsten Ort an der B 470,  Rüssenbach. Die Freiwillige Feuerwehr  begrüßt uns mit einem zünftigen Straßenfest. Obwohl wir erst 1 ½ Stunden unterwegs sind, sehe ich auch schon viele 16km und Teamläufer gehen. Manche haben sich wohl überschätzt und sind zu schnell angegangen.

Bevor wir Ebermannstadt erreichen, wird auf einem Banner darauf hingewiesen, dass diesen Sonntag die B470 komplett autofrei ist. Wenn die Läufer durch sind, haben die Radler freie Fahrt. Jetzt müssen sie auf dem Radweg bleiben.

Der bis jetzt noch relativ flache Kurs hat jetzt einen längeren aber noch sanften Anstieg. Dies stellt für so manchen so kurz vorm Ziel der 16km noch mal eine Herausforderung dar. Schatten war bisher spärlich, nur ab und zu ein Baum. Dann das Ziel für die 16km Läufer. Die Staffeln wechseln kurz vorher. Auf den zweiten Läufer warten jetzt 26 km. Viele begeisterte Zuschauer beobachten das Geschehen. Die Cheerleader-Gruppe „Lions“ feuert die Läuferschar auf den letzten Metern an. Die Lions glänzen mit neuen Trikots, den ihnen ein Metzger aus der Region gesponsert hat. Deshalb strahlen sie mit der Sonne um die Wette.

Während ich nur ans Laufen denke,  gäbe es hier noch eine alternative Fortbewegungsmöglichkeit, nämlich die Dampfbahn Fränkische Schweiz. Begleitpersonen haben heute die Gelegenheit von Ebermannstadt bis zum Wendepunkt der Laufstrecke mit einem historischen Dieselzug die Läufer teilweise zu begleiten. Die 31km lange Bahnstrecke von Forchheim nach Behringersmühle wird auch Wiesenttalbahn genannt. .

Weiter geht’s und zwar zu Fuß. Am Kalkwerk verlassen wir den Ort und haben jetzt unseren größten und längsten Anstieg vor uns in Richtung Gasseldorf. Aber wo es jetzt rauf geht, geht es nachher wieder runter! Am Ortsausgangsschild werden wir darauf hingewiesen: Berhringersmühle 17km. Aber so weit wollen wir heute nicht. Wir wollen nur zur Sachsenmühle in rund 13km Entfernung. Die B470 ist als Umgehungsstraße gebaut und führt somit an allen Orten vorbei.

Hinter dem Berg liegt links neben der Straße Gasseldorf. Der Ort gehört zu Ebermannstadt und ist kleines beschauliches Dorf mit viel Fachwerk und bekannt geworden durch Georg Lahner. Er ist der Erfinder des Wiener Würstchens, die sogar in den USA ihren Siegeszug nahmen. Es starb ohne Nachfahren in Wien, ließ sich aber seine Original-Rezeptur unter dem Namen „Original-Gasseldorfer-Lahner-Würstel“ patentrechtlich schützen. Die heute auf dem Markt befindlichen Wiener entsprechen nicht seiner Rezeptur. Heute feiern die Gasseldorfer Vereine ein großes Straßenfest mit der Unterstützung ihrer Blaskapelle.  

Hinter dem Ort kommt mir eine lustig verkleidete Skatergruppe entgegen. Es geht weiter leicht wellig in den staatlich anerkannten Luftkurort Streitberg. Noch bevor wir den Ort erreichen, sehen wir oberhalb des Ortes die herrlichen Dolomitfelsen. Der kleine Ort gehört zur Gemeinde Wiesenttal und hat mit seinen 21 Ortsteilen gerade mal 2 ½ Tausend Einwohner. Das Dörfchen ist weithin bekannt durch den seit 1898 hergestellten Kräuterlikör Streitberger Bitter.

Nachdem wir einen Teil des Ortes umlaufen haben, kommen wir an der Einmündung zum Bürgerhaus vorbei. Hier ist die Hölle los. Heiße Rhythmen mit der Sambagruppe Afrosamba e.V. heizen uns ein. Die Brasilianische Tänzerin hat ihren schweren Kopfschmuck bei dieser Hitze abgelegt und tanzt „oben ohne“. Ein großes Banner zeigt uns, dass die Marathonparty schon seit 9 Uhr am Laufen ist. Für ein Foto mache ich ein kurzes Schaulaufen und begeistere damit die Zuschauer.

Oberhalb des Ortes sind noch die Reste der ehemaligen hochmittelalterlichen Adelsburg Streitberg zu sehen. Gegenüber auf der anderen Seite der im Mittelalter so wichtigen Handelsstraße Bayreuth-Nürnberg stehen ebenfalls noch Reste der ehemaligen hochmittelalterlichen Adelsburg Neideck. Wie streitsüchtig die damaligen Adelsgeschlechter waren, zeigt auch, dass von den Streitbergs 1690 keiner mehr übrig war.

Als  ich wieder mein Rennen aufnehme, kündigt sich lautstark die Dampfbahn Fränkische Schweiz an. Heute jedoch mit Diesel und nicht mit Dampf. Der schöne alte historische Zug mit einer V60 davor fährt uns entgegen. Wir sind ja auf einer Wendepunktstrecke und so kommen uns allmählich  die ersten Läufer entgegen. Sie laufen ihren Marathon in der Hälfte meiner Zeit, was mich aber nicht beunruhigt. Ich fotografiere und genieße den Lauf und die Strecke.

Kurz hinter dem Ort steht am Straßenrand eine wunderschöne Villa und ihr gegenüber auf einem Fels die Burgruine Neideck. Wir laufen um die Burgruine in einer großen Schleife immer neben der Wiesent. Hier gibt es viele Höhlen, wie z.B. die Binghöhle eine Tropfsteingalerie Höhle, sowie zahlreiche Naturdenkmäler und bizarre Felsformationen. Wer die Augen nicht nur auf der Straße sondern auch in der Umgegend hat, wird auf dieser Strecke viele schöne Dinge entdecken. Jetzt nimmt der Gegenverkehr zu und es gibt noch mehr zu gucken.

Nach einer großen Schleife erreichen wir Muggendorf, das auch zur Gemeinde Wiesenttal gehört. Früher hieß die Fränkische Schweiz sogar Muggendorfer Gebürg. Der Ort wurde 1248/49 erstmals urkundlich erwähnt als er zur Burg Neideck kam. 1347 erhielt das Geschlecht der Schlüsselberger das Patronatsrecht bevor es 160 Jahre später an den Markgrafen Friedrich II. von Brandenburg-Ansbach verkauft wurde. Eine sehr bewegte Geschichte für dieses kleine Örtchen. Wir überqueren die Wiesent und laufen jetzt ein Stück rechts des Flusses. Schatten gibt es keinen aber Sonne pur. Hinter der nächsten Wiesentquerung gibt es wieder Wasser. Viele bleiben stehen und kippen sich das Wasser becherweise über den Kopf, um sich etwas abzukühlen.

Jetzt laufen wir am Waldrand in Richtung Behringersmühle, der Endstation der Eisenbahn. Wir haben es nicht mehr so weit bis zur Wende an der Sachsenmühle. Das Schild 26km  taucht auf. Es sind noch rund 3 ½ km zur Wende. Auf der anderen Seite verläuft ein Radweg im Schatten. Wie gern würde ich jetzt die Seite wechseln. Auch die Bahn ist wieder da und die V60 zieht ihre Gäste durchs herrliche Wiesenttal. Bei km 28 sehe ich Paddler auf dem Fluss, denen es sicher nicht so heißt ist wie uns Läufern. Dann werden wir durch Schilder auf die Wende hingewiesen, noch 500m aber zu sehen ist noch nichts, nur den Spielmannszug hört man schon. Dann noch 300m, noch 100m  -  dann wird auf der Bundesstraße gewendet und der Rückweg beginnt.

Zuvor genieße ich noch etwas das Straßenfest, das die Bewohner aus Gößweinstein und Leutzdorf organisieren und gebe ein Interview und mache Fotos mit den Moderatoren. Es ist richtig schön zu sehen, wie viel Spaß und Freude die Bevölkerung an dieser Laufveranstaltung hat.

Der Vorteil einer Wendestrecke ist, man kann sehen wer alles vor einem liegt und jetzt auf dem Rückweg sehen, wer noch so alles hinter einem läuft. Der Nachteil ist, ich kenne schon alle Anstiege, über die  drüber muss. Na ja, so bergig wie vor 14 Tagen im Allgäu ist es nicht.

Noch 13km. Irgendwann kommt mir auch der Besenwagen entgegen und ich sehe, dass meine Vereinskameradin Ingrid heute das Schlusslicht macht. Ich rufe ihr noch zu „Halte durch, du schaffst das“. Und ob.  Ich muss jetzt längere Stücke gehen, mein Akku ist leer und mein Körper ausgelaugt. Der Körper will nicht mehr, nur der Kopf sagt „Du musst weiter“. Gut, dass es jetzt meist leicht abwärts geht.  Wir folgen  der Wiesent jetzt in Fließrichtung. Bis km 15 gibt es alle 5km Wasser und Elektrolytgetränke, ab da alle 2,5 km zusätzlich Bananen.

Wir queren wieder zweimal die Wiesent und sind in Muggendorf. Hier sitzt eine Läuferin am Wegrand und fragt, ob ich noch weiter laufe.  In 5:30 Stunden sei das doch nicht zu schaffen. Ich rufe ihr zu: „Komm mit, heute gibt es einen Hitzezuschlag. Das Ziel ist 6 Stunden auf“. Sie versucht es, bleibt aber schon sehr bald stehen. Sie ist einfach alle. Ich walke und laufe abwechselnd, denn das Ziel ist ankommen.

Jetzt  bei km 38, kurz vor Streitberg, links im Blick die Burgruine Neideck,  gibt es einen Sonderservice für die Läufer. Neben Cola zum letzten Aufputschen gibt es Maisel's Weisse alkoholfrei. Vor 2 Wochen im Allgäu hat das Weizen fast gekocht im Becher heute ist es aus. Ich bin wohl zu langsam. Schade, hatte mich eigentlich sehr drauf gefreut.

Apropos Bier. Das typische Bier der Region ist dunkel. Da die meisten Brauereien kleine Privatbetriebe sind, wird auch nur ein- oder zweimal in der Woche gebraut. Bei einer früheren Reise konnte ich sogar sehen, dass das alte Holzbierfass noch auf die Theke gestellt und dort direkt angezapft wurde. Wenn man in Franken von Dreigestirn spricht, hat das nichts mit Karneval zu tun, sondern damit, dass viele Brauereien nebenbei auch noch einen Gasthof und Landwirtschaft haben. Die Fränkische Schweiz hat auch die höchste Brauereidichte der Welt und der Ort Aufseß (ca. 10km nördlich von Streitberg) ist im Guinnes-Buch der Rekorde aufgeführt mit 4 Brauereien bei nur 1.500 Einwohnern.

Wir verlassen hier kurz die Bundesstraße, denn wir laufen eine Schleife durch den Ort vorbei am Bürgerhaus. Hier ist die Marathonparty in vollem Gange und es geht zickzack durch die vielen feiernden Anwohner. Nach ca. 200m geht es wieder auf der B470 weiter und es beginnt der lange Anstieg nach Gasseldorf. Wir haben nur noch 4 Kilometer zum Ziel. Hier überholt mich der blinde Dietmar Beiderbeck. Sein Guide ist heute mit dem Fahrrad dabei. Dietmar sucht immer Begleitläufer. Wer mal Interesse hat, sollte sich mit ihm in Verbindung setzen und lernt so einen sehr sympathischen Marathon- und Ultraläufer kennen. Auch Didi, wie er überall genannt wird, ist heute über eine Stunde länger unterwegs als sonst.

Bei Gasseldorf steht ein Anwohner (siehe Foto, graues T-Shirt) mit einem halbvollen Bierglas. Ich sehe ihn ganz sehnsüchtig an und frage, ob ich einen Schluck bekomme. „Trinks aus“, sagt er. Köstlich,  so ein kühles Bier. Er hat damit einem Läufer das Leben gerettet. Danke. Das Wasser an den letzten Stationen war schon kurz vorm Siedepunkt. Hier läuft Irmi Trütschel zu mir auf und wir unterhalten uns ein wenig. Sie läuft heute ihren ersten Marathon. Hoffentlich hat sie hinterher nicht die Schnauze voll.

Hinter Gasseldorf geht es jetzt abwärts und wir wollen beide laufend das Ziel erreichen. Ebermannstadt kommt schon in Sichtweite. Es geht abwärts in den Ort. Kurz vorm Ziel kommen uns Irmi‘s zwei Kinder entgegen, die sie jetzt  ins Ziel begleiten. Sie genießt ihr erstes Marathon-Finish mit ihren Kindern.  Dann komme auch ich durchs Ziel. Schön, es geschafft zu haben. Nr. 95 ist vollendet, wenn auch sehr ausgelaugt, aber mit guter Laune. Ich werde im Ziel von vielen meiner Laufkameraden schon lange erwartet und sofort gefragt: „Ist Inge noch unterwegs?“

Die Zeit geht auf die 6 Stunden zu. Der Sprecher fragt unsere Gruppe immer wieder, wann unsere Kameradin wohl kommt. Kurz nach mir sind noch Anita Kinle und knapp unter 6 Stunden Marina Graetz durchs Ziel. Die 6 Stunden sind rum, Mika-Timing will abbauen. Mit Unterstützung des Zielsprechers werden sie überredet, die Matte noch „scharf“ zu lassen. Dann kommt Ingrid in Sichtweite. Sie wird von vielen Läufern unseres Vereines begleitet und es gibt einen sehr emotionellen Zieleinlauf. Vielen Dank an das Fränkische Schweiz Marathon-Team, das nenne ich eine echte sportliche Geste, wie man sie nur bei so engagierten Leuten wie hier erlebt.

Lange warten musste das Ziel-Team heute schon einmal, denn auch die Ersten bleiben wegen der Temperaturen deutlich über den erwarteten Zeiten.  Marathonsieger Markus-Kristan Siegler, im letzten Jahr  Erster über 16km, meint: „Die Strecke war erwartet schwer mit vielen Steigungen. Mehr war einfach bei diesen Temperaturen nicht drin“. „Kollegin“ Kerstin Steg, die schon Deutsche Meisterin in ihrer AK war und letztes Jahr hier in einer Zeit von 3:03:25 ins Ziel kam, bleibt diesmal aber nur knapp 3 Minuten drüber.

Beim Gespräch mit Orga-Chefin Marion Rossa-Schuster (danke auch sie für die Gastfreundschaft) stellt sich dann noch heraus, dass unsere Inge die älteste Teilnehmerin ist und somit die W 60 gewinnt.  Dafür gibt es einen Einkaufsgutschein und eine würdevolle Ehrung. 

Der Einkaufsgutschein muss auch gleich eingelöst werden. Die Wahl fällt auf einen Badeanzug, der allerdings etwas den Wert des Gutscheines übersteigt. „Passt schon“, sagt der Verkäufer.  Und ihr Mann bekommt noch ein Bier. So ist das in Franken.

 

Marathonsieger
Männer

1 Siegler, Markus-Kristan Turnerbund 1888 Erlangen 02:45:31
2 Stadter, Norbert TS Herzogenaurach 02:48:44
3 Apfelbacher, Sebastian TG Kitzingen 02:50:12

Frauen

1 Steg, Kerstin LAC Quelle Fürth  03:07:23
2 Schadewell, Andrea Team Icehouse 03:22:32
3 Odörfer, Marianne Wasserwacht Weißenburg 03:24:51

250 Finisher

 

Informationen: Fränkische Schweiz Marathon
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