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Laufberichte

Eine Seefahrt, die ist lustig (5)

23.02.14 Special Event
 

Bald darauf erreichen wir wieder das Maritime Museum. 3,3 km zeigt meine Uhr, als ich die gelbe Bodenmarkierung vor dem Old Ferry Building passiere. Von nun an geht es nach Osten am Rad- und Spazierweg entlang der stark befahrenen Quay Street, die weiter in den Tamaki Drive mündet. Die Gruppe hat sich inzwischen etwas auseinandergezogen, vorne sind Montse und zwei Halbmarathonläuferinnen, hinter mir nur mehr zwei andere Damen, die sich für den Halbmarathon registriert haben. Bazyl hält zu allen laufend Kontakt.

Ich gerate schon zu Beginn etwas in Rückstand, das Anfangstempo ist mit teilweise 5:45 min/km aber nicht der Grund. Es ist vielmehr die Erkenntnis, dass sich mein gewohntes Leistungsvermögen, seit ich am Schiff bin – immerhin schon 48 Tage –  kontinuierlich abgebaut hat. Mit gelegentlichem Krafttraining alleine kann man das nicht wettmachen. Auch die 10 oder 15 Runden an Seetagen am Schiff in der Laufrunde oder mit der Tochter sind mehr ein soziales Ereignis als Training. So sehe ich mich nun beim Marathon in einer Art Defensive und traue mir wenig zu.

Montse scheint allen davoneilen zu wollen, sie ist inzwischen schon einen Kilometer vor uns, als die auseinander gesplittete Gruppe zur Hobson Bay kommt. Der Anstieg über eine Overrail-Bridge ist auf der ersten Runde noch nicht wirklich beschwerlich, es geht auf der anderen Seite ja auch wieder hinunter. Zwischen dem Orakei Basin südlich des Tamaki Drive und der Okahu Bay direkt am Meer kommen uns auf dem Kurs Hunderte Teilnehmer des Sterling Sports Marathons entgegen, der auf beiden Seiten des Rad- und Gehwegs auf der auch am Sonntag relativ stark befahrenen Durchzugsstraße gelaufen wird. In Neuseeland herrscht Linksverkehr, doch die Sterling Sportsrunner halten sich nicht daran, so sind wir es, die ständig ausweichen müssen.

Längst habe ich die 10 km-Marke erreicht, die Uhr zeigt genau 60 Minuten und wenige Sekunden. Montse hat inzwischen schon 3 Kilometer Vorsprung, sie läuft mir lachend entgegen. Der Wendepunkt liegt  bei 12,2 km am Tamaki Drive, ca. 180 m nach dem Kohimarama Yacht Club Gebäude am östlichen Ende der Kohimarama Beach.  Auch Diego und Edi liegen mehrere Hundert Meter vor mir. Bazyl wartet bei der Wende auf mich. Wir laufen gemeinsam ein Stück des Kurses zurück in westliche Richtung, aus der nun ein phasenweise ziemlich starker Wind aufkommt.

Ich konzentriere mich auf die zweite Runde. Ich hoffe, vielleicht bei Kilometer 35 noch gewisse Reserven mobilisieren zu können. Daher bin ich mit dem Verlauf des Rennes bisher zufrieden, es könnte so weitergehen. Aber langsam wird es wärmer, Bazyl spricht von angekündigten 27 Grad C. Im Gegensatz zum Europe-Hawaii-Marathon in Honolulu am 11. Februar, den Tom Craven für uns organisierte und bei dem ich gegen Ende des Laufes stark dehydriert war, weil ich in der Nacht die öffentlichen Brunnen an der Laufstrecke nicht mehr fand, wird es heute erst gar nicht so weit kommen. Es gibt  mehr als genügend eigentlich von niemandem außer uns frequentierte Wasserstellen.

Als wir zur 20 km-Bodenmarkierung stadteinwärts laufend kommen, kommt uns Montse entgegen. Das würde bedeuten, dass sie nun einen Vorsprung von mehr als  4 km hat. Bazyl nimmt an, dass sie womöglich übersehen hat, dass nach der 21,1 km-Distanz, erkennbar in Form des gelben Kreuzes vor dem Old Ferry Building, auch wieder die ca. 3,3 km lange Schlaufe hin zum Wynard Quarter zu durchlaufen ist.  Bazyl eilt nach vorne und ersucht Diego auf dessen Rückrunde mit Montse in Spanisch den Sachverhalt abzuklären und ihr zu empfehlen, falls sie tatsächlich die Zusatzschleife übersehen hat, dies einfach auf der zweiten Runde nachzuholen.

Als wir nach der Hamer Street wieder in Richtung Zugbrücke laufen, wird diese gerade geschlossen. Diego steht davor, ob er flucht, kann man nicht hören. Edi hat es gerade noch geschafft, drüber zu kommen. So  treffen wir drei uns wieder. Wir warten, bis die Brücke wieder heruntergelassen wird.

Ich mache ein Foto. Diego, fast 2 m groß, voll austrainiert und Triathlet neigt zur Untertreibung, das ist mir schon vor Hawaii klar geworden. Er hat ausreichend Kondition für einen Marathonlauf und ist außerdem ehrgeizig. Er beschleunigt seinen Laufschritt und ist bald wieder einige Hundert Meter vor uns. Bazyl ist ein wenig in der Zwickmühle, soll er jetzt versuchen, Montse einzuholen, die mehrere Kilometer vorne liegt oder lieber mit dem „schnellsten“ Mann in der Laufrunde ins Ziel zu kommen? Vorerst aber rennt er erneut Diego nach, um nochmals darauf hinzuweisen, dass Montse ihre GPS-Daten prüfen soll.

Nun geht es ein zweites Mal in östliche Richtung bis zum Wendepunkt. Montse kommt mir entgegen, sie wird diesen Marathon überlegen gewinnen. Nach 3 ½ Stunden kommen immer mehr Menschen zu den Stränden. Bazyl erklärt, dass die Leute selten schwimmen, sondern zumeist segeln, mit ihren Boards bei ruhigem Meer auch paddeln. Statistisch gesehen kommt  in Auckland auf jeden Einwohner ein Segelboot. Heute am Sonntag befinden sich mehrere Dutzend Menschen an der Kohimarana Beach bzw. in deren Nähe, unter der Woche sei der Strand menschenleer, erzählt Bazyl.

Diego kommt mir nach der Wende zuerst entgegen, ich hätte eigentlich Edi erwartet. Doch dieser befindet sich plötzlich nur mehr 200 m vor mir. Er hat offenbar eine Schwächephase oder teilt sich die Kraft genau ein. Bazyl fragt, ob er auch mir ein Cola  besorgen soll, Edi habe ihn darum gebeten. Beim Tamaki Yacht Club hole ich Edi ein, Bazyl überreicht uns beiden bald darauf eine Cola.

Das koffeinhaltige Kult-Getränk scheint mich zunächst zu beflügeln, ich marschiere im Trinken schneller als Edi. Doch mehr als einen Kilometer weiter komme ich nicht, denn Bazyl führt Edi wieder an mich heran. Dieser mobilisiert neue Kräfte und liegt bald wieder vorne. Auch Diego ist auf der langen Geraden entlang der Quay-Street noch zu erkennen. Er wird eben von Bazyl eingeholt, der mit ihm zeitgleich oder vielleicht knapp vor ihm ins Ziel laufen wird.

Überlegene Siegerin der nach Handstoppung im Ziel gemessenen Zeiten wird die in Las Palmas lebende Spanierin Montse, die nicht mehr im Zielbereich  ist, als ich als Letzter knapp hinter Edi und 5 Minuten nach Diego und Bazyl eintreffe. Die Ergebnisse der sechs Teilnehmerinnen des Halbmarathons (1 Runde) werden auf der homepage von Bayzl angeführt.


Marathon (5 Teilnehmer):

1. Montse Pereira Regueira: 3:43:46
2. Bazyl Piotrowski: 4:48:18
3. Diego Castro Fendel: 4:48:20
4. Edi Ernst: 4:52:21
5. Anton Reiter: 4:53:08

Nach dem Lauf komme ich gerade noch zum Mittagsbuffet am Schiff zurecht, alternativ hätte ich auch am Nachmittagsausflug teilnehmen können. Um 16 Uhr treffe ich Bayzl und seine Familie, die ich in ein Restaurant nahe der Kohimarama Beach, wo ich vormittags schon zweimal vorbeilief, zum Essen einlade. Edi plant, mit einem Leihauto nach Wellington zu fahren, Diego und Montse erkunden Auckland Downtown. Mir bleibt am frühen Abend noch eine knappe Stunde Zeit, um einige Souvenirs zu kaufen. Die Costa Deliziosa legt um 20 Uhr ab und nimmt Kurs auf Wellington. Dort werde ich an einem Ausflug zum „Herr der Ringe-Drehort“ teilnehmen.

Bazyl bietet an, für uns alle ein Originalshirt des Auckland Marathons zu besorgen und wenn möglich, allen auch eine Medaille an die Wohnadresse zu senden. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich darüber auch meine Lauffreunde vom Schiff, also Edi, Diego und Montse, freuen werden.

Das Abenteuer geht aber weiter: Am 2. März veranstaltet der 100 Marathon Club Australia einen offiziellen Marathon, der unter dem Namen „Anton Dolls Point Marathon“ ausgeschrieben wird. Es könnte sein, dass so mein Vorname eine bleibende Bedeutung in Down Under bekommt.

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