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Laufberichte

Diva mit Zicken

17.06.11

Zum zweiten Mal bei den Bieler Lauftagen. Warum ein Hunderter immer voller Rätsel bleibt, was es mit der Überschrift auf sich hat und vieles mehr erfahrt ihr ihr aus meinem Bericht. 

Zum zweiten Mal bei den Bieler Lauftagen. Warum ein Hunderter immer voller Rätsel bleibt. Dieses, was es mit der Überschrift auf sich hat und vieles mehr erfahrt ihr in meinen Bericht. Die Bilder zeugen von den Umständen, die in diesem Jahr nicht gerade einfach erscheinen. Die Fotos sind nämlich gewaschen. Lest weiter.

Jedes Jahr einmal einen Hunderter probieren, so ist meine Jahresplanung. Bereits zum dritten Mal versuche ich mich in dieser Ultradistanz, davon geht es zum zweiten Mal ins Laufmekka der Schweiz, in die größte zweisprachige Stadt - Biel.

Meine Anreise ist nicht gerade flüssig, denn um Zürich herum und vor Aarau ist es auf der Autobahn zähflüssig bis stauartig. Nach 1,5 Stunden Verzögerung bin ich in Biel am expo02-Gelände Nidau am Bieler See. Das bisherige genutzte Eisstadion wird neu gebaut und so musste ein neuer Startort für die Lauftage gefunden werden.

Wo Biel liegt, brauche ich wohl euch nicht zu erklären, aber einen Tipp habe ich für die Navi-Fans. Wer eine Straße um das Zielgelände eingibt, soll als Stadt Nidau programmieren, dann funktioniert die Suche des Gerätes auch problemlos.

Grund ist der, dass Nidau eine eigenständige Stadt ist, also kein Stadtteil von Biel. Nur, bei der Anfahrt kann ich keinen Unterschied zwischen Biel und Nidau erkennen. Beide Orte sind nämlich zusammengewachsen. Als Sehenswürdigkeit gilt das Schloss, das 1196 in einer Urkunde als castro meo Nidowe genannt wird. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wollten sich beide Orte zusammenschließen, doch die Obrigkeit, der Grosse Rat des Kantons Bern, erteilte dem Wunsch beider Städte eine Absage.

Gegen 17.00 Uhr fahre ich am expo02-Gelände mit meiner Karre auf den großen Parkplatz. Perfekt, nur gerade mal zehn Meter zum Eingang des Festzeltes und 20 zum Zieleinlauf. Was mir weniger Freude bereitet, ist die Wetterprognose, denn von Westen und über dem Jura hängt bereits eine dicke Wolkendecke. Mit 25 Grad ist es auch außerordentlich schwül. Der Wetterfrosch prognostiziert für die kommende Nacht große Niederschläge. Na denn Prost! Wer seine Dackelgarage (Zelt) aufbauen will, findet genügend Platz auf der anderen Seite des Zeltes und sollte vielleicht schon mal Schwimmwesten bereitlegen.

Im Festzelt erhalte ich mein Startpaket in Sekundenschnelle. Startnummer mit Chip (Datasport), wenig Werbung sowie eine Nudelpackung und Müsli sind in der Tüte. „Viel Glück“, wünscht die Helferin am Ausgabetisch.

Bernhard Sesterheim läuft mir als erstes über den Weg. Er hat viele Geschichten zu erzählen und immer einen hausgemachten Spruch auf Lager, wie diesen hier: „Der Hunderter ist wie eine Diva. Die musst du hegen und pflegen. Wenn du das vergisst, dann tritt sie dir ohne Vorwarnung gnadenlos in der Arsch.“ Ja, am besten ist es, auf dieser Distanz den Start fast zu verschlafen, also äußerst gemütlich ins Rennen zu kommen. Da sind wir uns einig.

Und dann weist der Bernhard noch auf seine rote Gesichtsfarbe hin: „Nicht, dass du vielleicht denkst, ich habe zuviel Rotwein getrunken, das war die Sonne.“ Ich weiß nicht, ob er den Roten als Lieblingsgetränk hat. Bei Bier wäre es so, denn wenn man da zuviel hat, dann wird man blau. Aber nicht im Gesicht. Und laufen geht dann auch nicht. Geschweige denn einen Hunderter.

Für den langen Kanten ist Glück, Routine, Gleichmäßigkeit im Tempo, regelmäßiges Essen und Trinken sowie Verletzungsfreiheit nötig. Nur so steht einem Finish nichts entgegen. Und, was auch wichtig ist, teilt euch den Hunderter in viele Zwischenziele auf. Also auf den ersten 20, 30 Kilometer ins Rennen kommen, Marathonziel Oberramsern, die 50er-Marke, Kirchberg, verhalten den Emmendamm (Ho-Chi-Minh-Pfad) belaufen, von V-Stelle zu V-Stelle sich weiterhangeln und zum Schluss jeden der letzten fünf ausgeschilderten Kilometer als Marke hernehmen. Letztes Jahr habe ich meinen Bericht mit „Högschte Dischziplin“ überschrieben. Daran sollte man sich orientieren. Sonst gibt es einen Tritt von der Diva.

Der Forderung nach Nahrung kann gleich nachgekommen werden, denn die Läufer können noch einen Teller voll Pasta gegen einen Frankenschein verzehren. Das Galgenmahl hat mir geschmeckt. Mir läuft Joe über den Weg. Der hat für Sonntag in Molsheim einen Marathon zum Auslaufen gebucht. Der ist noch verrückter als ich. Zurück am Auto richte ich mir meine Wettkampfkleidung für den Lauf her. Und dann ist es Zeit für ein Nickerchen, denn die Nacht wird schlaflos. Mittlerweile hat der Himmel seine Schleusen weit geöffnet.

Als ich mich um 21.30 Uhr auf den Weg zum Kongresshaus aufmache, ist zumindest der Wasserhahn von oben zugedreht. Rund 20 Grad hat es jetzt. Da ich Petrus heute Nacht nicht traue, nehme ich die Funktionsjacke mit. Stirnlampe ist auch Pflicht. Verpflegung und Getränke brauchen wir nicht unbedingt mitführen, denn zahlreiche Verpflegungsstellen sind auf der großen Runde vorhanden.

Start ist ab diesem Jahr in der Stadtmitte beim Kongresshaus. Der Anmarschweg ist gut einen Kilometer lang, 15 Minuten sollten dafür eingeplant werden. Helfer stehen an Kreuzungen bereit und weisen uns den Weg. Leuchtstäbe und Knarren werden von einer Frau an Zuschauer verteilt.

Die letzten Minuten im Startblock verlaufen im Fluge. Die letzten Informationen werden in Deutsch und Französisch mitgeteilt. Eine Gruppe Polen mit Landesfahne erweckt bei den Medien großes Interesse. da sie sich direkt unterm Starttransparent versammeln.

 

Start- und Stadtrunde in Biel, Aufgalopp bis Aarberg

 

Countdown, auf die Sekunde genau um 22.00 Uhr werden wir auf die Strecke zu den 53. Bieler Lauftagen mit einem Schuss losgelassen. Als Fotograf mit einfacher Ausstattung ist es schwierig, geeignetes Bildmaterial zu sammeln. Dunkelheit, vielleicht später Regen, Landschaftsaufnahmen bringen jetzt eh nichts, ein schwieriges Terrain für laufende Reporter. Bilder von Verpflegungsstellen und da, wo in den Orten gute Beleuchtung vorhanden ist, können eher gehen. Oder warten, bis zum nächsten Morgen. Und wenn man da platt ist oder zuvor aussteigen muss? Oder die Kamera ist abgesoffen? Was dann?

Die ersten Kilometer verlaufen auf einer Start- und Stadtrunde durch die Innenstadt. Wir laufen auf der Zentralstrasse über den Zentralplatz nach rechts auf den oberen Quai entlang des Flüsschens Schüss. Von hinten fällt mir eine markante Figur auf. Den kenn ich doch. Ja, ein Blick von der Seite genügt, um zu sehen, es ist Anton Luber aus Nürnberg. Er versucht sich heute zum ersten Mal auf dieser Distanz. In Fürth vor 14 Tagen war er knapp vor mir im Ziel. Ich beschreibe dem Läufer mit Handicap noch kurz den Weg auf dem nächsten Kilometern und gebe den Rat, die ärgsten Steigungen im Wanderschritt hinter sich zu bringen.

Über die General-Dufour-Strasse laufen wir wieder zurück in die City, um am Kreisverkehr des Zentralplatzes endgültig auf die Hunderterschleife einzubiegen. Viele Zuschauer stehen am Rand der Strecke und feuern uns an. Nach meiner Einschätzung sind es aber weniger als letztes Jahr. Grund wahrscheinlich die nasse Witterung. Petrus lässt es jetzt wieder tröpfeln. Dirk Pretorius aus Erftstadt ist guter Dinge, auch wenn ich ihn jetzt  hinter mir lasse. Am Emmendamm wird er später zur Hochform auflaufen.

Noch in Biel bei Kilometer 3,5 greifen die Läufer bei der ersten Verpflegungsstelle eifrig zu. Es gibt hier Wasser sowie Iso-Getränke mit Pfirsich, Citrus und Orangengeschmack. Später kommt noch Bouillon, Cola, Bananen, Äpfel, Orangen, Brot, Riegel, Linzertörtli und Gel hinzu. Und auf ein oder zwei Stationen werde ich mir wieder Bier erbetteln.

Ausgeschildert sind die ersten fünf Kilometer einzeln, dann kommen die Hinweise alle fünf Kilometer. Zum Schluss werden die letzten fünf ebenfalls wieder angezeigt.

Nach der Brücke über den Niedau-Büren-Kanal folgt eine längere Steigung mit rund 70 Höhenmetern. Die ersten Läufer marschieren. Keine schlechte Idee. Nach dem Ende der Steigung bietet sich ein schöner Ausblick auf Biel bei Nacht. Leider kann der da oben sein Wasser nicht mehr halten. Er leidet an Inkontinenz. Es fängt wieder stärker zu regnen an. Gleich so intensiv, dass ich mir die Funktionsjacke nach dem folgenden Gefälle vor Jens (Kilometer 10) anziehe.

Es ist knapp nach 23.00 Uhr, als ich am Zehnerschild vorbeilaufe. Da war ich 2010 deutlich schneller. Aber heute Nacht wird es schwer, denn nun hat auch der Wind aufgefrischt und auf den folgenden Feldwegen steht mitunter das Wasser zum Einfassen. Hinter mir höre ich die ersten Flüche, darunter auch eine polnische Ausgabe. Im Feld wird gleich gelacht.

Aber als ich an einer Stelle voll in den Dreck steige, kommt mir ein „Sagglzement“ aus. Ja, ein Maurermeister aus der Oberpfalz würde mit einem Saggl Zement schon was anfangen können. Im Laufschuh schwimmt jetzt bei mir eine Käsesuppe. Da bräucht ich fast einen Abschmecker.

Mittlerweile finden sich auch viele Walker und Halbmarathon- und Marathonläufer im Feld. Ich kann mir das nicht erklären. Ursache ist dann die fehlende Stadtrunde, ein Fehler bei der Absperrung. Die erzielen dann Superzeiten, die allerdings nicht viel wert sind. Aber warum müssen die Walker zu viert nebeneinander gehen, wenn das Hauptfeld von hinten heranläuft? Diese Frage stelle ich nicht nur mir.

 

Aarberg bis Oberramsern

 

Kilometer 15, Aarberg als Ziel für die Halbmarathonis ist nicht mehr fern. Und die berühmte Holzbrücke mit dem blauen Teppich wartet. Dort steigt dann wieder die Stimmung auf den Siedepunkt. Gerade in den Ortschaften wird an den Wirtschaften für Musik, Unterhaltung, Essen und Trinken für die Zuschauer gesorgt. Die Halben scheren aus und auf unserem Weiterweg wird es schlagartig ruhiger.

Die Aarberger Brücke haben sich wieder viele Fotografen als temporären Arbeitsplatz in dieser Nacht der Nächte ausgesucht. Nur einen kann ich nicht sehen. Klaus, der hat in Molsheim am Sonntag eine Tagschicht.

Lyss (Kilometer 22), hier stoßen die Begleitradler auf die 100-Kilometer-Läufer. Zwar ist es mit Radlern, die übrigens mit COACH gekennzeichnet sind, stellenweise eng, aber mit guten Willen und Aufmerksamkeit geht es ohne Behinderungen weiter. Sogar ein Tandem ist da drunter. Mussten die für die Begleitung das Doppelte zahlen?

Auf dem weiteren Weg drückt mich die Blase. Ich erleichtere mich und nach dem Geschäft ist plötzlich der Joe da. Der macht richtig Dampf in seinem Rennen. Ich kann mich nach einem kurzen Ratsch langsam wieder von ihm lösen. Unser Kurs ist bis Grossaffoltern wieder mit rund 70 Höhenmetern steigend. Die Höhenmeter erhalten wir aber auf dem folgenden Wegstück im Limpachtal zurück.

In Scheunenberg (Kilometer 35) schnorre ich mir von einem Helfer ein bayerisches Getränk. Er will mir seine Flasche gleich ganz mitgeben. Ein halber Becher reicht aber. Als Dank verspreche ich, sein Bild öffentlich ins www einzustellen. Auf der kilometerlangen Landstraße gehe, ääh laufe ich auf dem (Mittel)Strich. Gut, dass mich da keiner beobachtet hat, der hätte mich sonst in das Narrenhaus gesteckt. Ich hab nämlich immer für ein paar Sekunden die Augen geschlossen.

 

Oberramsern bis Kirchberg, Halbzeit

 

Am Ende des Limpachtales sehen wir schon von weitem unseren Kurs rechts abbiegend. Und es geht wieder hoch. Zuvor scheren die Marathonis aus, sowie jene Langstreckler, die es bei der Teilstrecke 1 mit 38 Kilometer gut sein lassen wollen. Knapp 120 Teilnehmer des Hunderter lassen sich hier werten und haben fertig. Wenn es nicht mehr läuft, sollte man einen Ausstieg schon ins Kalkül ziehen. Ein weiterer Ausstieg ist in Kirchberg und in Bibern möglich. Und wer dann an diesen Punkten aussteigt, wird klassifiziert und erhält auch eine Auszeichnung.

01.55 Uhr, in aller Herrgottsfrüh, lese ich in meiner Kamera. 3.55 Stunden Durchgangszeit für 38 Kilometer, so habe ich mir das auch vorgestellt. Nach der Rechtskurve in Oberramsern folgt wieder eine längere Steigung von rund 100 Höhenmetern. Das zieht sich bis Buechhof (Kilometer 45) hin. Im Blick nach hinten erkenne ich die nach mir folgende Karawane im Limpachtal.

An einem unbekannten Ort überschreiten wir die Marathondistanz. Jetzt wird der Marathon zum Ultra. Der Regen hört nun auf, dafür fangen die Grillen wieder zum Zirpen an. An einer Weide erkenne ich Kühe, die auf dem Boden liegen und wiederkauen. Ich würde mich jetzt auch gerne hinlegen. Hoffentlich übermannt mich nicht der Schlaf!

In einer unbekannten Ortschaft ist vor dem Wirtshaus noch Happa Happa angesagt. In einem Grill sehe ich noch Güggeli. Mein Magen knurrt. Ja, von den Zuschauern braucht auch keiner verhungern, denn wo anders werden noch Würste und Steaks überm Grill zubereitet.

Ein Schwede mit einer Stirnlampe fällt mir auf. Der hat ein Power-Leuchtgerät, damit belichtet er über 100 Meter vor sich taghell. Wie groß die Batterien sind, das würde mich jetzt interessieren. Kalle Björklund heißt das findige Kerlchen. Er hebt den Daumen, als ich ihn an der folgenden V-Stelle auf den Chip banne.

Um 03.14 Uhr überlaufe ich die 50-Kilometer-Marke. Wenn ich das Tempo halten könnte, wäre meine Zeit von 2010 im Bereich des Möglichen. Nur, ich glaube jetzt nicht mehr daran. Es wird noch ein schwerer Kampf auf der zweiten Hälfte. Kurz vor 04.00 Uhr kommt Dirk von hinten, wir sind in Kirchberg angekommen. Hier endet die Teilstrecke 2. Weitere 120 Sportler müssen ihr Rennen hier beenden.

 

Ho-Chi-Minh-Pfad bis Bibern

 

Nur ein paar Minuten hinter Kirchberg werden die Begleitradler umgeleitet, denn es geht auf den Emmendamm. Den nennt man auch Ho-Chi-Minh-Pfad. Der Weg ist rund 10 Kilometer lang und in der ersten Hälfte ziemlich ruppig. Langes Gras, Wurzeln, grobe Steine. Wer größer als zwei Meter ist, kann sich sein Hirn an einem der herunterhängenden Äste einrennen. Als ich mir laufenderweise den Schwitz aus dem Gesicht wische und einen Moment die Augen schließe, habe ich im nächsten Augenblick eine Handvoll grüner Blätter in der Fresse. Ich muss ausspucken.

Um euch die Schwierigkeit des Weges zu zeigen, bleibe ich für ein paar Bilder stehen. „Nicht so viel fotografieren“, ruft mir Dirk zu, „lauf weiter“.  Kilometerschild 60 kommt überraschend. Unterbrochen ist der Wurzeltrail durch die V-Stelle bei Utzensdorf. Da schnorre ich mir von ein paar übriggebliebenen jugendlichen Zechern ein Bier. Ich brauche nur meinen Becher hinzuheben. Die Spender grölen, als ich mich weitermache.

Fünf nach fünf, der Trail hat gerade geendet, laufen wir nach Gerlafingen ein. Im Osten sehen wir bereits die Morgendämmerung. Ein schönes Vogelkonzert hat seit einigen Minuten eingesetzt. Die Radler warten hier auf ihre Läufer.

Die 70er-Markierung kommt vor Lüterkofen. Ich denke, noch 30 Kilometer, eigentlich nichts außergewöhnliches mehr zum Vergleich der hinter mir liegenden Kilometer. Und doch graust es mich fürchterlich. Und übel ist es mir auch mittlerweile. Vielleicht zu viel von dem Iso-Zeug gesoffen. Die Rindvieher wissen, wann’s mit dem Saufen aufhören müssen. Ich nicht.

Bevor sich mein Magen umdreht, ziehe ich es vor, ein Weilchen zu marschieren, zumal der Streckenverlauf wieder ansteigend ist. Wir laufen nämlich in einem Tal der Flussrichtung entgegen. Der rechte kleine Zeh tut jetzt sakrisch weh. Hat die Socke eine Falte oder bildet sich eine Blase? „Wir werden durch die Nässe Blasen bekommen“, so hat mich der Bernhard gestern Nachmittag vorbereitet. Den Schuh ausziehen will ich nicht. Zumindest kann ich wieder zu traben anfangen, als ich Bibern erkenne. Kilometerschild 75 liegt jetzt hinter mir.

 

Bibern bis Büren

 

Wieder V-Stelle in Bibern. Ich saufe nur noch Cola, weil ich an Iso nicht mehr heran will. Eine Armeestaffel steht an der Seite. Hier endet die Teilstrecke 3, wo immerhin noch 60 Läufer passen müssen. Die vielen Zuschauer in Bibern können mir nur einen Augenblick helfen, denn die folgende Steigung schüttet mir das Kraut endgültig aus. Einer mit dem Radel motiviert andere Läufer. Mich lässt er in Ruhe. Ist besser für ihn. Ich schätze, da sind bis 15 Prozent Steigung auf dem folgenden Kilometer zu bezwingen.

20 Minuten später wird der Streckenverlauf schon gefälliger. Wir blicken hinunter in das Aaretal. Gegenüber ist der Jura noch in dicker Wolkendecke eingehüllt. In Arch (so der Name der Ortschaft) bin ich im Arsch. Bei diesem Gedanken muss ich schmunzeln, denn die letzten 20 Kilometer sind jetzt flach. Wer es bisher geschafft hat, der wird ins Ziel kommen. Diese Weisheit teile ich einem bayerischen Laufkollegen mit. „Dein Wort in Gottes Ohr“, höre ich noch. An einer Tankstelle für Motorfahrzeuge am Ortseingang Arch zeigt es 16 Grad an.

Unser Weg geht nun an die Aare hin. Diese und der folgende Nidau-Büren-Kanal werden uns bis zum Ziel begleiten. Wenigstens keine Berge mehr. Wenige Personen kommen uns entgegen. Aber die haben alle ein Wort des Lobes für unsere Leistung übrig. Auch wenn es schwer ist, es baut mich immer wieder auf, auch wenn ich mich an einer der zahlreichen Bänke niedersetzen will.

 

Qual bis zum Ziel

 

Büren, Kilometer 86,5. An der Holzbrücke finden wir eine weitere V-Stelle. Einige haben sich zum Frühstück bei Kaffee und Gipfeli eingefunden. Die Rustikaleren packen schon die erste Halbe Bier. Ich flösse mir noch Cola ein und treibe ein wenig Schabernack mit einem Zuschauer, der eine Tröte bearbeitet. Wir überqueren die Aare.

Auf der folgenden Teerstraße brauche ich wieder ein längeres Stück zum Wandern. Um 07.58 Uhr treffe ich auf das Kilometerschild 90. Nur noch zehn läppische Kilometer. Die werde ich auch noch schaffen. Ultraman Torsten Richter aus Berlin stellt sich neben das Schild. Es haut dann ab und wird mir noch zehn Minuten abnehmen.

An den nächsten V-Stellen greife ich nur noch nach Orangenschnitze, ich kriege nichts mehr anderes hinunter. Mit Jochen Dieterich aus Tübingen gelingt es mir noch mal, bis Kilometer 95 an einem Stück zu joggen. Er zieht dann auch davon.

Jetzt sind die Kilometer einzeln markiert. Ich bleibe an jedem Schild für einen Fotoschuss stehen und teile mir die Reststrecke in überschaubare Teile ein. Da ist ein Markierungspfeil, da der Waldanfang, da eine Brücke. „Letzter Batteriewechsel“ heißt es an einer Straßenbrücke. Wenn die wüssten, wie es mir geht.

Dann das letzte Kilometerschild: 99. Im Vorfeld hat es geheißen, da gibt es eine Überraschung. Ein Profifotograf oder sonst noch was. Aber nix, niente wartet hier.

Ich verzögere und warte, bis der Warendorfer Frank Böning aufgeschlossen hat. Wir sprechen uns kurz ab, denn ein gemeinsamer Zieleinlauf ist doch schöner. Die Zuschauer nehmen zu. Und dann nach einigen Kurven sehen wir den blauen Teppich auf dem expo02-Gelände und das Zielschild vor uns. Geschafft. Das war heute auf der letzten Rille.

Man hängt mir die Medaille um. Der Chip wird eingesammelt. Und dann nach wenigen Minuten, der Regen wird wieder stärker, treibt es mich in das Festzelt. Dort gibt es Urkunde und Funktionsshirt. 11.16 Stunden Laufzeit auf Rang 280. Ich bin zufrieden.

Im Umkleidebereich wartet schon Martin Feigel und Helmut Kopp frisch geduscht auf die Neuankömmlinge. Der eine hat in 9.09 gefinished und der andere hat Bieter Baumann wenig respektsvoll noch jenseits Kilometer 90 geholt.

Ja, der Dieter ist jetzt auch im Ultralager angekommen. Zwar soll er lange auf einer Liege gelegen haben (hab ich nicht gesehen, da noch unterwegs), aber er hat die Nacht der Nächte überstanden. Ich weiß nicht, um was es in der Wette mit Martin Grüning ging, aber wenn da eine Kiste Bier im Spiel war, der Joe und ich würden beim Saufen helfen. Nicht dass das Bier schlecht wird.

Fazit: Wer einen Hunderter probieren will, ist in Biel an der richtigen Adresse. Orga (wo erforderlich, wird nachgebessert), Verpflegung und Strecke, passen. Die Helfer sind aufmerksam und hochmotiviert, Zuschauernester gibt es immer wieder. 888 Männer und 163 Frauen haben die Hunderterprüfung erfolgreich bestanden. 298 sind auf einer der drei Teilstrecken klassiert.

Ja, der Bernhard hat schon Recht. Der Hunderter ist eine Diva, die umsogt werden will. Mich hat sie beim Tritt in den Hintern nur gestreift. Glück gehabt! Die Bedingungen mit Nässe und Wind waren nicht leicht. Und wer länger als 12 Stunden unterwegs war, der kam in ein weiteres Waschprogramm von Petrus! Lest nach bei Joe.

100 Kilometer sind eine Leidenschaft, die manchmal Leiden schafft!
 

Siegerliste

 

100 km
Männer
1. Jenni Walter, Oberwil b. Büren 7:11.54,7
2. Girardet David, Belfaux 7:23.37,9
3. Thallinger Rolf, Burgdorf 7:38.03,3

Frauen
1. Sommer Daniela, Sempach Stadt 8:10.58,9
2. Werthmüller Gabriele, Zuchwil 8:36.09,6
3. Balz Deborah,Grub SG 8:50.11,3

1051 Finisher

Nachtmarathon / 34,7km

Männer

1. Puls Klaas, Zofingen 2:13.38,2
2. Termite Massimo, I-Monopoli (BA) 2:23.12,1
3. Brändle Beat, Romanshorn 2:23.40,5

Frauen

1. Dysli Caroline, Diessbach b. Büren 2:49.14,6
2. Odermatt Beatrice, Eich 2:53.34,6
3. Mazenauer Daniela, Oberbözberg 2:55.46,8

 

Informationen: Bieler Lauftage
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