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11.09.11

Autor: Joe Kelbel

Über eine Schleife zurück auf die Promenade am Zwinger vorbei. Die Geschichte des Gefängnisses liegt im Dunkeln, da das Stadtarchiv von den Täufern vernichtet wurde. Er diente als Geschützturm, Vorgängergebäude gab es wohl auch. Zuletzt diente es der Gestapo als Hinrichtungsstätte. Die Mauern sind 1,95 Meter dick. Der Zwinger kann besichtigt werden, er ist jetzt ein Mahnmal.

Wir erreichen den Lugeriplatz, benannt nach dem friesischen Missionar Luidger, der als Gründer der Stadt angesehen wird. Zwei Bronzeskulpturen „Knecht mit Pferd“ und „Magd mit Stier“ von 1912. Die Kirche  St Lugeri entstand ab 1173.

Wir biegen in eine weitere Schleife durch das Stadtzentrum ab. Die Salzstrasse ist die älteste Handelsstrasse von Münster und zugleich eine belebte Einkaufsstrasse mit mehreren historischen Gebäude und Sehenswürdigkeiten. Im Pflaster sind mit Messing umrandete Steine aller Hansestädte eingelassen.

Das Läuferfeld ist immer noch eng und müffeld, wie soll ich da Fotos schießen? Vor dem Kloster grüßen uns die Nonnen. Auch das ist Münster: wir sind alle keine Heiligen, aber wir tun, was wir können Ich kann Marathon und das tut meinem Seelenheil gut.

Nun geht es in Richtung Südwesten aus dem Stadtzentrum hinaus. Der Aasee, Schauplatz eines der größten deutschen Justizirrtümer: 1957 fand man eine zerstückelte Leiche. Die Frau des Ermordeten wurde in einem Indizienprozess zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Eine Schlüsselrolle spielte dabei der fehlende Kopf und  Rattengift. Die Staatsanwaltschaft behauptete, die Frau hätte ihrem Mann das Gift in Malventee eingerührt. Weder fand man Malventee noch Rattengift in der Wohnung der Frau. Ein Gutachter jedoch fand angeblich bei seinen Analysen das Gift im Körper des Zerlegten und im Kamin der gemeinsamen Wohnung. In dem ungewöhnlich heißen und trockenem Sommer 1959 tauchte dann der Schädel des Ermordeten  in einem ehemaligen Bombentrichter auf. 1961 wurde die Frau freigesprochen, Gift war nicht nachweisbar, der Mord ist bis heute unaufgeklärt.

Auch heute bleibt das Schwimmen in dem See verboten. Zuviel Colibakterien. Der See ist  nur 2 Meter tief, riecht nach Algen  und ist immer noch voller Leichen: Fahrradleichen

Ich stelle fest: Laufen ist mir irgendwie zur Nebensache geworden.

Zentralfriedhof, dort liegt Jürgen Möllemann. Auch so ein ungeklärter Fall. Wenn es Selbstmord war, warum hat er dann zunächst den Hauptfallschirm geöffnet?  Wieso funktionierte  die automatische Öffnung des Notfallschirms nicht?

Gescherweg mit dem Studentenwohnheim. In Gievenbeck das Studentenviertel. Über  Breilbusch und Horstmarer Landweg nach Nienberge.

1834 fand ein Bauer in Nienberge ein bis dahin unbekanntes Mineral: Strontianit. Es war für die industrielle Zuckerherstellung von großer Bedeutung, da man nun auch noch die restlichen 50% Zucker  aus der Melasse herausbekam. Der „Strunz“ löste für ein paar Jahre eine  Goldgräberstimmung in Nienberge aus, denn die Zuckersteuer wurde an der Menge der verarbeiteten Rüben gemessen und nicht an der Menge Zucker, die man herausbekam.Im Münsterland entstanden etwa 700 Gruben mit über 2000 Bergleuten, die nach dem Mineral wühlten. Heutzutage stammt das Strontianit aus China, es wird für Computer-Bildschirmglas gebraucht. Im Universitätsklinikum Münster (UKM) benutzt man heute Strontium, was aus Strontianit hergestellt wird, um Hautkrebs zu behandeln.

Nienberge über die Sebastianstrasse in Richtung Isolde-Kurz-Weg, Haus Rüschhaus, der nördlichste Punkt des Kurses ist erreicht.
Autobahn A1, stärkste Steigung auf dem Kurs. Hier hinten im Läuferfeld sind die ersten Halbleichen zu beklagen, es sind diejenigen, die im Tauchanzug auf die Strecke gingen. Es sind wohl auch diejenigen die den stärksten Geruch abgeben. Die fallen jetzt aus, doch es gibt ja noch die Landwirtschaft des Münsterlandes, die übernimmt jetzt das Geruchsfeld.

Über die Aa, dem kleinen Fluss.

Haus Vögeding - eine Schriftstellerin, von der ich noch nie was gelesen habe, hat hier gearbeitet. Meine Mitläufer nennen es nur das „Wasserschloß“. Klaus hat darüber geschrieben.  Also, wen es interessiert, der sollte mal da nachlesen.

In Richtung Roxel, Dieckmannstrasse Gievenbeck, Borkenfeld, Mergelberg (das ist wieder so eine Fundstelle von „Strunz“, nur niemand weiss es, weil sich niemand Gedanken über den Namen macht).

Nünningweg, Rüschhausweg, Arnheimweg.

Der Münster Marathon hat etwas, was kein anderer Marathon so hat: Leistungsdruck auf der Naturstrecke und Partystimmung in den Wohngebieten. Leid und Spass auf abwechslungsreichen Kilometern, und eine einmalige Geruchslandschaft. Bis auf den Schweinegestank hält die Geruchslandschaft  sich aber dieses Jahr einigermaßen in Grenzen. Michael Brinkmann, der Chef des Ganzen hat  dieses Jahr ganze Arbeit geleistet.

Habe ich die ersten 25 Kilometer gelitten, so drehe ich jetzt auf. Ob Sambatänzer oder Stelzenläufer, ich quatsche alle an, habe meinen Spass. Ich bin wie ein junger Hund, schnüffel an der nächsten Partystelle, sauge Münsteraner Landluft ein und dackel wieder los. Zwischenzeitlich verliere ich den 4:30er Pacemaker, dann hole ich ihn wieder ein. Aber ich habe keine Eile, Münster ist Las Vegas und Hollywood, Kleinkunst und Spass, sympatisch in allem. Der AWM-Power-Point, wo Eva einheizt, alles ganz große Klasse. New York steht heute ganz oben, Freiheitsstatue und Uncle Sam auf Stelzen.

Nur die Läufer im Taucheranzug tun mir leid. Ich versuche noch einige aufzumuntern, aber die sind total am Ende. Auch die zahlreichen Staffelläufer wetzen unter dem Beifall der Menge los, um dann elendlich zu verrecken. Da muss wirklich Aufklärungsarbeit geleistet werden, Vorbild Mainz! Das tut mir leid, ich hoffe sie sind nächstes Jahr trotzdem dabei. Nun sind aber die Blaulicheinsatzkräfte dabei. Schade, sehr schade.

Himmelreichallee. Mit „dat Himmelryke“ bezeichnete man im 15. Jahrhundert die Wiesen und Gärten in der ehemaligen Aasenke. Ich muss meinen Bericht abkürzen, es folgt noch der gespielte Witz. Adenauer Allee, nee das war er noch nicht… abwarten!

Prinzipialmarkt, kein Giebel gleicht dem anderen, wegen dieser Zielgeraden bin ich hier. Es ist einer der schönsten Zieleinläufe die es gibt -  und das alle Jahre wieder! Dies ist ein unvergleichbares Zielerlebnis. Das ist Münster. Ich laufe verdammt gerne hier.

Nach dem Zieleinlauf bloß nicht den Kopf hängen lassen. Schaut hoch zur Lambertikirche. Ihr könnt dafür im Zielkanal bleiben. Dort oben am Turm hängen für Jedermann gut sichtbar drei Käfige. Hierdrin hingen jahrhundertelang die Leichen der drei Anführer der Täufer. Mann,  was musste das geduftet haben.

Auf der Suche nach dem Eingang zum Rathaus („wegen Großveranstaltung heute geschlossen“) treffe ich im Weinhaus der Ratsherren, gleich nebenan vom Rathaus die prachtvolle Celestine Saigut. Saigut ist die Managerin vom Gewinner Elijah Kipemoi Yator (ganz rechts auf unserem Foto). Sie heisst nicht nur so, sie ist auch gut, sieht gut aus und riecht auch gut, hat aber sichtliche Probleme mit Ihrem kleinen Weizenbierglas. Das ist jetzt der gespielte Witz.

Als guter, hilfsbereiter m4y-Reporter und Ultraläufer leiste ich meinen  Beitrag und Celestine, Elijah und der Zweitplatzierte Kipsang Nicholas Maiyo, sowie seine Laufkollegen mit überaus komplizierten Namen, die brasilianische Tanzgruppe und die Soldaten des Deutsch-Niederländischen Corps aus Kabul, wir feiern einen Marathon, der zu den ganz, ganz großen in Deutschland zählt. Und Celestine wohnt gleich bei mir umme Ecke!

Zum Münster Marathon gehört für mich ein Besuch der silbernen Sakramentskapelle im Dom, in vollgeschwitzter Laufkleidung, m4y-Kappe ab. Ein kurzer Dank für meine Laufgesundheit.
  

Marathonsieger

 

Männer

1  Kipkemoi Yator, Elijah  2:13:10
2  Maiyo, Nicholas Kipsang 2:14:11
3  Tamrat Girma, Elanso 2:14:17
 
10 Butzlaff, Martin SC Magdeburg  2:32:59

 

Frauen

1  Kouhan, Sviatlana 2:35:35
2  Ayato, Zeineba 2:37:29
3  Jeruto Chemaoi, Faith 2:42:52

8  Rauschenberg, Eve  LC Haßloch  2:51:24

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