Offener Brief des TUSEM Essen zum 58. Marathon Rund um den Baldeneysee:
So ganz anders als sonst berichten wir heute nicht einfach von einer Veranstaltung - sondern wir möchten kurz eine wahre Geschichte mit Euch teilen. Eine, die MUT machen soll, auch mit den größten Schwierigkeiten und trotz erheblichster Hemmnisse anzupacken - und an die Möglichkeiten zu glauben.
Es war Mitte Juli 2020, als Marathon-Organisationsleiter Gerd Zachäus zum Telefon greifen musste. Seine Aufgabe bestand darin, im Veranstaltungsteam die wohl schwerste Entscheidung aller Zeiten zu kommunizieren. Die 58ste Ausgabe beim traditionsreichsten deutschen Marathon wird abgesagt. Finale Entscheidung. Aus. Ende. Die Veranstaltung muss ersatzlos ausfallen - denn es fand sich einfach kein schlüssiges Konzept, mit dem für Sportler, Zuschauer und Macher in Corona-Zeiten die Marathon-Freude anderer Jahre entfacht werden konnte. Die Enttäuschung überlagerte Gerds Stimme am Telefon. Und einfach jeder auf der anderen Seite der Leitung stellte die gleiche Anschlussfrage: “Was???”.
Noch nie hat der TUSEM Essen seinen beliebten Marathon “Rund um den Baldeneysee” komplett absagen müssen. Noch nie sind die Planungen für die Veranstaltungen einfach in der Schublade verschwunden. Und nie zuvor war auch die Vorbereitung der Sportler so abrupt abgebrochen worden.
Die Entscheidung ist der Lauf-Community umgehend mitgeteilt worden. Und nur Stunden später verbreitete sich im Netz die Absage beim Essener Marathon wie ein Lauffeuer: Enttäuschung, Trauer, Unglaube - und gleichzeitig sehr viel Verständnis für die Entscheidung waren auf den sozialen Netzwerken zu lesen. Niemand musste auf schon gezahlte Startgelder verzichten - denn alle Starts wurden kulant auf 2021 geplant. Wer darauf bestand, bekam ohne Diskussion das Startgeld zurück.
Absagen. Und Füße still halten im kompletten Jahr 2020. Es war die uneingeschränkt richtige Entscheidung. Und doch fühlte es sich wie eine Falsche an: Die Tradition würde gebrochen. Eine Serie würde reißen. Kein Sturm, kein Regenwetter, keine Unwägbarkeit hat jemals die feste Institution “Rund um den Baldeneysee” ins Wanken gebracht. Und doch sollte nun die Covid-19-Pandemie dem Sportfest ein Ende setzen.
v.l.: Marc Hause, Westenergie - Leo Doetsch, TUSEM Essen - Petra Kox, Westenergie - Gerd Zachäus, TUSEM Essen - Martin Kels, TUSEM Essen - Dieter Remy, Allbau
Für viele Wochen war das der Stand der Dinge. Für diese lange Zeit war für alle Beteiligten klar, dass die Marathon-Legende in Essen aussetzen muss - und einen weißen Flecken im Kalender und der Lauf-Landschaft hinterlassen wird. Kein Jahr war bisher auch nur annähernd wie 2020 - keine Herausforderung hat wie Corona eine eingeschworene Gemeinschaft von Ehrenamtlern so hilflos zurückgelassen. Ohne Spielraum, ohne Option, ohne Marathon.
Nein. Dem Marathon-Team wurde klar, dass die Tradition hier nicht einreißen darf. Die Voraussetzungen mögen unfassbar schwierig und die Auswirkungen der Pandemie allumfassend sein. Aber als Zeichen der Hoffnung sollte eine 58ste Ausgabe des Marathon möglich gemacht werden.
Unter Berücksichtigung aller Maßnahmen und Regeln - und mit der Geschichte und Tradition des großen Essener Marathon “Rund um den Baldeneysee” im Sinn kam gemeinsam mit dem Team der Westenergie die Idee, eine “Extrarunde” ins Leben zu rufen. Ohne vierstellige Läuferzahlen und ohne Zuschauer - aber zumindest mit einem starken Symbol: Eine Handvoll Läufer werden auch 2020 im Essener Süden 42,195 Kilometer laufen - allein oder als Staffel. Und auch eine Seerunde wird es geben: Ein Zeichen für Tradition, Mut und Kontinuität der Traditions-Veranstaltung.
Ohne Zuschauer, ohne großen Helfereinsatz - und mit einem Minimum des Organisations-Aufwands: am 11. Oktober 2020 wird es einen Lauf zur Wahrung der großen Essener Marathon-Geschichte geben . Eine Gruppe von ca. fünf Marathon-Läufern geht um 10 Uhr an den Start, gefolgt von einer Handvoll Staffel-Läufern, einer Promi-Staffel und ca. fünf Seerunden-Läufern. Das alles auf einer corona-gerechten und neu vermessenen Strecke “Rund um den Baldeneysee” , die ohne jegliche Straßensperrung auskommt.
Der beliebte Marathon rund um den Baldeneysee kann in diesem Jahr nicht der gewohnten Form stattfinden
Das ist die Vision, die am 11. Oktober 2020 im Mittelpunkt stehen wird - wenn zwei dutzend Läufer stolz die Fahnen des Westenergie-Marathon “Rund um den Baldeneysee” hoch halten. Elektrisiert - und mit dieser Vision im Kopf griff Gerd Zachäus dann wieder zum Telefonhörer… und Ernüchterung und Enttäuschung wichen Enthusiasmus, Euphorie und Energie…
Am 11. Oktober laufen also eine Handvoll Läufer auf der Traditionsstrecke die 58ste Ausgabe des Westenergie Marathon “Rund um den Baldeneysee”. Eine Anmeldung ist nicht möglich - unter den Läufern sind Mitglieder des Vereins TUSEM Essen und Vertreter aus den Reihen der Sponsoren. Alle Beteiligten werden sich mit Sicherheitsabstand und unter Einhaltung der Hygieneregeln auf dem Gelände bewegen. Der Lauf wird als offizielle 58ste Ausgabe der Veranstaltung gezählt, um mit der Tradition des jährlich ausgetragenen Events unter keinen Umständen zu brechen.
Start aller Distanzen ist um 10 Uhr mit Sicherheits- und Hygiene-Abständen von jeweils einer Minute. Die Essener AllBau führt außerdem die Charity-Tradition fort: Eine Spendensumme für das Abschneiden der Promi-Staffel wird an die Aktion Lichtblicke von Radio Essen und den NRW-Lokalradios überreicht. Eine Umsetzung des BKK Walking Day am Vortag ist in diesem besonderen Jahr leider nicht möglich - das Orgateam dankt der Betriebskrankenkasse BKK für ihre Unterstützung unter den aktuellen Corona-Bedingungen ganz besonders.
Martin Kels ️
TUSEM ESSEN