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Laufberichte

Das letzte Geheimnis von Wetterburg

18.05.13
Autor: Joe Kelbel

Der Leseraum der Hofbibliothek im Schloss von Bad Arolesen wird bald schliessen. Die Alte soll mir jetzt mal das Buch über den seltsamen Kurt von Wetterburg bringen, in Wetterburg startet morgen nämlich der Waldmarathon und ich hab nichts zu schreiben.

Bis jetzt hatte ich ein Buch, das von der ewigen Klopperei zwischen dem Grafen von Waldeck und dem Kölner Erbischof erzählt. Die Erbauung der Wetterburg lässt sich auf 1305 datieren, nichts was mich sonderlich interessiert.

Die Wetterburg war eine mächtige Burganlage, mit zwei Schlossgebäuden und einem hohen Turm, von dem man die Warttürme auf den hessischen Grenzbergen erkennen konnte. Die Burg wurde im 30jährigen Krieg (1618-48) zerstört und später als Steinbruch genutzt. Nur die Vorburg ist erhalten geblieben und in deren tiefen Keller soll sich ein grausiges Ereignis zugetragen haben.

Das nächste Buch sind die Memoiren des Götz von Berlichingen. Ob er
wirklich Deutschlands häufigstes Zitat, den Schwäbischen Gruß “Legg me am Arsch” erfunden hat, sei dahin gestellt. Ich finde in seinen Erzählungen jedenfalls einen ausführlichen Bericht von dem Tag, an dem er dem Grafen zu Waldeck 1516 vor der Burg Wetterburg auflauerte, um ihn zu entführen. Er schildert mit diebischer Freude seine Beobachtungen, wie fünf Wölfe die Schafe des Grafen plünderten. Seine folgende Entführungsgeschichte würde gerade für GZSZ, aber nicht für einen Marathonbericht von mir reichen. Nichts was mich sonderlich interessiert. Die Alte rasselt derweilen mit dem Schlüsselbund.

Dann endlich das Buch, das über Kurt von Wetterburg berichtet: Grausame Ritter, viel Krieg, Eroberung und Liebe, aber es ist leider nur ein romantischer Roman aus dem 18.Jahrhundert, nichts was mich sonderlich interessiert.

Doch plötzlich fallen ein paar Blätter heraus. Mir stockt der Atmen. Es ist der gesuchte Bericht über die Wetterburg, der grausamer, gruseliger und erschreckender nicht sein könnte. Bitte haltet Euch fest!

Drei dunkle Gestalten sitzen im Keller der Wetterburg, ich kann nicht entziffern, was sie dort treiben, aber es ist wohl nicht ganz erlaubt. Die Namen: Hans, Stoffel und Grete . Bei den nun folgenden Worten wird mir schlecht und schwarz vor den Augen:

“Kaum geht die Thüre auf, so stolziert ihnen der Geist in Gestalt einer ungeheueren Brandteweinstonne mit dito Armen und Beinen entgegen und erregte einen solchen Lärm, dass alle Fässer umher, welche freilich mit Geist gefüllt waren, mobil wurden!”

Mir ist ziemlich schummrig, zwischen Burgschänke und Schlossgasthof suche ich das Gelesene zu verarbeiten, dann zieht es mich magisch zur Wetterburg und diesem dunklen Kellerverlies, das seitdem mit dicken Eisenketten gesichert und mit grausigen Spinnweben behaftet ist, drüber steht die Jahreszahl 1576.

Mir läuft es eiskalt den Rücken runter: Hier also haust der Geist des Weines in der grausigen Brandteweinstonne!

Schwere Gewitterwolken ziehen auf. Blitz und Donner schütteln das alte Schlosshotel, welches sich zwischen feuchten Nebelschwaden duckt. Arolsen kommt einfach nicht zur Ruhe und in den frühen Morgenstunden setzt Heinrich in einer seiner berühmten, flammenden Rede der Grausamkeit von Arolsen eine Krone auf, welche auf keine Kuhaupt mehr passt: Fünf Bürgermeister haben bis jetzt seine Marathons begleitet, eher verleitet. Waren es nicht auch fünf Wölfe, die den armen Schafen auflauerten? 

Auch obere und untere Forstbehörde, Jäger und Sammler wollen nicht die Vorteile der geballten Wirtschaftskraft der zahllosen Marathonis wahrhaben. Es ist grausam, da hilft nur Laufen!

Wer nach letzter, regennasser, grausiger Nacht jetzt hier am Twistesee steht, der ist aber wahrlich ein mutiger Held. 173 sind es heute, 32 Marathonläufer und nicht ein einziger Stöckchenschwinger, für deren Auslauf die Stadt so viele verlassene Wege angelegt hat. Und für die Golfspieler, für die sind sogar Parkplätze mit “Präsident” und sonstiger Angeberbezeichnung reserviert. Doch Golf ist kein Sport, deren Verpflegungsstation nennt sich “Auszeit”.

Uns kann es deshalb nicht mehr schocken, dass auch die Polizei in den frühen Morgenstunden ihre zugesagte Hilfe zurückzieht. Wenn du einmal in deinem Leben falsch parkst, dann kommt garantiert eine Horde hinterm Busch hervorgeschossen, aber wenn du einen einzigen brauchst, hilft nicht mal die Notrufnummer. 

Heinrich muss die Strecke ändern, die Ordnungsmacht kann uns nicht ausreichend Schutz vor dem Verkehr in der Nähe des FKK-Bereiches gewähren.

Allso haben wir in diesem Jahr viermal die Runde zu laufen, mit jeweils 3 Verpflegungsständen. Jede Runde beinhalten etwa 250 Höhenmeter, was die 1:25 für Florian und 1:27 für Melanie beim Halbmarathon sehr erstaunlich macht. Es gibt noch einen 10 km und einen 5 km Lauf, doch da erstaunt mich nichts.

Roland gewinnt beim Marathon, hätte aber lieber den 2-Rundenkurs gemacht. Dafür kann ich meine wohlausgeklügelte Taktik umsetzen: In einer Runde esse ich nur Nussecken, in der anderen nur Rhabarberkuchen und die Getränkeaufnahme erfolgt aus Eigenbeständen im Start/Zielbereich, was den Heinrich jedes Mal sehr verwundert. Aber schließlich bin ich weder Jahrgang 1941, noch habe ich 2012 eine persönliche Bestleistung von 2:43 auf 800 Meter vorzuweisen.

Dita bringt mir einen Schmalztopf, aber den guten, den mit den fetten Grieben. Wir hatten ja damals Nichts! Wirklich nichts. So mancher Leser versteht unter Menu eine Kombi mit Pommes und Cola, meine Mutter bekam zum Geburtstag ein hartgekochtes Ei und ich weiß nicht, was mich heute Nacht hier erwartet, wenn ich in meinen Geburtstag hinein feiere. Vielleicht eine tanzende Brandteweinstonne? Jedenfalls habe ich jetzt etwas zum futtern.

Es wird im Uhrzeigersinn um den Twistesee gelaufen, steil ansteigend beim Wohnmobilcampingplatz, wo später auch ein Metzger seinen Stand aufmacht und auch Hunde-und Katzenfutter…naja, ich hatte noch ein Brötchen mit “Augenwurst” dabei. Augenwurst ist zwar Teewurst, beinhaltet wohl aber alles außer Tee.

Dort beim Campingplatz gibt es auch die Angelberechtigungsscheine für den See. Manche behaupten ja Angeln sei Sport, so wie Golf. Jedenfalls hat jeder der Angler eine Bierflasche in der Hand , was Angeln dann doch in Nähe von Sport rückt. Oder hat man schon einmal einen Golfspieler mit Bierflasche gesehen?

Von oben Blick auf Neu Berich. Vor hundert Jahren, als die Edertalsperre geflutet wurde, wurden die Bewohner hierher umgesiedelt. Ihre Klosterkirche aus dem 16. Jahrhundert nahmen sie Stein für Stein mit, bauten sie hier wieder auf.

Der Wald ist saftig grün, ein Kuckuck legt seine Eier woanders und ein Specht macht Bongo Bongo. Gelegenheit für mich, eine Bitte an alle Waldläufer loszuwerden: Wir müssen den Wald schützen, also, bitte werft keine Geltüten weg und vor allem: Esst mehr Spechte! Falls jemand noch Menüvorschläge hat: Die Erde muss auch gerettet werden!

Obwohl es die gesamte Nacht geregnet hat, sind die Wege in Ordnung, am See entlang ist es sowieso asphaltiert, alles geeignet für jedes Wetter. Die Waldluft und die Verpflegung muss noch erwähnen werden: Beides sehr gut!

Sicherlich ist es traurig, dass heute so wenige Läufer angetreten sind. Gründe gibt es viele, abgesehen vom Wetter, das nach dem Start nie so schlimm ist wie vorher. Es gibt sehr viele Konkurrenzveranstaltungen und die alten Haudegen, die jeden Tag laufen können, die zieht es ins Ausland.

Ich mag den Lauf, vor allem die Ruhe, die Unaufgeregtheit, die schnelle Nachmeldung, das kleine Familientreffen, tanzende Brandteweinstonnen.

Die Duschen im Strandbad Twistesee sind warm, jedenfalls in der Herrendusche. Wie sonst erklärt sich ein mehrfaches “TrippeTrapppe, PlitschPlatsch”, das von der Damendusche ausgehend zur Herrendusche zu hören ist? Es könnte auch eine Brandteweinstonne mit dito Armen und Beinen sein. Uwe kriegt jedenfalls die Panik, meint, man würde ihn zur Siegerehrung rufen und “PlitschPlatsch” steht er naggisch auf der Wiese, weswegen ich dann doch zum Sieger gewählt und somit auch das letzte Geheimnis von Wetterburg gelüftet wurde.

 

Informationen: Waldmarathon
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