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Laufberichte

Lauf der Unentwegten

13.02.05

Nach blizzardähnlichem Schneegestöber in der Eifel und heftigsten Schneefällen bei Remscheid erreiche ich so gegen 9.00 auf der A 2 die Abfahrt Gelsenkirchen-Buer. Erfreut stelle ich fest, . dass die Straßenlauf-Organisation wirklich beste Arbeit in punkto Hinweisbeschilderung geleistet hat. Ein Verfahren ist praktisch unmöglich und ich bin wenige Minuten später am Ziel. Der Himmel ist grau in grau, es ist kalt, so gegen 1 – 2 Grad plus, und der Wind weht stürmisch, was die gefühlte Temperatur ins Minus absinken lässt. Der Marathon-Start ist für 10.30 vorgesehen und ich habe jetzt noch fast 1 ½ Stunden Zeit für Startnummerabholung und Umziehen.

 

Ich liebe diese komfortable Zeitspanne bis zum Rennbeginn; bietet sie mir doch die Gelegenheit das eine und andere angenehme Schwätzchen mit mir bekannten Läufern und Läuferinnen zu halten. Bei der Startnummernabgabe treffe ich auch gleich auf Johann Kauk, den ich vom 6-Stundenlauf in Nürnberg und dem 100-er in Biel her kenne. Johann ist Veganer, Anfang 50, in meiner Körpergröße, aber sicherlich 7 – 10 kg leichter, drahtig und muskulös, mit gesunder Gesichtfarbe, die ein sicheres Zeichen dafür ist, dass er keineswegs an Anämie leidet, er also auch ohne Fleisch seinen Körper gut mit Eisen versorgen kann.

 

Er war nicht immer Veganer, erklärt er mir, „vor wenigen Jahren noch wog ich über 110 kg und hatte einen Bandscheibenvorfall. Mein Skelett konnte die vielen, vielen Fettpfunde nicht tragen, die ich mir mit bürgerlicher Kost und viel Junk-Food angefressen hatte.“

 

Wir diskutieren kontrovers über Sinn und Unsinn der veganischen Lebensweise. Das meiste, was er mir an Argumenten bringt ist nachvollziehbar und in Ordnung. Er scheint aber ein glühender Anhänger der „reinen Lehre“ zu sein und lehnt Kompromisse, so wie ich sie gegen argumentiere kategorisch ab. Denn Seefisch, hin und wieder mal ein Rindersteak und auch ab und an den roten Wein möchte ich von meinem Verköstigungsplan nicht streichen.

 

Er ist jetzt zum Lauf umgezogen – kurze Hosen, kurzes Hemd, wie im Hochsommer und das bei Sturmwind, der Minustemperaturen vorgaukelt. „ Macht nichts, die Wärme kommt von innen!“ Er wird Recht behalten, denn wenige Minuten über 3 Stunden wird er zum Finish brauchen und dann als Sieger der M 50 auf der Bühne stehen.

 

Im Moment macht er eine Ausbildung als Heilpraktiker und will später nach Rumänien zurückkehren und in Bukarest eine Praxis eröffnen.

 

Ich denke, er könnte damit Erfolg haben, denn er selbst stellt den Erfolg seiner Lebensweise unter Beweis; obwohl er früher figürlich mit der jetzt wiedererlangten Außenministerstatur sehr große Ähnlichkeit hatte, ist sein Gesicht im Gegensatz zum besagten Politiker faltenfrei und sein Körper ist wie bereits erwähnt muskulös und drahtig.

 

Wolfgang Weitkämper treffe ich am Start, er hat vergangenes Jahr 27 Marathons gefinisht und stellt mich seinen Bekannten als seinen Laufmotivator vor. Beim Wardenburg-Marathon 2002 hätten ihn meine Erzählungen – wir liefen einige km zusammen – fasziniert, und er sei dann auch zum Vielstarter geworden. Über dieses Kompliment freue ich mich sehr. Auch Angelika Rödder darf ich umarmen, die wie ich heute den 3. diesjährigen Marathon laufen wird.

 

Pünktlich 10,30Uhr fällt der Startschuss und für ein überschaubares Häufchen von weniger als 80 Läufern beginnt der Marathon. Einige 100m geht es durch Bertlich, dann ebenfalls wenige 100 m auf einer Allee-Landstraße leicht ansteigend weiter um dann rechts auf einen asphaltierten Feldweg abzubiegen. Der Wind bläst hart ins Gesicht und am Wegabzweig steht ein Strecken-posten, bei dem man die Kälteeinwirkung geradezu physisch spüren kann. Auf keinen Fall möchte ich mit ihm tauschen. Der Weg führt über baum- und strauchloses Ackerland und wir sind dem Sturmwind ausgeliefert, der uns meist von vorne beweht. Die Landschaft ist leicht wellig und es geht hoch und runter. Ab und zu kommen wir an einzelnen Bauernhöfen vorbei. Jetzt laufe ich alleine im 6-er Schnitt, meinem immer anfänglichen Wohlfühltempo.

 

Plötzlich werde ich von 2 Jünglingen überholt, die mindestens doppelt so schnell rennen wie ich. Ach ja, es sind die Halbmarathonläufer, die eine halbe Stunde nach uns gestartet sind. Ständig werde ich jetzt überholt, sind doch mehr als 5 mal so viele Halbmarathonläufer gestartet. Nach einer gewissen Zeit überläuft mich auch mein jugendlicher Freund Torsten Schwenske, der die 21 km in 1.46h beenden wird.

 

Ab und zu geht es durch Wald, dann wieder über Wiesen und Äcker. Das Ruhrgebiet stellt man sich doch ganz anders vor. Dann sieht man jedoch in der Ferne einen hohen Schlot und die Rauchfahnen einer Kokerei.

 

Der Marathon besteht aus 3 Runden und jeder km ist ausgeschildert. Am Anfang verwirrt mich etwas die Vielfalt der km-Ausschilderungen; gibt es doch 5km, 10km, 15km, Halbmarathon, 30km lange Laufstrecken. Doch schnell kann man sich daran gewöhnen. Außer, dass ich mich manch- mal einer Windböe geradezu entgegen werfen muss, laufe ich bis km 27 in meinem Rhythmus und fühle mich pudelwohl.

 

Gerade laufe ich durch einen Weiler und ein böses Ziehen im Gedärm bedeutet mir, dass das Sandwich, das ich an einer Autobahnraststätte gegessen hatte, den normalen Stoffwechsel- prozess nicht vollzieht. Mit Mühe erreiche ich den Ortsausgang, wo ich mich dann auch gleich hinter der Deckung von Büschen unter Getöse von den lästigen Stoffwechselendprodukten entledigen kann.

 

Mental geht es mir jetzt nicht besonders; die Lauflust ist dahin. Ich muß meine Geschwindigkeit zurücknehmen. Aber nach wenigen Minuten geht es mir schon wieder besser. Jetzt scheint sogar die Sonne, wäre nicht der starke Wind; es könnte ein schöner Vorfrühlingstag sein. Die Strecke zwischen 30 und 40 km laufe ich langsam, aber wie ein Uhrwerk, überhole jetzt ständig 30km- Läufer und sogar 2 Marathon-Läufer. Bei km 40 werde ich wieder etwas schneller, da jetzt der Dromedareffekt (=das Kamel riecht das Wasser der Oase und rennt) einsetzt.

 

Einige 100m geht es noch durch den Ort, dann durch eine Linkskurve, um wenig später auf einen Sportplatz zu gelangen. Auf dem durch den vielen Regen klebrig gewordenen Untergrund laufe ich im eleganten Stil mit der gespielten Leichtigkeit des Seins und einem Lächeln auf den Lippen


ins Ziel. 4.41.00 wird als Zeit und 2. in der Altersklasse der M60 auf der Urkunde stehen. Toll? Na ja, es waren nur 2 Starter in meiner Altersklasse!

 

Aber ich bin sehr zufrieden mit mir, die Endorphine beglücken mich nachhaltig, kommuniziere bei der anschließenden Siegerehrung mit bekannten Läufern und Läuferinnen von verschiedenen Marathons, lerne wie immer wieder neue Leute kennen und fahre wohlgemut nach Hause. Es war ein schöner, ein sehr schöner Tag…

 

Informationen: Bertlicher Straßenläufe
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