Der Rückweg steht an. Gemäß Streckenplan entspricht er zwar weitgehend dem Hinweg. Doch den gleichen Weg zu laufen heißt nicht den gleichen Weg zu erleben: Denn der Rückweg eröffnet ganz neue optische Perspektiven, sodass vieles letztlich unbekannt erscheint. Hinzu kommt, dass es die Sonne nun doch geschafft hat, sich gegen die Wolken durchzusetzen. Das bedeutet: Noch leuchtendere Farben, gerade jetzt im Herbst, und damit ein noch intensiverer landschaftliches Erlebnis.
Traumhaft ist die Wegstrecke vor allem im Mittelteil des Lavaux, rund um St. Saphorim. Wie ein riesiges Gemälde in Goldgelb erscheint die Kulisse der himmelstürmenden Weinterrassen. Dafür verlieren sich der See und vor allem die Berge mit aufkommendem Dunst zunehmend im Schemenhaften.
Die Sonne hat aber auch ihre „Schattenseiten“. Denn mehr Sonne bedeutet auch mehr Wärme und das bedeutet - zumindest für mich - mehr Schweiß und Anstrengung, was sich mit Länge der Wegstrecke vor allem mit dem Gefühl bemerkbar macht, Berge zu erklimmen, selbst wenn ein Hügel nur leicht ansteigt. Umso mehr schätze ich nun die Versorgungsstellen. Ab km 5 sind sie in Abständen von etwa 2,5 km postiert. Wasser gibt es immer, alle 5 km auch ein Isogetränk, Obst, Traubenzucker, später auch Gels.
Marathonlaufen hat aber immer auch etwas mit Durchbeißen zu tun, und darauf verlege ich mich primär ab Cully (km 34). Die Emotion erreicht mich erst wieder auf der langen Zielgeraden in Lausanne, nicht weil ich letzte Reserven mobilisiere, sondern weil gerade diese wieder besonders schön sind: Wir laufen eine lange Allee entlang, über der dichtes leuchtend gelbes und rotes Laub wie dicke Wolken hängt. Schon von weitem sehe ich den Zielbogen. Ein langer roter Teppich geleitet mich ins ersehnte Ziel.
Perfekte Organisation ist auch im Ziel angesagt. Nacheinander durchläuft man im langen Zielkorridor alle Stationen von der Wärmefolienausgabe, Chipentfernung, Medaillenübergabe bis zu den diversen Zielverpflegungsständen, wo man sogar an heiße Bouillon gedacht hat. Selbst Wasserhähne gibt es, an denen man sein verschwitztes Gesicht in Fasson bringen kann.
Fast schon Volksfeststimmung herrscht außerhalb des abgesperrten Läuferbereichs: Menschen, Musik, gute Laune, wohin man blickt. An zahllosen Buden kann man sich stärken, vor allem Deftiges und kühles Bier finden guten Absatz.
In den umliegenden Grünanlagen räkeln sich mit Blick auf den See die erschöpften Finisher in der Sonne, in den Straßencafes ist nur schwer ein Platz zu finden. Ein Platz zum Wohlfühlen, ein Platz zum Bleiben, wozu das herrliche Wetter natürlich ein Übriges tut. Ich genieße dieses herrlich entspannte Treiben, das letztlich symptomatisch für diesen sympathischen Marathon ist.
Ein wenig wundert es mich da schon, dass diese Veranstaltung gerade bei den sonst so reise- und marathonfreudigen Deutschen noch relativ unbekannt zu sein scheint, bietet sie doch die Gelegenheit zu einem entspannten, ganz besonderen Laufsaisonabschluss.
Nur eine Kleinigkeit habe ich bei diesem “Marathon vignoble” vermisst: Nachdem die Strecke schon so rebstocklastig ist, hätte mich ein kühles weißes Tröpflein aus hiesiger Lage zumindest im Ziel schon sehr gereizt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden …..
Männer
1. Hamid Mohammednur, Neunkirch 2:19.37,8
2. Behrane Ogubit, Bern 2:23.51,8
3. Müller Kay-Uwe, D-Ilshofen 2:28.55,7
Frauen
1. Chemutai Immaculate, UGA-Uganda 2:47.35,2
2. Koech Lilian, D-Schöneck 2:50.49,0
3. Jones Catrin, Cully 2:53.28,4
1287 Finisher