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Laufberichte

Ulm: absolut relativ

 

Relativ flott

 

war ich anfangs unterwegs, jetzt beginne ich durch die vielen Fotostops immer weiter zurückzufallen. Als Tanja, die Zugläuferin für 3:55 Std., vorbeiläuft, hänge ich mich an sie und ihre Schützlinge. Ich glaube, ein wenig Druck von außen kann nicht schaden, denn sonst wird das heute gar nichts. Die vielen in den vergangenen beiden Tagen zu Fuß zurückgelegten km machen sich durchaus bemerkbar, eine gute Vorbereitung sieht anders aus. Auf der anderen Seite: Wo ist die Alternative, wenn Du hier das ganze Wochenende verbringst und noch nie da warst?

Die nächste Viertelstunde sind wir in der Friedrichsau unterwegs, der Grünanlage der Donau, in der sich die Ulmer bewegenderweise auf Trab halten.  Tanjas Mann steht zum ersten Mal mit Hund an der Strecke, und der rastet schier aus, als er die Chefin sieht. Also der Hund. Nach gut 23 km wenden wir, um die letzten vier km wieder zurückzulaufen und uns auf diesen das ganze Elend im hinteren Feld anzuschauen. Nein, Spaß beiseite, Elend sieht anders aus. Es folgen, wie gehabt, Gänstor- und Herdbrücke. Kurz vor km 26 verlassen wir das Ufer für einen kurzen Rundweg in der Stadt durch den Metzgerturm, ein heute noch erhaltenes Stadttor der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Der relativ schiefe, 36 m hohe quadratische Backsteinturm mit Spitzbogentoren wurde um 1340 als Auslass der staufischen Stadtbefestigung zur davorliegenden Stadtmetzig (Schlachthof) errichtet. Gute zwei Meter ist er aufgrund einer nachträglichen Bodensenkung des sumpfigen Untergrundes nach Norden geneigt und damit kaum gerader als sein Vetter in Pisa. Der Sage nach entstand die Turmneigung, weil sich dort eingesperrte korpulente Metzger aus Angst vor Strafe wegen minderwertiger Waren in einer Ecke zusammendrängten, als der zornige Bürgermeister eintrat.

Ein weiteres echtes Glanzlicht sind die folgenden Meter auf der Stadtmauer, herrliche Stadthäuser zur Rechten, die Donau zur Linken, ein optischer Genuß. Zurück auf Flußniveau setzen wir unseren Weg fort und unterqueren dabei sowohl die Eisenbahnbrücke von 2007 als auch den Steg.

 

Relativ im Eimer

 

ist die darauffolgende Adenauerbrücke als Teil der B 10. 1954 erbaut ist sie als eine der meistbefahrenen bayrischen Brücken – über 90.000 Fahrzeuge nutzen sie täglich – inzwischen derart marode, daß sie wohl komplett abgerissen werden muß und immer wieder nur notdürftig instandgesetzt wird. Eine Provinzposse ist dem Vernehmen nach die Planung eines Neubaus, über deren Zuständigkeit sich verschiedene bayrische und württembergische Behörden streiten.

Km 28, 29, 30 verlaufen parallel zur Donau und Eisenbahnlinie, dann überqueren wir sowohl Donau als auch Donaukanal auf Höhe des 1907 ans Netz gegangenen Donaukraftwerks, das neben der Stromerzeugung zugleich als Grundwasser-Pumpstation dient. Bei so viel Donau fallen mir die relativ schmackhaften Donauwellen ein, mit denen wir beim nächsten VP leider nicht beglückt werden. Knapp anderthalb km entlang eines kurzen Donaukanals erreichen wir bei km 32 den südlichsten Punkt des heutigen Kurses.

Ich muß mich mittlerweile schon ganz schön ins Zeug legen, um mithalten zu können. Aber wenn ich jetzt abreißen lasse, ist es um mich geschehen. Später erlebe ich das Wunder, das man nur durch eigenen Einsatz erfahren und schließlich glauben kann: Irgendwann geht es plötzlich wieder und die Krise ist, zumindest für eine gewisse Zeit, überwunden. Da kommt die Fangruppe für einen anderen Wolfgang genau richtig, vor der ich mich aufbaue und auf meine personalisierte Startnummer hinweise. Es dauert einen Augenblick, bis der Groschen bei denen fällt und die gewünschte Reaktion eintritt.

„Das also ist der Spezi vom Bernie, Greppi und Magic“ rufe ich dem Team TOMJ-Shirtträger zu, den ich etwas später einsammele. „I hob mi heit verrennt“, sagt der Charly, „und muß langsam mocha.“ Egal, er wird es packen, für ein Lächeln reicht’s noch und im Ziel werden wir uns wiedersehen.

Entlang des Ulmer Wasserschutzgebiets „Rote Wand“ tangieren wir Wiblingen auf den km 34 bis 36. Obwohl südlich der Donau und südwestlich von Neu-Ulm gelegen, befinden wir uns schon wieder im Württembergischen, da soll einer noch durchblicken. Ein echter Hingucker ist hier das Kloster Wiblingen, eine 1093 gegründete ehemalige Benediktinerabtei, die bis zur Säkularisation 1806 bestand. Teile von ihr wurden später als Schloß und Kaserne genutzt, heute dient sie der Uniklinik Ulm als Standort einiger Abteilungen. Das Durchlaufen dieses Kulturdenkmals ist für mich ein weiterer Höhepunkt des an Höhepunkten nun wirklich nicht armen Kurses. Der Gerhard ist ein ganz Netter, läuft voraus, knipst den Autoren in der Ausübung seiner Tätigkeit und sorgt so für ein nettes Andenken.

 

Relativ herausfordernd

 

ist die Aufgabe für zahlreiche Schüler, sich die bedeutenden Nebenflüsse der Donau zu merken. Dieses Thema aus grauer Vorzeit fällt mir nämlich spontan wieder ein, als wir bei km 36 auf die Iller stoßen: Iller, Lech, Isar, Inn, fließen rechts zur Donau hin. Altmühl, Naab und Regen kommen ihr von links entgegen. So, jetzt haben auch die Ossis was gelernt. Wir überqueren sie (die Iller, nicht die Ossis) und benötigen knappe zwei km bis zur Mündung in die Donau. 147 km hat sie seit ihrem Ursprung aus dem Zusammenfluß dreier Bäche bei Oberstdorf im Allgäu bis hierher zurückgelegt, und auch uns hat die Donau kurz vor km 39 wieder.

Viel Zeit ist nicht mehr, wenn am Ende die „3“ stehen soll und ich muß mich wirklich ranhalten. Tanja hat Bauchschmerzen und liegt offensichtlich deutlich hinter ihrem Zeitziel zurück, zumindest ist dies das Signal von Mann und Hund bei einem weiteren Zusammentreffen. Daraufhin nimmt sie die Beine in die Hand und ward nicht mehr gesehen, keine Chance für mich zum Dranbleiben, heute nicht. Insofern nerven mich auf dem relativ engen Waldweg zwei Radfahrer, die einen Läufer begleiten, um ihn herumfahren und auch versorgen. Kathi erweist sich als profunde Kennerin unserer Seite und auch diverser Autoren, die ich alle grüßen soll. Die Berliner Mauerwegläuferin (100 Meilen) ist heute nicht ganz so flott unterwegs wie von ihr selber gewünscht und schickt mich daher vor. Das Gespräch setzen wir im Ziel fort.

Gute 40 km sind vorbei, als wir über den Dr.-Ted-Fritscher-Weg parallel zur Eisenbahnbrücke etwas unterhalb der Große Blau-Mündung (deren Ursprung, den Blautopf in Blaubeuren, 22 km zurück in Richtung Alb, sollte man im Leben einmal gesehen haben) letztmalig das Ufer wechseln. Alleine der atemberaubende Ausblick von der Brücke auf die Ulmer Altstadt mit ihrem dominierenden Münster ist sämtliche  vorangegangenen Anstrengungen wert.

 

Relativ kurz

 

ist erfreulicherweise unser Restprogramm, fast schon ist es geschafft. Selbst auf den letzten Metern lassen wir kein Wasser aus, überqueren die Große Blau. Aber trotz des Duft- und Tastgartens, einer kleinen Oase nicht nur für Sehbehinderte und Blinde am Kobelgraben, sowie des Farngartens sind die letzten km leider etwas unspektakulär. Gut, wenn man das Fischerviertel vorher nicht gesehen hat, geht einem nichts ab, so aber hätte ich mich über ein paar von altem Gemäuer gesäumte Meter nicht beschwert. Da haben es die 10 km-Läufer besser.

Au Backe, bei km 41 habe ich nur noch gute sechs Minuten für 1.200 m. Normalerweise kein Thema, ist das jetzt eine echt harte Nuß, ich habe Füssen nicht vergessen. Das Schaulaufen auf den mit vielen Zuschauern gesäumten letzten paar hundert Metern macht trotz der Anstrengung viel Freude, dann ist das Münster in Sicht, das übrigens nie einem Bischof oder Fürsten gehört hat, sondern komplett von den Bürgern finanziert wurde. Kurz vor dem Zieltor steht Artur und weist publikumswirksam auf diesen Bericht hin. Ich hoffe, Ihr seid damit zufrieden.

 

 

Absolut zufrieden

 

und ausnahmsweise mal nicht nur relativ bin ich mit mir und der Welt nach 42,195 km im Ziel (das Zeiteisen zeigt 400 m mehr), denn erstens hat es ganz knapp zeitlich gereicht und dazu mir wirklich rundum gut gefallen. Ein eher schneller Marathon ist das hier, bei 637 Läufern beiderlei Geschlechts im Ziel liegt der Median bei 3:57 Std. Eigentlich wollte ich die angebotene Dusche im LKW nutzen, aber es ist so angenehm warm in der Sonne, daß ich mich von ihr trocknen lasse, das Duschen auf später im Hotel verschiebe und im Zielbereich auf Elke warte. Die Verpflegung ist wirklich ausgesprochen gut und vielfältig, insbesondere bin ich vom angebotenen Studentenfutter (politisch korrekt und zu Tode gegendert müßte es ja inzwischen Studierendenfutter heißen…) begeistert. Leider ist das Obst nach Elkes Zielankunft ausgegangen, da hat man wohl etwas knapp kalkuliert.

Die Kombination aus trotz großer Kriegszerstörungen sehr ansehnlichen Stadt, einem abwechslungsreichen, attraktiven Kurs sowie einer engagierten und gelungenen Organisation hat bestens funktioniert. Wenn man jetzt noch die schwer verständliche Regelung der Extragebühr für die Zeitnahme wie vorgeschlagen ändert und das Bechermüllproblem an der Donau löst, ist der Einstein-Marathon eine völlig runde Sache, die allen Beteiligten nur Freude bereitet.
Zurück nach Hause benötigen wir sechs Stunden. Die Zeiten, in denen das Autofahren Vergnügen bereitete, sind wohl unwiderruflich vorbei.


Streckenbeschreibung:
Vorwiegend flacher Punkt-zu-Punkt-Kurs, jeder km ist ausgeschildert.

Startgebühr:
Je nach Anmeldezeitpunkt 30 bis 45 € (bei Nachmeldung) zzgl. separat zu zahlender Gebühr von 5 € für die Zeitmessung.

Weitere Veranstaltungen:
Marathonstaffel, Halbmarathon, Inline-, Handbike- und Nordic Walking-Halbmarathon, 10 und 5 km-Lauf, 10 km Walking.

Auszeichnung:
Medaille, Urkunde vor Ort und zum Ausdruck

Leistungen/Logistik:
Gutschein für die große “Settele-Spätzles-Party” am Samstag (Münsterplatz), Massage-Service und Duschmöglichkeiten im Zielbereich, Gepäck-Service vom Start ins Ziel, Shuttle Service vom Bahnhof und den Parkhäusern der Innenstadt zum Start, Parkplätze im Startbereich, Nutzung des ÖPNV im Stadtbereich, Zugläufer für diverse Zielzeiten,Duschtruck.

Verpflegung:
Teilnehmerversorgung auf der Strecke und im Ziel – alle 5 km Versorgungsstände mit Wasser und Iso, später auch Cola, ab km 15 Obst, zwischendurch Erfrischungsstände mit Wasser.

Zuschauer:
In den Dörfern und Städten zahlreiche Fans.

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Informationen: Einstein-Marathon
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