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Laufberichte

ABGESAGT: ERINNERST DU DICH? (78)

 
Autor: Klaus Duwe

Zum wiederholten Mal wählten Leserinnen und Leser den Frankfurt Marathon zum beliebtesten City Marathon im deutschsprachigen Raum. Aber nicht nur bei Hobbyläufern und Breitensportlern steht der Marathon in der Mainmetropole hoch im Kurs, auch bei Spitzenläufern in aller Welt hat sich herumgesprochen, dass man auf der Frankfurter Strecke schnell laufen kann. Spätestens seit 2011, als bei der 30. Auflage Wilson Kipsang den Marathon in 2:03,42 Stunden lief und den Weltrekord um winzige 4 Sekunden verpasste (siehe Bericht auf M4Y), gehört der Frankfurt Marathon zu den führenden Marathonveranstaltungen weltweit.

Rekorde bin ich nie gelaufen, aber viel erlebt habe ich immer bei meinen Marathonläufen und gerne darüber berichtet. Hier ist mein Laufbericht aus 2011:

 

 

Der große Jubiläums-Marathon am Main

 

 

Wer sich seine Startunterlagen auf der Marathonmall beim Messeturm bereits am Freitag holt, kann sich in aller Ruhe über die neuesten Produkte rund ums Laufen informieren, Schnäppchen machen und sich bei den sehr zahlreich vertretenen Marathonveranstaltern aus erster Hand die letzten Neuigkeiten holen. Am Samstag ist es spätestens am Nachmittag mit der Gemütlichkeit vorbei. Auf der Messe herrscht ein Treiben, wie man es von den vielen Fachmessen, die es in Frankfurt gibt, kennt.

Rund 25.000 Läuferinnen und Läufer sind inklusive der Rahmenrennen beim 30. Frankfurt Marathon registriert, 15.000 alleine für den Marathon. Damit wird erstmals das Teilnehmerlimit erreicht und zwar vorzeitig! Der m4y-Marktplatz quillt über mit Suchanzeigen verzweifelter Läuferinnen und Läufer. Auf ebay werden Preise von über 260 Euro für einen Startplatz geboten. Eine richtige Hysterie scheint ausgebrochen zu sein.

Das war in Frankfurt nicht immer so. Deutschlands ältester Stadtmarathon dümpelte mehr schlecht als recht vor sich hin und rangierte hinter Berlin, Hamburg, Köln, München und dem Ruhrmarathon irgendwo im Mittelfeld. Der Orkan, der 2002 durch die Stadt wehte, als Jo Schindler erstmals mit der Organisation des Frankfurt Marathon betraut war, bekommt im Nachhinein Symbol-Charakter. Denn was seither mit dem Marathon in der Mainmetropole passierte, hätte als Buch Bestsellerpotential. Mein Titelvorschlag: „Wie aus einer grauen Maus ein strahlender Stern wird.“

 

 

Jo Schindler fasst sein Erfolgsrezept so zusammen: „Mir war klar, dass Frankfurt ein emotionales Highlight und ein Alleinstellungsmerkmal benötigt, um wieder zu alter Größe und Strahlkraft zurückzufinden. Das setzen wir mit dem Zieleinlauf in die Festhalle seit 2003 um. Des Weiteren stellen wir unsere Kundschaft in den Fokus unserer Überlegungen. Unsere Kunden sind die Läufer, die Partner und Sponsoren sowie die Stadt Frankfurt. Der Marathon muss für alle optimalen Nutzen bringen, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Kundenorientierung ist eine Binsenweisheit des modernen Managements.“

Gesagt ist sowas ja schnell. In Frankfurt spürt man aber, dass danach gelebt und gehandelt wird. Nirgendwo habe ich bisher eine Show wie die am Vortag in der Festhalle erlebt, die trotz aller Professionalität und Klasse immer noch ganz simpel „Nudel-Party“ heißt. Bei den vielen Interviews, Show-Acts und Informationen gerät das Carboloading fast zur Nebensache. Und dass das Ganze auch noch im Startgeld enthalten ist, ist schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr.

„Wir feiern Jubiläum und Ihr bekommt das Geschenk.“ Nach diesem Motto bekommt jeder Teilnehmer seine Startnummer in einem schicken Rucksack überreicht. Auch kein schlechter Zug des Veranstalters, das Geld des Sponsors auf diese Weise anzulegen.

Aber das ist nur die eine Seite. Der Frankfurt Marathon ist ja als eine leistungssportliche Veranstaltung entstanden, die sich allerdings international kaum messen konnte. Als Herbert Steffny 1985 z. B. in Frankfurt in 2:12:12 Stunden gewann, lief zuvor der Portugiese Carlos Lopes in Rotterdam genau 5 Minuten schneller und damit Weltbestzeit.

Als unter Jo Schindler der in Berlin lange Jahre für die Topathleten zuständige Christoph Kopp die Verantwortung für die Eliteläufer übernahm, änderte sich das. Durch Boaz Kimaiyo wurde 2003 erstmals die 2:10 unterboten und 2007 setzte Wilfred Kigen mit 2:07:58 bei seinem dritten und letzten Sieg in Frankfurt neue Maßstäbe. Im gleichen Jahr hatte Haile Gebrselassie in Berlin den Weltrekord auf 2:04:26 verbessert.

In den Jahren 2009 und 2010 verbesserten die bis dahin kaum in Erscheinung getretenen Gilbert Kirwa (2:06:14) und Wilson Kipsang (2:04:57) die Streckenrekorde um jeweils über eine Minute und in Sichtweite des Weltrekordes, der seit Berlin 2011 durch Patrick Makau bei  2:03:38 steht. Frankfurt ist in der Weltspitze angekommen und wird keineswegs belächelt, als für das Jubiläumsrennen eine Prämie in Höhe von 50.000 Euro für einen neuen Weltrekord ausgelobt wird. Es findet sich auch gleich ein Läufer, der das Unvorstellbare auszusprechen vermag. „Ja“, sagt Wilson Kipsang, „ich will in Frankfurt Weltrekord laufen.“

Es wird an der Strecke gebastelt, ein paar Kurven herausgenommen, Höhenmeter eliminiert und ein attraktives Elitefeld zusammengestellt. Denn eine One-Man-Show wie andernorts soll es in Frankfurt nicht geben.

Dass sich ganz nebenbei mit Günter Weidlinger, Christian Pflügl, Roman Weger und Andrea Mayr fast die gesamte Österreichische Marathonelite versammelt, spricht auch dafür, dass sich Frankfurt international einen Namen gemacht hat. Auch Deutschlands viel gescholtene Marathon-Asse wollen versuchen, die Olympianorm zu schaffen. Die 2:30 bei den Frauen kann Irina Mikitenko bereits nachweisen, Sabrina Mockenhaupt und Susanne Hahn werden heute folgen.

Ganz nach dem Geschmack aller Beteiligten sind auch die äußeren Bedingungen. Ruhiges Herbstwetter ist angesagt. Dass es in der Nacht geregnet hat und die Straßen am Morgen noch etwas nass sind, kann den Rekordjägern allerdings ein paar Sekunden kosten.  Aber es ist fast windstill und das ist in der Bankenstadt nicht unwichtig, so sich in den Häuserschluchten ein laues Lüftchen schon mal zu kräftigem Gegenwind steigert.

 

 

Die Stimmung vor dem Messeturm ist super. Nervosität bei den Spitzenläufern, bei denen es um Rekorde, Qualifikationen und Moneten geht, und bei den vielen Rookies, die sich Frankfurt für ihren ersten Lauf über 42,195 km ausgewählt haben. Erst nach dem Startschuss setzt die Musik ein: „Keep on Running“, die Hymne der Spencer Davis Group aus den 60ern. Auf geht’s, zum großen Jubiläumslauf.

15.000 Teilnehmer -  jeder bringt zwei Begleiter mit. Und die stehen hier rechts und links der Straße und toben wie die Verrückten. Zunächst geht es nur zögerlich vorwärts, dann wird gerannt, was geht. In der Kurve beim Platz der Republik zieht es einem nach innen, der Rhythmus der Trommler wetteifert mit dem Pulsschlag. Die Vernunft siegt. Ich such mir ein Plätzchen am Streckenrand und mache Fotos. Es ist der Wahnsinn. Die Ersten kommen uns bereits auf der Gegenbahn entgegen, 3 km für sie, 1 km für uns.

Vor dem Westend Tower ragt die umgedrehte Krawatte Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen aus der Läufermaße, vor uns tauchen die Türme der Deutschen Bank auf. Gleich ändern wir die Laufrichtung, „Soll“ und „Haben“, so nennt man die Türme, geben jetzt ein ideales Motiv ab. Das Zeltlager der Protestierer vor der  Europäischen Zentralbank ist kaum zu sehen. Dafür die Trommler umso besser zu hören.

 

 

Unsere erste Runde durchs Bankenviertel ist kurz, nach 4 Kilometern sind wir im vornehmen Westend und laufen Richtung Palmengarten. Bevor es die Bockenheimer Landstraße wieder stadteinwärts geht, kommt die erste Verpflegungsstelle. Schnell hat man sein Getränk, denn an langen Tischreihen kann man sich beidseitig der Straße bedienen.

Unsere zweite Runde durch die Innenstadt ist etwas ausgiebiger und schließt zum ersten Mal auch die Alte Oper mit ein. Fast könnte man sagen, hier schlägt das Herz des Frankfurter Marathons. In zwei Richtungen wird der Opernplatz passiert, den eine riesige Menschenmenge bevölkert. Das Renngeschehen wird auf eine Großleinwand übertragen und fachkundig von hr1-Mann Kai Völker kommentiert. Trotz Laufen und Fotografieren, der Genuss kommt nicht zu kurz.

Unter Trommelwirbel geht’s in die Goethestraße. Nur wer teure Marken zu verkaufen hat, kann sich hier einen Laden leisten. Beim Goetheplatz werde ich zurückgepfiffen. Ich will ein Foto mit der Statue unseres großen Dichters machen,  verlasse dazu die Strecke  und werde prompt für einen potentiellen Abkürzer gehalten. Alles ok, ich bin wieder in der Läuferschlange. Ich will doch nicht Bloco X verpassen, die besten und lautesten Sambistas, die ich je an einer Marathonstrecke erlebt habe. Ich mache jede Wette, im ehrwürdigen Frankfurter Hof (km 7) gegenüber klappert das edle Porzellan in den Vitrinen. Das ganze Viertel bebt.

Fast ist man froh, dem Inferno zu entrinnen. Der Geräuschpegel sinkt. An der Hauptwache kommentiert in gewohnter Manier Artur Schmidt das Geschehen. Hinterm Kaufhof erheben sich die geknickten Fassaden des Nextower und des erst im August eröffneten Jumeirah Hotels. Beides gehört mit dem Einkaufszentrum MyZeil und dem Palais Thurn und Taxis zum Palais Quartier. Frankfurt hat Konjunktur.

 

 

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Impressionen aus 2018

 

 

 

Nach den neuen Türmen der Stadt kommen wir zu einem ganz alten, dem Eschenheimer Turm (km 8). Zum Glück hat jetzt unser Joe aufgeklärt, wie es zu dem Wirrwarr mit Eschersheimer und Eschenheimer kommt, obwohl immer ein und dasselbe bezeichnet wird,  der Stadtteil Eschersheim.  Alle Objekte, die außerhalb der ehemaligen Mauern liegen, bezeichnet man als Eschersheimer, alle Objekte innerhalb der ehemaligen Mauer als Eschenheimer. Ich sag’s ja immer, laufen bildet. Und Bier macht nicht dumm.

Eigentlich hieß sie Kalbächer Gasse, aber weil schon immer Metzger, Bäcker, Delikatessenhändler und Restaurants hier ihr Domizil hatten, nannten die Frankfurter sie einfach Fressgass. Irgendwann wurde das der offizielle Name für das kurze Straßenstück vor dem Opernplatz.  Die Fressgass ist gepflastert, deshalb wird sie den schnellen Läufern weniger gefallen als uns hier hinten im Feld. Wir lassen uns von den vielen Leuten in den Straßenkneipen und –Cafés unterhalten und ich entdecke die in Stein gehauene „Große Liegende“.

 

 

Das Marathonfest auf dem Opernplatz ist voll im Gange. Wir laufen jetzt nordwärts zur Universität. Täusche ich mich, oder steigt die Straße an? Muss so sein, denn die Eschersheimer Landstraße in Gegenrichtung hat eindeutiges Gefälle. Noch einmal kommen wir zum Eschenheimer Turm (km 11,5), diesmal mit dem Palais Quartier im Hintergrund.

100 Musikgruppen, so wird geschrieben, sollen an der Strecke aktiv sein. Ob’s stimmt? Ich weiß es nicht. Jedenfalls hat man nie länger als 5 Minuten Ruhe. Dann gibt es wieder auf die Ohren. Und wo Musik ist, sind auch Fans. Und die sind gut drauf.

 

 

Als nächster Höhepunkt wartet die Alte Brücke (km 13) auf uns, das Wahrzeichen des Frankfurter Marathons. Von hier hat man einen sagenhaften Blick auf Skyline und den Dom. Deshalb stehen auf dem ersten Stück auch mehr Fotografen als Zuschauer, die sich erst in der Kurve sammeln, wo die Läufer zum Mainufer abbiegen.

Grausige Geschichten gibt es von der Alten Brücke zu erzählen. Im Mittelalter wurden Todesurteile auf verschiedene Arten vollstreckt. Diebe, Kindsmörder und   Blutschänder wurden in Frankfurt ertränkt. Als Hinrichtungsort wählte man die Alte Brücke. Man fesselte sie und beförderte sie auf einem Brett in den Main, wo sie in der starken Strömung sofort ertranken. Meist wurden sie erst außerhalb der Stadtgrenzen wieder ans Ufer gespült. Um die Leichen brauchte man sich also nicht mehr zu kümmern.

 

Wir sind in Sachsenhausen, größter Frankfurter Stadtteil und Heimat des Äppelwoi. Das Frankfurter Nationalgetränk und der „Bembel“, aus dem er ausgeschenkt wird, wurden bundesweit durch die TV-Sendung „Zum Blauen Bock“ mit Otto Höpfner und später Heinz Schenk bekannt. Schon Griechen und Römer kannten den Apfelwein, er war das Getränk der armen Leute. In besseren Kreisen trank man auch am Main lieber den Rebensaft. Als aber durch klimatische und politische Einflüsse der Weinbau aus der Region verschwand, kultivierte man wie sonst nirgendwo anders den Apfelwein.

Ich bin sicher, auch in der Nobelherberge „Villa Kennedy“, gleich hier an der Kennedyallee gelegen, gibt es das Stöffche. Vielleicht nicht aus `nem Bembel, sondern aus einem 0,2 l Desinger-Fläschchen. Wer hier mal frühstücken will, mit 32 Euro inklusive Prosecco bis zum Abwinken ist man dabei. Warmer Tee ist auch nicht schlecht. Den gibt es kostenlos an der Verpflegungsstelle gleich gegenüber. Wasser, Rosbacher Sport und Bananen ebenfalls.

Ein Drittel der Strecke haben wir absolviert. Zwei Kilometer geht es jetzt auf der vierspurigen Straße schnurgeradeaus. Herbstlich gefärbte Bäume säumen die Strecke, lärmende Zuschauer sind jetzt eher selten. „Kein Weg ist zu veit“, teilt uns ein Fan mit. Und das Straßenverkehrsamt appelliert an alle Völker und Läufer: „Durchhalten!“ Ein Trachtenpaar meint zu wissen, dass da noch was geht.

Durch’s Tor beim Frauenhof geht jedenfalls nichts. Das ist wegen einer Baustelle gesperrt, Umleitung nach Niederrad. Endlich wieder Trommler, Bloco Baiano nennen sie sich. Durch die Unterführung und gleich sind wir wieder auf der bekannten Strecke. Ich werde unruhig, schaue zur Uhr. Nein, meine Zeit interessiert mich nicht. Aber die Ersten sind im Ziel. Ich will wissen, ob es geklappt hat mit dem Weltrekord. Martin Westermann moderiert beim Astro Park, der weiß bestimmt Bescheid. Kurze Frage, knappe Antwort, langes Gesicht. Einziger Kommentar: „Scheiße!“ 4 Sekunden. Eins, zwei, drei, vier – auf 42,195 km! Um vier Sekunden den Weltrekord verpasst. Sport ist grausam. „Lass uns aufhören“, meint Heike.

 

 

Wenn man von der Autobahn auf die Verwaltungstürme von Niederrad schaut, kann man daran nichts Schönes finden. Läuft man jetzt beim Marathon durch diese Gegend, bekommt man ganz andere Eindrücke. Zwischen den Türmen ist viel Grün und bunt gefärbtes Laub. Trostlos sieht anders aus. Und dann sind da noch die Schrebergärtner, die ihr Frühstück am Marathontag an der Strecke zu sich nehmen. Zu Hausmacher Blutwurst, leicht angeräuchert, sage ich ja, zu Rotwein nein. Gleich kommt die nächste Verpflegungsstelle. Warmer Tee ist mir lieber.

Schwanheim, die Martinus Gemeinde meint: „Noch 21 km hoffen und beten“. Ich meine: Das kann nicht schaden, aber Laufen nicht vergessen. Einer enttäuscht mich heute. Heinz Berg, der jahrelang einbeinig und mit Querflöte einen auf Ian Anderson machte, hüpft mit rot/schwarz-kariertem Mantel umher und gibt Deep Purple zum Besten. Und das zum Jubiläum. Er ist so vertieft in seinen Gesang, dass mein Protest nicht zu ihm dringt. Dann halt nächstes Jahr wieder „Locomotive Breath“.

 

Auf der Schwanheimer Brücke (km 24) gibt es „Keep on running“, live und klasse gespielt von einer Cover Band. Entlang der Bahnlinie laufen wir nach Höchst (km 27). Schön, dass die Veranstalter aus Tradition den Marathon weiterhin dahin bringen, wo 1981 mit dem „Stadt-Marathon Hoechst-Frankfurt“ alles begann. Start war vor den Toren der Farbwerke Hoechst, die Strecke führte schon damals nach Frankfurt über die Alte Brücke und zurück nach Höchst.

 

 

Die Bewohner danken es. Sie stehen zu hunderten an der Straße und feiern die Marathonis, die nach einer kleinen Schleife in Richtung Nied verlassen. Hier wechseln auch wieder die Staffeln ihre Akteure. Wie schon zuvor sind die Wechselzonen so gewählt und eingerichtet, dass man als Marathoni kaum was davon merkt, schon gar nicht wird man irgendwie behindert.

Manches ist wie immer. Die vielen Zuschauer zum Beispiel, die tolle Stimmung und der traurige Clown. Sogar sein Outfit ist gegenüber dem letzten Jahr unverändert: Gelbe Hose, rotes Hemd, rote Perücke. Wortlos winkt er mich zu sich, drückt mir eine rote Nase ins Gesicht, nimmt mir den Fotoapparat ab, gibt ihn einem Passanten und sagt: „Abdrücken!“ Lachen müssen dabei nur die Zuschauer und ich. Er nicht. Auch die Trommler sind die gleichen und sogar die Sträucher am Straßenrand sind genauso schön gefärbt wie letztes Jahr.

Km 30, jetzt kommt der Streckenabschnitt, wegen dem viele Läufer auf die Wallfahrt nach Höchst verzichten könnten. Die Mainzer Landstraße, das sind 4 schnurgerade Kilometer ohne großartige optische Reize. Mentale Stärke ist hier gefordert, oder Zuspruch. Helga hat Glück. Sie läuft heute ihren ersten Marathon. Heike hat schon etwas mehr Erfahrung. Sie legt den Arm um sie und redet pausenlos auf sie ein. „Nicht aufgeben“, „Denk an das gute Gefühl, wenn Du es geschafft hast“, immer mehr solche Worte fallen ihr für die Freundin ein. Helga nickt stumm und läuft wieder 100 Meter. Von Krämpfen geplagte Kameraden machen Dehnübungen. Keiner gibt auf. Dann kommt Gerd, der rüstige M75er, Markenzeichen 100MC-Shirt und rote Handschuhe. Ob der schon 100 Marathons hat? Einer fragt. Gerd sagt seine Zahl (es sind bald 400), es ist still. Man sieht ihm die Jahre nicht an und nicht die Anstrengung. Jeder und jede reißt sich zusammen. Es geht weiter.

 

 

Etliche Musikgruppen haben sich auf der Straße der Leiden postiert, um die Marathonis am Laufen zu halten. Und einmal ist auch das vorbei. Der Pumuckl markiert vor einer Kneipe das Ende der Durststrecke.  Von der Frankenallee hat man einen schönen Blick auf den Messeturm. Davor ist eine riesige Baugrube. Hier entsteht das größte Einkaufszentrum Europas.

Noch 7 Kilometer. Wieder das Bankenviertel. Die Gegenbahn ist wesentlich belebter als unsere Seite. Links die Krawatte, vor uns die Türme der Deutschen Bank, dann die Alte Oper, dann die EZB. Das Läuferfeld ist lichter, man sieht jetzt das Zeltlager der Protestierer. Bloco X spielen gerade ein melodiöses Stück und dreschen erst wieder auf ihre Trommeln ein, als wir vorbei sind. Das Viertel bebt noch immer. An der Hauptwache erklärt Artur Schmidt den Zuschauern gerade, warum Frauen so gut Marathon laufen.

 

 

Mir scheint, an jeder Ecke wird getrommelt. Noch einmal der Eschenheimer Turm, die Börse, Fressgass und wieder die Alte Oper. Es wird noch immer gefeiert. Am Platz der Republik dann endlich die Zielgerade. Aber die ist lang. 700 Meter bis zum Messeturm und dem Hammering Man, dann heißt es „ab in die gudd Stubb“. Auf dem roten Teppich geht es in die Festhalle, Applaus, bunte Spots, Jubel. Emotion pur.

In Folie gepackt wird der zu recht viel gelobte Versorgungsbereich erreicht. Zuvor gibt es die wohlverdiente Medaille. Gut, dass die Wege in Frankfurt kurz sind. Gleich ist man in der Messehalle, nimmt sein Gepäck in Empfang und schon steht man unter der warmen Dusche.

 

Auf Wiedersehen beim Mainova Frankfurt Marathon am 31.10.2021

 

Informationen: Mainova Frankfurt Marathon
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