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Laufberichte

Olne–Spa–Olne: 69 km und 2.359 HM

29.11.15

Wie üblich hatte ich mich etwas vorbereitet, um einen Artikel schreiben zu können und natürlich auch um zu wissen, auf was ich mich bei diesem Lauf einlasse. Eigentlich wil ich hier schon seit 20 Jahren laufen, doch immer kam was dazwischen. Oder schreckten mich die Gerüchte ab, die es gibt um diesen knallharten Lauf mitten in Winter?  So etwa stellte ich mir den Einstieg ins Thema vor: Der Ardennenklassiker im Tiefschnee mit minimaler Versorgung ist nur etwas für knallharte Trailläufer …..

Doch der Klimawandel hat den Schnee schon seit ein paar Jahren ins Reich der Geschichte verbannt. Heute ist es eine Schlammschlacht bei gemäßigten Temperaturen. Dazu kommt auch noch der politische Klimawandel mit Grenzkontrollen an der belgisch/deutschen Grenze.

All das soll und darf uns nicht aufhalten. So dachten wohl alle vorangemeldeten Teilnehmer. Also trafen sich mehr als 400 hartgesottene Ultra Trailrunner  in strömendem Dauerregen im ostbelgischen Örtchen Olne. Der Ort mit 3.800 Einwohnern ist dann doch so klein, dass der Veranstalter auch auf die Ausschilderung zur Anmeldung verzichtet hatte. Auch waren die Infos auf der Webseite (courirpourleplaisir.be)  recht spärlich; übrigens bedeutet dies „Laufe mit Spaß“.
Schon beim Eintreffen in Olne um 7 Uhr morgens stellt man fest, dass der Hinweis auf ein  wesentliches Trailrunner-Utensil für manchen Teilnehmer nicht schlecht gewesen wäre. Es ist natürlich noch dunkel und Straßenlaternen gibt es hier nicht. Zum Glück habe ich, wie viele andere,  meine Stirnlampe eingepackt. Die ist hier „lebenswichtig“. Doch dazu später.

Die 400 Läuferinnen und Läufer bringen die kleine Halle fast zum Bersten. Das große Interesse ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass es sich hier um einen echten Klassiker handelt. Werbung macht man keine. Trotzdem und ungeachtet des Mistwetters ist diese  Horde wildentschlossener Trailer in dieses verschlafene Nest gereist. Sie wollen nur eines: Spaß beim Laufen.

Die Startgebühren sind übrigens mit 15 Euro extrem niedrig. Es gibt daher auch keine Medaille, keine Urkunde und kein Tshirt, dafür aber Trailrunning pur. Die Anmeldung geht problemlos und dann beginnt das Warten auf den Start. Aufgrund des schlechten Wetters verzögert sich dieser um 15 Minuten, aber um 8.15 Uhr geht es los.

Schon bald vermisse ich meine Trailstöcke. Der tagelange Regen hat die Strecke in eine schmierige, extrem glatte Piste verwandelt und schon beim ersten Anstieg geht es zwei Schritte vor und einen zurück. Manchmal müssen Bäume und/oder Äste als Aufstiegshilfe herhalten. Ich bin wie üblich am Ende des Feldes und habe daher die schlechtesten Bedingungen. Allerdings brauche ich keine Markierungen, ich muss nur den Spuren im Matsch folgen. Das Wort des Tages lautet: „Merde“. Eigentlich heißt das „Scheiße“, aber es ist treffend.

Im Ernst, die Strecke ist mit weißer Kreide und rot/weißen Flatterband ausreichend gekennzeichnet. Leider sind die Bänder nicht reflektierend, was es im Dunkeln etwas schwieriger macht.  Und von der weißen Kreide ist vielerorts auch nichts mehr zu sehen. Der Matsch hat sie verschluckt. Aber als Trailrunner ist man auch Spurenleser …

Genug gemeckert, jetzt kommen wir zu den schönen Dingen. Laufen in ursprünglicher Natur ist angesagt. Darauf wird hier viel Wert gelegt. Die Natur (sprich: der Morast) klebt schwer an den Schuhen.  Kein Problem, denn der Veranstalter hat in weiser Voraussicht einige Bachläufe zum Durchqueren vorgesehen. Bei solchen Gelegenheiten kann man mal checken, ob man noch die Schuhe an den Füßen hat.

Der Rucksack ist gut bestückt, denn Verpflegungsstellen sind selten (es gibt nur nur 4) und bei der ersten nach 16 km gibt es nur Getränke. Erst bei km 32 und nach mehr als 5 Stunden wird die erste feste Nahrung gereicht. Die kann man allerdings mit einem Glas Rotwein runter spülen. Wir sind eben in Belgien und das gehört dazu.

Dann geht es wieder weiter. Orte werden nur tangiert und auf schnellstem Weg wieder verlassen. Daher ist es schwierig, den Streckenverlauf zu beschreiben. Oder einfach, es geht ständig durch ursprüngliche Natur und immer rauf und runter. Ab und zu taucht eine Kirche auf  und als absoluter Höhepunkt nach knapp 50 km das Chateau Franchimont in der Nähe von Thieux.

Schon von unten im Tal kann man das Chateau sehen. Es steht auf einem Felsvorsprung etwa acht Kilometer von Spa entfernt. Franchimont ist eine ehemalige Festung des Fürstbistums Lüttich. Den Ursprung der Burganlage bildete ein Bau aus dem 11. bis 12. Jahrhundert, der durch eine große Schutzmauer zu Beginn des 16. Jahrhunderts ergänzt wurde. Die erste schriftliche Erwähnung datiert von 1156 aus der Zeit Bischofs Heinrich II. von Lüttich. Aus älterer Zeit, dem 6. und 7. Jahrhundert, stammen fränkische Bestattungen und Grabbauten auf einem dem heutigen Ort benachbarten Hügel. Um 1650 wurde die Burg demilitarisiert, da sie durch die inzwischen entwickelte Artillerie-Technik von den benachbarten Hügeln angreifbar war. Danach diente sie meist als Gefängnis, aber auch als Sommerwohnsitz diverser Adeliger. 1676 befahl Ludwig XIV. die Zerstörung, was aber zum Glück nur teilweise erfolgte.

Dann sind wir auch schon wieder im Wald. Es ist erst 16.30 Uhr, aber es regnet immer noch und es ist sofort dunkel. Also Stirnlampe an. Ohne geht nichts mehr. Ein Kamerad aus Frankreich freut sich wie ein Junge, als ich ihn treffe. Er lässt mich nicht mehr aus den Augen. Später schließt sich ein Landsmann von ihm an, dessen Licht erloschen ist. In gelebter Deutsch/Französischen Freundschaft kommen wir ins Ziel.

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Leider ist wegen des immer stärker werdenden Sturms schon alles abgebaut. Aber warmer Tee ist noch für alle da. Und die Freude,  diesen harten Lauf bei diesen widrigen Bedingungen erfolgreich absolviert zu haben, ist sowieso das Wichtigste.

Insgesamt habe ich 12 Stunden und 11 Minuten gebraucht. 10 Teilnehmer kommen noch nach mir ins Ziel. Nur 40 haben aufgegeben.

Fazit: 95% Trail, 5 % fester Weg, 100% Lauffreude

 


 
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