Langsam sind Judith und ich Malta-Spezialisten. Schon zum fünften Mal sind wir auf der Insel in Sachen Marathon unterwegs. Natürlich liegt es nicht nur an den Laufveranstaltungen, dass wir gerne dort sind. Zum einen ist das Wetter milder als bei uns. Meistens jedenfalls, denn auch wenn Malta schon südlich von Tunesien liegt, können die Wintermonate mit Regen und Temperaturen unter 10 Grad recht ungemütlich sein. Siehe Wolfgangs Bericht vom Malta Marathon von vor 4 Wochen.
Seit einigen Jahren gibt es neben dem „Klassiker“ eine zweite Veranstaltung, den La-Valette-Marathon. Judith und ich haben im vergangenen Jahr schon daran teilgenommen. Diesmal gibt es eine neue Stre>
Wir landen am Freitagabend nach zweistündigem Flug. Gleich kommt Urlaubsfeeling auf. Es wird links gefahren, ein Erbe der 164 Jahre währenden britischen Kolonialherrschaft auf der Insel. Da kann man schon am Flughafen Probleme bekommen: „Look right“ oder besser: Schaue in beide Richtungen, bevor du den Gehweg verlässt.
Malta und die kleinere Nachbarinsel Gozo sind flächenmäßig etwa so groß wie München. Mit ungefähr 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern wäre bevölkerungsmäßig ein Vergleich mit Bremen angebracht. U-Bahn oder Tram gibt es nicht, dafür viele Buslinien und auch unzählige Autovermittler. Das Busticket kostet aktuell 2,50 € und gilt zwei Stunden, auch bei mehrmaligem Umsteigen. Da kommt man mit einmal Zahlen oft auch hin und zurück.
Malta hat eine sehr lange Geschichte. Schon 4.000 Jahre vor Christus war die Insel bewohnt. Gut erhaltene megalithische Tempelanlagen aus der Steinzeit gibt es zu besichtigen, die zu den ältesten freistehenden Kultbauten der Welt zählen. Dann ließen sich Phönizier, Römer und Byzantiner auf der Insel nieder, bevor es zu einer Eroberung durch die Araber kam. Nach der Rückeroberung durch das sizilianische Königreich der Normannen fiel Malta an die Spanier, die es 1530 dem Ritterorden der Johanniter übergaben. Dies alles hat die Kultur Maltas nachhaltig geprägt. Die maltesische Sprache, eine der 24 Amtssprachen der EU, ist stark vom Arabischen beeinflusst, wird aber mit lateinischen Buchstaben und von links nach rechts geschrieben. Elemente des Italienischen und Spanischen sind ebenfalls zu erkennen.
Ab 1800 war die Insel eine Kolonie des britischen Königreichs. Dies führte dazu, dass Englisch neben Maltesisch noch heute die zweite offizielle Sprache des Inselstaats ist. Die zentrale Lage im südlichen Mittelmeer war auch im Zweiten Weltkrieg bedeutend. Die Achsenmächte Italien und später Deutschland versuchten die Kontrolle zu übernehmen. Die Seeblockaden wurden von den Maltesern standhaft abgewehrt.
Spätestens mit dem Ende des deutschen Afrikafeldzugs waren die Kämpfe um die Inseln vorbei und im Jahr 1964 erhielten die Malteser die Unabhängigkeit vom britischen Königreich. Neben der Sprache, die Jugendlichen aus vielen Ländern in Ferien-Nachhilfekursen vermittelt wird, sind den Maltesern die britischen Steckdosen geblieben, einige rote Telefonhäuschen, Briefkästen und der schon erwähnte Linksverkehr.
Wir steigen in einem Hotel in Sliema ab. Es wirkt zwar alles wie eine Stadt, aber um Valletta herum gibt es viele Orte, die sich lückenlos aneinanderreihen. Sliema und St Julians sind am Meer die großen Tourismusorte. In den Lokalen und Pubs am Meer geht abends die Post ab, leider auch vor unserem Fenster. Dafür ist der Blick auf die Bucht und auf die Festungsmauern von Valletta sehr schön.
Samstags machen wir uns auf zu einen Sportgeschäft in Iklin in der Mitte der Insel. Dank Handy wissen wir, welche Buslinien uns dort hinbringen und wann wir um- und aussteigen müssen. Einige andere Teilnehmende sind auch im Bus. Im großen Laden gibt es mitten in der Verkaufsfläche einen Stand, wo wir unsere Startnummer und ein Veranstaltungsshirt sowie eine Tüte mit Gel, Sonnencreme, Proteingetränk und zwei Frühstückssemmeln erhalten. Wer keinen Kleiderbeutel mitgebracht hat, bekommt einen Müllsack. Und natürlich viele Ermäßigungsscheine, auch für diesen Shop.
Weiter mit dem Bus zur Rotonda von Mosta, einer Kirche mit der weltweit drittgrößten Kuppel. Und dann weiter nach Mdina. Über die Hochebene mit den Sportstadien, wo der klassische Malta-Marathon viele Schleifen zieht, um die nötigen Kilometer zusammen zu bringen. Die kleine Festungsstadt Mdina muss man als Tourist gesehen haben. Mir fällt auf, wie gepflegt hier die Gässchen sind. Am schönsten ist aber die Aussicht auf die Insel. Am Parkplatz außerhalb der Festung liegt der berühmteste Pastizzi-Laden in Malta. Pastizzi sind Blätterteigtaschen, traditionell gefüllt mit Ricottakäse oder grünem Erbsenmus, erhältlich zum Mitnehmen für 50 Cent pro Stück. Ebenso werden noch andere Leckereien verkauft, bis hin zu einer großen Portion Lasagne für unter 4 Euro. Perfektes Carboloading für Sparfüchse also.
Zurück ans Meer. Ein Spaziergang an die Spinola Bay ist empfehlenswert und dann früh ins Bett. Die Bässe der samstäglichen Live-Musikdarbietung brummen und das Lachen der Malteser und Touristen dringt ins Hotelzimmer. Gut, dass wir zu Hause auch in einem Ausgehviertel wohnen.
Der Wecker klingelt um 4:00 Uhr, der Start ist auf 6:30 Uhr festgelegt. Es gibt Shuttlebusse vom Ziel und Halbmarathonstart, aber wir nehmen einen Fahrdienst, sodass wir bequem um 5:30 Uhr am Startplatz ankommen. Noch ist es dunkel. Wir sind etwas zu früh und können die blitzsauberen Toiletten ohne Anstehen nutzen. Der Veranstalter hat Beleuchtung organisiert. Als diese endlich funktioniert, ist es fast schon hell. Dafür steht der Startbogen rechtzeitig. Noch schnell die Aufforderung des Organisationskomitees, bitte links zu laufen, da sich maltesische Automobilisten nicht immer an die Straßensperrungen halten, und schon ertönt pünktlich das Startkommando.
Ein kurzes Stück Schotter, dann sind wir auf der frisch geteerten Straße. Wunderschön der Sonnenaufgang. Bei Kilometer 3 sind wir schon am Meer. Hier beginnt auch schon St. Pawl oder St. Paul. Anders als in Valletta gibt es hier ein paar Sandstrände, die an italienische Badeorte denken lassen. Hier beginnt die Saison gerade verhalten. Mich überholt ein Läufer mit der Aufschrift „God is alive“ genau in dem Moment also wir auf Il-kappella ta' San Pawl tal-Hġejjeġ zulaufen. Hier soll der Apostel Paulus einst auf einer Reise von Cäsarea nach Rom Schiffbruch erlitten haben. In den drei Monaten, die er mit 275 Mitreisenden in der Gegend verbrachte, soll er die Malteser zum Christentum bekehrt haben.
Um 7:00 Uhr am Palmsonntag kann man noch keine Zuschauermassen erwarten. In der nächsten Bucht Salina Bay sieht man die Urlauber hinter großen Panoramascheiben ihr Frühstück im Hotel genießen. Ich winke und eine Frau winkt mir zurück. Die meisten geöffneten Hotels bieten auch Innenpools und Sauna an. Dort lässt es sich auch an windigeren und kühleren Tagen aushalten.
Bei km 8verlassen wir den Sommerurlaubs-Hotspot. Links von uns Salinen, umgeben von einem schönen Park. Viele Vogelbeobachtungspunkte befinden sich hier und dann höre ich spanische Musik. Eine kleine Combo heizt hier ein. Wir kommen auf eine vierspurige Schnellstraße. Die linke Spur, auf der wir laufen, ist komplett gesperrt. Rechts kommen Autos und Motorradfahrer entgegen Mir scheint, dass es auf Malta einen Wettbewerb gibt, wer das lauteste Moped besitzt. Leider werden wir auf den nächsten Kilometern auch viele Kreuze sehen, auf denen verunglückte junge Motorradfahrer abgebildet sind.
Das Band der Straße schmiegt sich in die Landschaft. Gelegentlich werden wir von Radlern überholt. Einiges an Höhenmetern ist abzuleisten. Man kann die Monotonie durchbrechen, wenn man aufs Meer schaut. Auch Kakteen gibt es hier viele und einige mittelalterliche Türme. Rechts ein Müllberg, auf dem fleißig abgeladen wird. Bald kann man ihn auch riechen. Ein Bedürfnis packt mich und urplötzlich stehen da zwei Toilettenhäuschen etwas abseits, für die Marathonis. Ich bin wohl der Erstnutzer.
Am nächsten Kreisel erreichen wir Baħar iċ-Ċagħaq. Wieder ein netter kleiner Strand und einige Zuschauer. Das macht Spaß und dann geht es steil nach oben. Ab hier begleiten uns Autos in unserer Fahrtrichtung. Aber die gesamte Strecke ist durch Trennkegel gesichert. Die sorgen auf schmaleren Straßen dafür, dass begegnende Autos abbremsen müssen und nicht in unsere linke Halbspur hineindrängen. Das funktioniert recht gut. Ich fühle mich ganz sicher, obwohl sich die Läuferschar nun schon auseinandergezogen hat und Judith und ich nicht mehr zu den sub 4 h Laufenden gehören.
Alle fünf Kilometer gibt es VPs. Es gibt 0,3-Liter-Wasserflaschen, später Gatorade und Bananen. Passt für mich, zumal man die Flaschen gut mitnehmen kann.
Vor uns tauchen die Hochhäuser in St. Julians (San Ġiljan) auf, aber sie sind wohl noch ein Stückchen entfernt. Links breiten sich Blumenwiesen bis zum Meer aus. Dort gibt es auch einen Radweg, den ich für einen Spaziergang nach dem Marathon nur empfehlen kann.
Und wieder Musik. In Pembroke verlassen wir die Hauptstraße nach links. Ich fotografiere eine Inschrift an einer Halle. Der freundliche Herr am Verpflegungspunkt erklärt mir, dass sich hier die Kasernen der Briten befanden. Als er zu einer längeren Geschichtsstunde ansetzt, muss ich ihn unterbrechen, da ich den Anschluss an Judith nicht verpassen möchte.
Spannend der Übergang von schönen Häuschen der Einheimischen in die Partyzone der englischen Touristen. In Paceville liegt ein Pub neben dem anderen. Ich möchte nicht wissen, was hier im Sommer los ist. Dann hinunter zur Spinola Bay. Das gefällt mir schon eher. Fischerboote wiegen sich in den Wellen, gediegene Lokale laden zu einer Pause ein. Die folgende Promenade wird von Hobbyläufern und Flaneuren ausgiebig genutzt. Wegen uns Marathonis ist die Straße komplett gesperrt. Links ein Sportbad, quasi ins Meer gebaut. Da wir fleißig trainiert. Am kleinen Sandstrand dahinter wagen sich die ersten Nordeuropäer ins 16 Grad kühle Meer.
Wir kommen zum Start des Halbmarathons. Der war um 7:30Uhr. Für schnelle Marathonis ergibt sich daraus später noch eine Überholaufgabe. Für uns leider nicht.
Es gibt viel zu sehen. Leider schenken die Spaziergänger unserem Grüppchen wenig Aufmerksamkeit. Hier wechseln sich sechs Teilnehmende immer mit der Führungsarbeit ab, unterbrochen von gelegentlichen Fotostopps. Ein Pärchen aus der Ukraine ist bei Anstiegen immer schneller und wird beim Downhill wieder von Judith und mir überholt.
Wir müssen kurz in die Straßenschluchten mit An- und Abstieg und finden uns in Sliema auf der Promenade Triq Ix – Xatt wieder, auf Englisch „The Strand“ genannt. Links die Festungsstadt Valletta. Dort müsste man Marathonis sehen, die aber für unsere Verhältnisse zu weit weg sind. Am Jachthafen vorbei. Die Kirchen sind für die Karwoche festlich geschmückt und nachts leuchten unzählige Lampen. Auch hier ist eine Fahrtspur für uns gesperrt, dann geht es hinauf Richtung Valletta. Ich verkünde „nur noch drei Anstiege“ - oder sind es doch vier?
Schnurstracks auf den Tritonenbrunnen zu, der an den Festungsanlagen von Valletta liegt. Hinter dem Brunnen ein Durchbruch, den der italienische Architekt Renzo Piano schuf, ebenso wie das wegen seiner unebenen Front „Käsereibe“ genannte Parlamentsgebäude dahinter. Wir umrunden den Brunnen. Etwas schwierig, da nun viele Touristen unterwegs sind. Einen jungen Mann in Adidas-DFB-Shirt rufe ich zu, dass er künftig auf Nike umsteigen muss. Interessanterweise werde ich ihn in einigen Stunden im Bus wieder treffen.
Wie geronnen, so zerronnen: Hinab auf Meereshöhe, immerhin mit unglaublichen 4:30 min. pro Kilometer. Kurz danach wieder hinauf. Da komme ich mit einem Asiaten ins Gespräch, der zu unserer Laufgruppe gehört und viel fotografiert. Er sei aus China und habe die herbstliche Marathon-Kombi Berlin/Köln auch schon gemacht. Dann sei nämlich in seiner Heimat Ferienzeit. Er schießt noch ein paar Fotos und setzt sich ab. Auf den letzten 11 Kilometern wird er uns 11 Minuten abnehmen, hat anscheinend die Fotostopps eingestellt..
Auf dem Spitze der Landzunge liegt das Fort St. Elmo, Start des 10-km-Laufs. Hinab, an der Belagerungsglocke zur Ehren der Toten von 1940 bis 1943 vorbei, kommen wir ins Hafengebiet. Hier liegt auch das Kreuzfahrterminal, das aber anscheinend noch nicht so viele Schiffe anzieht wie anderer Häfen. Oder es ist einfach die falsche Jahreszeit? Ein Stück Industriehafen, dann noch mal Wohngebiet, mit eingerüsteter Kirche auf einem kleinen Hügel. Ein wenig Ödnis durch verfallene Hallen, dann VP vor der Hauptstraße Triq Aldo Moro.
Nur wenige hundert Meter legen wir nun hier quasi auf einer Schnellstraße, aber gut behütet zurück. Doch der Lärm stört. Dann links auf eine angenehmere Verbindungsstraße, Kreisverkehr, VP und Startpunkt des 5-km-Laufs sowie des Walking-Wettbewerbs.
An einer Schiffswerft vorbei. Hier überholen wir den jungen Läufer mit dem Hemdaufdruck „Run for the yachts“, den wir am Start gesehen haben.
Hinunter, durch zwei kurze Tunnel. Wir halten uns links. „Three cities“ heißen die drei Städte, welche in die Bucht hineinreichen. Die linke Stadt Senglea gibt es zu entdecken. Die Festungsmauer liegt vor uns, nur einen kleinen Anstieg entfernt. Danach eine schöne Straße, zügig bergab. Fast hätte ich eine Bodenwelle übersehen.
Dann wieder auf Meereshöhe, da bleiben wir jetzt. Vor uns seit einiger Zeit eine Läuferin mit Radbegleitung. Ich glaube, Judith möchte sich an sie ranarbeiten. Die Radlerin wird auf uns aufmerksam und versucht es mit Durchhalteparolen. Km 40 wird angekündigt. Wir kommen an vielen teuer wirkenden Restaurants vorbei, wo niemand von uns Kenntnis nimmt. Das ändert sich an einem Kunstcafé neben der amerikanischen Schule. Hier wird gechillt, aber auch fleißig angefeuert. Die Brücke links dürfen wir noch nicht überqueren, sondern müssen durchhalten bis zum Ende des ehemaligen Docks Nummer 1.
Jetzt wird es richtig voll. Vittoriosa/Birgu ist auch ein Hotspot für Touristen. Die Radlerin schreit ihrer Begleitung die Strecke frei. Judith und ich dahinter. Kurz vor dem Ziel muss sich die Läuferin geschlagen geben. Am Porte de la Victoire muss sie gehen, was die Begleiterin zu Schimpftiraden veranlasst. Endlich sind wir im Ziel.
Die Medaille ist groß und schwer und zeigt eine Münze des Ordens-Großmeisters Jean Parisot de La Valette, nach dem die maltesische Hauptstadt und der Marathon benannt sind.
Fazit
Der LaValette Marathon in Malta hat mir mit seinem neuen, abwechslungsreichen Parcours sehr gut gefallen. Die Strecke ist gut gesichert. Autos stören nur selten. Die Organisation ist gut.
Aufgrund der welligen Streckenführung mit ca. 400 Höhenmetern, einiger Kurven und des gelegentlichen Gegenwinds eher nicht für Bestzeiten geeignet.
Der Nachzielbereich in La Vittoriosa lädt in der Mittagssonne zum Entspannen ein. Oder man geht gleich auf seine hier liegende Yacht, wenn man über das nötige Kleingeld verfügt. Der Zuschauerzuspruch war zumindest für die langsameren Läufer eher mau.
Leider gab es nur alle 5km Schilder mit Kilometerangaben und VPs, dafür viele Streckenposten. Keine Zwischenzeitnahmen. Preis/Leistung sehr gut.
Siegerinnen Marathon:
1. MEDUGU, SYLVIA MMBOGA 2:46:02
2. ATTARD PULIS, JOSANN 3:18:51
3. STEELE, JEMMA 3:18:52 (netto 3:18:43)
Sieger Marathon:
1. NIJHUIS, THIJS MATHISEN 2:25:12
2. DEBONO, CHARLTON 2:34:31
3. ŽIVKOVIĆ, ANTE 2:40:00
Finisher
Marathon: 344
Halbmarathon: 794
Walkathon: 114
10 km: 251
5 km: 126
Team-Run: 122
75% internationale StarterInnen