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Laufberichte

Wenn es Nacht wird in Monnem

 

 

Wir erreichen die Oststadt. Die breite Straße ist hell erleuchtet; überall stehen Schaulustige und klatschen begeistert Beifall. Wir biegen in die Fressgasse ein, sind somit in den legendären Mannheimer Quadraten gelandet. Die historische Innenstadt von Mannheim ist in Quadraten  angelegt und auch benannt, Straßennamen gibt es nicht.  Die Nummerierung der 144 Häuserblöcke erfolgt vom Schloss aus mit A1, dann kommt A2 bis A5. In der nächsten Reihe geht es weiter mit B1 und so weiter. Gar nicht  kompliziert,  man gewöhnt sich schnell daran. Es geht am Rathaus (E5) vorbei. Dort befindet sich die nächste Wechselzone und Verpflegung.

Nachdem wir zweimal links gelaufen sind, führt die Strecke richtungsmäßig wieder zurück. Die Halbmarathonis geben jetzt nochmal Gas, ihr Ziel ist gleich erreicht. Große Hinweisschilder zeigen die Weiche; dort heißt: es Halbmarathon links, Marathon geradeaus.

 

 

Nun wird es ruhig auf der Strecke. Trotzdem steht an jeder der vielen Seitenstraßen Polizei, um den Verkehr für die Läufer aufzuhalten. Vor uns liegt linkks das Museum Zeughaus (C5) ein Teil des Reiss-Engelhorn-Museums mit seiner ungewöhnlichen Augeninstallation, während rechts die historische Fassade der Friedrich-List-Schule (C6) prangt. Während ich stehenbleibe, um den Turm der Jesuitenkirche zu fotografieren, ruft mir der Helfer zu, es würde nun links auf den kleinen Weg gehen. Dann bemerkt er, dass ich fotografiere und meint dann: „Schön, ein Spaßläufer und Du siehst noch richtig gut aus!“ Das freut mich ungemein.

Bei km 22 komme ich an ein Begegnungsstück. Die Entgegenkommenden sind Läufer mit 3:30 Zielzeit. Sie haben es nicht mehr weit und sprinten an mir vorbei. An jedem Abzweig stehen nun Helfer, damit sich in der Dunkelheit keiner verläuft. Besonders dunkle Stellen sind mit zusätzlicher Beleuchtung versehen, die von Generatoren gespeist werden. Es geht nun in einem weiten Rondell nach oben auf die Konrad-Adenauer-Brücke über den Rhein (km 23). Von dort hat man einen phantastischen Ausblick auf die Lichter von Mannheim und Ludwigshafen.

 

 

Ich laufe auf einen Staffelläufer auf, wir kommen ins Gespräch. Nach den obligatorischen Lauftipps kommen wir schnell zu privaten Themen. Manchmal passt es eben. So vergeht die Zeit wie im Flug und schon ist der nächste Staffelwechsel erreicht. Ich verabschiede meinen Begleiter mit vielen guten Wünschen und ziehe wieder allein weiter. Es ist nun sehr, sehr ruhig auf der Strecke. Die Staffeln sind über alle Berge und die wenigen Marathonis weit versprengt. Die Lagerhausstraße zieht sich. Sie führt am stillgelegten Luitpoldhafen entlang. Neben großen Lagerhallen ist heute hier der Ludwigshafener Kanu Club ansässig. Ich bin froh, als wir wieder auf das Begegnungsstück in der Böcklinstraße treffen. Plötzlich ist wieder Leben um mich herum. Große Gruppen von 4h00-Läufern und Staffeln kommen entgegen.

Links geht es in die Erich-Reimann-Straße in Mundenheim. In der Kurve stehen einige Schlachtenbummler, dann wird es schon wieder weniger. Es geht entlang großer Sportanlagen, wie Südweststadion, Sportpark und Polizeisportverein. Schön, dass die Streckenposten und vereinzelte Zuschauer den Läufern die Stange halten. An der VP bei km 26 wird Cola ausgeschenkt. Das gibt neue Kraft. Irgendwann biegen wir auf eine Fahrradbrücke über den vierspurigen Adlerdamm. Hier stehen mehrere Streckenposten, um auf eine einzelne Stufe aufmerksam zu machen. Von oben kommen die Läufer der Gegenrichtung angeschossen. Etwas weiter stehen Polizisten und Polizistinnen an einer Kreuzung und applaudieren eifrig jedem Läufer.

Wir kommen auf die vierspurige Rheingönnheimer Straße, geteilt von Schienen der Straßenbahn.  Außer ein paar Passanten scheint sich das Leben hier in den Häusern abzuspielen. Fehlt noch, dass gleich die Bürgersteige hochgeklappt werden! Am Giulini-Platz wird die Rheingönnheimer Straße zur Hauptstraße, die, wie sollte es auch anders sein, nach Rheingönnheim führt. Im 18. Jahrhundert verlief hier der Weg von Mannheim nach Speyer. Bis 1840 war der Ort ein kleines Nest mit 117 Häusern.

Heute hat Rheingönnheim über 8000 Einwohner und ist der südlichste Stadtteil von Ludwigshafen. Ungefähr die Hälfte der Einheimischen stehen gerade am Straßenrand und machen Stimmung, als gäbe es kein Morgen. Nach den vergangenen einsamen Kilometern werde ich richtig euphorisch, vor allem, als das km 30 Schild in Sicht kommt. Es folgt ein Wendepunkt und alles geht nochmal von vorne los. Das Publikum ist kaum zu halten und peitscht uns unerbittlich vorwärts.

Schade, dass es bald wieder ruhiger wird. Ich versuche die entgegenkommenden Läufer mit der Aussicht auf Cola zu motivieren. Sie wissen ja noch nicht, was ihnen gleich bevorsteht. Mir geht es gut und ich freue mich, den restlichen, bereits bekannten Weg locker zu Ende zu laufen. In Mundenheim ist es nun noch ruhiger als zuvor; nur die Polizeigruppe ist noch da und klatscht für jeden der müden Läufer. Vielen Dank!

Auch manche Helfer sind nun sichtbar müde. Ich spreche jeden an und bekomme immer aufmunternde Worte. Ein einsamer Zuschauer verspricht, er würde hier stehen, bis der letzte Läufer vorbei gekommen ist. Ich bin gerührt und denke mir: es gibt eben auf beiden Seiten Verrückte, bei Läufern, wie bei den Zuschauern. Auf den liebevoll gestalteten Kilometerschildern stehen immer aufmunternde Sprüche in Mannheimer Mundart. Bei km 32 z.B. „Net schlapp mache!“. Nein, das habe ich nicht vor.

Hinter der Fahrradbrücke kommt mir das Besenfahrrad mit den letzten Läufern entgegen. Sie sehen gut gelaunt aus und werden sicher ins Ziel kommen. An der VP vor km 34 befindet sich ein weiterer Staffelwechsel. Ziemlich verwaist stehen hier ein paar Unermüdliche. Vorhin war noch Riesenstimmung, nun sind die Anwesenden in meditative Stille verfallen. Im Vorbeilaufen lasse ich eine entsprechende Bemerkung fallen. Sofort wird geklatscht und gejohlt, was das Zeug hält. Ich bin richtig erschrocken über den plötzlichen Wandel. An der VP halte ich kurz an. Ein Helfer bietet mir Riegel und/oder Banane. Da kann ich nicht nein sagen. Wir wechseln ein paar nette Worte, dann geht es weiter.

Am Luitpoldhafen teilt sich die Strecke erneut. Über einen Damm laufen wir auf die Parkinsel. Bevor der Luitpoldhafen gebaut wurde, war dort ein dichter Auenwald und natürliches Überschwemmungsgebiet. Der Hafen teilte dann die Insel, bis zu dessen Stilllegung die Kammerschleuse am südlichen Ende des Luitpoldhafens geschlossen und durch einen befahrbaren Damm ersetzt wurde. Um 1900 ist hier ein schöner Stadtpark entstanden, der nach dem Krieg 1947 mit offenen Rasenflächen und neuen Wegen sein heutiges Gesicht erhielt.

Nun folgt der für mich schönste Teil der Strecke. Auf der Hannelore-Kohl-Promenade geht es keine 2 m vom Wasser entfernt entlang. Es ist völlig still, keine Verkehrsgeräusche sind zu hören; nicht einmal ein Vogel zwitschert. Vorbeifahrende Schiffe machen sich nur durch ein lauter werdendes Plätschern bemerkbar. Auf der gegenüberliegenden Rheinseite ist ebenfalls Waldpark, dahinter kann man schemenhaft hell erleuchtete Gebiete erkennen. Das km 36 Schild meint: „Noch emol Vollgas jetzad!“. Ein paar Zuschauer haben eine Laterne aufgestellt und sitzen auf einem Bänkchen. Während ich näher komme, rufen sie mir aufmunternde Worte zu und spenden Applaus - für mich könnte es ewig so weitergehen.

Der Weg endet in einer Art Wendeltreppe (aber ohne Stufen), über die man auf eine Brücke kommt; auf der anderen Seite geht es genauso hinab. Oh je, mein Knie streikt. Ein stechender Schmerz hemmt meinen Lauffluss. Naja, 5 km werde ich ja wohl noch schaffen. Die Rheinschanzenpromenade geht wieder direkt am Rhein entlang. Mittlerweile ist das gegenüberliegende Ufer hell erleuchtet und die Konrad-Adenauer-Brücke kommt in Sicht. Gerade überholt mich der Pacer für 5h00. Ich versuche gar nicht erst mitzulaufen, denn mein Knie macht sich sofort wieder unangenehm bemerkbar. Es geht unter der Brücke hindurch. Streckenposten weisen uns an der nächsten Kreuzung links auf die Lichtenberger Straße, dem Zubringer für die Brücke. Obwohl die Straße gesperrt ist, entscheide ich mich für den Gehweg.

Oben kommen wir wieder auf den Radweg über die Brücke, wo wir vor Stunden bereits in Gegenrichtung gelaufen sind. Hier überholt mich ein „running Doctor“ der trotz seiner unhandlichen Fahne gleichmäßig unterwegs ist.  Alle Achtung. Ich genieße noch ein letztes Mal die Aussicht; dann geht es hinunter. Wir verlassen die Begegnungsstrecke nach rechts. Ich habe keine Orientierung mehr, aber der Weg ist eindeutig beschildert und ich verlasse mich blind auf die Streckenposten. Wir laufen durch ein mächtiges Tor, eine Helferin meint, ich solle einfach auf das Licht zulaufen. Ich schaue mich um und bin erstaunt. Wir sind im Ehrenhof des Mannheimer Schlosses gelandet.

Bereits 1606 gründete Kurfürst Friedrich IV. die Festung Friedrichsburg, die aber im Pfälzischen Erbfolgekrieg fast vollständig zerstört wurde. Kurfürst Carl Philipp begann 1720 mit dem Bau eines neuen Schlosses, das in Größe und Form an das Schloss von Versailles erinnern sollte. Mit 440 m Fassadenlänge zählt es immer noch zu den größten Schlössern Europas. Im 2. Weltkrieg wurde der Prunkbau zwar stark zerstört, jedoch in den Nachkriegsjahren detailgetreu wieder aufgebaut, verschiedene Räumlichkeiten gehören zur Universität, in der etwa 12.000 Studierende aus fast 100 Ländern an fünf Fakultäten eingeschrieben sind.

 

 

Leider ist die Beleuchtung so spärlich, dass ich kaum etwas von den schmucken Gebäuden erkennen kann. Ich konzentriere mich auf die Läuferin vor mir: Aha, da geht es links und da vorne ist auch das anvisierte Licht. Es kommt von einem großen Scheinwerfer, der am Ausgang des Ehrenhofes angebracht ist. Hier ist auch ein DJ am Werk.  Gleich werden wir abermals durch ein repräsentatives Tor geleitet. Eine Grünfläche und der Eingang zur Unimensa warten auf uns. 

Wieder sind wir  in den Quadraten, kommen zum Paradeplatz und laufen schließlich  in Richtung Wasserturm. Schon von weitem können wir die Stimme des Sprechers hören. Wir erreichen den Friedrichsplatz,  das Ziel kommt in Sicht. Ein letztes Mal bleibe ich stehen und mache ein Foto, dann gehe ich über die Ziellinie.

Norbert und Laura erwarten mich bereits. Ich nehme die Medaille und  gemeinsam gehen wir zur Zielverpflegung. Obwohl ich zu den letzten Läufern gehöre, sind die Stände noch reich bestückt mit Essen und Getränken. Zunächst gibt es Haferbrei süß oder salzig, Red Bull an einem eigenen Stand, Rothaus Bier, Bananen, Orangen, Laugenstangen, Rosinenbrötchen und Brot in jeder Menge. Lauras Staffel ist übrigens mit 3:27 zweite bei den Hochschulstaffeln geworden, und das mit teilweise untrainierten Läufern. Meine Hochachtung!

 

 

Fazit: 


Das Konzept Dämmer Marathon hat mich überzeugt. In die Nacht hineinzulaufen, ist etwas ganz Besonderes. Die Stimmung auf der Strecke ist toll. Dass es später ruhiger ist, liegt in der Natur der Sache. Die Helfer sind großartig, die Verpflegung stimmt von vorne bis hinten. Man hat sich mit Auswahl, Markierung und Beleuchtung der Strecke große Mühe gegeben, und das zahlt sich aus. Es macht Spaß, hier zu laufen.

 

 

Marathonsieger

 

Männer

1 Tuei, Hosea         2:20:49,9    
2 Eebbisaa, Firaa'ol 2:26:14,6    
3 Kibrom, Isaac    2:35:55,4    
4 Klusmann, Dennia  2:36:39,2 (bester Deutscher)

Frauen

1 Kiprotich, Gladys 2:41:41,8    
2 Kiprono, Prisca 2:49:18,4    
3 Winkler, Birgit 3:11:47,5 (beste Deutsche)

666 Finisher

12
 
 

Informationen: Dämmer Marathon
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