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Laufberichte

26. Berliner Halbmarathon

02.04.06

Normalerweise fängt hier auf marathon4you.de das Laufen ja mit dem Marathon an. Aber natürlich gibt es auch ein Leben davor. Weil das manchmal auch ganz spannend ist, und weil es sich hier um Dagi handelt, (Martins "Kleine Schwester") und weil sie sich mit diesem "Halben" auf einen "Ganzen" vorbereitet, wollen wir Euch den Laufbericht vom Berliner Halbmarathon nicht vorenthalten:


26. Berliner Halbmarathon – Meiner kleinen Schwester ihr erster Halber

 

Ich hätte ja nicht gedacht, dass es noch mal passiert. Die kleine Schwester des marathonbesessenen Bruders war ja 4 Jahrzehnte  lang nicht durch besondere sportliche Aktivitäten aufgefallen. Mal mit dem Fahrrad in die Uni und später zur Arbeit, gelegentlich mit den Eltern im Urlaub an deutschen Strömen lang geradelt, das war`s dann auch schon.

 

Und auch von der Marathoneuphorie des Bruders hatte sie sich nicht anstecken lassen. Anfeuern in Berlin  und am Wohnort Köln, souveräne Managerin bei der ersten Ausgabe des Vollmondmarathons 2004 - aber selber mitlaufen? „Nie im Leben,“ so die Gelegenheitsraucherin unisono auf Fragen in diese Richtung.

 

Das änderte sich kurz nach Vollendung des 40. Geburtstages. Da wurde anlässlich des Berlin-Marathon 2005 der Entschluss gefasst: „Nächstes Jahr bin ich mit dabei.“ Von 0 auf 42 – das wurde generalstabsmäßig angegangen. Mit einem ehrgeizigen Ziel vor Augen fällt der Einstieg leicht.

 

Tägliches Laufen im Wohlfühltempo, bald wird die Runde auf 10 km ausgeweitet. Der einbrechende Winter und die frühe Dunkelheit erschweren die geplanten Laufzyklen. Ein Motivationsschub ist die Anmeldung. Kurz nach Freischaltung der Homepage erfolgt die Registrierung für den Halbmarathon im April und den Marathon im September. Zur weiteren Sammlung von Wettkampf-Erfahrung soll der Lauf „Rund um das Bayerkreuz“ eingeschoben werden, wird aber krankheitsbedingt ausfallen.

 

Hohe berufliche Beanspruchung schlagen sich auf die gelaufenen Wochenkilometer nieder. Die letzte Märzwoche Urlaub, noch 45 km Vorbereitung: 2mal kurz, 2mal lang, die letzten 2 tage vor dem Lauf Pause. Ob das  zum Durchkommen reicht?

 

Wir treffen  uns am Samstag in Dresden, um gemeinsam nach Berlin zu fahren. Ich das erste Mal in der Rolle des Supporters. Am Abend treffen mit Dagis Freunden Holger und Alex. Alex war so nett und hat die Startnummer abgeholt. Feierliche Übergabe beim Italiener. Die Rennstrategie wird festgelegt. Alex will ne 1 vorne dran haben, Dagi geht es nur ums Durchkommen. Da sie als Ersttäterin sowieso vom letzten Startblock aus startet, sind der Flucht nach vorne natürliche Grenzen gesetzt.

 

20.441 Starter, soviel wie noch niemals zuvor, haben sich dann am Sonntag Morgen versammelt bei strahlend blauem Himmel und Temperaturen und die  10 Grad, was den Kindern Somalias eine Spende von 20.441 € durch den Hauptsponsor Vattenfall (früher Bewag) einbringt. Auch Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit lässt sich von der guten Stimmung anstecken: “Hier laufen alt und jung zusammen, das ist fast wie Karneval“. Ich wusste gar nicht, das Berlin auch zu den Karnevalshochburgen zählt, aber lauftechnisch kann der Laufhauptstadt Berlin keine andere Stadt in Deutschland das Wasser reichen.

 

Auf dem Weg zum Start treffe ich meinen Karlsruher Skatenight-Ordner-Kumpel Steffen, er wird wohl wieder ziemlich weit vorne auf der Teilnehmerliste der Skater zu finden sein. Zurück zur Protagonistin: Mit einem guten Zeitpolster im Rücken wird die überdimensionale Tasche  in den bereitstehenden Containerwagen gegeben, die im Schatten von „Erichs Lampenladen,“ dem im Abriß befindlichen ehemaligem Palast der Republik, platziert sind. Toiletten sind natürlich wie immer bei solchen Großereignissen viel zu wenig vorhanden, die Schlangen dementsprechend lang.

 

Beim Warten geht Alex verloren, so dass ich dann kurz nach dreiviertel elf meine kleine Schwester im Startblock E abgebe. Pünktlich  um 10.45 Uhr war der Start, es dauerte allerdings noch, bis auch die Läufer aus den beiden hinteren Startblöcken E und F zum Startbogen kommen und die Zeitmessung auslösen. Ich mache mich auch auf den Weg dahin, um am Start noch einige Bilder zu machen.

 

Nachdem Dagi durch ist beschließe ich, den einen Kilometer bis zum Brandenburger Tor mitzulaufen und dann dort weitere Bilder zu schießen.
Ich hätte gleich hierher gehen sollen, die Topläufer vor dem Brandenburger Tor, das wären sicher schöne Pics geworden. Nachdem die Walker durch sind mach ich mich auf zur Leipziger Straße, um dann von dort aus dem Pulk entgegen zu gehen. Ich stoße auf das Bahn-Angebot „Call a bike“ und mache davon auch sofort gebrauch. Auf deutsch: ich miete mir per Telefon ein Fahrrad. Super Idee, gibt’s leider nur in vier Städten. Das sollte man mit Smart auch machen, dann wäre Hayecks Mobilitätsidee endlich umgesetzt und Daimler seine Sorgen los.

 

Also mit dem Fahrrad weiter. In der Leipziger Straße kommen noch die letzten Skater vorbei, besonders schön anzusehen eine Gruppe von skatenden Schornsteinfegern. Nur noch vereinzelt sind auf meinem Weg dem Feld entgegen Skater zu sehen, dann aber auf der Tauenziehnstraße, angekündigt durch ein vorausfahrendes Polizeifahrzeug und einen Mountainbiker, die Spitze des Feldes. Ich erkenne an Position 2 liegend den späteren Sieger und Top Favorit Paul Kosgei. Mann, ist der schnell, einmal im Leben so laufen können - er wird das Rennen mit neuem Streckenrekord in 0.59.07 gewinnen. Ob es auch ein neuer Weltrekord ist, wurde bis heute nicht bestätigt. Noch fehlt die Anerkennung für die von Haile Gebreselassie in Tempe/USA gelaufene 58.55 vom Jahresanfang.

 

Da kommen schon die ersten beiden Frauen, Edith Masai zusammen mit der Olympia-Dritten Deena Kastor aus den USA. Masai wird, ebenfalls mit neuem Streckenrekord und der fünftbesten jemals gelaufenen Halbmarathonzeit gewinnen, Kastor wird mit neuem US-Rekord zweite. Wo bleibt die Deutsche Titelverteidigerin Luminata Zaituc? Später erfahre ich, dass sie verletzungsbedingt an vierte Stelle liegend, schon bei km 10 ausgestiegen ist. Ihr nächstes großes Ziel ist der Düsseldorfmarathon am 7. Mai. Den Start dort wollte sie nicht gefährden.

 

Mit tollen Bildern im Kasten mach ich mich weiter auf dem Weg zum Kurfürstendamm, mache Witze mit den Mädels von den Kladower Landeiern, nein nicht durch die Vogelgrippe wird man so blau! Ich glaube unter den entgegenkommenden Läufern Andi zu erkennen, doch ehe ich ihn ansprechen kann ist er auch schon in Begleitung seiner Freundin, enteilt.  Nur kurze Zeit später kommt Alex, wenn er nicht im Vollmond-Marathon-Shirt gelaufen wäre, hätte ich ihn gar nicht erkannt.

 

Kurzer Blick zu Uhr: schaut gut aus. Das müsste reichen für eine Zeit unter zwei Stunden. Meine Fragen ins Läuferfeld, ob jemand meine kleine Schwester gesehen hat, werden mit tosendem Gelächter beantwortet. Den Läufern geht es gut und sie haben Spaß. Riesenstimmung auch bei den 150.000 Zuschauern und den 2.000 Helfern.

 

Dann nach 1.20 kommt auch Dagi bei km 12 vorbei. Sie läuft seit dem Start mit Daniela aus der Gegend um Berlin. Da haben sich zwei gefunden – meist schwätzend werden die Kilometer absolviert. Ich versuche die beiden etwas zu motivieren. „Bewegt euch mal etwas schneller, ihr Hühner,“ oder so. Das bringt mir gleich den Zuruf „Sklaventreiber“ von anderen Läufern ein.

 

Ich fahre mit dem Rad noch etwas weiter, dem Start entgegen, laß mich vor einer Commerzbankfiliale mit Berliner Bären (oder doch Börsenbären?) ablichten und lichte selbst noch das Walkerpaar W11/FW27 , mit dem so wahren T-shirtspruch: „change your mind and your body will follow“ ab. Die zwei Läufer dahinter wollen auch noch fotografiert werden, na klar doch, bitte.

 

Dann die Wende und ab Richtung Ziel. Kurz vor km 16 habe ich die beiden wieder eingeholt. Du willst meinen Respekt? fragt der Mitarbeiter der Berliner Abfallbetriebe auf dem Plakat am Potsdamer Bahnhof und gibt die Antwort gleich mit: Dann kick es in die Tonne.  Meinen uneingeschränkten Respekt haben alle Teilnehmer hier, insbesondere meine kleine Schwester. Den von den zwei Berliner Jungs noch nicht, die angesichts der weggeworfenen Becher an der Verpflegungsstelle  bemerken: „Die machen Kreuzberg ganz schön dreckig“. 

 

Na dann wollen wir mal den augenblicklichen km-Schnitt stoppen. Leider übersehe ich die km-Schilder 17 und 18, so dass die Uhr mir erst bei km 19 sagt, was einfaches Kopfrechnen auch ergeben hätte: Es wird wohl eine Zeit so um die 2.30.

 

Ein Bild fast so wie früher am Checkpoint Charlie: Russische Fahne, uniformierter Offizier mit Megafon, enger Durchgang zwischen Berlin Mitte und Kreuzberg: Tom Lustzeit heißt der wohl originellste Zuschauer an der Strecke,  der seine ganzen Russisch-Kenntnisse immer wieder ins Megafon schmettert: „Dawei, dawei“.

 

Schon sind wir auf der Spandauer Straße. Nur noch einmal ums Eck, noch wenige Meter bis ins Ziel. Ich versuche mich in  Zielnähe zu positionieren,um noch ein paar nette Bilder zu machen. Unmöglich, viel zu viele Zuschauer im Zielbereich und so bleiben die Tränen der Rührung, des Triumphes und des Erfolges beim Zieleinlauf von Dagi zumindest von mir unfotografiert. 2:30:34 steht dann auch bald auf  meinem Handy, danke für den kostenfreien Service, wem auch immer. Zweieinhalb Stunden für das erste Mal , vor allem unter den Rahmenbedingungen: nicht schlecht. Für den Marathon wird sie noch einige Kohlen auflegen müssen, aber das weiß sie auch selbst. Super Betreuung im Ziel, wie immer in Berlin: Wasser, Bier, Bananen, Massage.

 

Dani ist auch zufrieden, nach 8 Wochen Krankheit und Trainingspause wieder mit dabei. Wir treffen Danis Freund, klönen noch etwas und machen uns vom Acker.  Nächster Stopp auf dem Weg zum Marathon: Halbmarathon in Brüssel am 28. Mai. Erklärtes Ziel: die 1 vorne dran. Mal sehn.

 

 


 
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