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Laufberichte

Weil's so schön ist: Zweimal durch Mannheim

 

Schon zum vierten Mal sind Judith und ich auf dem Weg zum Mannheimer Dämmermarathon. Das Laufen in die Nacht hinein ist eine schöne Abwechslung, besonders an einem sommerlich warmen Tag.

Wir reisen am Samstag ganz entspannt in die Stadt der 144 Quadrate und holen um 16:00 Uhr die Startunterlagen ab. Direkt am Wahrzeichen der rund 300 000 Einwohner zählenden Universitätsstadt, dem 60 m hohen, von 1886-1889 errichteten Wasserturm, liegt der Rosengarten. Der etwas irreführende Name bezeichnet ein Kongressgebäude, das kurz nach 1900 im Jugendstil als städtische Festhalle erbaut wurde. In diesem Jahr müssen wir nicht ins obere Stockwerk, sondern vor dem Gebäude nach unten. Nicht in eine Tiefgarage, sondern in Multifunktionsräume, die unterhalb des Vorplatzes liegen.

Wir nennen unsere Nummer und Namen und bekommen schnell den Umschlag mit Startnummer samt Chip und einen Sportbeutel mit allerlei Pröbchen. Einen Ausdruck der Anmeldebestätigung hätte man nur als Nachweis für die Freifahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln benötigt. Ein Veranstaltungsshirt kann man käuflich erwerben. Für Marathon-Giganten, also Mehrfachteilnehmer, gibt es einen extra Stand.

Im nächsten Raum gibt es die traditionelle Maultaschenparty, wo wir uns gleich noch einmal stärken. Dann unter lautem Schnaufen wieder nach oben. Die junge Ordnerin meint ob meines Leidens, dass ich es vielleicht beim Lauf etwas langsamer angehen lassen soll.

Judith und ich gehen noch mal ins Hotel, ruhen noch ein wenig aus und treffen letzte Vorbereitungen. Die Startaufstellung in der Augustaanlage, einer breiten Allee, erreichen wir eine halbe Stunde vor dem offiziellen Beginn. Dort geht es recht locker zu. Lobend muss ich die große Anzahl von Toilettenhäuschen erwähnen. Wir treffen Udo, der zurzeit im Wochentakt Marathons absolviert und sich damit auf einen 100-km-Ultra vorbereitet. Er ist ein sehr konstanter Läufer und spätestens zur Hälfte kann ich meist nicht mehr mithalten. Der Sprecher vermeldet, dass es heute in einem Rutsch zum Start gehen wird, da das Teilnehmerfeld überschaubarer ist als bei den letzten Auflagen. Die Halbmarathonis kommen nach uns zur Aufstellung. Nach vorne Richtung Startbogen. Viele Zuschauer sind hier, ein anderer Moderator übernimmt das Kommando.

 

 

Um 19:00 Uhr sollte es losgehen, aber erst ein paar Minuten später gibt die Polizei die Strecke frei. Unter dem Jubel der Zuschauer begeben wir uns auf unsere zwei Runden durch Mannheim und die  angrenzende Ortschaft Seckenheim. Der Veranstalter hatte wenige Stunden nach unserer Anmeldung verlautbaren lassen, dass die Strecke in diesem Jahr nicht wie gewohnt nach Ludwigshafen führen wird. Die Kosten für Absperrungen seien während der Pandemie um das Dreifache gestiegen und würden das Budget sprengen. Für mich recht schade, da ich die Stimmung in der Dunkelheit in Ludwigshafen und die Ruhe am Rhein sehr genossen hatte. Andererseits können ambitionierte Sportler sich nun über einen Kurs mit schnellen, langen Geraden freuen.

Wir drehen eine kurze Runde um den Wasserturm mit seiner schönen Gartenanlage samt Springbrunnen und Kaskade und sind flugs auf der Augustaanlage, von der aus wir nun fast 10 Kilometer Richtung Osten laufen. Vorbei am Denkmal des Automobil-Pioniers Carl Benz. Nicht  vergessen darf man auch Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn. Letzterer, einst in Mannheim lebender Erfinder und freigestellter Forstmeister, legte am 12. Juni 1817 mit einem von ihm konstruierten Laufrad eine Strecke von 14 Kilometern in einer Stunde zurück. In Anlehnung daran wurde eine „Run & Bike“-Marathonwertung eingeführt. Dabei legen zwei Personen die 42,195 km zurück, eine auf dem Rad und eine laufend. Sie können sich dabei nach Belieben  abwechseln. Und sie sollen niemanden behindern. Meist tragen beide einen Helm.

 

 

Dank Baustelle ist es in der Augustaanlage ein wenig eng. Meine Befürchtung, hier von den führenden Halbmarathonis überrannt zu werden, ist unbegründet, da diese nicht nur nach uns starten, sondern auch zu Beginn eine größere Schleife zurücklegen mit exakt einem Kilometer mehr. Sie überholen uns also erst später und auf sehr breiter Straße, sodass es keine Rempeleien gibt. Vorbei an den Hochhaustürmen namhafter deutscher Firmen – Mannheim bildet das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der europäischen Metropolregion Rhein-Neckar - geht es in Richtung Planetarium, dann passieren wir das Carl-Benz-Stadion  und ein großes chinesischen Lokal.

Die Laufbänder im nahen Fitness-Zentrum sind verwaist, wahrscheinlich haben sich einige der Sportler nun auch mal auf die Straße gewagt. Nach der Bahnunterführung kommen wir nach Neuostheim, der erste Garant für Stimmung auf Balkonen und vor den Wohnhäusern. Echt schön.

Unter einer Schnellstraße hindurch folgt ab Km 4 eine ziemlich lange Gerade neben Gewerbeansiedlungen, aufgelockert durch einen Verpflegungspunkt. Dort gibt es Wasser und Iso, Bananen und Riegel und bei Bedarf auch Toilettenhäuschen an der Wechselstelle des Teammarathons.

Unter der A6 hindurch, dann finden wir uns auf einem Rad/Fußweg in den Feldern wieder. Viele Bewohner von Seckenheim haben ihre durch Lärmschutzmauern geschützte Ortschaft verlassen und sind hier an die Umgehungsstraße gekommen, um uns anzufeuern. In der Ferne sehe ich einen Heißluftballon in der warmen Abendluft. Zwei Langhornrinder stehen entfernt auf der Wiese und entziehen sich einem Fotoversuch, indem sie ihre Hörner im Gras verstecken.

Bei km 9 geht die Straße in den Untergrund und wir können ebenerdig queren. Seckenheim erwartet uns mit allem, was dazugehört. Da wird musiziert, gegrillt, gefeiert, geklatscht und zugeprostet. Sogar einen Rasensprenger zur Abkühlung hat ein Anwohner aufgestellt. Corona? Hatte ich ganz vergessen. Dank der aktuellen Lage ist alles wie vor der Pandemiezeit. Das gilt auch für das Abklatschen der Kinder, die uns erwartungsvoll ihre Hände entgegenstrecken. Vor dem Geschäft der traditionellen thailändischen Massage erwarten uns augenscheinlich Mitarbeiterinnen. „Sawadee Krab“ und „Sawadee Khaa“ gibt es zu hören. Ich vermute, der Dämmermarathon ist für Seckenheim ein ganz besonderes gesellschaftliches Highlight. Was hat man dort nur zwei Jahre ohne diesen Event gemacht?

 

 

Vor uns taucht ein ehemaliger Wasserturm, im Volksmund Glatzkoop genannt, aus dem Jahre 1912 auf. Die Lochbühler GmbH hat in ihm ein Aufzugmuseum eingerichtet. Außen am Turm führt ein Panoramalift nach oben. Innen gibt es einen funktionstüchtigen Paternoster sowie historische Aufzüge.

Eine kleine Schleife. Die Pacemaker sind weit hinter Judith und mir. Verpflegung, dann wieder etwas Ruhe auf der langen Geraden der Seckenheimer Haupt- und Landstraße. Nächste Partyzone an der Spitze von Neuostheim. Links kommen die führenden Marathonis entgegen, 20 km vor uns. Wir biegen auf das Paul-Martin-Ufer ein. Gelegentlich kann man rechts den Neckar sehen. Meist verdeckt die Trasse der Trambahn den Blick. Links vor den Einfamilienhäusern wartet man natürlich auf uns. Die Straße ist frisch geteert, die Schikanen gegen Raser gut markiert. Vor uns, noch ein gutes Stück entfernt, der Fernsehturm. Da müssen wir hin.

Links der Luisenpark, Standort der Bundesgartenschau 1975. Wir sehen die Mauer des 2001 angelegten Chinesischen Gartens mit einem landestypisch geschwungenen Dach. Das zugehörige Teehaus gilt als das größte original chinesische Teehaus in Europa. Die Bewohner aus dem Reich der Mitte legen ihre Brücken und Wege immer mit Knicken und Biegungen an, um die bösen Geister abzulenken. Und nie gelingt mir ein schönes Foto, diese Geister haben wohl etwas dagegen. Am TV-Turm dann eine Wasserstelle,  fast auch ein Verpflegungspunkt. Auch Gel gibt es an zwei Stellen. Die Terrasse des Ruderclubs wartet wohl noch auf Gäste. Die Tische sehen nach Gartenparty aus. Vielleicht dann auf der zweiten Runde.

 

 

Wir kommen nach Mannheim zurück. Hier versuchen sich junge Leute und das MTG Triathlon Team in Anfeuerungen zu überbieten. In der Kolpingstraße schöne ältere Villen. An einem Gebäude erlegt jemand gerade einen Drachen. St. Georg vielleicht? In der Goethestraße am großen Gebäude des Landestheaters vorbei und geradewegs auf den Wasserturm zu. Nun rechts auf die Planken, eine der wichtigen Einkaufsstraßen. Perfekt von Absperrgittern gesichert laufen wir in der Straßenmitte. Die Rillen der Trambahnschienen sind mit Seilen präpariert.

Wenig später folgt eine Trennung, mit Leuchtschrift markiert. Im Moment geht es nur nach links. Geradeaus erst auf der zweiten Runde. Kurz danach sind wir wieder am Wasserturm: Links ins Ziel, Rechts auf die zweite Runde. Ein Umstieg auf die Halbmarathon-Wertung ist für uns nicht möglich, da wir ja erst bei km 20 sind.

Natürlich wird es nun ohne die Halbmarathonis etwas ruhiger zugehen. Aber auch im hinteren Feld sind noch ausreichend Läufer unterwegs. Leider zieht das Grüppchen um die 4:30-Pacerin hier vorbei. Mal sehen. Die Zeit bei der Halbmarathon-Marke wird  nicht gemessen. Ansonsten gibt es an einigen Stellen Matten zur Kontrolle. Jeder Kilometer ist mit Tafeln markiert.

Inzwischen ist es ziemlich dunkel und einige Anwohner in Neuostheim haben ihre Lightshows angeworfen. Im Gebäude der Verwaltungsakademie des Bundes brennt auch noch Licht. Findet womöglich am Samstagabend Unterricht statt?

An den Feldern bei der Lärmschutzmauer scheint der (nahezu volle) Mond durch die Hochspannungsmasten. Die Grillparty flaut allmählich ab, obwohl immer noch angenehme Temperaturen herrschen. Gelegentlich gibt es Anfeuerungen von Streckenposten aus der Dunkelheit. Neuralgische Stellen werden von der Feuerwehr ausgeleuchtet. Ich hoffe, dass Judith nicht über die umgelegten Absperrsäulen stolpert.

In Downtown Seckenheim ist die Feierstimmung noch nicht zu Ende. Super. Ich ärgere mich, dass ich meine Blinkbeleuchtung im Hotelzimmer vergessen habe. An der Pendelstrecke kürzen einige Läufer vor mir ab. War da nicht eine Matte an der Wendestelle?

Spannend auch der Wechsel vom historischen Ortskern in den Nachkriegsteil in der Badener Straße: Mehr Grün und viele Häuser aus den Fünfzigerjahren. Noch mal Verpflegung und dann rase ich dem Pacergrüppchen hinterher. Die folgende lange Gerade beschert mir phantastische Km-Zeiten. Bei der Dunkelheit kann man sich das Fotografieren ja auch sparen. Am Luisenpark, auf dem Rad/Fußweg, wird es dann sehr duster. Ich verspüre leichten Schwindel. Sämtliche dunklen Laufwege sind aber sehr eben. Ich hoffe, dass alle ohne Sturz durchkommen. Bei der Musikgruppe wird immer noch gespielt. Am VP beim Fernsehturm entschwinden mir die Pacer wieder. Ich lasse mir zu viel Zeit, um ein Gel zu verzehren. Noch sechs Kilometer. Ich freue mich auf das Zentrum. Auf den Planken ist es ruhiger geworden. Viele Geschäfte haben um 23:00 Uhr die strahlende Beleuchtung ausgeschaltet, was ja unter dem Aspekt des Energiesparens nur löblich ist.

Eine Straße nach rechts auf die Fressgasse. Hier im hinteren Teil ist nicht mehr viel los. Ein Ordner liefert sich ein Wortgefecht mit einem Autofahrer, der nicht weiß, wie es wegen der Sperre für ihn weitergeht. Für uns Läufer ist es eindeutig: Bis zum Ende der Innenstadt am Luisenring. Dort eine nette Schikane unter allerlei Straßen hindurch, aber alles gut beleuchtet und mit Musik und schon bald sind wir wieder in der Stadt.

Bei km 40 sehe ich die Pacerin noch mal. Hier befindet sich eine kurze Begegnungsstelle. In der Kurpfalzstraße sind wir in der zweiten Hauptachse des Zentrums. Hier gibt es eine Schleuse, welche die Sportler links und rechts an der Trambahn vorbei führt, bei uns paar Leutchen sicher nicht mehr notwendig. Das vorletzte Highlight sind die Kapuzinerplanken. Hier liegen viele Kneipen, Restaurants und anscheinend auch Clubs. Es gibt viel zu sehen. Die Feiernden haben eventuell Augen für anderes.

 

 

Ich bin ratzeputz fertig, leider zwei Kilometer zu früh. Ein Läufer zieht an mir vorbei und spornt mich an. Ich bleibe dran. Das finale Stück um den Wasserturm ist sehr stimmungsvoll. Die Beschallung vom Ziel, viele Zuschauer und Finisher treiben mich weiter. Ich habe auf den Überholer aufgeschlossen. Er entpuppt sich als Staffelläufer, zu dem sich nun seine Mitstreiter gesellen. Der Jubel für uns ist beeindruckend. Vielen Dank!

Kurz verschnaufen, dann kommt Judith ins Ziel. Bei der Zielverpflegung ist noch viel los. Ich genehmige mir einige alkoholfreie Bierchen. Man lässt sich Zeit mit dem Abbauen, was auch für die Stimmung gut ist. Wir treffen Manfred, auch aus München, den ich gern als den bestgelaunten Marathoni bezeichne, weil er stets mit einem Lächeln im Gesicht unterwegs ist. Er wird nach dem Duschen – ja, so etwas gibt es nun auch wieder - mit dem nächtlichen ICE in Richtung Heimat aufbrechen.

Spannend werden die Diskussionen zur Strecke bleiben. Mir haben die zwei Runden durchaus Spaß gemacht, wobei ich gerne ein paar Euro mehr für die Strecke über Ludwigshafen zahlen würde. Die Stimmung dort, die Passage über die Rheinbrücke und die Strecke am Fluss entlang sind schon etwas Besonderes für mich. Für Judith und mich heißt es auf ins Hotel, vorbei an allerlei Partyvolk, bei dem die jungen Damen meist weniger anhaben als ich. Schön ist es in Mannheim.

 

 

 Marathon Sieger

1. Simon STÜTZEL 1986 LG Region Karlsruhe 2:28:41
2. Norman KORFF 1995 m3-hpc / LSV Ladenburg 2:36:33
3. Maximilian LANGER 1989 2:43:03

 

Marathon Siegerinnen

1. Merle BRUNNÉE 1994 engelhorn sports team - MTG Mannheim 2:57:18
2. Juliana BÖHM 1990 engelhorn sports team - MTG Mannheim 3:07:52
3. Talianna SCHMIDT 1979 Sport Löwen Baden 3:09:56

 

450 Finisher

 

Halbmarathon

10 km Lauf

Kinder- und Jugendläufe

 

Informationen: Dämmer Marathon
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