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Laufberichte

Guernsey Waterfront Marathon

18.10.13

„Fragments of France which fell into the sea und were picked up by England.“

                             

So beschrieb der französische Schriftsteller Victor Hugo die kleine Inselgruppe im Golf von St. Malo, wo er 16 Jahre im Exil verbrachte und bei gutem Wetter bis in seine Heimat Frankreich blicken konnte. Die französischen Wurzeln der Kanalinseln sind bis heute deutlich spürbar: ein Mix aus französischen und englischen Orts- und Straßennamen, französisches Savoir-Vivre, britische Eleganz, Gartenkunst aus England und die Küche aus Frankreich.

Seit 5 Jahren gibt es wieder einen Marathon auf der zweitgrößten Kanalinsel Guernsey. Am Marathon 2012 hatte ich bereits teilgenommen und weil es so schön war, bin ich auch in diesem Jahr wieder dabei.

Nicht ganz einfach ist die Anreise: Direktflüge von und nach Deutschland gibt es nur in der Sommersaison und dann auch nur samstags von Düsseldorf. Ansonsten gibt es Flüge via London von Frankfurt, Stuttgart und Hannover.

Eine Alternative ist die Anreise nach St. Malo per Bahn (häufiges Umsteigen) oder per Auto. Ich habe mich für die Variante mit dem Auto entschieden. Vom Hafen in St. Malo geht es dann weiter mit Condor Ferries (via Insel Jersey) zur Insel Guernsey.

Dann die Unterkunft: Es gibt keine günstige Übernachtungsmöglichkeit in einer Turnhalle oder einer Jugendherberge. Die Hotelpreise sind vergleichsweise hoch. Am günstigsten sind die Bed & Breakfast  Accomodations, wo man die Nacht ab ca. 40 Pfund (also ab ca. 50-55 €) verbringen kann. Ich übernachte im St. George’s – sauber, günstig und nur ca. 15 Gehminuten entfernt vom Marathon-Start/-Ziel am Albert Pier im Hafen der malerischen Inselhauptstadt St. Peter Port.

Ich bin schon einige Tage vor dem Marathon angereist, um im Südosten und Süden der Insel auf den knapp 46km Klippenpfaden zu wandern. Die Pfade sind aufgrund der zahllosen Treppenstufen anstrengend, man wird aber immer wieder belohnt durch atemberaubende Ausblicke und super Buchten, deren Sandstrände allerdings nur bei Ebbe zum Vorschein treten. Hier ist der Sand dann durch einen der weltweit höchsten Gezeitenunterschiede so festgepresst, wie ich es noch nie anderswo erlebt habe.  Und durch ihre teils schwere Erreichbarkeit – z.B. 270 Stufen steil hinunter zu Le Petit Port oder nur über eine Leiter zu Le Joannet Bay – hat man die schönsten Strände oft ganz für sich allein. Wo findet man das sonst noch?!

Der flache Westen/Nordwesten der Insel hingegen ist mit seinen zahlreichen leicht erreichbaren, gut besuchten, großen und  flachen Sandbuchten eher etwas für den Strandurlauber.

Samstag. Heute ist Anmeldung im Marathon-Village auf dem Albert Pier. Alles ist leicht zu finden. Es herrscht eine ruhige, freundliche Atmosphäre. Die Registration der Läufer hat Peter Head übernommen, der auch den Marathon auf Guernsey organisiert. Von ihm erfahre ich, dass 230 Läufer aus 18 Nationen angemeldet sind (z. Vgl.: 2012 waren es noch 139 Finisher von 10 Nationen). Dabei sind Läufer aus Kenia, USA, Australien, Neuseeland, Hongkong, Singapur….., Läufer von allen 5 Kontinenten. Eine solche Internationalität bei einem vergleichsweise kleinen Marathon ist ungewöhnlich. Ein Marathon, der diese Anziehung auf Läufer aus aller Welt ausübt, muss etwas Besonderes sein.

Abends Pasta Party. Für 11 Pfund gibt es „as many servings as you wish“ von Pasta mit Hühnchen-, Pilz-, Chili- oder Tomaten/Oliven/Feta-Sauce, dazu ein Salatbuffet. Ich lerne bei der Party 3 Engländer aus der Nähe von Reading kennen, die erst seit Januar lange Distanzen trainieren und hier nun ihren 1. Marathon bestreiten wollen. Ich drücke ihnen die Daumen.

Dann tritt Peter Head ans Mikrofon mit einer schlechten Nachricht: Am Guernsey Airport ist nachmittags dichter Nebel aufgekommen, der ein Starten und Landen von Flugzeugen unmöglich machte. Zahlreiche angemeldete Läufer werden nicht teilnehmen können, da ihre Flüge von London, Southampton, Düsseldorf usw. umgeleitet wurden zu anderen Flughäfen. Die Maschine von Düsseldorf war bereits im Landeanflug, als sie wieder durchstarten und nach Düsseldorf zurückkehren musste. Ein herber Schlag für die verhinderten Läufer und den Veranstalter. Sonntags werden statt der angemeldeten 230 Läufer nur 127 über die Zielmatten laufen, darunter neben mir noch 2 weitere Deutsche. Wie ich erfahren habe, sollen die verhinderten Läufer im kommenden Jahr kostenlos am Guernsey-Marathon teilnehmen dürfen.

Sonntagmorgen. Marathon-Tag. Etwas nieseliges Wetter, 16°C – angenehm zum Laufen.

Im Hotel lerne ich beim Frühstück Sarah kennen, eine Engländerin, die hier ihren 2. Marathon laufen will (nach einem Marathon auf den Falkland-Inseln in 2012). Gemeinsam gehen wir zum Marathon-Village, wo wir 1 Stunde vor dem Start eintreffen. Außer uns sind so früh fast nur Helfer vor Ort, die meisten Läufer trudeln erst eine halbe Stunde nach uns ein. Ein Abschleppwagen schleppt vom Pier noch die letzten Wagen ab, die das schon vor Tagen aufgestellte Parkverbotsschild ignoriert haben. Aber parkende Autos auf der Zielgeraden – das geht gar nicht.

9 Uhr. Startschuss. Sofort setzen sich die beiden Läufer aus Kenia scheinbar spielend vom Rest der Meute ab. Als langsame Läuferinnen starten Sarah und ich im hinteren Bereich des Feldes.

Zunächst geht es flache 200m am Bus Terminal entlang, dann an der Town Church links ab in die ansteigende Fountain Street in Richtung der Parish St. Martin. In der Stadt sind die Straßen für den Autoverkehr gesperrt. Danach sind wir gehalten, auf der linken Straßenseite zu laufen. Da auch die Auto auf der englischen Insel links fahren, also von hinten kommen, sollte man zur eigenen Sicherheit während des Laufes keine laute Musik vom iPod hören.

Allmählich wird die Strecke immer steiler und viele Läufer gehen – so auch Sarah und ich. Warum sich gleich zu Beginn der 26,2 Meilen/42,2km langen Strecke verausgaben?! Es ist der längste und steilste Anstieg auf des gesamten Laufes.

In der Nähe von Fort George haben wir den langen Anstieg geschafft und Sarah und ich laufen wieder. Gemütlich geht es der Fort Road entlang, nicht ganz eben, aber gut zu laufen.

Die Entfernungen sind rückwärts in Meilen angegeben. An den Kreuzungen stehen Marshals, um die Läufer sicher zu leiten und den Autoverkehr zu regeln. An weniger gefährlichen Abzweigungen weisen leuchtfarbene Schilder mit dicken Pfeilen den richtigen Weg – riesengroß und sehr gut von weitem sichtbar, also absolut idiotensicher. Da kann sich keiner verlaufen, auch wenn man bei dem kleinen Teilnehmerfeld streckenweise sehr einsam läuft, ohne einen anderen Läufer in Sichtweite.

In der Route des Cornus kommt die 1. Wasserstation – nur Wasser, aber für den Anfang kein Problem. Da es an allen 8 Getränkestellen nur Wasser geben wird, habe ich vor dem Lauf mein eigenes Iso-Getränk und Cola mit meiner Startnummer für die letzten 5 Stationen abgegeben. Wie ich später sehe, hat das gut geklappt.

Weiter geht es auf der Forest Road in Richtung Westen bis zum Airport. Kurz vor dem Airport werden wir von den ersten Relay-Läufern/Team-Läufern überholt, die erst um 9:15 Uhr starten durften. Bei 4,9 Meilen haben wir den 1. Wechselpunkt für die Relay-Läufer erreicht.

Kurz danach biegen wir links ab und nähern uns der Südküste. Normalerweise sollte uns hier eine phantastische Sicht auf die steilabfallende Küste und das Meer erwarten, aber heute wird sie verwehrt durch das diesige Wetter. Es ist neblig und schwül.

Wir laufen weiter auf der Route de Pleinmont in Richtung Westküste. Dies ist der angenehmste Teil der Strecke: es geht abwärts. Nach 8,5 Meilen erreichen wir beim Hotel Imperial das Meer. Hier erwartet uns ein angenehmer frischer  Seewind, der die Schwüle von vorhin vertreibt. Und auch die Sicht wird immer besser.

Wir biegen nach rechts ab und folgen der Route de la Lague in Richtung Norden. Die Strecke ist eben und führt uns stets nah der Küste entlang. Wir sehen die großen Sandstrände der Rocquaine Bay und der L’Eree Bay. Deutlich ist Lihou Island zu erkennen, bei Flut eine Insel, bei Ebbe ein Teil von Guernsey.
Wir folgen der Küstenstraße entlang der Perelle Bay zur Vozon Bay. Hier haben wir die Hälfte geschafft: 13,1 Meilen.

Weiter geht es zur Cobo Bay, wo wir rechts abbiegen und einen Abstecher ins Inselinnere machen. Es gibt wieder Anstiege, an den ich gehe. Sarah läuft jetzt schneller als ich und wir trennen uns.

Nach ca. 1,5 Meilen gelange ich zurück an die Küstenstraße. Es geht weiter nordwärts in Richtung Le Grand Havre. Im Norden bei der Ladies Bay geht es nach rechts. Ich laufe vorbei an einem Golfplatz, wo es die Sportler nicht so eilig haben wie ich.

Es folgen gelegentliche kleinere Anstiege, bis die Strecke wieder Richtung Süden führt. Vorbei am Bordeaux Harbour geht es zu The Bridge/Sampson Harbour. Nach und nach überhole ich Läufer, die das Rennen schneller angegangen waren als ich und nun mit ihren Kräften kämpfen. Mittlerweile haben wir deutlich höhere Temperaturen, stahlenden Sonnenschein und klare Sicht.

500m nach The Bridge bekomme ich einen ersten Blick auf Castle Cornet, die Festungsanlage im Hafen von St. Peter Port, nicht weit von meinem Ziel Albert Pier. Es sieht so nah aus, aber es sind noch 3 Meilen, denn die vor mir liegende Belle Grave Bay macht einen riesigen Bogen und der Weg um diesen Bogen zieht sich wie Kaugummi. Aber wenigstens geht es jetzt ganz eben bis zum Ziel.

Ich gelange nach St. Peter Port und laufe vorbei am St. George’s, meiner Unterkunft. 500m weiter ist die Straße wieder für den Autoverkehr gesperrt. Die Strecke wird umsäumt von zahlreichen Zuschauern, die auch uns späten Läufern noch reichlich Beifall klatschen. Nicht alle von ihnen stehen hier für den Marathon, sondern z.T. sind sie gekommen wegen des anschließend  an der gleichen Stelle stattfindenden Fahrrad-Rennens. Trotzdem spornen sie auch die Läufer kräftig an mit ihrem Applaus. 2 Rennveranstaltungen nacheinander am gleichen Tag am gleichen Ort auf teilweise gleicher Strecke, das sorgt für mehr Zuschauer, wovon letztendlich beide Veranstaltungen profitieren.

Nach 5:22 Stunden laufe ich auf dem Albert Pier über die Ziellinie und werde dort bereits von Sarah erwartet. Sie hat es in 5:03 Stunden geschafft.

Und die 3 Engländer von der Pasta-Party: Sie haben ihren 1. Marathon mit hervorragenden 3-Stunden-Zeiten gelaufen. Herzlichen Glückwunsch!

Die Siegerehrung habe ich verpasst. Sie fand schon um 12:30 Uhr statt, also 3,5 Stunden nach dem Startschuss, damit die schnellen Läufer nicht auf die letzten warten müssen.

Gewonnen hat der Kenianer Freddy Sittuk in hervorragenden 2:18 Stunden (wie schnell wäre der erst auf ebener Strecke gewesen?!) vor seinem Landsmann Reuben Chumba. Und dritter Zieleinlauf war bereits eine Frau: Philippa Taylor aus Großbritannien in 2:53.  

Aber auch alle anderen Finisher dürfen zufrieden sein. Denn wie sagte Fred Lebow, Mitbegründer des New York City Marathon:

„In running, it doesn’t matter whether you come in first, in the middle of the pack, or last. You can say, ‘I have finished’. There is a lot of satisfaction in that.”


Ergebnis Männer:
1. Freddy Sittuk  Kenia   2:18:11
2. Reuben Chumba Kenia   2:36:53
3. Peter Amy  Guernsey  2:56:20
Ergebnis Frauen:
1. Philippa Taylor  Großbritannien  2:53:03
2. Anne Vaudin  Jersey   3:28:09
3. Marianne Mygind Dänemark  3:51:28

 


 
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