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Laufberichte

Rheinsteig-Extremlauf

02.06.07

Auf und nieder, immer wieder: Extrem durchs Siebengebirge


Ein herzliches Hallo wieder mal aus dem Siebengebirge! "Du hast dort doch alle Läufe schon längst durch, teilweise mehrfach," werden einige von Euch sagen. Richtig, entgegne ich, aber davon kann man nie genug bekommen.

 

„Rheinsteig-Extremlauf? Hört sich doch gut an“, sagt der Klaus, als ich ihm davon erzähle, und der Knecht eilt, fotografiert und schreibt. Anfang des Jahres stolpere ich also über eine ganz neue Internetseite auf der Suche nach dem Besonderen. 34 km von Bonn zur Insel  Grafenwerth bei 1200 Höhenmetern werden angeboten. Das ist eine ordentliche Strecke, härter als so mancher Marathon, landschaftlich ein Traum, und von tollen Dingen wollen wir alle ja hören. Spontan als einer der Ersten angemeldet, mache ich mich heute auf, um meinen neuen Asics Eagle Trail den ersten Wettkampf anzutun. Daran hatte ich gut getan, später mehr dazu.

 

Wie kam es zu diesem neuen Lauf? Die Idee hatte der Königswinterer Bürgermeister und begnadete Läufer Peter Wirtz. Anlaß war die Errichtung des Rheinsteigs als Premium-Wanderstrecke. Die besondere Profilierung im Siebengebirge forderte nach seiner Aussage geradezu einen weiteren Lauf heraus. Das stetige Auf und Ab auf teilweise schwierigen Pfaden und die herrliche Panoramasicht unterscheidet den Lauf von all den anderen reizvollen Läufen im Siebengebirge. Zudem ist er eine
gute touristische Werbung für das Siebengebirge im Gesamtkomplex Rheinsteig.

 

Am Vortag hatte ich bereits meine Startunterlagen in der Talstation der Drachenfelsbahn abgeholt, in der Udo Lohrengel mal wieder seinen umfangreichen Marathonstand aufgebaut hatte. Am Veranstaltungstag benötige ich mit dem Auto 25 Minuten zur Haltestelle Bad Honnef der Straßenbahnlinie 66, um mit dieser zum Start nach Bonn zu fahren. Intelligenter Zug der Veranstalter: Sie haben auf einer A4-Seite alle diesbezüglich notwendigen Informationen zusammengestellt und als Clou ist dieses Schreiben zugleich die  Fahrkarte! Ein Rundum-Sorglos-Paket also. Wer da noch Fragen hat, dem ist nicht zu helfen. Übrigens ist auch die Internetseite ungewöhnlich informativ und mit viel Liebe zum Detail erstellt. Humoristische Vorlaufberichte, Fotoserien mit Detailaufnahmen, an alles ist gedacht. Ein dickes Lob schon vor dem ersten Schritt!

 

In der Straßenbahn zum Startbereich etliche erwartungsfrohe Gesichter, die zu dieser frühen Stunde teilweise noch etwas müde aussehen. Die beiden Sauerländer mir gegenüber sind gut gelaunt und gesprächig. Die Resonanz ist mit vorangemeldeten 360 Teilnehmern eine außerordentlich gute für eine Premiere. Hinzu kommen erfreulicherweise noch etliche Nachmelder, so daß die Organisatoren letztlich knapp 400 Läuferinnen und Läufer auf die Strecke schicken können. Sehr großzügig ist auch der Startbereich in der Zentrale von T-Mobile. Eine letzte Nachmeldemöglichkeit besteht, die allerletzten Startnummern werden aus- und die Kleiderbeutel abgegeben (diese werden zum Ziel gefahren), gewisse körperliche Bedürfnisse erledigt, alles geht prima vonstatten.

 

So ist auch schnell der Startzeitpunkt gekommen und pünktlich um 8.00 Uhr kann Peter Wirtz das Rennen starten. Was haben die Athleten sich so vorgenommen? Bei vielen, mit denen ich spreche, herrscht großer Respekt vor der Strecke, gerade auch bei denen, welche die Strecke kennen. So erwarten die Erfahrenen hinsichtlich des sehr anspruchsvollen Profils trotz der „nur“ 34 km in etwa ihre normalen Marathonzeiten zu laufen, was sich schließlich auch als zutreffend herausstellen wird.

 

Unter der Eisenbahnunterführung und über die Straßenbahn geht es zunächst noch flott durch den Bonner Ortsteil Küdinghoven, bevor der erste schmale Waldweg für die Masse der Läuferinnen und Läufer den erste unumgänglichen Stau provoziert. Rund hundert Stufen auf schmalem Pfad führen zum sog. Foveaux-Häuschen, einem netten Aussichtspunkt, den sich ein Kölner Naturliebhaber Anfang des 19. Jahrhunderts erbauen ließ. Bergab führen z. T. breite Waldwege, um die Strecke in Richtung Oberkassel wieder deutlich ansteigen zu lassen. Alles in allem noch kein Problem, wir sind noch frisch und können so richtig „einrollen“. Dies wird sich jedoch bald und nachhaltig ändern.

 

An der Ortschaft Oberkassel vorbei, erleben wir bei etwa km 7 einen ersten echten Höhepunkt. Auf dem Weinlehrpfad laufen wir oberhalb der nördlichsten rheinischen Winzergemeinde entlang und bestaunen das idyllisch gelegene Oberdollendorf. Ortsfremden entweicht ein erstes „Aah“ und „Ooh“, zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht vor Anstrengung. Wer aufmerksam nach vorne schaut hat hier die Gelegenheit, zum ersten mal einen Blick auf den zu besteigenden Petersberg zu werfen. Dies haben offensichtlich nicht alle getan, denn die erwartungsfrohen Gesichter sind noch in der Überzahl und die Gespräche untereinander noch zahlreich.

 

Ganz toll ist auch die Markierung mit magenta Sprühfarbe, Schildern und Sägemehl. Besonders positiv fällt mir ein mitten im Waldweg aufrecht stehender Stein auf, der mit Farbe markiert und zudem noch mit Sägemehl umkreist ist. Vorbildlich!

 

Deutlich ruhiger wird es nach dem kurzen Abstieg von Oberdollendorf, denn fast unmerklich – aber sehr bald körperlich zu spüren – befinden wir uns im Aufstieg zum Petersberg, einem der ersten heftigen Gipfel. Der hiesige Bittweg erinnert an den noch eine Spur schärferen im Verlaufe des Drachenlaufs, mit dem uns die dortigen Veranstalter im Oktober quälen.

 

Spätestens hier wechseln die meisten „Extremisten“ vom Laufen ins Gehen. Hier freue ich mich, mit Stefan Vilvo, dem Organisator seines Monte-Sophia-Laufs bei Jülich ins Gespräch zu kommen. Dessen „lächerliche“ 350 Höhenmeter hatte ich seinerzeit völlig unterschätzt und heftiges Lehrgeld bezahlen müssen. Es tut ganz gut, wenn man sich an so etwas ab und zu wieder erinnert und nicht zu übermütig wird. Auf dem Petersberg-Plateau befindet sich das ehemalige Gästehaus der Bundesregierung, heute Steigenberger Hotel. Bedauerlicherweise kann man das Gebäude nicht auf der Rückseite umrunden, und so hat Peter Wirtz, wie er mir im Ziel erklärt, leider darauf verzichten müssen, uns den dortigen grandiosen Rheinblick zu gewähren. Extrem schade, aber unvermeidlich und - Entschädigung sollte reichlich folgen.

 

Zunächst leicht abfallend an der Mondscheinwiese vorbei, stürzt der Weg geradezu ins Tal, um sofort wieder langgezogen parallel zu meiner zweimal arbeitstäglich befahrenen Landstraße von Ittenbach nach Königswinter zu führen. Diese Straße wird überquert durch die – nomen est omen – Seufzerbrücke, die aber nur kurze Erholung bietet, denn auf der anderen Seite beginnt sofort der Aufstieg zum eher weniger bekannten Geisberg.

 

Weniger bekannt bedeutet aber nicht weniger Qual und schon gar nicht weniger Aussicht, denn nach dem schweißtreibenden Aufstieg (hier muß wohl auch der letzte wirklich gehen) höre ich deutlich: „Geil, einfach geil, allein hierfür hat sich die Geschichte schon gelohnt“. Wer nicht zu schnell weitergehetzt, hat hier die Gelegenheit, Drachenfels, Löwenburg und vor allem das Ziel, die Rheininsel Grafenwerth, aus luftiger Höhe zu bestaunen.

 

Mittlerweile sind wir schon rund 15 km weit gekommen und ich bin vermutlich nicht der einzige, der sich fragt, welche Probleme bestimmte Naturschützer mit dieser Veranstaltung haben bzw. hatten. Natürlich war solch ein Lauf in einem ökologisch empfindlichen Gebiet behutsam zu planen. In Absprache mit den Genehmigungsinstanzen wurden etliche Auflagen zum Naturschutz erfüllt. So durften z. B. die Wege nicht verlassen werden und auch der Müll an den Verpflegungsstationen wurde immer wieder sofort eingesammelt. Aber sind es nicht gerade wir Läufer, die im Allgemeinen sehr auf die Landschaft achten, in der wir laufen? Ein Teil der Startgebühren geht übrigens für die Naturschutzaufgaben an den "Hausherren" des Siebengebirges, die Naturparkverwaltung VVS.

 

Lange kann ich darüber aber nicht nachdenken, denn steil geht es hinunter, am beliebten Ausflugslokal „Milchhäuschen“ vorbei bald auf einem breiten Waldweg Richtung Tal. Beim Löwenburglauf wird hier so richtig „heruntergebrettert“ und ich muß mich angesichts der noch vor mir liegenden Aufgaben selbst disziplinieren. Den schlammigen Hohlweg erspare ich mir und laufe auf dem rechten Rand zwar ein paar Extrameter, dafür aber trockenen Fußes. Heimvorteil.

 

Wir durcheilen das Nachtigallental und werden für die Bergabmeter sofort wieder mit dem Aufstieg zum „höchsten Berg Hollands“, dem Drachenfels, bestraft. Glücklich oben angekommen, haben wir rund die Hälfte des Weges zurückgelegt. Nach dem Geisberg entschädigt uns der zweite tolle Rundumblick für den harten Aufstieg. Gut, daß die Ortsfremden durch einen aufmerksamen Streckenposten vor den nächsten Bergabmetern gewarnt werden. Richtig gefährlich nämlich sind die teils schlüpfrigen und engen Stufen, die uns wieder talwärts führen.

 

Vorbei am Waldfriedhof, auf dem unsere erster Bundeskanzler, Konrad Adenauer, seine letzte Ruhestätte gefunden hat, nähern wir uns Rhöndorf. Manch einer wird beim Treppablaufen das Ulanendenkmal verpasst haben, das sich im rechten Hintergrund der Laufstrecke befindet. Kein Gedanke an ebenes Laufen. Extrem geht es direkt wieder hinauf zur Löwenburg, der letzten großen Höhe. Auch dieser Aufstieg fordert wieder alles ab, unterschiedlichste Untergründe sind zu bewältigen. Kurz bevor die Löwenburg (leider nur) umrundet wird, halte ich Ausschau nach dem Drachen. Da steht nämlich beim Drachenlauf immer ein als Drache verkleideter Mensch am Wegweiser und feuert die Läuferinnen und Läufer an. Scheinbar befindet er sich noch im Winterschlaf oder ihm ist bei den derzeitigen Benzinpreisen das Feuerspucken vergangen.

 

Aber auch nach höchsten Punkten geht es wieder abwärts und so stürzen wir gleichsam ins Schmelztal, umrunden ein Staubecken und schon hat uns der Wald wieder verschluckt. Und belohnt uns mit einem erneuten knackigen Anstieg, noch dazu auf teilweise sehr schmalem Pfad, wo ein Überholen kaum möglich ist. Aber es trottet alles brav hintereinander, bei vielen macht sich Kraftverlust doch schon deutlich bemerkbar. Nach der Erklimmung des Himmerichs, einem keltischen Ringwall, auf breitem Waldweg, schickt uns der dort sitzende Fotograf bei km 29 steil nach rechts bergab. Und wie steil! Hier beglückwünsche ich mich nicht zum ersten mal zu meiner Schuhwahl. Wer auf normalen Straßentretern unterwegs ist, wird den auf gesamter Breite extrem schlammigen Forstweg herzlich verfluchen. Leichtfüßig wie eine Gazelle hüpfe ich den Berg hinunter oder wie heißt noch mal das Tier mit dem Rüssel? Na ja, zumindest das Schuhprofil stimmt.

 

Langsam kommen wir wieder in bewohnte Gebiete und sind ziemlich flott talwärts unterwegs. Wirklich zusetzen kann ich nicht mehr, belüge mich aber selbst indem ich mir einrede, daß ich mich für die Mittelrhein-Marathon in 14 Tagen schone.

 

Wir durchlaufen noch einige Wohngebiete und ahnen endlich die Insel Grafenwerth, von der uns aber noch zwei zu diesem Zeitpunkt extrem unglücklich positionierte Brücken trennen (da muß man nämlich dummerweise letzte völlig überflüssige Höhenmeter laufen...), umrunden das Schwimmbad und hören zu unserer Freude den Zielmoderator. Einer ruft noch: „Lächeln, da vorne kommt das Fernsehen!“ und erleichtert laufe ich durchs Ziel.

 

Die Ersten, allen voran Hermann Ulrich, stehen schon geduscht, geschniegelt und gestriegelt im lockeren Gespräch vertieft. Da werden einem die Klassenunterschiede sehr bewußt (Hermann hat zeitgleich mit Daniel Exner in 2:33:39 Std. gewonnen). Aber die Jungs trainieren ja auch ein Vielfaches meines Pensums. Mit meinen 3:37:06 Std. bin ich erstaunlich nahe an meiner vorsichtig optimistischen Prognose von 3:40 und noch in der ersten Hälfte der Ergebnisliste. Anscheinend hat es überproportional viele Ausfälle gegeben, denn von den knapp 400 Gestarteten kommen nur 344 ins Ziel.

 

Als ortstypisches Geschenk erwartet jeden eine Flasche Wein und eine CD mit Trainingssoftware und dem Konterfei von Dieter Baumann, die ich aber noch nicht gesichtet habe. Tolle Zielverpflegung: Bouillon, Apfelschorle, Tee, Cola, bleifreies Bier, Bananen, Schmalzstullen, leckere Teilchen. Hier konnte jeder wieder schnell zu Kräften kommen. Großes Lob auch an die Kleiderausgabe: die Beutel waren sortiert und wurden sofort gefunden. Die kalte Dusche im Schwimmbad war zu verkraften und tat auch so temperiert gut.

 

Drei Stunden nach dem Lauf waren die Ergebnisse online, fünf Stunden später auch die Urkunden. Webmaster und Mitorganisator Chris Harras meinte noch vor dem Lauf: „Wenn der Lauf den Sportlern gefallen hat und organisatorisch alles glatt läuft, können wir uns eine weitere Auflage durchaus vorstellen.“ Also, Damen und Herren: bis zum nächsten Jahr. Auch die weiteste Anreise lohnt sich.


Streckenbeschreibung:

Sehr profiliert mit knackigen An- und Abstiegen bis 30%, von Schlamm bis Asphalt alles dabei. Einige Straßenüberquerungen, durch Polizei optimal gesichert.

 

Startgeld:

23 € bei Voranmeldung, Nachmeldung 2 € zusätzlich.

 

Zeitnahme:

Manuell, jeder Kilometer ist ausgeschildert (verbesserungsfähig, die Abstände stimmten häufig nicht).

 

Auszeichnung:

Eine Flasche Wein, Trainingssoftware, Urkunde zum Selberherunterladen.

 

Logistik:

Start- und Zielgelände mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Pkw gut erreichbar. Kleiderabgabe am Start, Ausgabe am Ziel.

 

Verpflegung:

Sehr viele Verpflegungsstellen, neben Wasser und Tee ab ca. km 15 zusätzlich Bananen und Riegel, zum Schluß auch Cola. Sehr gute Zielverpflegung.

 

Zuschauer:

Landschaftslauftypisch nur vereinzelt, im Start- und Zielbereich vermehrt, unterwegs versprengte Wanderer, Radfahrer und Jogger.

 


 
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