marathon4you.de

 

Laufberichte

Ohne Tamtam

02.12.06
Autor: Klaus Duwe

Trotzdem ein Wochenende mit allem drum und dran.

 

„Bei uns gibt es kein Tamtam, wir brauchen die Leute auf der Strecke“ sagt Heinrich Kuhaupt und erklärt die Philosophie des Arolsener Advent Waldmarathons am Samstag in der  Wetterburger Twisteseehalle zum 26. Mal. Der Organisationschef ist ein Urgestein der deutschen Marathonszene. 2:28 Stunden ist seine Marathonbestzeit, mit 50 lief noch einmal unter 2 ½ Stunden, dann gab er die Zeitenjagd auf.

 

Dass einer wie er einen Marathonlauf initiiert und nun schon so lange verantwortlich organisiert, bei dem es, wie er selbst nicht nachlässt zu betonen, „nicht um Bestzeiten geht, sondern um das Laufen an sich, um das Erlebnis in der Natur und um die Begegnung mit Gleichgesinnten“, ist ihm hoch anzurechnen. Leute wie er und Klaus Banka, zu dem es mit seinem Schwarzwald-Marathon viele Parallelen gibt, sind selten geworden.

 

Die Läuferinnen und Läufer spüren das. Wo sonst ist fast die ganze Läuferschar eine Stunde vor dem Start in einer Halle versammelt um zu hören, was der „Chef“ zu sagen hat? Viele hören es schon zum soundsovielten Mal:

 

„In Arolsen steht Marathon drauf, und es ist auch Marathon drin.“
„Teilt euch die Kräfte ein, wir haben hier keine flache Betonpiste.“

 

Mehrmals wird Heinrich vom Applaus der Zuhörer unterbrochen. Dann macht er wort- und gestenreich weiter.

 

„So, jetzt noch laufen, dann ist Weihnachten, “ sagt einer im Saal, als Heinrich Kuhaupt fertig ist. Diesmal folgt der kultigen Ansprache allerdings noch ein „Happy birthday“, denn kürzlich feierte er seinen 65. Geburtstag.

 

„Ohne Tamtam“ heißt in Arolsen auch, es gibt kein Rahmenprogramm. Seine Startnummer kann man sich am Freitag (15.00 bis 21.00 Uhr) in der Twistesseehalle in Wetterburg abholen. Davon machen so viele nicht Gebrauch, denn der Start ist um 11.00 Uhr und wer nicht hunderte Kilometer Anfahrt hat, reist am Lauftag an.

 

Dabei gibt es gute Gründe, gleich ein ganzes Wochenende in Bad Arolsen zu verbringen. Der traditionelle Weihnachtsmarkt auf dem Kirchplatz gilt als einer der schönsten im weiten Umkreis. Bekannt ist die Barockstadt aber durch das 1713 – 1728 erbaute Schloss der Fürsten von Waldeck-Pyrmont. Am Samstag (15.00 Uhr) und Sonntag (11.00 Uhr) kann man das Residenzschloss mit den bedeutenden Deckengemälden und Stuckarbeiten besichtigen. 

 

Gleich neben dem Schloss befindet sich das Welcome Hotel Bad Arolsen, das aus den aufwendig restaurierten historischen Nebengebäuden besteht, die mit einem atriumförmigen Anbau kombiniert wurden.


Jedes Jahr zum Advent Waldmarathon bietet das Hotel ein Sonderarrangement mit Übernachtung inklusive Frühstücks- und Abendbüffet und Nutzung des Wellnessbereiches (Lagunenbad, Sauna, Dampfbad, Whirlpool & Solarium und Beauty- & Wellness Lagune) an. Es versteht sich von selbst, dass leckere Nudelgerichte am Freitag den Speisezettel dominieren. Man kommt sich wie auf einer Pasta-Party vor, denn Läuferinnen und Läufer sind eindeutig in der Überzahl.

 

Mehr zum Thema

Auch das Frühstück lässt keine Wünsche offen. Bis zum Start ist noch lange hin und ich halte mich angesichts des reichhaltigen Angebotes nicht übermäßig zurück. Dann geht’s die paar Kilometer nach Wetterburg. Die Zufahrt zur Twisteseehalle ist ausgeschildert, Parkplätze gibt es ausreichend in unmittelbarer Nähe.

 

Die Halle füllt sich schnell. Zum Frühstück gibt es auch hier Süßes oder Deftiges und wie immer gehören Ingrid Kuhaupt’s selbst gebackene Energie-Riegel zum Angebot. Jeder kennt hier offensichtlich jeden. Entweder man kommt aus der Region, oder man gehört zu den Sammlern und Genießern, die sich sowieso dauernd irgendwo über den Weg laufen. In jedem Fall hat man sich viel zu erzählen und die Zeit vergeht im Flug.

 

Nach Heinrichs Ansprache geht’s wie in einer Prozession hinunter zum Twistesee, wo auf dem Damm gestartet wird. Zuvor wird die Orts- und Laufprominenz präsentiert, die heute besonders zahlreich ist. Ortsvorsteher Gerd Frese verzichtet nach zweimaliger Teilnahme dieses Jahr allerdings auf einen Start und übernimmt lediglich die Begrüßungsworte und den Startschuss. Dafür läuft Triathlet Lothar Leder mit, dem die Startnummer 1 unangenehm ist, weil er von einer Favoritenrolle nichts wissen und nur einen scharfen Traininglauf absolvieren will. Titelverteidiger Dirk Strothmann sieht das sicher anders und hat nach zwei Siegen in Folge bestimmt den Hattrick im Visier. Carmen Hildebrand will sich wieder mal nicht festlegen. „Wenn ich mir was vornehme, geht es meistens schief“, weiß die Vielstarterin aus Erfahrung.

 

Die Temperaturen sind ganz angenehm oder, wie die Fachleute sagen, es ist für die Jahreszeit mit 10 Grad viel zu warm. Ehrlich gesagt ist mir das aber lieber als die Kälte und der scharfe Wind im letzten Jahr.

 

Pünktlich um 11.00 Uhr werden die ungefähr 550 Läuferinnen und Läufer losgelassen. Es geht auf dem schmalen, geteerten Radweg am See entlang, wo sich tatsächlich auch ein paar Zuschauer (es werden die Laufbegleiter/innen sein) aufgestellt haben. Es gibt keinerlei Gedränge, man nimmt Rücksicht und man hat Zeit. Die Sollzeit beträgt 5 ½ Stunden. Eine kleine Gruppe von Läuferinnen und Läufern hat man mit speziellen Startnummern bereits eine Stunde vorher auf die Strecke gelassen, um ihnen eine Zielankunft noch bei einigermaßen Tageslicht zu ermöglichen. Ein gutes Beispiel, wie ich finde.

 

Die ersten Kilometer sind gekennzeichnet, später werden nur noch alle 5 Kilometer angezeigt.

 


Die Zwischenzeit bei Kilometer 3 wird nach Arolsener Art nicht digital sondern verbal von einem Streckenposten bekannt gemacht. Gleich darauf kommt am Biergarten die erste kleine Steigung hinauf zur B 450, wo wir nach einer scharfen Linkskurve auf einem dick mit Laub bedeckten Waldweg oberhalb des Sees in entgegen gesetzter Richtung laufen. Dass der Weg leicht ansteigt, nimmt man jetzt am Anfang des Rennens kaum wahr. Die kahlen Bäume geben den Blick links auf den See und auf Wetterburg frei.

 

Nach sieben Kilometer kommt die erste Getränkestelle mit Wasser und angewärmtem Tee und Iso. Von hier laufen wir in südlicher Richtung auf einem recht bequemen Weg, der zwar nie ganz eben ist, aber auch keine gravierenden „Unebenheiten“ hat. Wald, Felder und Wiesen wechseln sich ab. Nur außerhalb des Waldes stört der Wind etwas, beklagen will sich keiner, vor allem nicht die, die im letzten Jahr dabei waren. Bei km 10 geht es über die B 450 und dann in den weiten Bogen um Landau herum. Vier Kilometer weiter laufen wir dann direkt auf das 1100 Einwohner zählende Bergstädtchen zu, von dem es interessantes zu erzählen gibt.

 

Landau liegt auf einem 65 hohen Berg, auf dem es keine Brunnen mit ausreichender Wassermenge gab. Die Bewohner mussten mit Kübeln und Eimern mühsam das Wasser nach oben tragen, bis 1535 eine von einem Fritzlarer Schmied erbaute Trinkwasserförderanlage in Betrieb genommen werden konnte. Damit wurde das Quellwasser mit durch ein Mühlrad angetriebenen Pumpen durch Holzrohre zu einem Kump, so nannte man öffentliche Wasserstellen, auf dem Marktplatz geleitet. Bis 1981 erfüllte die Anlage, allerdings ergänzt durch Elektropumpen, ihren Zweck. Als „Landauer Wasserkunst“ ist das technische Meisterwerk noch heute voll in Funktion zu besichtigen.

 

Vor dem Ort erwarten uns einige Zuschauer und aufmerksame Streckenposten weisen uns rechts auf die Verkehrsstraße Richtung Volkhardinghausen, der wir ungefähr einen halben Kilometer folgen. Dann geht es links auf einem ziemlich steilen Weg ein paar hundert Meter bergauf. Die folgenden Kilometer verlaufen sehr abwechslungsreich im ständigen Wechsel von auf und ab mit einigen flachen Abschnitten im Wald.


Bei der Halbdistanz ist die dritte Verpflegungsstelle eingerichtet, wo es auch Bananen und verschiedenes Gebäck gibt. Mein Favorit sind die Nussecken, aber auch das Weihnachtsgebäck („Nicht vom letzten Jahr“, wird ausdrücklich versichert) ist lecker. Ein kurzes Stück laufen wir auf einer Verkehrsstraße, dann links auf einen geteerten Waldweg, auf dem uns mit gut 4 Kilometer Vorsprung die Marathonis entgegenkommen.

 

Unter ihnen entdecke ich auch Ralf aus Schriesheim. Eigentlich ist er Triathlet und will im nächsten Jahr seinen ersten Ironman machen. Weil er gut drauf ist, will er jetzt schon einmal wissen, wie sich ein Marathon anfühlt. Mehr als 4 Stunden soll sein erstes 42 km-Rennen allerdings nicht dauern, hat er sich ausgerechnet. Sieht locker aus, wie er daher kommt. Aber das letzte Drittel kommt ja erst noch...

 

Torsten Schriefer hat sich einen Zettel angeheftet und weist darauf hin, dass er heute bereits seinen 50. Marathon macht. Dabei hat er den Swiss Alpine 2000 als seinen „schlimmsten“ in Erinnerung, weil es die letzten 20 Kilometer in Strömen gegossen hätte.

 

Am äußersten Ende der Schleife hat Heinrich die angekündigte Kontrollstelle postiert („…es soll ja niemand in Versuchung geführt werden.“), die Startnummer wird notiert und nach einem kurzen, steilen Anstieg laufen wir wieder im jetzt schon gewohnten Wechsel von auf und ab weiter.

 

Zwischen km 28 und 31 kommt es zu einem lang gezogenen Anstieg, nicht steil, aber nach Zweidrittel der Strecke spürt man es deutlich in den Beinen. Danach geht es meist abwärts. Wer seine Kräfte eingeteilt hat, lässt es rollen, wer nicht so gut im Haushalten ist, ist am Schimpfen: „Scheiß Abwärtslaufen.“ Bei km 34 an der Waldschmiede in Volkhardinghausen stehen ein paar Zuschauern, der Sprecher stellt die Läuferinnen und Läufer vor und die engagierten Helfer an der Verpflegungsstelle halten Getränke und Gebäck bereit.

 

Bis Braunsen (km 37), wo es noch einmal Getränke gibt, geht es abwärts, die letzten Kilometer laufen wir fast eben dem Flüsschen und dann dem See entlang bis ins Ziel. Für die Finisher stehen Getränke und eine Kiste Äpfel (aus Kuhaupt’s Garten?) bereit.

 

In der Halle treffe ich Ralf (ihr wisst schon, den Triathleten), er kommt gerade aus der Dusche. „So schwer habe ich mir einen Marathon nicht vorgestellt“, fasst er die Eindrücke von seinem Debüt zusammen. „Am schlimmsten waren die letzten 7 Kilometer.“ Nachdem er mit der Zeit zurück hält, ist mir schon klar, dass es mit „sub 4“ nichts geworden ist. „4 Stunden 12“, rückt er dann auf Nachfrage raus. Was auf der Arolsener Runde auch nicht schlecht ist. Glückwunsch, Ralf. Das nächste Mal läuft es besser und die 3,8 km Schwimmen und 180 km auf dem Rad zuvor kriegst du auch noch hin.


Streckenbeschreibung

„Buckliger“ Rundkurs, die Anstiege addieren sich auf ca. 550 m

 

Auszeichnung

Urkunde


Verpflegung

6 Verpflegungsstellen mit Wasser und Iso und Tee, teilweise Bananen und Kuchen


Logistik

Die Twisteseehalle in Wetterburg ist das Veranstaltungszentrum. Dort gibt es die Startunterlagen. Zum Start auf der Staumauer sind es 3 - 400 Meter, vom Ziel zur Halle 200 Meter. Parkplätze sind in der Nähe. Duschen  in der Halle oder beim nahe gelegenen Sportplatz.

 

Informationen: Waldmarathon
Veranstalter-WebsiteErgebnislisteHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024