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Laufberichte

Strathearn Marathon: „Are you nuts?“

10.06.18 Special Event
 

Schon vor drei Jahren wurde ich auf den Strathearn Marathon in den südlichen Highlands in Schottland aufmerksam. Da ein Schottland-Urlaub schon öfters mal angedacht war, druckte ich mir die Ausschreibung sicherheitshalber schon mal aus und beförderte sie in meine „To-Do-Kiste“. Dieses Jahr war es dann so weit. Schottland stand als Urlaubziel fest und Silke gab mir nur den Zeitraum im Juni vor. Gerne hätte sie auch eine Bleibe in den Highlands. Der Rest der Organisation blieb mir mal wieder alleine überlassen.

Zum Glück ist der Strathearn-Marathon immer Mitte Juni, die Anmeldung nur noch Formsache.  Dann finde ich auch noch ein Haus für zwei Wochen im nahegelegenen und sehr beschaulichen Comrie, buche Flüge und Mietwagen. Ein paar Monate später fliegen wir auch schon nach Glasgow, wo wir am Freitag vor dem Marathon landen. Rund zwei Stunden dauert die Fahrt nach Comrie. Kurz vor dem Ortseingang sehe ich auch schon die Abzweigung zum Cultybraggan Camp, wo am Sonntag der Start zum Marathon ist.

Das Cultybraggan Camp wurde 1941 errichtet und diente im zweiten Weltkrieg als Gefängnis für Kriegsgefangene. Später wurde es zum Trainingsgelände für das schottische Militär umfunktioniert und blieb bis 2004 in Betrieb. Seitdem steht das Gelände eigentlich leer, nur einige der eigenwilligen Gebäude werden von Töpfern oder Künstlern benutzt. Am Marathon-Sonntag dient das Cultybaggan Camp als Veranstaltungsgelände für den Strathearn Marathon. In einer der Baracken gibt es die Startnummern, zwei weitere dienen als Damen- und Herrenumkleide. So gewinnt man auch gleich einen gewissen Einblick in die damals herrschenden Verhältnisse, mit denen damals die Kriegsgefangenen zurechtkommen mussten.

 

 

Beim  Strathearn Marathon wird nur die klassische Distanz von 42 km angeboten, das Teilnehmerfeld ist auf 250 limitiert und wird in diesem Jahr erstmals erreicht. Das Maskottchen der Veranstaltung ist ein Eichhörnchen, das die Frage stellt: „Are you nuts?“, übersetzt „Bist Du verrückt?“. Da ich diese Frage zumindest mit „Ich denke schon!“ beantworten kann, fühle ich mich hier richtig. Die  Startunterlagen bekommt man erst anderthalb Stunden vor dem Start, was jedoch absolut kein Problem ist. Die Startgebühren sind mit 39 britischen Pfund nicht übertrieben hoch, denn dafür gibt es neben der Startnummer auch ein Finisher-Shit, sowie eine Medaille mit dem Eichhörnchen-Motiv.

Es bleibt mir Zeit für ein paar Gespräche mit den Verantwortlichen, die sich über meine Teilnahme ganz besonders freuen. Ich bin nicht nur einziger Deutscher, sondern der einzige Teilnehmer vom Festland überhaupt. Gut eine halbe Stunde vor dem Start kommt dann auch richtig Highland-Stimmung auf. Vier Dudelsack-Pfeiffer stimmen ihre Musikinstrumente und machen schon mal richtig Laune. Ach ja, das Wetter spielt ja in Schottland auch immer eine gewisse Rolle. Ich scheine Glück zu haben. In der Nacht hat es zwar kräftig geregnet und örtlich sogar gehagelt, doch heute Morgen ist es trocken und es soll auch so bleiben.

 

 

Wenige Minuten vor dem Start werden wir an  die Startlinie gebeten, die ein Kreidestrich auf der Fahrbahn markiert.  Das muss reichen. Die vier Dudelsack-Pfeiffer stehen links und rechts gemeinsam mit wenigen Zuschauern Spalier und stimmen uns auf den Marathon ein. Die Dudelsäcke verstummen plötzlich, das ist das Startsignal. Als alle in Bewegung sind, setzen die Piper ihr Spiel fort und die melodischen Klänge der für uns seltsamen Musikinstrumente begleiten uns auf unserer ersten Meile durch das Cultbaggan Camp. Als wir die Startlinie ein zweites Mal überqueren verlassen wir durch das Tor das Gelände.

Gleich liegt auch der erste Anstieg vor uns. Gut 120 Höhenmeter sind bis Glen Artney zu überwinden, das auf einer Höhe von 172 Meter liegt. Auf einer schmalen Teerstraße geht es immer leicht nach oben. Die Landschaft ist typisch für die südlichen Highlands, genau wie der mit dunklen Wolken verhangene Himmel. Die gesamte Strecke verläuft auf Teerstraßen, die nicht für den Verkehr gesperrt sind. Wir sind angehalten, immer links zu laufen, was ich seltsam finde, da so der Verkehr ja immer von hinten kommt. In Schottland herrscht schließlich Linksverkehr. Probleme macht das aber keine, die Schotten sind nicht nur im Straßenverkehr äußerst entspannt.

 

 

Das Feld zieht sich relativ schnell auseinander. Ich komme gut voran, merke aber schon bald, dass die sanften Anstiege kein Zuckerschlecken sind. Sie sind kräftezehrend und ich bin mir sicher, dass ich so manchen Anstieg, den ich jetzt laufend bewältige, am Ende noch büßen werde. Aber es macht einfach Spaß. Die Landschaft ist wunderschön und ich genieße die Aussicht, die immer besser wird, je höher ich komme. Den höchsten Punkt der Strecke erreichen wir kurz vor Langside mit 234 Metern etwa bei Kilometer 10. Am Straßenrand steht immer mal wieder einer der vier Dudelsacke-Pfeiffer und macht mit seinen Klängen die Szenerie perfekt.

Von Longside geht es nun auf der Old-Military-Road längere Zeit bergab und wir verlieren viele der erlaufenen Höhenmeter wieder. Bis auf 136 Meter geht es herunter. Kurz danach ist mit 13.1 Meilen auch schon die Hälfte des Marathons geschafft. Doch der nächste Anstieg liegt vor mir, es gilt den Gallow Hill (139 m) zu bezwingen. Auf den folgenden Kilometern bzw. Meilen bis nach Crieff  kann man es bis zum tiefsten Punkt der Strecke (85 m) schön rollen lassen. Die Strecke ist also durchaus anspruchsvoll.

 

 

Nun geht es eigentlich nur noch neun Meilen zurück nach Comrie. Meist geht es am Flüsschen Earn, dem Namensgeber des Strathearn-Tals, entlang. In Comrie angekommen, kann ich durch ein paar Bäume sogar das Haus, das uns als Unterkunft dient, entdecken und nehme auch zur Kenntnis, dass unser Leihwagen verschwunden ist. Das heißt für mich, dass Silke schon im Cultbraggan-Camp auf mich wartet. Also beschleunige ich den letzten drei Meilen das Tempo so gut es noch geht und kann sogar noch zwei Plätze gut machen. Im Ziel klatsche ich mit dem Eichhörnchen-Maskottchen ab und lasse mir meine Medaille umhängen. Danach lege ich mich in der Wiese ab und bin geschafft.

 

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Ein landschaftlicher sehr schöner Marathon liegt hinter mir, der ganz ohne einzelne Highlights auskommt. Die Landschaft, die Strecke und die einzigartige Atmosphäre sind ein einziges Highlight. Nicht zu vergessen die Teilnehmer. Bei jeder Begegnung wird man mit einem anerkennenden „Well done“ begrüßt.

Jetzt muss man als Teilnehmer am Strathearn Marathon nur noch wissen, dass die Verpflegungsstellen „Water-Point“ heißen und dass das bedeutet, dass es auch nur Wasser gibt. Die bei uns übliche Vollversorgung gibt es hier nicht. Auch im Ziel nicht

Gut, dass ich für den Veranstalter ein echt bayerisches Bier und einen kleinen Stofflöwen als Souvenir dabei hatte. Den Löwen habe ich überreicht, das Bier aber in Anbetracht dieser Umstände selber getrunken.

 


 
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