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Laufberichte

Ganz Hannover aus dem Häuschen

 

Ihr seid Super!

 

Weiter geht es Richtung AWD-Arena und Maschsee. Schnell werde Ich vom nächsten Schrittmacher überholt. „Hm, das ist nun nicht mehr witzig...“, denke ich grimmig und nehme die Verfolgung Höhe Sprengel Museum auf. Es gibt sie überall, die schillernden Ikonen der Marathonwelt. Zwei bekannte, internationale Laufbotschafter haben sich für den diesjährigen Hannover-Marathon angekündigt: Kostas Hatzis und Michel Descombes. Wer regelmäßig bei den großen oder kleinen Stadtmarathonläufen am Start ist, kommt um diese stets lächelnden, bunt gekleideten Persönlichkeiten nicht herum. Den 75jährigen Lauf-Enthusiast „Super Michel“ hatte ich bereits am gestrigen Familientag neben der moderierenden Mocki gesehen. Und nun bereitet der Stimmungsmacher sowohl den Läufern als auch den Zuschauern Spaß und Freude.

Übrigens: 1984 hatte Michel beim ersten Stadt-Marathon in Berlin mitgemacht und war dort bereits als Laufclown verkleidet. Vielleicht war er der Erste damals. Seine Marathon-Bestzeit? 02:51 Stunden. Motto des Franzosen: Laufen ist Lebensfreude, Philosophie und Jungbrunnen zugleich. Er wird noch öfters auf der Strecke zu sehen sein. Mit seinem Pappschild-Spruch motiviert er bereits am Südufer des Maschsee: „Ihr seid Super – Haltet durch!“

 

 

 

In welcher Stadt gehen Menschen an der Leine spazieren?

 

Kilometer 4. Ich kippe mir den ersten Wasserbecher des Tages in den Rachen. Lasst die Becherschlacht beginnen! Ich sage Euch: Flüssigkeits-Management ist das A und O an sonnigen Tagen. Wer nicht säuft, verliert. Der gelbe Ballon mit der Finisher-Zeit „04:00“ will sich derweil über die südliche Leineaue und Kleingärtnerverein aus dem Staub machen. Das kann ich nicht zulassen, also hinterher! Na so was, da ist ja auch der Thomas mit der Starternummer 549. Gemeinsam umrunden wir zunächst die Leineinsel und durchqueren dann die Gartenkolonie „Im Apfelgarten e.V.“, dem Durchziehgebiet für unzählige Wanderer und Radfahrergruppen entlang der Leineaue. Ausgedehnte Wiesen – und Weideflächen überall – herrliche Gegend! Ich fühle mich prächtig, daher entscheide ich prompt, dieses Tempo beizubehalten.  Schnell erreichen wir zusammen mit den Schrittmachern auch schon Döhren. Nun geht es über die längste Streckengerade des Marathons -  der Hildesheimer Straße - wieder Richtung Zentrum. Moment, wo ist denn Thomas derweil? Vor oder hinter mir? Mist, wieder aus den Augen verloren!

 

 

Sightseeingtour quer durch Hannover

 

Weltklasse-Stimmung: Wenn gerade mal keine markanten Sehenswürdigkeiten wie die Gilde-Brauerei oder Döhrener Turm passiert werden, sind es die Zuschauer selbst, welche den Marathonis ordentlich einheizen. Dafür sorgen am Streckenrand zweiundvierzig starke Köder auf zweiundvierzig Kilometern. „Damit wollen wir die Aktiven anspornen und die Hannoveraner aus den Häusern holen“, so Organisatorin Steffi. Seien es die „Street-Drummers“, die Funkenartillerie „Blau-Weiss“ oder der „hannoversche carneval club“...alle sorgen mit Musik für Party-Stimmung an der Laufstrecke.

Eigentlich habe ich fortlaufend das Gefühl, durch die lange Hildesheimer Straße beflügelt Richtung Zentrum zu fliegen. Ich staune daher nicht schlecht, als Ich bereits am Aegidientorplatz ankomme, wo der NDR1 die Läufer motiviert und der GOP per Kran die Gäste in einem Heißluftballon auf 40 Meter Höhe zieht. Und dann geht es auch schon laufend weiter mit den points of interest: Opernplatz, Kröpcke, Hauptbahnhof am Ernst-August-Platz und VW-Tower im Hintergrund.  Es wird nun stetig wärmer, die Zuschauer immer ausgelassener und die Beats elektrisierender! Hannover, Du bist affengeil!

 

 

 

Wenn die Natur ruft...

 

Kilometer 17. Erneute Zeitmessung an der Raschplatzstraße: 01:31:10. Unterdessen setzt sich der Pacemaker wieder unauffällig ab. So nicht, mein Freundchen! Daher leg ich mich erneut in die Sielen, starte in der Königsstraße Richtung Zoo meine kleine Aufholjagd. Tatsächlich gelingt es mir dann auch irgendwie, den Ballon wieder in mein Sichtfeld zu rücken, während sich im östlichen Stadtteil Zoo schon beinahe majestätisch die markante Stadthalle mit dem Kuppelsaal erhebt – Teil des Hannover Congress Centrum (HCC). Dort, wo sich am Zoo die Fritz-Behrens-Allee und Bernadotteallee kreuzen, sehe ich neuerlich den Thomas in der Läufermenge. In dem Moment aber, wo ich zu Ihm aufschließen und ansprechen will, haut der doch glatt wieder ab – mitten ins Buschwerk des Eilenriede-Parks! Sieht nach einem kleinen Geschäft aus. Was machen, wenn gerade mal kein Dixie in der Nähe ist?

 

35 km und kein Bier

 

In der Oststadt sowie in Vahrenwald-List kocht und brodelt wieder die Stimmung, um dann unentwegt auf den Läuferstrom überzuschäumen! Alle paar Meter eine Samba – oder Trommel-Kombo auf dieser scheinbar endlosen Party-Meile. Auf einem Pappschild werde Ich gerade daran erinnert, dass Chuck Norris schneller stehen kann als ich laufe. Wenig später saust Sabrina Mockenhaupt an mir vorbei. Sie wird in Bälde mit einer Zeit von 1:10:54 Stunden ihren 43. deutschen Meistertitel holen. Und mein gelber Ballon? Der lacht mich am Horizont aus. Wird Zeit, dass ich alter Mann mal wieder auf die Tube drücke.

 

 

Ich erreiche den elften Erfrischungspunkt, schütte mir wiederholt einen Becher Wasser über dem Kopf, tanke mit einem Becher Cola auf und flitze umgehend weiter. Plötzlich werde ich von hinten arg von einem Staffel-Läufer angerempelt, der es dann auch nicht nötig hat, sich zu entschuldigen. „Hey, chill mal Dein Gesicht, Kumpel“, ruf ich ihm noch hinterher. Auf der Nienburger Straße laufe ich schon bald an Welfenschloss und Leibniz-Uni Hannover vorbei. Vor dem Schloss gibt es zum ersten Mal eine echte GOP-Fanmeile und einen Kaffeegarten. Während wir von unzähligen StudentInnen am Straßenrand und auf den Liegewiesen angefeuert werden, schiele Ich bereits zum Georgengarten hinüber.

Noch vor zwei Jahren hatte mich der Anblick der endlos langen Traube von Marathonis regelrecht zermürbt. Heute macht mir dieser Anblick überraschenderweise nix aus. Ein Student am linken Straßenrand will mir ein Herrenhäuser anbieten. „Nimm lieber an...sonst ergeht es Dir wie meinem Kollegen auf dem Sofa hier“, und verweist besorgt auf ein Skelett mit Schlapphut. „Ach weißt Du... ich hab da einen Kollegen im Schlepptau, der wird sich garantiert über Euer Angebot freuen“, entgegne ich grinsend.

 

Bombastische Stimmung bei Zieleinlauf

 

Die letzten Kilometer liegen vor mir. Noch könnte ich ein paar Bäumchen ausreißen. Ich genieße das letzte Streckendrittel. Auf dem Asphalt des Georgengartens unzählige, motivierende Sprüche der Hannover-Runners e.V., einer seit 2011 bestehenden, bekannten Laufgruppe in Hannover. Vorbei geht es an Wilhelm Busch Museum für Karikatur und Zeichenkunst und dem Studentenwerk Hannover, dann unterm Bremer Damm hindurch auf die Königsworther Straße. Dann der Schock: Als ich auf das Leibniz-Ufer zusteuere, gibt meine Kamera doch glatt den Geist auf! Keine Panik, denke Ich zunächst, schieb den Ersatz-Akku rein. Doch die treue Lumix lässt mich glatt im Stich und verabschiedet sich in den Vor-Ruhestand.

Auf den letzten beiden Kilometern stehen unzählige Zuschauer Spalier. Mittlerweile zehre ich an den letzten Reserven, versuche aber dennoch, alle Register zu ziehen. Gut, zwar kann Ich nun keine Fotos mehr schießen, aber dafür die Eindrücke vor der Zielgeraden wie einen Luffaschwamm aufsaugen. Ich war schon vor zwei Jahren von dem Publikum restlos begeistert, doch was ich in diesem Jahr erlebe, toppt nochmals alles Bisherige. Zu beiden Seiten unzählige Menschen in mehreren Reihen hintereinander und dichtgedrängt, welche jubeln, schreien, winken, lachen, mitfiebern! Hannover, was ist denn bloß los hier? Kurz habe Ich den Eindruck, als hätte ich zu meiner Linken Sophie, Caroline und Charlotte erblickt...aber es geht einfach alles so schnell. Ich fühle mich, als säße ich auf  einer Turbowolke und sause regelrecht ins Ziel.

Und da ist er auch schon, dieser magische, weiße Torbogen, durch den alle Läufer sehnsüchtig laufen wollen. Einfach nur noch ins Ziel, koste es was wolle! Als dann fünfzig Meter vor dem Zieleinlauf Van Halen aus irgendwelchen Lautsprechern ertönt, kenne ich kein Halten mehr: Ich strecke die Arme in die Höhe, forme die gehörnte Hand zu beiden Seiten und schreie in meiner Runner's High Euphorie pure Lebensfreude hinaus!

 

 

 

Nadel im Heuhaufen

 

Nach dem Zieleinlauf prasseln allmählich auch die Schmerzen auf mich ein, welche der Körper zuvor unterdrücken musste. Meine Schritte werden plötzlich immer unsicherer, ich werde langsamer...am Ende kann ich gar nur noch durch die Verpflegungsstraße schlurfen, welche mir zudem noch irre lang vorkommt. Ich bin sehr froh darüber, dass sich der Nachzielbereich nun unmittelbar nach dem Zieleinlauf auf dem Friedrichswall befindet.

 

 

Eine nette Helferin überreicht mir die Medaille, und ich bin positiv überrascht: Das Ding sieht absolut gelungen aus! Dazu gibt es ein Finisher-Bag mit Nettigkeiten wie Müsliriegel, Schokobrötchen und Traubenzucker. Nur ein paar Tische weiter lachen mich Salamis und Brezeln an. Ich greife gierig zu, pfeife auf Tischmanieren und benehme mich beim Futtern und Schmatzen wie der letzte Höhlenmensch. Jawohl, der gute Adolph Knigge würde sich wohl peinlich berührt im Grabe umdrehen, wenn er mir nun zusehen müsste.

Mit einer Handvoll Salami geht es Richtung Erdinger-Stand, um bei einem Becher Isotonischem Bier manierlich abzuschließen. Wo sind eigentlich meine Liebsten? Auch in diesem Jahr wollten mich Kind und Kegel abholen. Als Ich den Nachzielbereich endgültig verlasse und gemächlich dem Teilnehmerstrom folge, welcher sich ins wartende Publikum ergießt, ahne Ich bereits, dass mit der Suche meiner Familie die nächste große Herausforderung des Tages ansteht.  Bevor ich mich ins Getümmel stürze, hier mein Fazit: Wer den HAJ Hannover Marathon einmal läuft, wird in meiner Wahlheimatstadt zum Wiederholungstäter. Versprochen.

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Informationen: ADAC Marathon Hannover
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