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Laufberichte

Zwei Flüsse – zwei Städte – zwei Bundesländer

 

Drei Jahre liegt meine letzte Teilnahme am Dämmermarathon in Mannheim zurück und noch immer schwärme ich von diesem mystischen Lauf über die Rheinbrücke in der beginnenden Nacht. Da liegt es doch nahe, sich einmal wieder auf den Weg in die Stadt der 144 Quadrate zu machen.

Der diesjährige Termin fällt auf den Pfingstsonntag mit dem Vorteil, dass sich der Veranstalter nicht mit den Geschäftsleuten in der Innenstadt arrangieren muss und dass Judith und ich die Wahl unter vielen sehr günstigen Hotelangeboten haben. Sogar die noblen Etablissements am Rosengarten sind erschwinglich, unter ihnen auch das Dorint als Sponsor. Andererseits müssen die Organisatoren in Kauf nehmen, dass viele potenzielle Teilnehmer diesmal der Veranstaltung fernbleiben, weil sie mit ihrer Familie lieber in die Pfingstferien fahren.

Unsere Heimatstadt München und Mannheim verbindet der Kurfürst Karl Theodor, dem Mannheim seine wirtschaftliche und kulturelle Blüte im 18. Jahrhundert verdankt. In seiner Regierungszeit wurde der Bau der barocken kurfürstlichen Residenz vollendet. Nach dem Aussterben der bayerischen Linie des Hauses Wittelsbach im Jahr 1777 übernahm Karl Theodor auch die Regentschaft in München und musste seine Residenz dorthin verlegen. Der so entstandene Doppelstaat nannte sich Pfalz-Baiern. Auf Karl Theodors Initiative geht die Anlage des Englischen Gartens in München zurück.

 

 

Wir reisen per Auto ohne Probleme am Sonntagvormittag an. Direkt am Wahrzeichen der rund 300 000 Einwohner zählenden Universitätsstadt, dem 60 m hohen, von 1886-1889 errichteten Wasserturm, liegt der Rosengarten. Der etwas irreführende Name bezeichnet ein Kongressgebäude, das kurz nach 1900 im Jugendstil als städtische Festhalle erbaut wurde. Unser Zugang führt direkt in den modernen Glaskubus. Im oberen Stockwerk befindet sich die Marathonmesse samt Startnummernausgabe. Mit Nachmeldegebühren von 65 € ist der Lauf sicher als günstiger Stadtmarathon zu bezeichnen. Im kleinen grünen Beutel befinden sich die offizielle Broschüre, Schwamm, Schweißband, Brotbox, Erfrischungstücher und ein blau leuchtendes Armband vom Hauptsponsor SRH. Das ist aus meiner Sicht viel schicker und auffallender als die handelsüblichen Bänder mit den roten Blink-LEDs. Mit Meldebestätigung oder Startnummer hat man am Sonntag freie Fahrt im gesamten Tarifgebiet des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar. Das Veranstaltungsshirt kann man für 26 Euro erwerben. Eine Maultaschenparty samt Getränk gibt es für 5 Euro gleich nebenan. Dort warten schon einige 10-km-Läufer auf ihren nachmittäglichen Einsatz.

Judith und ich schlendern noch ein wenig durch die Straßen der Innenstadt. In den Cafés und Eisdielen ist viel los, das Wetter meint es gut mit dem Dämmermarathon. Um 18:00 Uhr sind wir wieder zurück. Die Taschenabgabe befindet sich in der Garderobe des Rosengartens, Toiletten in ausreichender Zahl gleich im Haus. Der direkte Weg zur Startaufstellung in der Augustaanlage, einer breiten Allee, entpuppt sich wegen der Freischankfläche eines Restaurants als Staufalle. Gerade noch rechtzeitig quetschen wir uns in den Startblock. Von dort werden die Läufer zum Startbogen weitergeführt und schon geht es los.

 

 

Die Strecke ist schnell erklärt: Eine Schleife nach Seckenheim im Osten und dann eine über  Ludwigshafen bis in den Stadtteil Rheingönheim im Südwesten.

Wir drehen eine kurze Runde um den Wasserturm mit seiner schönen Gartenanlage samt Springbrunnen und Kaskade und sind flugs auf der Augustaanlage. Auf der mehrspurigen Allee gibt es kein Gedränge und mir scheint, als hätten sich alle Mitstreiter – neben den Marathonis sind das die Staffel-, Duo- und Halbmarathonläufer - perfekt eingeordnet.

Vorbei am Denkmal des Automobil-Pioniers Carl Benz, der dieses Jahr in puncto Popularität etwas zurückstecken muss hinter Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn. Letzterer, ein in Mannheim lebender Erfinder und freigestellter Forstmeister, legte am 12. Juni 1817 mit einem von ihm konstruierten Laufrad eine Strecke von 14 Kilometern in einer Stunde zurück. Ein Tempo, das viele vor mir liegende Läufer auch ohne Rad schaffen. Das Jubiläum „200 Jahre Fahrrad“ wird hier aber groß begangen. Die „Söhne Mannheims“ haben zu Drais´ Ehren ein Lied geschrieben mit dem Titel  „Willst du mich begleiten?“ und heute um 18:00 Uhr startete der „Monnem Bike & Run“ (Drais sprach auch Englisch), bei dem ein Läufer und ein Radler zusammen auf die Halbmarathonstrecke geschickt wurden. Abwechseln war jederzeit erlaubt, nur musste das Pärchen immer zusammenbleiben.

Vorbei an den Hochhaustürmen namhafter deutscher Firmen – Mannheim bildet das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der europäischen Metropolregion Rhein-Neckar - geht es in Richtung Planetarium, dann weiter am Carl-Benz-Stadion vorbei, begleitet vom Jubel der Zuschauer. Im Stadtteil Neuostheim schon die ersten Anwohner mit Partys an der Laufstrecke. Bei Kilometer 4 sind wir beim City-Flughafen Mannheim – nur in Pisa liegt der Airport noch näher an der Altstadt. Am Industriegebiet auf der Seckenheimer Landstraße stehen Busgerippe. Die sind aber nicht etwa ausgebrannt, wie ich erst dachte, sondern warten hier auf einen Weitertransport.

 

 

Von der Seckenheimer Landstraße in Neuostheim laufen wir jetzt auf den Radweg neben der Neuostheimer Straße in Seckenheim. Logisch.

Ich genieße den Blick über die grünen Felder, eine Aussicht, die wir auf unserer Trainingsstrecke an der Isar so nie haben. Auch der frühsommerliche Geruch ist einfach schön. Der Lärm der nahen Autobahn wird von den Schutzwänden fast ganz abgehalten. Über uns sind unzählige Hochspannungsleitungen. Wie wird das mal sein, wenn man über eine Erdverkabelung läuft? Spielen dann die Chips und Uhren verrückt?

Die Seckenheimer haben sich mit einer kilometerlangen Steinmauer geschützt. An den Durchlässen sind viele fröhliche Menschen, manchmal sitzen sie auch auf der Mauer. Kilometer 9 bringt uns auf die andere Seite, ins Zentrum Seckenheims. Über drei Kilometer Party warten auf uns. Judith ruft mir zu, ich solle mal auf den Boden schauen: „Uschi“ muss hier irgendwo wohnen und ist wohl heute mit uns unterwegs: Unzählige Aufmunterungen an die Dame finden sich am Boden – Uschi müsste man sein.

Vor uns taucht ein ehemaliger Wasserturm, im Volksmund Glatzkoop genannt, aus dem Jahre 1912 auf. Die Lochbühler GmbH hat in ihm ein Aufzugmuseum eingerichtet. Außen am Turm führt ein Panoramalift nach oben, innen gibt es einen funktionstüchtigen Paternoster sowie historische Aufzüge. Die gut besuchte Gaststätte davor heißt „Zur Kapelle“. A propos: Musikkapellen sind bisher rar, die Beschallung übernehmen die Anwohner der Badener Straße mit allerlei Radaugeräten. Die viel zitierte „Uschi“ könnte auch beim Straßenbauamt arbeiten. Hier scheint es bald einen neuen Straßenbelag zu geben. Die Freiwillige Feuerwehr Seckenheim ist an der Hauptstraße postiert, dann geht es an den Neckar und es wird etwas ruhiger.

 

 

Ich komme mit zwei Läufern in orangefarbenen SRH-Hemden ins Gespräch. Die Herren arbeiten beim Titelsponsor, der hier Rehazentren und Bildungseinrichtungen betreibt. Außerdem gibt es einen Lauftreff, bei dem die Teilnehmer für ihren ersten Mannheim Marathon trainieren. Jürgen ist hier zum zweiten Mal am Start. Im Herbst geht er nach Berlin.

Von der Fußgängerspur an der A6 weit oben werden wir angefeuert. Die parallele Trambahnstrecke überqueren wir, um dann Kurs auf den Fernsehturm zu nehmen. Hinter ihm strahlt die untergehende Sonne. Links der Luisenpark, Standort der Bundesgartenschau 1975. Wir sehen die Mauer des 2001 angelegten Chinesischen Gartens mit einem landestypisch geschwungenen Dach. Das zugehörige Teehaus gilt als das größte original chinesische Teehaus in Europa. Die Bewohner aus dem Reich der Mitte legen ihre Brücken und Wege immer mit Knicken und Biegungen an, um die bösen Geister abzulenken. Für Marathonis wäre eine solche Streckenführung eher ungünstig. Wir bleiben also draußen und kommen ins Zentrum zurück,  vorbei am großen Nationaltheater. Die internationalen Schillertage stehen unter dem Motto „Nach der Freiheit ist vor der Freiheit“. Die „größten“ Staatsmänner unserer Zeit grüßen mit auf ihren Gesichtern aufgesprühten Smileys.

Am Wasserturm vorbei geht es in die Altstadtquadrate. Die ungewöhnliche Nummerierung, die 144 nicht immer lupenreine Quadrate umfasst, wurde im 17. Jahrhundert eingeführt.

Rechts ein neuer Gebäudekomplex. Fast wäre ich aus Versehen in die Tiefgarage gelaufen. Oben eine kleine Trommelgruppe. Nur wenige Straßen in den Quadraten tragen Namen, wir sind nun in der Fressgasse, die zu Recht so heißt: Judith und ich werden heute Nacht hier noch mal auf dem Weg zum Hotel vorbei kommen und feststellen, dass es wirklich viele Restaurants und Bars in dieser Gegend gibt. Die Halbmarathonis biegen links ab. Die Streckenteilung ist gut beschildert und von vielen Helfern gesichert. Wir laufen weiter zum Luisenring. Staffelwechsel und VP-Punkt. Die gibt es so alle vier Kilometer und bei jedem zweiten auch das volle Programm mit Wasser,  Iso, Bananen, Riegeln samt freundlichem Personal.

 

 

Die Siebziger des letzten Jahrhunderts grüßen: Vor uns windet sich ein Tatzelwurm von Straßen und Trambahngleisen auf die Kurt-Schumacher-Brücke. Wir sind dazwischen unterwegs, spannend. Für uns gibt es noch ein bisschen Sightseeing: Rathaus, Friedrich-List-Schule aus dem Jahr 1909 und das Museum Zeughaus, das zum international agierenden Komplex der Reiss-Engelhorn-Museen gehört, ein Verbund, der mehrere Museen, Kulturinstitutionen und Forschungseinrichtungen zusammenfasst.

Dann die nächsten Straßenschleifen. Diesmal müssen wir irgendwann nach oben. Der Fotograf am Straßenrand ist M4Y-Chef Klaus. Lächeln ist angesagt! Über die Konrad-Adenauer-Brücke geht es über den Rhein von Baden-Württemberg nach Rheinland-Pfalz. Die letzten Sonnenstrahlen flussabwärts. Tosender Autoverkehr neben uns. Dann Ruhe im schicken Neubaugebiet am Ufer. Die Rheinallee wandelt sich zur Lagerhausstraße. Ein „Fassbiertresor“ schützt das goldene Nass im Getränkegroßmarkt. An einem Stadion und Hallenbad vorbei. Judith hat genug von mir und schickt mich voraus. Aha.

 

 

Downtown Mundenheim: Die ersten größeren Multikulti-Fangruppen in Ludwigshafen feuern uns an. Ein junger Radler begleitet mich und fragt mich über die Lauflänge aus. Er möchte nächstes Jahr beim Mini-Marathon mitmachen, aber vier Kilometer wären doch recht weit. Dann halt der halb so lange Kids-Lauf oder doch besser nur die Bambini-Strecke? Gerettet werde ich durch einen dicken kleinen Schulkameraden am Wegrand, der meinen Begleiter als „Popelfresser“ bezeichnet. Kurz darauf gibt es eine kleine Rangelei zwischen den beiden und ich kann mich wieder auf den Marathon konzentrieren.

Ein anheimelnd süßer Duft umfängt mich. „Die sind schon wieder in der Produktion“, meint mein Begleiter über die hier ansässige Bäckerei Görtz. Am zugehörigen VP genehmige ich mir einen wunderbaren Hefezopf. Schon seit  km 26 befinden wir uns auf einer Begegnungsstrecke. Die ersten Pacemaker hatten 3:15-h-Fahnen dabei, also muss es sich um ein langes Stück handeln. Bei Kilometer 30 beginnt urplötzlich die Altstadt von Rheingönheim, quasi das stimmungsmäßige Pendant zu Seckenheim zwei Stunden vorher. An der Wendestelle Discomusik und Party. Inzwischen ist es schon recht dunkel. Ich hoffe, meine vielen bunten Knicklichter fallen jetzt endlich auf. Erwartungsgemäß ist Judith mir dicht auf den Fersen.

Eine gut gelaunte Partygruppe schreie ich an, sie möge endlich stillhalten, damit das Bild nicht verwackelt. Dafür sehen sie sich jetzt auf M4Y. Dann nochmals diese blöde Fußgängerbrücke über den Adlerdamm. Ganz cool im Laufschritt genommen.

An den VPs gibt es ab km 30 zusätzlich Cola und auch Gel. Das bringt neuen Schwung. Km 34: Der Luitpoldhafen mit seinen Silos schimmert ruhig zu Beginn der Nacht. Vor uns eine Pegeluhr – geht nur bis 10. Beim Hochwasser 2013 stand der Park zwei Meter unter Wasser. Es duftet wunderbar nach Platanen. Die Hannelore-Kohl-Promenade ist gut beleuchtet. Bei einem Lichtmast versucht sich ein junger Mann an Liegestützen, seine Eltern feuern uns an und ein Frachtschiff schippert vorbei. Was will man mehr.

Am Ende der Parkinsel müssen wir eine Fußgängerbrücke über das Hafenbecken überwinden, zweimal Drehwurm, dann VP-Stelle. Nun ist nur noch die Rheinbrücke zu meistern. Ein Helfer begrüßt uns oben mit den Worten: „Am anderen Ende der Brücke ist km 39“. Der Auto- und Zugverkehr tobt. Die Wege am Brückenende sind sehr gut durch mobile Lichtanlagen ausgeleuchtet. Zeit gutmachen. Irgendwie haben es die Kurfürsten Karl Philipp und Karl Theodor geschafft, zwischen 1720 und 1760 in diesem ganzen Verkehrsgewühl den nach Versailles zweitgrößten Barockschlosskomplex Europas unterzubringen. Na ja, ganz so verkehrsreich ging es damals wohl noch nicht zu. Beim Bau wurde darauf geachtet, dass das Schloss exakt ein Fenster mehr aufweist als Versailles. Damit wollte man an die bedeutende Stellung erinnern, die die hiesigen Kurfürsten  im Heiligen Römischen Reich innehatten.

Als besonderes Schmankerl laufen wir durch den Gartensaal über einen roten Teppich auf den großen Ehrenhof des Schlosses. Unbedingt kurz umdrehen. Dann an der Schlosskirche vorbei und kurz danach kommen wir wieder in die Quadrate. Schillerplatz, Kurpfalzstraße, Paradeplatz. Noch ein Kilometer. Die Kneipen in der Kunststraße sind noch gut besucht. Dann öffnet sich der Friedrichsplatz mit dem Wasserturm. Eine Runde noch bis zum Rosengarten. Lightshow. Ein Feuerschlucker zeigt vor der Haupttribüne, was er kann.

 

 

Nach knapp über vier Stunden erreiche ich das Ziel des stimmungsvollen Lauf in die Nacht. Eine schöne Medaille gibt es und dann auch gleich das Rothaus-Bier – mit und ohne Alkohol. Köstlich. Auch Gebäck, Riegel und Obst warten auf Abnehmer. Mit allerlei Bekannten, die inzwischen ebenfalls eingetroffen sind, haben wir noch viel zu erzählen und übersehen fast, dass inzwischen die meisten Stände schon abbauen.

Ein schöner, abwechslungsreicher Sommerabend liegt hinter uns.

 

Impressionen

(Klaus und Margot Duwe

 




 

Wettbewerbe

 

Marathon
Team-Marathon
Duo-Marathon
Halbmarathon
10 km
Kinderläufe
Monnem Bike&Run
„Schweinehundlauf“am Vorabend als Warm-Up, auch für Familienangehörige und Betreuer

 
Marathonsieger

 

Männer

1. Kosgei, Edwin     2:15:55 Streckenbestzeit    
2. Tuei, Hosea     2:17:35    
3. Sang, Mathew     2:26:11

 

Frauen

1. Kiprono, Prisca         2:51:05    
2. Düppe, Lea         3:00:44    
3. Bischoff, Natascha         3:13:59

 

Informationen: Dämmer Marathon
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