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Laufberichte

Im Überlebensmodus

 

Die im Hotelfoyer aufgehängten Bilder schwanken hin und her, durch die nicht ganz so dichten Fensterdichtungen pfeift der Wind, Regen prasselt an die Scheiben. Es ist 5:30 Uhr, der Himmel rabenschwarz. Mehr als nur leicht bedröppelt sehen wir uns an. Es ist Marathontag auf der Sonneninsel Malta.

Elke und ich haben uns diesmal einer Laufreisegruppe angeschlossen. Sich eine Woche mal um nichts kümmern zu müssen, danach steht uns der Sinn. Untergekommen in einem netten, durchaus komfortablen Hotel in St. Julians, nahe der maltesischen Hauptstadt Valletta, wechseln sich bei sonst schönem Wetter und 15 – 18° C Trainingsläufe und erlebte Kultur ab. Sogar ein interner Malta-Cup als Wettkampf wird ausgetragen, bestehend aus zwei je 5 km-Läufen. Einmal als Pendelstrecke auf der Uferpromenade, ein anderes Mal auf der Nachbarinsel Gozo, versehen mit einigen, knackigen Höhenmetern. Wir nehmen alles mit, wie es kommt. Kurzum: Es geht uns prächtig. Bisher jedenfalls.

Und jetzt schaue ich leicht missmutig nach draußen, wohin ich nicht will, zumindest nicht unter diesen Bedingungen. Doch hilft alles nichts, vor der Tür steht der immerhin gut geheizte Bus, fertig zur Abfahrt zum Start. Los geht’s. Eine Viertelstunde später, als sich die Türen des ach so gemütlichen Busses öffnen, hat sich das Wetter überraschenderweise um kein Jota geändert. Trotzdem, wir müssen hinaus in die rauhe Wirklichkeit.

René, einer unserer beiden Reiseleiter, hat die rettende Idee: Wir flüchten uns in den Vorraum eines Kiosks, dessen Zeltwände wir beiseiteschieben können, und stehen erstmal im Trockenen. Eigentlich, ja eigentlich nutzt man jetzt die bis zum Start um 6:30 Uhr verbleibende Zeit zu einem Bummel durch Mdina, der alten Hauptstadt, Festung, Weltkulturerbe, 92 Einwohner, ein lebendes Museum. Heute jedoch gilt nur die Parole „Rette sich, wer kann!“. Mein Freund Sven schrieb mir aus dem fernen China, ich möge seine große Hanauer Lauftreffgruppe persönlich grüßen, aber heute ist jeder nur mit seinem eigenen Überlebenskampf beschäftigt.

 

 

Dummerweise rückt die Startzeit immer näher. Fünf Minuten vorher ergeben wir uns in unser Schicksal und treten wieder ins Freie. Vorsichtig den großen Pfützen ausweichend, den Oberkörper durch eine noch gestern erworbene Mülltüte geschützt, stehe ich mit mehreren hundert anderen Begeisterten aus über 80 verschiedenen Ländern unmittelbar vor dem historischen Eingangstor und werde mehr oder weniger direkt losgeschossen.

Die ersten Meter führen uns durch Rabat, der Mdina vorgelagerten Stadt. Wobei es sehr häufig gar nicht möglich ist, die Ortschaften voneinander zu unterscheiden, denn viele gehen, für mich unmerklich, ineinander über. Nicht umsonst ist Malta eine der am dichtesten besiedelten Gegenden weltweit. Patsch, patsch, patsch hallt die Straße von den vielen laufschuhbewaffneten Füßen wider. Nur wenige hundert Meter braucht es, um die Füße nass werden zu lassen. Trotzdem versuchen die meisten von uns noch, die zahlreichen Wasserlachen zu umkurven.

Auf der breiten Ausfallstraße trabe ich vor mich hin, als ich von hinten ein freundliches „Guten Morgen, Herr Bernath!“ vernehme. Die Stimme kenne ich doch! Sie gehört M4Y-Co-Schreiberling Andreas Bettingen, der zum wiederholten Male hier ist. Na, das ist doch  eine erfreuliche Begegnung, die mich erfolgreich vom umgebenden wettertechnischen Elend ablenkt. Ist die Frau in Kur und daher auf Nummer Sicher, nutzt der Mann die Gelegenheit zu einem Spontanausflug. Air Malta gestaltet das von München aus preiswert, für Frankfurter Lufthansa-Kunden ist es das für uns nicht ganz so. Der Redestoff geht uns nicht aus, seit unserem letzten Treffen auf Lanzarote Anfang Dezember hat sich so manches ereignet.

 

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Bildgalerie von Andreas Bettingen

 

 

 

 

Kontinuierlich führt der Weg seit dem Start abwärts, insgesamt werde ich am Ende deutlich mehr Bergab- (301) als Bergaufmeter (126) gemessen haben. Rechterhand thront auf einem Hügel das autofreie Mdina, die ehemalige Hauptstadt, von wo wir gestartet sind. Den Namen hat man ja auch schon andernorts vernommen, er scheint also eine Bedeutung zu besitzen. Dem ist natürlich auch so. „Innerhalb der Mauern“ ist bei einer von den arabischen Eroberern angelegten  Festungsstadt nicht überraschend. Auch Rabat kennen wir aus vielen Ländern, was so viel wie „Vor den Mauern“ bedeutet.

Immer wieder wird uns der markante Hügel auf der ersten Streckenhälfte ins Auge stechen, denn um die Halbmarathonstrecke auf 42,195 km zu bringen, sind zahlreiche Schlenker eingebaut, die kreuz und quer durchs Land führen. Bei einer Maximalentfernung von 33 km zwischen zwei Orten ist das unvermeidlich. Jäh muss ich plötzlich abbremsen. Keiner befindet sich mehr auf der Straße, alles drängelt über den Bürgersteig, um der überfluteten Straße auszuweichen. Nur langsam löst sich der Stau auf, während die Ersten die Nerven verlieren und durchs mehr als knöcheltiefe Wasser düsen. Platsch, platsch, platsch!

Nach etwa fünf km ist unsere Talfahrt vorerst beendet, rechts sehen wir einige Weinfelder. Hat man noch vor hundert Jahren italienische Trauben eingeführt, um sie hier zu keltern und das Produkt als maltesischen Wein zu verkaufen, erlaubt das die EU natürlich nicht. Mittlerweile gibt es ordentliche einheimische Weine. Woher ich diese Weisheiten habe? Sandra, unsere schier allwissende einheimische Führerin erzählt solche und andere Anekdötchen während der organisierten Ausflüge und erweitert so unseren Horizont.

Immer noch schützt mich der Müllsack, als wir zum ersten Mal verpflegt werden. Es gibt Wasser in Drittelliterflaschen, erst in der zweiten Hälfte wird man uns zweimal Iso in homöopathischer Dosis und einmal mit Orangenstücken versorgen. Sicherheitshalber habe ich mir drei Gels eingepackt, man weiß ja nie. Wir laufen auf das nationale Fußballstadion zu, in dem unsere damals noch guten Kicker nach meiner Erinnerung nie sonderlich gut ausgesehen haben. Auch hierher werden wir auf unserem Von-hinten-durch-die-Brust-ins-Auge-Kurs nochmals vorbeikommen. Leider dürfen wir nicht hindurch laufen. Dieses ist auf dem ehemals britischen Flugfeld erbaut, ebenso wie das mit 19 ha größte maltesische Weinanbaugebiet Meridiana, dem wir noch einen Besuch abzustatten gedenken.

Der immer wieder stark böig aufkommende Wind hindert mich daran, die Plastikpelle abzulegen, denn die hält mich wenigstens warm. Um es vorwegzunehmen: Erst fürs Zielfoto (viele Fotos werden übrigens kostenlos auf Facebook angeboten) werde ich sie kurzzeitig ablegen, um sie für den Rückweg zum Hotel direkt wieder überzustreifen.

 

 

Mitten in der Prärie taucht plötzlich die US-amerikanische Botschaft in Alleinlage auf. Von hier aus haben die Amis dem Vernehmen nach ihre Augen und Ohren in Richtung Nordafrika und den Mittleren Osten ausgerichtet. Über teil- und nicht gesperrte Straßen komme ich trotz des Sauwetters ganz gut voran. Warum sperrt man nicht komplett ab? Nun, es gibt kaum nennenswerte Schnellstraßen auf Malta, dafür eine Wahnsinnsmenge Fahrzeuge. Sandra erzählt uns, dass die 542.000 Malteser etwa 450.000 Autos besitzen. Irgendwo müssen die auf dieser dicht besiedelten, nur 316 km² kleinen Insel (und damit deutlich kleiner als der Stadtstaat Bremen) ja fahren. Aber ich erlebe keine einzige brenzlige Situation, ausnahmslos alle Fahrzeuglenker erweisen sich als äußerst rücksichtsvoll. Elf km sind vorbei, wir durchmessen eine Stadt, notgedrungen auf dem Bürgersteig. Kein Problem.

Es schifft weiter ohne Unterbrechung und ich habe meine liebe Mühe, das Objektiv meiner kleinen Kamera regelmäßig mit nassem Shirt abzuwischen, um wenigstens einige halbwegs brauchbare Fotos mitzubringen. Wir kommen nach Mosta, eine der Hauptattraktionen Maltas, das übrigens aus drei Inseln besteht: Malta selbst, Gozo und  das unbewohnte Como (phönizisch für Kümmel) in der Mitte. In der Eiszeit bestand von Sizilien in Richtung Nordafrika eine Landbrücke, deren höchsten Erhebungen nach der Eisschmelze in der heutigen Form übrig blieben. Ob sie ganz bis Afrika reichte, ist allerdings umstritten (irgendwo treffen die europäische und die afrikanische Kontinentalplatten aufeinander). Auf jeden Fall unumstritten ist Malta das südlichste europäische Land.

Mit „Merh(a)ba“ begrüßt man uns auf den Ortseingangsschildern, was nicht nur arabisch klingt, sondern genau das ist. Denn die Malteser sprechen eine ganz besondere Sprache: Altarabisch mit Einschlägen aller Eroberer, die mal hier geherrscht haben: Französisch, italienisch, englisch. Die Engländer waren seit 1814 die letzten Fremdherrscher gewesen, bis man Malta 1964 in die Unabhängigkeit entließ. Sogar phönizische Worte haben sich erhalten. Marsaxlokk (sprich: Marsaschlock), das letzte aktive Fischerdorf, bedeutet „Hafen im Südosten“. Das Wort Marsa findet sich heute noch z.B. in den Namen Marsala (Sizilien) und Marseille (Frongreisch). Geschrieben wird allerdings in lateinischen Buchstaben und das, wie es sich gehört, von links nach rechts. Nur für den Autoverkehr hat's nicht gereicht, man fährt auf der falschen (der britischen) Seite.

 

 

Ich schweife ab, wir sind im Mosta. Dessen größte Sehenswürdigkeit bekommen wir während des Rennens leider nicht zu sehen. Natürlich waren wir schon im Vorfeld hier gewesen. Die hiesige Kathedrale trägt die von den damaligen Einwohnern ohne Gerüst (!) erstellte weltweit drittgrößte Kuppel der Welt. Nur St. Peter in Rom und St. Paul in London sind noch größer. Dass das Teil heute noch steht, grenzt an ein Wunder. Zwischen 1940 und 1942 belagerten die Achsenmächte Italien und Deutschland die für die Versorgung des Afrikakorps strategisch wichtige Insel. Eine germanische Bombe schlug durch die Kuppel, doch explodierte nicht, über dreihundert anwesende Menschen sollen dem sicheren Tod entgangen sein. Nun, Sandra hat ihre eigene Geschichte: Die Bombe, von Zwangsarbeitern hergestellt, sei vermutlich sabotiert worden und von ihrer Oma ist überliefert, dass die Kirche menschenleer gewesen war. Dann wäre das Wunder natürlich nicht ganz so groß.

Wir passieren eine Tankstelle. E 10 kostet 1,34 € pro Liter, Diesel 1,21 €. Zum Nachdenken: Vergleiche mit Deutschland und finde den Fehler. Ich nähere mich der Halbzeit, das Bild ändert sich nicht. Doch, es ändert sich schon, ich treffe Mitreisende unseres Teams: Stefan, Reinhold und Georg begleiten mich manchmal einzeln, manchmal gemeinsam und sorgen in dem Wetterchaos für Kurzweil. Die Halbzeit ist kaum vorbei, als ich fast einen Lachkrampf bekomme. Bei normalem Wetter ist das Angebot bestimmt ein sinnvolles. Ob man während der Sintflut allerdings Erfrischungsschwämme benötigt, lasse ich mal dahingestellt. Zurück am Nationalstadion registriere ich im Vorbeilaufen einen am Laternenmast befindlichen Aufkleber. Habe ich mich verguckt? Ich drehe um und fühle mich bestätigt: Hier war ein Fan der Fußballmannschaft meiner Jugend, den Offenbacher Kickers, am Werk. Dinge gibt’s!

Einen ummauerten Nationalpark gilt es nun zu durchqueren. Auf unserem Eiland ist vieles etwas kleiner, daher ist dieser in kaum zwei Minuten durchquert. Trotzdem ist er mit einer Art halben Rotunde mit vorgelagertem Sprungbrunnen und attraktiver Bepflanzung nett anzusehen, soweit ich das durch die nassen Brillengläser beurteilen kann. Erneut passieren wir die US-Botschaft, hinter der mich ein Hinweisschild auf eine Petting Farm nachdenklich macht. Meinen die das gleiche, was ich mir nicht vorstellen möchte? Die Überschwemmungen auf den Straßen nehmen kein Ende, für Nachschub von oben ist ja reichlich gesorgt. Zum gefühlt siebenundzwanzigsten Mal passieren wir Mdina, deren Kirchtürme sehr markant in die Höhe streben. 365 Kirchen gibt es nach offiziellen Angaben auf Malta, Sandra meint jedoch, es seien noch mehr. Die offizielle Zahl kann man sich gut merken und die lässt sich wohl auch besser vermarkten. 95% der Malteser sind Katholiken. Ein schöner Olivenhain erfreut mein Auge, ungewöhnlich gegenüber anderen mediterranen Ländern ist der tiefgrün bewachsene Boden. Wieder durchmessen wir ein Städtchen mit altem Mauerwerk. 30 km sind geschafft.

 

 

Birkirkara ist der nächste Ort, mit guten 25.000 Einwohnern die zweitgrößte maltesische Gemeinde. Die nächsten Minuten beschäftigt mich der Name. Bir kenne ich aus dem Türkischen, es bedeutet Eins, Kara ist schwarz. Die Lösung bleibt mir verborgen. Der Hammer ist der hervorragend erhaltene Aquädukt, den wir nach einem Wendepunkt gleich zweimal bewundern dürfen. Dass ich das noch erleben durfte: 16 Bands hatte man uns, wetterabhängig, im Vorfeld angekündigt. Hier hat sich als erste von mir wahrgenommene ein Bläser- und Trommelquartett in eine Bushaltestelle verkrümelt und gibt dort ihr Bestes.

Zunächst voll, später einseitig für uns gesperrt, führt eine zweispurige Straße langsam, aber sicher in Richtung Valletta, der heutigen Hauptstadt mit nur 5.200 Einwohnern. Eine ordentliche Steigung kann ich gut hochlaufen, eine querverlaufende Straße liegt unter uns. Ein großes Feld mit großblättrigen Kakteen liegt links von uns, deren Früchten man u.a. zu Marmelade verarbeitet. Wieder hat sich in einer Senke ein ansehnlicher Teich gebildet. Georg balanciert noch über den Randstein, ich rausche mittlerweile schmerzbefreit mitten durchs Gewässer. Beide werden wir am Ende blitzsaubere Schuhe unser eigen nennen.

Schon eine Zeitlang holen wir Teilnehmer des sog. Walkathons ein, der unmittelbar hinter dem Halbmarathon auf gleicher Distanz und Strecke 75 Minuten nach uns gestartet wurde. Auch unsere Reisegruppe ist an dieser Stelle mit der strahlenden Caroline vertreten. 35 km sind geschafft, beide Spuren gehören uns. Trotzdem laufen wir auf einen von mehreren Pkw gesicherten, stehenden Autotransporter auf. Und dann kommt man auf die schräge Idee, diesen durchs Feld der Läufer zu lotsen. Glücklicherweise geschieht nichts Gefährliches.

Es wird eindeutig städtischer, unbemerkt hat doch tatsächlich der Regen beinahe aufgehört. Unter dem Schutz einer Unterführung stehen ein paar Jungs, welche die angekündigten Orangenschnitze an den Mann bzw. die Frau bringen. Unter einem Zelt steht die zweite aktive Kapelle, deren Dudelsacktöne sicherlich nicht jedermanns Sache sind. Ich jedoch bin Edinburgh-gestählt und lausche daher gerne. Zu schnell ist die Einlage leider vorbei, ich muss weiter. Noch sechs km.

 

 

Ein Jazztrio als letzte für mich aktive Kapelle vernehme ich aus dem Hintergrund einer Tankstelle. Klare Sache, ich kämpfe mich zu ihnen durch, das Foto ist es wert. Schon länger ist die Strecke abfallend. Wir betreten Floriana, einen Vorort Vallettas, wo uns ein hübscher Triumphbogen begrüßt. Erste, massive Festungsmauern befinden sich um uns herum und geben einen Vorgeschmack auf die Hauptstadt, die wir bei bedeutend besserem Wetter natürlich auch schon längst in Ruhe erkundet haben. Ah, genau hier war ich schon! Bei Sonnenschein sieht der Yachthafen Vallettas allerdings nochmal so gut aus. Wieder gibt’s Iso in Minifläschchen, bevor wir die Küstenstraße erreichen, die wir nun bis ins Ziel nicht mehr verlassen werden. Wir sehen viele Boote und eine eindrucksvolle Kirche. Wie überall auf der Insel reiht sich an den aneinandergebauten Häusern ein bunter Balkon an den anderen, hier sind sie besonders gut gepflegt.

40 km sind absolviert, wir sind wohl schon in Sliema, dem Städtchen, das den heutigen Sehnsuchtsort, nämlich das Ziel, beherbergt. Der Gegenwind wird plötzlich so stark, dass ich fast zum Stehen komme. Nach dem 41. km ziehe ich mir den durchgehend getragenen Müllsack trotzdem vom Leib, schließlich will man ja wenigstens auf dem Zielfoto wahrheitswidrig dynamisch aussehen und nicht wie ein Clochard wirken. Hundert Meter vor dem Ziel steht Elke und holt sich eine mündliche Belohnung für ihr Erscheinen ab. Gemeinsam mit Elisabeth wartet sie weiter auf Kalle, deren Mann, zu seinem ersten marathonalen Zieleinlauf. Er wird diesen Lauf souverän beenden und kann dafür zu recht nicht hoch genug gelobt werden. 42,195 zuschauerbefreite km bei widrigsten Witterungsbedingungen sind aller Ehren wert (seinen zweiten hat er erfreulicherweise bereits im Auge). Ich strebe unterdessen dem blauen Zielbogen zu, den ich nach 4:36 Std. zufrieden, überraschenderweise überlebt habend, unterquere.

Nicht nur Andreas empfängt mich nach seinem Dreijahreshoch im Ziel, auch René und Nils, unser derzeitiger „Chef“, beglückwünschen mich und werden am Ende froh sein, dass jeder aus unserer 44köpfigen Truppe sein selbstgewähltes Ziel erreicht hat. Mit mir werden 769 Erfolgreiche in der Ergebnisliste vertreten sein. Über Halbmarathon sind es 2.118, dazu etliche Finisher des Walkathons. Die Gefühle der Veranstalter sind durchaus ambivalent: Einerseits ist die Zahl ausländischer Teilnehmer stark gestiegen, andererseits die der einheimischen, wohl aufgrund des übergroßen Konkurrenzangebots anderer maltesischer Veranstaltungen, deutlich zurückgegangen. Insgesamt ist das Vor-Corona-Niveau leider noch lange nicht wieder erreicht.

 

 

Man dekoriert mich mit einer sehr hübschen, bunten Medaille, die ich so nicht erwartet hatte. Aufgrund des Iran- bzw. Huthi-bedingten Chaos' am Roten Meer hat der Frachter mit den eigentlichen Medaillen den Umweg ums Kap der guten Hoffnung genommen und ist nicht rechtzeitig eingetroffen. Das, was man hier kurzfristig ersatzweise aus dem Hut gezaubert hat, ist einfach nur klasse.

Mit Wasser, Banane, Elektrolyttütchen und einer Flasche Powerade bewaffnet, trete ich den geordneten Rückzug an. Selbstverständlich wieder unter der Pelle, denn der Wind ist richtig kalt. Viel Wasser kommt nicht mehr von oben, aber gegen das Dauergebläse muss ich mich echt schützen. Elke bleibt bei Elisabeth, ich nehme den direkten Fußweg von knapp drei km ins Hotel nach St. Julians.

Am nächsten Morgen klingelt mein Wecker um 5:30 Uhr. Nicht ganz so beschwingt schäle ich mich aus der Kiste, denn um 6:00 Uhr startet der Morgenlauf zum Sonnenaufgang. 3,5 km mit einigen Höhenmetern sind es bis zur Küste gegenüber Valletta, wo nach einer Runde gemeinsamer Gymnastik die Sonne bei fast Windstille hinter dem Horizont bilderbuchmäßig vor Hafeneinfahrt, Stadtsilhouette und Schiffen aufgeht. Nach guten acht km sind wir wieder zurück. Laufen ist geil, das Leben schön.


Streckenbeschreibung:
42,195 km kreuz und quer über die Insel, ausschließlich Asphalt, zahlreiche Straßen sind nicht für den Autoverkehr gesperrt. +126/-301 Höhenmeter, sehr windanfällig.

Startgebühr:
45 € für den Marathon.

Weitere Veranstaltungen:
Halbmarathonlauf und Walkathon über ebenfalls 21,1 km.

Leistungen/Auszeichnung:
Medaille, Urkunde, Shirt, zahlreiche Geldpreise.

Logistik:
Kleiderbeutelaufbewahrung (manche gingen verloren), keine Duschen.

Verpflegung:
Alle 5 km Wasser, zweimal Iso, einmal Orangenschnitze.

Zuschauer:
Wohl auch wetterbedingt ausschließlich im Ziel.

 

Informationen: Malta Marathon
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