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Laufberichte

Marathon Leens/NL

18.11.06

Zu Gast bei Ineke, Irma und Jan

 

Wo auch immer ich in den letzten 6 Jahren in den Niederlanden an den Start gegangen bin, ich begegnete stets drei liebenswerten Menschen: Dies waren Ineke, Irma und Jan Scheffer aus Leens.

 

Ineke hat sich dem Marathon- und Ultralauf verschrieben und nimmt fast an jedem Wochenende an einem solchen teil. In hohem Maße scheinen Ineke 12- oder 24-Stunden-Läufe zu liegen. Sie hat zwar ein ganz besonders liebes und freundliches Wesen. Noch nie habe ich Ineke gereizt oder gar ungehalten erlebt. Aber diese zierliche Person kann unglaublich kämpfen und über ihre Schmerzgrenze hinausgehen. Ich mag sie sehr, die Ineke.

 

Eine stetige Reisebegleiterin lnekes ist deren Tochter Irma. Sie nimmt zwar selbst nicht an den Wettkämpfen teil, betreut aber aufopfernd ihre liebe Mutter. Irma spricht sehr gut deutsch. Sie hat ebenfalls ein besonders nettes und freundliches Wesen und ist der Typ einer jungen Frau, die man gerne als Schwiegertochter haben möchte. Ich würde sie am liebsten ständig in die Arme nehmen und drücken.

 

Der Dritte im Bunde ist Jan, Inekes Ehemann, "Manager" und Chauffeur. Er war vor Jahren ein sehr respektabler Triathlet. Das kann ich mir recht gut vorstellen, denn ich habe Hochzeitsbilder und Fotos von Jan als jungem Vater gesehen. Hierauf war Jan schlank wie eine Tanne. Dann zwangen Jan jedoch orthopädische Probleme, seine sportliche Karriere als Aktiver zu beenden. Inzwischen hat Jan einige Kilos zugelegt. Wenn man seine hünenhafte Gestalt heute sieht, würde man eher vermuten, dass Jan einst ein erfolgreicher Kugelstoßer oder Hammerwerfer war. Wer jedoch einmal wie ich von Ineke reichlich bewirtet und ständig umsorgt wurde, der kann Jans Gewichtszunahme durchaus nachvollziehen. Auch Jan spricht sehr gut deutsch. Und natürlich betreut Jan seine Ineke bei deren Wettkämpfen in vorbildlicher Weise. Auf einen Nenner gebracht: Jan ist "ein prima Kerl".

 

Als ich im Juni dieses Jahres in Den Haag einen 6-Stunden-Lauf bestritt und Ineke dort 12 Stunden lief, übergab mir Jan eine Ausschreibung von einem Marathonlauf, der am 18. November 2006 in Leens (nordwestlich von Groningen gelegen) stattfinden sollte. Ich erklärte Jan, dass ich von dieser Veranstaltung schon bei "Ultr@NED" gelesen habe, sie aber für mich nicht in Betracht komme, weil das "tijdslimiet" (die Sollzeit) 5 Stunden betrage und von mir nicht zu schaffen sei. Daraufhin erwiderte mir Jan, dies stelle kein Problem dar, da er ja selbst der Ausrichter sei. Auch wenn ich mehr als meine üblichen 5½ Stunden benötige, würde man auf meine Zielankunft warten.

 

Mir war das Ganze dennoch nicht geheuer, und ich glaubte, die Sache würde in Vergessenheit geraten. Doch ich hätte es besser wissen müssen. Wenn Jan etwas sagt, dann meint er es auch so. Oberflächliches Dahergerede entspricht nicht Jans Wesen. Bei allen unseren weiteren Zusammentreffen wiederholte er sein Angebot, und als wir uns letztmals Anfang Oktober in Amersfoort trafen, bot mir Jan zudem an, in seinem Hause vom Freitag zum Samstag (Wettkampftag) und vom Samstag zum Sonntag zu übernachten. Da das Risiko einer frühmorgendlichen Anreise unter winterlichen Unbilden ausgeräumt war, bestand für mich keine Veranlassung mehr, die Startgelegenheit in Leens nicht wahrzunehmen.

 

Am Freitag, dem 17.11.2006, war es dann so weit. Gegen 15.00 Uhr fuhr ich in Bonn los. Ich rechnete mit ca. 4 Stunden Fahrzeit. Doch ich hatte den Freitagnachmittag-Verkehr unterschätzt. Bereits beim Passieren von Köln erwartete mich der erste große Stau. Ein weiterer in dieser Intensität folgte zwischen Duisburg und Oberhausen.

 

Vor dem deutsch-niederländischen Grenzübergang Elten (zwischen Emmerich und Arnheim gelegen), über den man normalerweise "hinwegbretten" kann, wurden die beiden Fahrspuren auf den Standstreifen übergeleitet, welches wiederum einen langen Stau zur Folge hatte. Was zunächst wie eine Baustellenumleitung aussah, erwies sich als eine groß angelegte Verkehrskontrolle. Eine ganze Hundertschaft niederländischer Polizisten versah dabei mit besonderer Gründlichkeit ihren Dienst. War es mein solides Aussehen oder war es mein sportliches Outfit gepaart mit der Frage, wie weit es noch bis Groningen sei, in dessen Nähe ich morgen einen Marathon laufen wolle - ich musste lediglich meinen Personalausweis vorzeigen und nicht den Koffer- sowie Innenraum meines PKWs ausräumen.

 

Doch es wäre zu schön gewesen, wenn ich von nun an hätte "durchrauschen" können. Auch um Zwolle und vor Groningen staute sich der ohnehin schon allerorts dichte Verkehr zu erneutem "stop and go". Nach ca. 6-stündiger Fahrzeit war ich dann aber schließlich doch am schmucken Haus der Familie Scheffer eingetroffen.

 

Dort hatte sich bereits vor mir ein weiterer Übernachtungsgast, Jack Hendricks aus Putte/NL, eingefunden. In netter Unterhaltung und bei ausgiebiger Bewirtung durch Ineke verging die Zeit bis kurz vor Mitternacht wie im Fluge. Dann war Bettruhe angesagt. Und ich, der ich trotz eigentlich ausreichender Routine vor meinen Marathon- und Ultraläufen meist ziemlich schlecht schlafe, konnte ca. 8 Stunden fast durchgehenden Tiefschlafes verzeichnen. Lediglich eines bekam ich am Rande doch mit: Während meine Anreise noch bei schönem Wetter bzw. Sternenhimmel stattgefunden hatte, pfiff nun in der zweiten Hälfte der Nacht ein heftiger Wind, zu dem sich auch noch Regen gesellte. Dies versprach für den Wettkampf am folgenden Tag nichts Gutes.

 

Doch schon zum Zeitpunkt meines Aufstehens (gegen 8.00 Uhr) fielen keine Niederschläge mehr. Und während wir frühstückten, riss sogar die Wolkendecke auseinander. Als schließlich pünktlich um 11.00 Uhr der gemeinsame Start für den Marathon- und Halbmarathonlauf freigegeben wurde, konnten sich die Teilnehmer/innen und das Veranstalterteam schon längst an fast wolkenlosem Himmel, an strahlendem Sonnenschein und an der für diese Jahreszeit ungewöhnlich milden Temperatur von ca. +12° Celsius erfreuen.

 

Gelaufen wurde auf einem ziemlich geradlinigen und dennoch recht abwechslungsreichen Rundkurs, vor dessen Beginn und nach dessen Ende ein Wendepunktgegenlaufabschnitt zu absolvieren war. Die Länge dieses völlig flachen und verkehrsfreien Streckenverlaufes betrug exakt vermessene 7.032,5 m, so dass ihn die "Marathonis" sechsmal und die "Halbmarathonis" dreimal zu bewältigen hatten. Der Belag der brettebenen Wege bestand durchgängig aus einer griffigen Asphaltmischung, die sehr angenehm zu belaufen war.

 

All diese leistungsfördernden Sachverhalte vervollständigte, dass sich auch der Wind in Grenzen hielt. An den offenen Stellen, an denen er etwas kräftiger wehte, trat er zumeist als Rückenwind auf. Dort, wo er Gegenwind gewesen wäre, minderte ihn Baumbestand. Kurzum: Sowohl das Wetter als auch der Kurs waren ideal.

 

In Anbetracht jener günstigen Rahmenbedingungen zeichnete sich schon frühzeitig ab, dass ich bei diesem Marathonlauf meinen diesjährigen Flachstreckendurchschnittswert von 5½ Stunden unterbieten würde. Einen Strich durch die Rechnung hätte mir nur der Umstand machen können, dass ich das Risiko eingegangen war, meine erst am vorangegangenen Mittwoch gekauften neuen Laufschuhe anzuziehen. Zwar sind diese das Nachfolgemodell meiner bisherigen "Treter". Und Probleme mit Blasenbildungen hatte ich bei meinen Ad-hoc-Schuhwechseln auch früher nie gehabt. Jedoch hätte die ungewohnte intakte Dämpfung eventuell unerwünschte Reize auf meine Sehnen ausüben können. Dies tat sie aber nicht. Im Gegenteil, ich fühlte mich viel leichtfüßiger.

 

Die Runden-Zwischenzeiten ließen nun sogar die Hoffnung in mir keimen, dass ich meine Jahresbestleistung (5:23:33 Stunden, aufgestellt am 08.10. in Braunschweig) verbessern können würde. Als ich auch in der 5. Runde noch jeden km-Abschnitt in weniger als 8 Minuten zurückzulegen vermocht hatte, ergriff ich die Gelegenheit beim Schopf. Worauf sollte ich noch warten? Solch günstige Bedingungen (ausreichend und gut geschlafen, kein Anreisestress, mit 75 kg mein niedrigstes Gewicht in diesem Jahr, angenehme Laufschuhe, ideale Streckenführung, ideales Wetter, von Beginn an Cola an jeder der beiden gut sortierten Verpflegungsstellen) würde ich so bald nicht wieder vorfinden.

 

Die Ausschüttung von Endorphinen lief jetzt auf vollen Touren. Nun gab es keine Zurückhaltung mehr. Ich erlaubte mir in der Schlussrunde kaum noch Gehpausen, und wenn ja, dann nur ganz kurz ein paar Schritte, um Verkrampfungen oder dergleichen vorzubeugen. Das Ergebnis:  5:14:04 Stunden, eine Zeit, die mir schon lange nicht mehr gelungen war. Ich war völlig "happy" und hätte die Welt umarmen können. Die noch recht zahlreich im Zielbereich versammelten Mitorganisatoren und Helfer/innen überschütteten mich mit Beifall und Glückwünschen, als ob ich soeben das berühmte "Amstel Gold Race" gewonnen hätte.

 

Bei dieser Veranstaltung hatte einfach alles gestimmt. Und so war es nicht verwunderlich, dass auch andere Teilnehmer/innen mit großartigen Resultaten aufgewartet hatten.

 

Die drei erstplatzierten Frauen (von insgesamt 4 Finisherinnen):

 


1. Jenny de Groot, Leeuwarden, 3:38:10
2. Janet Lange, Almere, 3:46:33
3. Ineke Scheffer, Leens, 4:02:24

 

Die drei erstplatzierten Männer (von insgesamt 37 Finishern):

 


1. Jaap Vis, Groningen, 2:49:20
2. Albert van der Ziel, Zandeweer, 3:01:26
3. Peter Berghuis, Schipborg, 3:02:45

 

Ich nahm Inekes und Jans Angebot wahr, auch noch die Nacht vom Samstag zum Sonntag bei ihnen zu verbringen. Inekes Einladung, sonntags bis zum Mittagessen zu bleiben, schlug ich dann aber aus, weil ich hübsche historische Städte liebe, von denen es in den Niederlanden sehr viele gibt, und ich auf meiner Rückfahrt noch ausgiebig "Sightseeing" betreiben wollte. Dieses führte mich nach Dokkum, Leeuwarden und Sneek und war für mich ebenfalls ein großartiges Erlebnis.

 

Nun verbleibt mir nur noch, mich bei den jederzeit freundlichen Streckenposten, Betreuerinnen und Betreuern der beiden Verpflegungsstellen, Rundenzählern, Zeitnehmern, Sanitätsleuten usw., usw. bestens zu bedanken. Immerhin hatten die meisten von diesen netten Menschen meinetwegen 25 Minuten länger an ihrem Einsatzort ausharren müssen oder freiwillig ausgeharrt, denn obwohl ich in der vorletzten Runde zum Ausdruck gebracht hatte, dass ich die Strecke nun kenne und sie guten Gewissens ihre Position verlassen könnten, war niemand vorzeitig von seinem Platz gewichen. Ich bin immer wieder sehr beeindruckt, welche Gastfreundschaft mir bei meinen sportlichen Betätigungen in den Niederlanden entgegengebracht wird.

 

Mein ganz besonders herzlicher Dank gebührt natürlich Ineke, Irma und Jan. Sie haben mir ein einmalig schönes Lauferlebnis ermöglicht und ein unvergessliches Wochenende bereitet.

 


 
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