marathon4you.de

 

Laufberichte

Von der Sonne verwöhnt

 

Ich freue mich auf einen Lauf bei ruhigem Herbstwetter. Lediglich die Temperaturen werden laut Wettervorhersage wohl zu hoch sein, um Bestzeiten zu erzielen. Der Frankfurt Marathon ist nach Berlin der zweite große internationale Marathon in Deutschland. Außer den 42 km und der Marathon-Staffel werden keine weiteren Strecken angeboten, abgesehen von den Kinderläufen. Die Anmeldezahlen sind auch nach Corona noch sehr hoch, lediglich bei den Staffeln fiel der Zuspruch verhaltener aus, was der Veranstalter damit erklärt, dass die Monate im Homeoffice die Motivation, als Firmen-Team an den Start zu gehen, offenbar gedämpft haben.

Judith und ich treffen am Samstagnachmittag in Frankfurt ein und fahren gleich zum Messegelände. In der Halle eins im zweiten Stock (1.3) gibt es die Startnummernausgabe und die Marathonmesse. Diese ist zwar etwas kleiner als zu Zeiten vor Corona, bietet aber immer noch viele Informationen über andere Veranstaltungen und natürlich auch viele Stände von Laufausrüstern.

Auch Nachmeldungen sind noch möglich, sogar mit namentlicher Erwähnung auf der Startnummer, die vor Ort ausgedruckt wird. Der große Plastikbeutel für die Kleiderabgabe enthält ein schönes Informationsheft und einige Pröbchen, so auch eine Packung Blasenpflaster, das sich bestimmt irgendwann als sehr nützlich erweisen wird. Am Stand von Krombacher wird kostenloses alkoholfreies Bier ausgegeben. Für die Pasta-Party gibt es Gutscheine für Nudelgerichte und Getränke und so finden wir uns bald in der Messehalle wieder. Auf der Bühne zeigen gerade die Cheerleader ihr Können.

 

 

Traditionell fällt der Marathon mit der Zeitumstellung zusammen, sprich aufs letzte Oktoberwochenende. Wir können also ausschlafen. Der Start ist auf zehn Uhr angesetzt, und wir sind wegen des S-Bahn-Takts auf unserer Linie schon recht früh da. Die öffentlichen Verkehrsmittel können mit der Startnummer als Ticket den ganzen Tag benutzt werden. Motorisierte werden in den Messeparkhäusern ähnlich gut versorgt, müssen aber zuzahlen.

Die Messe als Start- und Zielbereich ist wirklich gut gewählt, da man hier -zigtausend Sportler recht gut abfertigen kann. Bei der Taschenabgabe im ersten Stock ist auch genug Platz zum Umziehen. Sogar an den Startblöcken befinden sich noch Mobiltoiletten für ein Last-minute-Geschäft. Die Blöcke sind nach geplanter Zielzeit eingeteilt. Die hinteren Ränge, auf denen auch wir uns befinden, sind um 10:10 Uhr an der Reihe.

An den mit Gold unterlegten Startnummern erkennt man die „Marathon-Retter“. Sie haben durch Verzicht auf die Rückzahlung des Startgelds während der Pandemie den Fortbestand des Frankfurt Marathons mit ermöglicht. Auch Günther, unser Bekannter aus Linz, trägt so eine Nummer.

Kurz vor dem Ziel steht die Skulptur des „Hammermanns“. Das Kunstwerk des US-amerikanischen Künstlers Jonathan Borofsky gilt als Symbol für die Arbeit, die Tat und auch als Symbol für die Solidarität mit allen Menschen, die arbeiten. Für Marathonis kommt da noch eine andere Interpretation in Frage, meist ab Kilometer 30. Aus dem Läufer wird dann leider oft ein „Walking Man“. Und genau einen solchen hat Borofsky als Skulptur für die Münchner Leopoldstraße geschaffen.

 

 

Wir bewegen uns auf das Starttor zu, unter dem Jubel vieler Zuschauer drücken wir den Startkopf auf der Uhr. Ich freue mich auf bestes Sightseeing in Frankfurt. Die Innenstadt verändert sich wirklich schnell. Von meinem ersten Besuch sind mir die beiden Türme der Deutschen Bank in Erinnerung, die 1984 fertiggestellt wurden und an denen wir bald vorbeilaufen. Die Grünanlage, um die es nun herumgeht, entspricht der ehemaligen Wehranlage von Frankfurt. Eine drei Kilometer lange Schleife um das Westend mit seinen schönen Gründerzeitvillen steht danach auf dem Programm, bevor wir uns zum ersten Mal der Oper nähern. Hier begegnen sich zwei oder eigentlich

vier Laufabschnitte und natürlich ist hier auch eine Stimmungshochburg. Der Sprecher ist gut gelaunt und motiviert immer mal einzelne Läuferinnen und Läufer direkt.

Nun folgen drei Kilometer durch die Innenstadt. Die Fassade eines Abbruchgebäudes wird abgestützt. Hier sollen die nächsten Hochhäuser gebaut werden. Dicht an dicht stehen hier die Türme.

Die Hauptwache kann man wahrscheinlich als das Zentrum der Innenstadt bezeichnen. Der Sender Hr1 hat hier seinen Hotspot. Den Arbeiter-Samariter-Bund kann man beim Durchlaufen eines Spendentors unterstützen. Vor uns der Eschenheimer Turm. Als wir diesen umrundet haben, sehen wir einen noch verwaisten Verpflegungspunkt, der für Kilometer 40 vorgesehen ist. Andersherum an der Oper vorbei und dann ein Schleifchen nach Norden.

 

 

 

„Habe ich schon gesagt, dass man in Frankfurt immer leicht bergauf läuft?“ frage ich in die Runde. Stimmt natürlich nicht. Aber es kommt kein Widerspruch von den Mitlaufenden. An dem großen Gebäude der Universität  vorbei, dann tanke ich kurz am VP 10 auf. Die VPs sind immer gut organisiert, beschildert und viele helfende Hände reichen Becher mit Wasser, Iso-Getränken und Bananen an. Nun die Eschersheimer Landstraße hinunter. Rechts eine lange Schlange von Nichtläufern. Gibt es hier Freibier? Nein, hier warten brasilianische Bürger, um im Konsulat ihre Stimme für die Stichwahl des Präsidenten abzugeben.

Und schon wieder treffe ich einen Bekannten: Nach den Marathonsammlerinnen Kati und Helene nun die kölsche Stimmungskanone Dirk, heute unterwegs als einer der Zugläufer für 4:29 h. Am Staffelwechsel 1 kurz vor dem Main ist die Hölle los. Wer hatte behauptet, dass es diesmal viel weniger Staffeln gibt?

 

 

 

Wir queren den Main über die Alte Brücke und rechts kann man schon die Skyline bewundern. Das funktioniert nun für einen Kilometer. Dann drehen wir nach Sachsenhausen. Wieder so ein schönes Gründerzeit- und Ausgehviertel, bekannt durch seine typischen Äppelwoi-Lokale. Ich glaube mich zu erinnern, dass wir früher dort eine längere Strecke zurückgelegt haben. Heute sind wir schnell auf der Kennedy-Allee Richtung Südwesten. Die Sonne scheint schön und leider etwas zu warm durch das noch vorhandene Blattwerk. Auf drei schnurgeraden Kilometern sind fünf Motivationspunkte eingerichtet. Am VP gibt es erstmals Gel.

 

Einmal quer durch Niederrad. Hier und auf den nächsten 20 Kilometern stehen sehr viele Zuschauer an der Strecke. Für sie gibt es extra einen Strecken- und Fahrplan, damit sie schnell mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum nächsten Hotspot kommen können. Unter der A5 hindurch werden wir quasi in eine andere Welt „gebeamt“. Hier in Goldstein treffen wir auf eine Eigenheimsiedlung und deren Bewohner, die am Straßenrand ein Gläschen genießen. Wer es hier drauf anlegt, ist beschwipst, bis er ins Ziel kommt.

 

 

Abgelöst wird diese feuchtfröhliche Zusammenkunft von der Schwanheimer Party in der Martinskirchstraße. Dazwischen wurde die Halbmarathonmarke passiert. Ich bin eindeutig zu langsam: Fast bei jeder Bigband oder Blasmusik ist gerade Erholungspause angesagt, wenn ich vorbei komme. Die haben ja auch schon fast zwei Stunden Aktion hinter sich. Unter der Schwanheimer Brücke Technomusik. Unglaublich, welche Bässe man aus so kleinen Lautsprechern rausbekommt. Dann hinauf auf die Brücke. Ausblick auf den Main genießen und wieder hinunter. 2011 hörten wir hier aus Lautsprechern, dass Wilson Kipsang mit 2:03:42 den damaligen Weltrekord um nur vier Sekunden verfehlt hatte. Und wir waren dabei.

Höchst wartet auf uns, gewissermaßen ein „must-run“, da am 17. Mai 1981 vor dem Osttor des Hoechst-Werksgeländes der erste Frankfurt Marathon gestartet wurde, als einer der drei „Pioniere“ unter den deutschen Citymarathons. Ein Schleifchen durch Höchst bei km 27. Das Lindner Kongress Hotel hat sogar Bierbänke in die Auffahrt gestellt. Da herrscht Stimmung, die ein wenig dabei hilft, die Höhenmeter durchzustehen. Zwei Blasorchester, zumindest theoretisch. Aber wieder eine Niete. Da haben die vielen Sambagruppen schon mehr Durchhaltevermögen.

 

 

Wir überqueren die Nied und können unten am Fluss die dritte Staffelwechselstelle sehen. Da ist was geboten. Und viele, die jetzt ihre TeamkollegInnen ablösen sollen, kommen uns von der S-Bahnhaltestelle entgegen. Letztendlich füllen die Stafelläufer hier das Feld der Marathonis auf, so dass auch die Langsameren nicht alleine unterwegs sind. Der „Höchster Schwimmverein 1983“ widmet sich kurz danach musikalischen „Trockenübungen“. Aber ich sehe auch einen großen Grill. Da wird wohl auch was Flüssiges vorhanden sein.

Kurz vor Kilometer 30 schwenken Judith und ich auf die Mainzer Landstraße ein. Ich bin ziemlich erschöpft und versuche, dran zu bleiben. Es soll Teilnehmer geben, die diesen Streckenabschnitt verfluchen. Auf der Mainzer Landstraße gibt es viele Musikgruppen und Zuschauer, die uns mit Anfeuerungsrufen unterstützen. Außerdem gibt es Straßenbahnen, denen man zusehen kann, die A5, eine Eisenbahnbrücke - und schnurgerade ist die Straße auch nicht. Also Abwechslung gibt es durchaus und schon nach drei Kilometern wird es wieder städtischer mit einer schönen Baumallee. Bei km 34 biegen wir ins Gallusviertel ein.

 

 

Spannender wird es auf der Europaallee. Hier ist ein komplett neues Viertel mit Blick auf ein Einkaufszentrum und die Frankfurter Skyline entstanden. Wir sind wenige Meter vom Ziel entfernt, erkennbar auch an der Masse von MedaillenträgerInnen am Wegesrand. Aber die Euphorie hält sich noch in Grenzen, denn uns erwarten weitere 6,5 Kilometer Laufstrecke. Noch einmal in den Hochhausdschungel, der ein wenig Abkühlung bietet. Am Steigenberger Frankfurter Hof vorbei. Hinter uns das neunstöckige „Junior-Haus“, benannt nach seinem Bauherrn Kurt Junior, der eine Liegenschaftsverwaltung betrieb. Das markante Haus, das 1951 nach Plänen des Architekten Wilhelm Berentzen entstand, gilt als eines der bedeutendsten Gebäude der Wiederaufbauzeit.

Um den 47 m hohen Eschenheimer Wachturm aus dem 15. Jahrhundert herum. Der Graf d'Hédouville hat 1806 seinen Abriss verhindert, als die Stadtmauer der Erweiterung der Stadt zum Opfer fiel.

Judith und ich liefern uns schon seit einiger Zeit ein Rennen mit einem brasilianischen Läuferpaar, das barfuß unterwegs ist. Ich bin immer sehr begeistert von Menschen, die das können.

Dann also der VP 40, nun in Betrieb. Ich nehme das Angebot dankbar an. Die Kraft, hier durchzuziehen, habe ich nicht mehr. Durch die Fressgass mit Kopfsteinpflaster und endlich der Opernplatz. Der Sprecher hat noch immer Energie für Aufmunterungen.

 

 

Vom Platz der Republik ist es nur noch ein Katzensprung. Die Zuschauer stehen ab hier Spalier. Um den Messeturm herum schwenken wir auf die Festhalle ein. Die letzten Meter auf dem roten Teppich der Halle. Ein einmaliges, wenn auch kurzes, stimmungsvolles Highlight..

Viele Helfer unterstützen die Finisher beim Abstieg über die folgenden Treppenstufen. Draußen erhalten wir dann die schwere Medaille an einem kunstvollen Band. Den angebotenen Wärmeumhang, erst als unnötig empfunden, wird man später doch brauchen, besonders, wenn man sich auf dem Parkplatz an den zahlreichen Ständen bedient oder noch mit Bekannten fachsimpelt. Heute bleiben viele wegen des guten Wetters ein bisschen länger.

In der Halle 1.2 warten unsere Beutel schon auf uns. Wer will, kann im Erdgeschoss im Ladehof eine warme Dusche genießen. Hier ist viel Platz, und es stehen ausreichend Bänke und Tische zur Ablage der Utensilien zur Verfügung. Ein Reinigungswagen sorgt dafür, dass sich auf dem Untergrund keine Pfützen bilden. Perfekt. Und immer noch stehen Wasser und alkoholfreies Krombacher bereit. Was will man mehr?

 

Fazit:

 

Die Veranstalter des Frankfurt Marathons haben einmal mehr bewiesen, dass sie den zweitgrößten Marathon Deutschlands perfekt organisieren können. Die Zuschauer in den Stadtvierteln sind spitze!

 

Siegerinnen Marathon

 

1          Kaptich, Selly Chepyego (KEN)       02:23:11
2          Kiprop, Helah Jelagat (KEN)            02:24:40
3          Chepngeno, Jackline (KEN)             02:25:14

 

Sieger Marathon

1          Misoi, Brimin Kipkorir (KEN)          02:06:11
2          Mailu, Samwel Nyamai (KEN)       02:07:19
3          Ulfata, Derese Geleta (ETH)          02:07:30

 

7.948 Finisher

1.029 Staffeln

 

 

 

Informationen: Mainova Frankfurt Marathon
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024