„Shit, der ist geil“ so schreibt mir Andy. Er hatte sich aus Versehen für dieses Wochenende bei einem weniger geilen Marathon angemeldet. Gut ist beim Marathon „Rund Um den Baldeneyesee“, dass man aus der S-Bahn-Station herausfällt und direkt am Start (10 Uhr) eines wunderbaren Naturlaufes ist. Unkompliziert, schnell, gut, preiswert und traditionell, - das ist der Baldeneyseemarathon. Wer sein Wochenende aber nur auf den Marathon beschränkt, der verpasst eine altehrwürdige Gegend, denn Essen besteht nicht nur aus Krupp.
Dem Samstag starte ich mit einem Traillauf am offiziellen Marathonhotel „Bredeney“, es wird ein mysteriöses Erlebnis werden. Mysteriös sind schon mal die Namen „Baldeney“ und „Bredeney“, die mir nur ungern über die Tastatur gehen. Die Endung „ney“ kommt über das latainische „noia“, „naia“ und später „noye“ und heisst übersetzt „Aue“. Bredeney bedeutet also „breite Aue“, mache sagen „abschüssige Aue“.
Baldeney könnte Aue des Balduin heissen, wie auch immer, der Name stammt vom Schloss Baldeney, wo schon in Vorzeit eine sogenannte Motte stand. Eine Motte ist eine Holzburg auf einem Erdkegel mit einer mit Palisaden umgebenen Vorburg, die auf Nordmännersprache „baileys“ genannt wird. Nun stand die Motte nicht zum Spass dort. Sie bewachte den Hellweg, eine uralte Handelsstrasse, die schon zur Steinzeit bestand. Hellweg wurde er genannt, weil die Bewacher, die auch Zoll kassierten, den Weg in einer Breite einer Lanzenlänge dauerhaft von Bewuchs freihalten mussten. Hellweg heisst also lichter, breiter Weg, der für Kaufleute sicher und schnell war.
Das Schloß Baldeney liegt verlassen zwischen Brombeerhecken. Sieht das Haupthaus noch einigermaßen aus, so erkennt man beim Näherkommen, dass der Efeu schon in die Fenster hineinwächst und die Türen sind dick mit Spinnweben verschlossen.
Weiter geht es auf dem Hellweg zur Zeche Funke. Tief im Efeu das sogenannte Gebäude der Markenkontrolle. An einem Fenster noch eine Gardine, als würde sie der Efeu verschrecken.
Dann unter dem Gras ist die alte Gleisanlage der Grubenbahn erkennbar. Linker Hand die Sutan-Überschiebung, die sich durch das gesamte Ruhrgebiet zieht und das Land reich gemacht hat, denn hier lagern ältere Schichten über den jüngeren, flözführenden Schichten des Oberkarbons.
Am Zechenturm vorbei führt meine Tour sehr steil hinauf auf die Verschiebung, am Gebäude der Rechenanlage vorbei zur Zeche Hundsnocken. Wege gibt es nicht mehr, Trails auch nicht, aber es macht irrsinnig Spass, ich bin zerkratzt und verdreckt, der Regen stört nicht.
Mittelalterliche Grubeneingänge unter den Brombeergestrüpp, uralte Terrassierung, die Richtung Tal abbricht und tiefe Spalten bildet, im Halbdunkeln ein schöner Blick durch die knorrigen Buchen auf den Baldeneysee. Es ist wie in einem Gruselfilm, ich bin wieder 17.
Dann eine seltsame Schnurkostruktion zwischen den schroffen Felsen, ich bin an einem heiligen Ort angelangt. Es ist die Runenhöhle vom Baldeneysee. Wer sich dort hineinzwängt (ich nicht, bin zu dick!), ist umgeben von germanischen Runenzeichnungen. Das ist deswegen bedeutsam, da Runen in Deutschland im Zuge der Christianisierung vernichtet wurden. Sehr bewegend dieser Platz. Der Ort wird regelmäßig von esotherischen Germanisten aufgesucht, ist aber nicht öffentlich zugänglich, da noch nicht wissenschaftlich dokumentiert.
Öffentlich zugänglich ist die Neue Isenburg (13. Jahrh), direkt oberhalb des Startplatzes, zu der man über die Korteklippen und das Jagdhaus Schellenberg gelangt. Auch diese Burg diente zur Sicherung des Hellweges, der auch Teil des Jacobsweges nach Santiago de Compostella ist. Die alten Mauern interessieren mich aber nur indirekt.
Ich bin auf der Suche nach den Riesenweberknechten, Spinnen, die eine Spannweite von 30 Zentimetern haben. Niemand kann sagen, woher sie kommen, sie wurden vor 2010 noch nie beschrieben, aber die Presse hatte letztes Jahr ausführlich berichtet. Von der Friedrich-Ebert-Brücke in Düsseldorf , dem Gasometer in Oberhausen und der Neuen Isenburg reichte in 2010 das Verbreitungsgebiet der Monsterspinnen. Auf den klatschnassen Gemäuer erkenne ich aber kein Spinnenbein mehr.
Eine rekonstruierte Brücke führt über den tiefen Burggraben, der mit riesiger Mühe in den Felsen gehauen wurde. Erkennbar das Unter- und das Oberhaus. Beide waren durch zahlreiche Türme stark befestigt und boten über 800 Kriegern Platz. In das Gestein waren schauerliche Verliese für Gefangenen eingehauen. 274 Stufen führten ins Tal der Ruhr. Oben in den Türmen sassen die Späher und beobachteten das Land, wie Raubvögel fuhren sie aus ihrem Felsennest auf die Wanderer hinab. Sie erpressten hohe Zölle, wer nicht zahlen konnte kam in den Kerker. Ein Spruch an der Burgpforte in lateinischer Sprache wurde von den Forschern Vos und Weinand gefunden, er soll vom Teufel höchstpersönlich stammen, der das nahe Ende der Burg vorhergesagt haben soll: „Dem Raube ist sie geweiht, wird nur dauern kurze Zeit.“
Navi: Baldeney 36, von der Straße Bottelenberg dann 10 Min. Fußweg.
Tatsächlich bestand die Neue Isenburg nur wenige Jahre, wurde 1288 zerstört. Die Steine sollen für das Schloss Baldeney genutzt worden sein, welches nach so kurzer Zeit fertig dagestanden haben soll, daß es „Balde-Neu“ genannt wurde. Mein Rundweg beträgt etwa 20 Kilometer, total eingesaut, nass und frierend gelange ich zur Startnummernausgabe. Schnell mit dem Taxi zurück ins Hotel und in der Sauna aufwärmen.