57 Mal wurde der Schwarzwald Marathon ausgetragen und damit ist man mit an der Spitze, wenn es darum geht, welcher Marathon der älteste ist. Hinter dem Essener Marathon (auch an diesem Wochenende) und dem Göltzschtal Marathon in Lengenfeld (Sachsen) liegt er in diesem Ranking auf Platz 3. 1968 wurde die Veranstaltung vom SV Donaueschingen und dem TuS Bräunlingen ins Leben gerufen.
Seit einiger Zeit organisiert die LSG Schwarzwald Marathon den Event, bei dem man auch über Halbmarathon, über zehn und fünf Kilometer und als Staffel an den Start gehen kann. Auch für Schüler gibt es ein Angebot und für Staffelläufer auf der klassischen Distanz ebenfalls.
Einen neuen Weg ging man 1968, als Frauen erstmals offiziell bei einem Marathon teilnehmen konnten. Noch ein Jahr zuvor geschah es in Boston, als der damalige Race Director die als K. V. Spitzer gemeldete Kathrin Spitzer versuchte, ihr die Startnummer zu entreißen. Ein Mitläufer kam ihr zu Hilfe und wehrte den forschen Race Director ab. Um die Voraussetzungen für die Teilnahme von Frauen zu schaffen, legten die pfiffigen Schwarzwälder die Sollzeit für die 42,195 Kilometer auf zehn Stunden fest. Und „vergaßen“, den Teil der Ausschreibung, die die Läuferinnen betraf, an den Verband zu melden.
Der DLV vergab dann folgerichtig im Jahr 1975 die erste Deutsche Meisterschaft im Marathon nach Bräunlingen. Christa Vahlensieck holte sich damals den Meistertitel in 2.45.43 Stunden. Ich glaube, das Geschrei unter den Marathonis wäre groß, wenn man heute eine Deutsche Meisterschaft auf so einer hügeligen Strecke austragen würde.
Doch so schwierig ist der Kurs gar nicht, denn du startest auf einem Niveau von 700 Meter. Die 300 Höhenmeter müssen auf den ersten 17 Kilometer erlaufen werden. Auf der Höhenlage von 900 bis 1000 Meter verbleibt man etwa bis Kilometer 27, 28. Wer sich seine Kräfte gut eingeteilt hat, kann dann die letzten 14 Kilometer zurück zum Ziel hinunterbrettern.
Vor genau zehn Jahren bin ich hier auf der Marathondistanz unterwegs gewesen und habe dafür rund 3.45 Stunden gebraucht. Eine Zeit, von der ich jetzt, zehn Jahre später, nur noch träumen kann. Wir werden ja alle älter und sporteln soll man, solange man noch einigermaßen geradeaus laufen kann. Ja, die ersten Zipperlein im Alter haben mich auch schon erwischt und da kommt es gerade recht, dass für eine Reportage auf Marathon4you zur Not auch mal der Halbe reicht. Einen vollen könnte ich jetzt (noch) nicht.
Meine Anreise geht wie immer mit der Bahn. Einen geplanten Zwischenstopp lege ich in Samstag in Ulm ein, um dort den Friedrichsau parkrun zu besuchen und zu laufen. Etwas zu schnell bin ich dort unterwegs, knapp unter 27 Minuten für die fünf Kilometer. Danach geht es dann über den Bodensee weiter bis Donaueschingen und die letzte Etappe bis Bräunlingen geht es mit dem SEV, also dem Schienenersatzverkehr. Alles pünktlich, somit kann ich nicht auf die Bahn schimpfen.
In der Stadthalle ist alles gerichtet. Es gibt Kuchen und Kaffee, eine Maultaschenparty (kostenpflichtig) und eine kleine Laufmesse. Beim Empfang der Startunterlagen gibt es keine Wartezeiten und alle Läufer können sich als Dreingabe auf ein paar Laufsocken von Falke freuen. Unterkünfte sind zwar lange ausgebucht, aber wer keine großen Ansprüche stellt, kann sich in der Sporthalle einquartieren. Da sehe ich nur wenige Leute, die ihre Matten und Schlafsäcke schon ausgebreitet haben. Dort ist für den Folgetag auch eine Massagemöglichkeit eingerichtet und die Kleider kann man dort auch während des Laufes abgeben. Ach ja, ein touristisches Angebot steht auch, denn für die Läufer bietet man eine Stadtbesichtigung ab. Kostenlos, was will man mehr. Das nehme ich in Anspruch.
Für die Stadtbesichtigung erwartet uns eine Stadtführerin am Tourismus-Büro. Rund 20 Leute, leider nicht mehr, haben sich eingefunden. „Willkomme in Brilinge“, so werden wir im alemannischen Dialekt begrüßt. Und dann werden wir mit Daten, Fakten und Geschichten unterhalten. Bräunlingen liegt an der Breg, einem der zwei Quellflüsse der Donau und auf die Frage, woher wir kommen, gebe ich zur Antwort: „Ein Unterlieger, Neuburg an der Donau“. Knapp 6000 Einwohner zählt das Städtchen, das zum Landkreis Schwarzwald-Baar gehört, zum Bezirk Freiburg und damit zu Baden. Uns werden auch Zusammenhänge der Geschichte erklärt, die Verbindung mit dem Geschlecht Fürstenberg und den Habsburgern. Letztere sind der Grund, warum die Stadt katholisch geprägt ist. Das erfahren wir vor der großen Stadtkirche „Unsere Liebe Frau vom Berge Karmel“.
Bis zum 20. Jahrhundert war Bräunlingen landwirtschaftlich und handwerklich geprägt und die Stadt konnte sich so eigenständig unterhalten. Man hatte Holz aus dem Schwarzwald, nutzte die Felder und erntete die vielen Streuobstbäume ab - auch heute noch. Mit diesem Satz werden wir auf ein Schnäpschen Selbstgebranntes eingeladen. Der schmeckt halt ein wenig „rass“ nach meinem Befinden, aber ich höre mich nicht nein sagen zum kleinen Umtrunk.
Überhaupt ist das Städtchen sehr sehenswert. Im Stadtkern sehen wir zahlreiche historische Brunnen, das Mühlentor (als letztes von früher vier Stadtzugängen) und den Kelnhof. Auch wird uns die alemannische Fasnet nähergebracht. Nach 1,5 Stunden ist die Führung beendet und ich diesbezüglich auch am Ende.
Nach einer geruhsamen Nacht ohne Schnarcher gibt es ein Frühstück in der Sporthalle, wo sich schon die ersten Sportler einfinden. Die Nachmeldeschalter haben gut zu tun. Für beide Renntage sind mehr als 4000 Meldungen verzeichnet und das ist Rekord. Dazu noch Kaiserwetter am eigentlichen Renntag. Zwar ist es noch empfindlich kühl am Sonntagmorgen, aber keine Wolke am Himmel.
Nach dem Frühstück mache ich mich dann in der Sporthalle fertig, kurze Hose und am Oberkörper zwei dünne Schichten, das reicht völlig. Ich verlasse die Halle und marschiere zum Startplatz vor der Stadthalle, denn um 09.30 Uhr machen sich die rund 500 Marathonläufer auf ihren Weg. Und mit dieser Zahl setzt sich die positive Tendenz der Teilnehmer beim Marathon fort. In den letzten Jahren schwankte diese um die 300.
30 Minuten später werden dann die Teilnehmer zur Landesmeisterschaft beim Halbmarathon aufgerufen und wenige Minuten später darf dann das gut 1600köpfige restliche Feld kurz nach 10.00 Uhr folgen. Die Startaufstellung erfolgt laut Hinweisschilder mit zu erwartenden Zielzeiten. Kontrolliert wird das nicht, man appelliert an den Verstand der Läufer. Und so geht es dann für mich mit einer guten Minute nach dem Startschuss über die Startlinie, die Uhr ist gedrückt. An den Absperrgittern der Schulstraße und danach in der Kirchstraße stehen applaudierend sehr viele Einheimische und Laufangehörige bereit. Fast wie bei einem Stadtmarathon. Die Schwarzwälder sind schon in Fahrt, bevor wir überhaupt warmgelaufen sind.
„Der Kessel muss brennen“ und "Lön's dabbe" lese ich auf einem der vielen Motivationsschilder. Die Kirchstraße wird geprägt durch die Stadtkirche, die von Stadtpfarrer Carl Alois Metz geschaffen wurde, der im Zeitraum 1876 bis 1906 hier wirkte. Die sechs Glocken sind auf der Baar weit hinaus zu hören. Vorbei am Rathaus laufen wir auf das bereits erwähnte Mühlentor zu. Auf der Höhe des Tores rennen wir links in die Zähringer Straße und haben wenig später Äcker und Wiesen vor uns.
Auf dem asphaltierten Feldweg hat nun das Feld Zeit sich zu sortieren. Das ist auch nötig bei den vielen Läufern. Aber den meisten geht es hier nicht um Bestzeiten, sondern darum, einen kurzweiligen, sportlichen Tag mit Gleichgesinnten zu erleben. Viele kleine Grüppchen machen ihren Weg ratschenderweise. Das finde ich gut.
Kilometer drei, wir tangieren den Stadtteil Bruggen, von dort sehe ich den Turm der Kapelle. Am Abzweig stehen wieder einige Leute, ein kleines Stimmungsnest, das auch eine musikalische Unterstützung für uns darbietet. Und nun steigt unser Kurs unmerklich an, nur ganz sacht. Aber einer aus dem Feld sagt seinem Nachbarn: „Mein Puls ist zu hoch“. Nun, das schiebe ich auf die Steigung und das lasse dem Besorgten wissen. Später endet der asphaltierte Untergrund und wir tauchen in den Wald ein, um diesen nach einem kurzen Intermezzo wieder zu verlassen.
In der Ferne sehen wir dann den Hubertshofen. 100 Meter liegt die im Jahr 1352 erstmals urkundlich erwähnte Gemeinde höher als unser Ausgangspunkt am Start in Bräunlingen. Durch die Höhenlage ist dort auch Wintersport möglich. Dann wartet die erste Verpflegungsstelle, sie ist mit vielen Helfern gut organisiert. Links sind die Tische aufgebaut, mit ausreichend Abstand zueinander. Neben Wasser erhalten wir Iso, warmen Tee und sogar Bananen.
Die sanfte Steigung bleibt uns erhalten, als wir erneut ein Waldstück erreichen. Mal geht es rechts ab, mal links. Die Kreuzungen sind teilweise dreifach markiert: mit Kreide am Boden, mit Absperrband und mit Hinweisschildern. Wer sich da verläuft, braucht einen Blindenhund. Sehr vorbildlich. An den Kreuzungen im Wald warten immer wieder vereinzelt Angehörige der Läufer oder vielleicht auch Anwohner der mittlerweile außer Sicht geratenen Ortschaften. Diese sind mit Rädern gekommen und schwenken stolz die rot/gelben Badischen Fahnen. Dann wartet auch schon die zweite Tanke und später eine Zeitmatte.
Auf einer Kreisstraße laufen wir weiter bis zur Streckenteilung. Die Halben bleiben auf dem Asphaltband, die Marathonis sind hier längst nach rechts auf ihre Zusatzschleife abgebogen. Ein wenig wellig ist die Straße, aber bald biegen wir auf einen Waldweg ab. Der Himmel ist jetzt leicht hochnebelartig bedeckt, was aber nicht lange so bleibt.
Der Wald endet auf dem Ameisenweg, wenig später steil hinunter nach Unterbränd, auch zu Bräunlingen gehörend. Der Ferienort liegt auf einem Südhang des Schwarzwaldes und wird gerade wieder von der Sonne verwöhnt. Am Wegesrand sitzen zwei Neugierige in ihrem Biergarten, eine Holzbank und ein kleiner Holzrundling, der als Biertisch dient. Sie klatschen uns weiter. Unten an der Kirche St. Anna (Kilometer 13) wieder das gewohnte Bild: Viele Zuschauer und, daran kann ich mich erinnern, eine Kapelle, die uns mit Musik, zwar etwas schräg, aber schmissig, unterhält und motiviert.
Hier an der Kapelle stoßen die Marathonis zu uns auf die Strecke. Gemeinsam können wir die großzügige Verpflegungsstelle genießen. Ich greife mir einen Becher Cola und laufe dann weiter. Die Brennerei hat geschlossen, die Betreiber laden aber einer Besichtigung am nächsten Wochenende ein. Was mir nun auffällt: Laufen boomt, auch im Schwarzwald. Viele junge Leute, Mädels und Jungs sind auf der Strecke. Mir gefällt’s.
Der anfangs geteerte, später gut befestigte Wanderweg macht das Rennen leicht. Wegen dem leichten Gefälle rollt es fast von alleine, trotz der 14 bereits gelaufenen Kilometer. Zwischen den Bäumen erblicke ich den unten liegenden Kirnbergsee, ein beliebtes Ziel zum Spazierengehen und im Sommer zum Baden. Dann heißen uns einige Feierbiester in ihrer Partyzone willkommen. Hauptattraktion ist ein Tisch mit alkoholischen Köstlichkeiten. Es soll sich um Aperol und Schnäpsle handeln? Fake oder real? Ich hab’s nicht probiert. Wohl aber das ebenfalls angebotene Hopfengebräu. Es folgen meine schnellsten Kilometer des Tages, was aber auch am Gefälle liegen kann.
Der Wald endet und an einer halb abgesperrten Kreisstraße erreichen wir Waldhausen, letzte V-Stelle und nur noch gut drei Kilometer. Drei Floriansjünger sitzen auf ihrem Einsatzfahrzeug. Der Führende beim Marathon wird von einem Vorausradler lautstark angekündigt, der Zweite liegt weit zurück. In der Ferne ist die markante Turmspitze der Stadtkirche von Bräunlingen bereits zu sehen. Der Waldhäuser Weg bringt uns schließlich an den Stadtrand, gleichzeitig wird es bei mir nun deutlich zäh. Vielleicht waren meine schnellsten Kilometer doch zu schnell. Wir laufen über den Röthenbach und Kilometer 20 wird angezeigt.
Ein paar Meter weiter erhalten wir die Medaille mit dem gleichen Motiv wie 1971. Eine gute Idee, die alten Abbildungen wieder aufleben zu lassen. Gleich daneben warten auf uns Iso, Wasser, Bier, Müsli und andere Dinge am Verpflegungsstand. Deftigeres wie Bier und Wurst gibt es daneben gegen ein kleines Geld.
Mein Fazit:
Wer die Wurzeln des Marathons belaufen will, kommt am Schwarzwald Marathon nicht vorbei. Die Freundlichkeit der Helfer und die Leistungen für das Startgeld sind lobenswert. Landschaftsläufer kommen hier voll auf ihre Kosten. Eine absolute Top-Veranstaltung.
Marathon (496 Finisher)
Männer
1. Lennart Nies, TV Maikammer/Aera Sports Team, 2.36.52
2. Thomas Lohfink, TV Konstanz/ASC Konstanz, 2.39.34
3. Timo Köchel, LG Geroldseck, 2.44.45
Frauen
1. Stefanie Doll, SV Kirchzarten, 2.53.48
2. Hannah Marquard, Markgräfler Runners Club, 2.57.09
3. Mathilda Neubauer, SSV Eintracht Naumburg, 3.03.17
Halbmarathon (1614 Finisher)
Männer
1. Dominik Sowieja, TSG 1745 Heilbronn, 1.09.35
2. Lukas Borghardt, TV Bad Säckingen, 1.10.13
3. Balthasar Sauter, SV Waldkirch, 1.12.21
Frauen
1. Leah Hanle, TSV Helzelfingen, 1.18.02
2. Annika Straub, SCL x PHWE, 1.22.13
3. Julia Brugger, o. V., 1.22.44