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Laufberichte

IsarRun 2007

14.05.07

Herausforderung Mehrtageslauf: Von der Mündung bis zur Quelle der Isar - Norman Bücher aus Karlsruhe beim IsarRun 2007

 

Wer träumt nicht davon? Schneebedeckte Berggipfel, saftiggrüne Wiesen, tiefblaue Seen und idyllische Hochmoore - Natur pur! Einzigartige Landschaftseindrücke und intensive Naturerlebnisse bekommt man bei einem Laufevent der besonderen Art geboten: dem IsarRun.


Doch die landschaftliche Idylle trügt ein bisschen. Der IsarRun ist ein anspruchsvolles Mehrtagesrennen von der Mündung bis zur Quelle der Isar über insgesamt 327 Kilometer. Fünf Ultramarathons in fünf Tagen gilt es zu bewältigen! Ausgangspunkt des Laufabenteuers ist Plattling, die Nibelungenstadt in Niederbayern. Die einzelnen Etappen führten die Läufer nach Dingolfing (62 km), Freising (75 km), Wolfratshausen (72 km), Fall (59 km) und Scharnitz (59 km).

 


Für mich war es der allererste „Multi-Day-Run“. Ich verfügte noch über keinerlei Erfahrung in Sachen Etappenrennen. Zwar absolvierte ich diverse Ultra-Läufe, doch der Charakter solch einer Veranstaltung ist ein anderer. Was wird mich erwarten? Genau darin bestand für mich der Reiz: das Unerwartete, das Neue, das Abenteuer, die Herausforderung.


Bei sommerlichen Temperaturen fiel am 14. Mai um neun Uhr der Startschuss auf dem Plattlinger Marktplatz. Begleitet von den Gestalten der Nibelungensage, wurden wir Läufer auf die lange Reise geschickt. Ich ließ es ganz gemütlich angehen - sieben Minuten pro Kilometer. Meine Maxime war ein ökonomisches und zugleich kräfteschonendes Laufen. Ich hatte immer im Hinterkopf, dass mir notfalls neun Minuten pro Kilometer Zeit zur Verfügung standen. Selbst „alte Ultrahasen“ starteten in ruhigerem Tempo - ich befand mich also in bester Gesellschaft.


Wir liefen zunächst von Plattling ins Naturschutzgebiet bis zur Mündung der Isar. Dabei kommt einem das Gefühl für Strecke, Zeit und Orientierung schnell abhanden, so konzentriert und in sich gekehrt ist man während des Laufens. Um die gewaltigen Distanzen auch mental zu bewältigen, strukturierte ich die Strecke in nahe Teilabschnitte. Während des Rennens versuchte ich mich bewusst durch meine Augen abzulenken. Die einzigartige Auenlandschaft entlang der Isar, mit ihren unterschiedlichen Facetten, lud dazu ein.


Nachdem wir zu Beginn überwiegend an der Isar über Damm-, Feld- und Forstwege entlang liefen, passierten wir am zweiten Tag Landshut. Neugieriges Fragen und ungläubiges Kopfschütteln von Passanten über unser enormes Laufpensum waren an der Tagesordnung. Am Ende der heutigen Etappe fiel ich in ein großes mentales Loch. Ich fühlte mich richtig leer im Kopf und meine Muskulatur in den Oberschenkeln verhärtete sich zunehmend. Mit meinen letzten Reserven erreichte ich erschöpft das Ziel in Freising. Wie soll ich bloß den morgigen Tag überstehen? Wie will ich wieder mehr als 70 Kilometer laufen?

 

Am nächsten Tag fühlte ich mich überraschenderweise deutlich besser. Das reichhaltige Essen, die entspannte Massage und der ausreichende Schlaf trugen zu einer schnellen Regeneration bei. Auf der heutigen Etappe nach Wolfratshausen durchliefen wir den Englischen Garten Münchens. Die gemütlichen Biergärten, die geschichtsträchtigen Gebäude und die kulturellen Attraktionen entlang der „Grünen Lunge Münchens“ sorgten für kurzzeitige Ablenkung. Mir ging es mit zunehmendem Rennverlauf immer besser. In mir stieg die Gewissheit, dass ich nicht nur die heutige Etappe, sondern den gesamten Lauf finishen werde.


Auf der Etappe nach Fall, am vierten Tag, führte der Weg nicht mehr an der Isar entlang, sondern über Fleckviehweiden, durch kühle Fichtenwälder und über saftiggrüne Wiesen. Buschland und Birken säumten im niedrigen Wuchs das Hochmoorgebiet neben dem Weg. Vor uns erschienen die ersten Berge mit tief ins Tal herabführenden Schneefeldern. Leider meinte es der Wettergott an diesem Tag nicht so gut mit uns Läufern. Dauerregen und Temperaturen im einstelligen Bereich ließen uns die Schönheiten der Natur nicht in vollen Zügen genießen.


Am letzten Tag, auf dem Weg nach Scharnitz, rückte das majestätisch wirkende Karwendelgebirge immer näher. Klüfte und Schründe, Abstürze und kantige Grate künden vom jungen Entstehungsdatum dieses Gebirges. Vor dem Anstieg zum knapp 1000 m hohen Pass, den wir 17 km vor dem Ziel noch überwinden mussten, begann der alpine Teil des Rennens. Nur trippelähnliches Gehen war stellenweise möglich. Das Massiv der Birkharspitze kam uns mit seiner ganzen Pracht entgegen, das bis in eisige Höhen von 2749 Meter aufragt, dem höchsten Punkt im Karwendel. Als leidenschaftlicher Bergläufer war es für mich ein Genuss, in dieser traumhaften Kulisse bei herrlichem Sommerwetter laufen zu dürfen. Die Stille um mich herum war vollkommen. Ich fühlte mich exzellent. Nach und nach lief ich mich in einen Rauschzustand, ich flog jetzt förmlich dem Ziel entgegen. Um mich herum nahm ich nichts mehr wahr, mein Körper wurde von Glücksgefühlen durchflutet. Nach fünf langen Tagen und fast 330 Kilometern legte ich noch einen Sprint hin bis ins Ziel.


Endlich an der Quelle - es ist geschafft! Im klaren Bach kühlte ich meine geschundenen Füße, schloss die Augen und genoss diesen traumhaften Moment. Die Natur, die Sonne, die Gipfel, der Fluss erfüllten mich in diesem Augenblick mit einer sehr selten empfunden Ergriffenheit.


Abschließend kann ich sagen, dass dieser Lauf für mich nicht nur eine neue physische und mentale Grenzerfahrung darstellte. Er bedeutete auch pures Laufvergnügen durch traumhafte und vielseitige Landschaften, verbunden mit intensiven Kontakten zu Mitläufern, eingebettet in eine perfekte Organisation. Herzlichen Dank an die Teilnehmer und das gesamte Helferteam des IsarRun, die diesen Lauf zu einem ganz besonderen Erlebnis machten!

 

© Norman Bücher

 


 
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