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Laufberichte

Wellness-Weekend in Niederbayern

03.02.13
Autor: Klaus Duwe

Bei keinem Marathon der Welt ist man als Nichtläufer, Laufaussteiger oder –verweigerer, Begleiterin oder Begleiter, besser aufgehoben, als in Bad Füssing.

Trotz der 2000 Läuferinnen und Läufer, die das Thermalbadparadies im Südostzipfel Bayerns traditionell am ersten Februar-Sonntag bevölkern, sind eher übergewichtige, von manchem Zipperlein geplagte und oft auf Gehhilfen angewiesene Mitmenschen in gefühlter Überzahl. Und das verwundert. Sind gerade die oft als „verrückt“ bezeichneten Ausdauerenthusiasten nicht auch als „Schnäppchenjäger“ verschrien?

Was anderes als ein Schnäppchen ist die Investition von 26 Euro in eine Startnummer (egal ob halber oder ganzer Marathon oder 10er), für die man zusätzliche Gratisleistungen (2 x Thermen-Eintritt, All-You-Can-Eat-Nudel-Buffet mit Getränken) im Wert von mindestens 35 Euro obendrauf bekommt? Die Discount-Preise in erstklassigen Hotels mit allem Komfort sind da nicht mitgerechnet.

Falls es sich noch nicht herum gesprochen hat: Man hält seine Füße in Bad Füssing nicht in irgendeinen Thermaltümpel, sondern verbringt einen Tag in Deutschlands größter Thermen- Landschaft mit 13 Becken, Thermal-Wellenbad, Vulkanbad, Strömungskanal, unzähligen Massageplätzen und einem XXL-Whirlpool. Mit 12,50 Euro für eine Tageskarte kostet das ohnehin nicht die Welt. Aber mit der Startnummer bekommt man für Samstag und Sonntag freien Eintritt. Lediglich für die Saunawelt müsste man 8,50 Euro draufzahlen.

Im Marktrestaurant wird man am Samstag mit einem Nudelbuffet, das den Namen auch verdient, verwöhnt. Beginnen kann man das Carboo-Loading mit einer erstklassigen Lasagne, fortsetzen mit Rigatoni und Fleischsoße und vegetarisch mit Farfalle und Tomatensoße abschließen. Salat, ebenfalls vom Buffet, und zwei Getränke nach Wahl sind inklusive.

Zuvor hat man kostenlos einen zweistündigen Vortrag von Hans Kammerlander, dem Südtiroler Extrembergsteiger, der auch ein ausgezeichneter Bergläufer ist, genossen. Nach einem wichtigen Grundsatz oder einem Überlebensrezept gefragt, antwortet er: „Umdrehen oder aussteigen und bei einem schlechten Gefühl nein sagen können.“ Wetten, eine solche Einstellung könnte auch manchem Marathoni Schlimmes ersparen?

Als ich 1969/70 nicht weit von hier am Rande des Bayerischen Waldes die Pioniere der Bundeswehr verstärkte, nannte man die Einheimischen noch geringschätzig „Waidler.“ Und die waren noch stolz darauf, denn in der Rolle des Unterschätzten fühlten sie sich wohl, was die Preiss‘n in ihrer Arroganz so gar nicht spannten. Jeder weiß und kann sehen, was nicht nur aus den Waidlern, sondern aus dem ganzen Land geworden ist. „Mir san mir“, sagen die Bayern-Kicker und das Land mutierte vom Nehmer- zum Geber- und Vorzeigeland.

In diesem Jahr feiert man in Bad Füssing 20jähriges Marathon-Jubiläum. Auch ein Indiz dafür, wie pfiffig, innovativ oder einfach nur clever die Leute hier sind. Denn der Hintergedanke war, in der Saure-Gurken-Zeit ein paar Hotelbetten mit Läuferinnen und Läufer zu füllen. Eine Idee, die sich auch 20 Jahre später noch längst nicht überall herumgesprochen hat oder die man mancherorts so vordergründig profitorientiert versucht umzusetzen, dass sie nicht funktioniert.

Das Jubiläum ist Grund genug für Johannes Zwick, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Johannesbad-Unternehmensgruppe, an die Anfänge zu erinnern. Wie so oft wurde die Idee fern der Heimat geboren und wieder einmal muss dafür der New York City Marathon herhalten. Rudolf Maier und Alfred Gerauer heckten am Big Apple den Plan aus und fanden mit Manfred Steffny einen engagierten Fürsprecher, als es darum ging, die Idee zuhause dem Chef zu verkaufen. Was bekanntlich dann aber gut gelang.

Bereits den ersten Lauf mit ein paar hundert Teilnehmern moderierte Helmut Keppler, der natürlich auch einiges zu erzählen weiß. Zum Beispiel, wie abenteuerlich die Zeitnahme im vordigitalen Zeitalter erfolgte. Zwei Mann (ja, das war Männersache!) waren erforderlich. Einer stoppte per Hand eine große Uhr und notierte die Zeit, der Zweite die Startnummer. Am Ende wurden die Listen „zusammengeführt“ und man hatte das Ergebnis.

Manche Läufer wissen heute ja gar nicht, dass man auch ohne Chip am Schuh, ohne GPS am Handgelenk und ohne Stöpsel im Ohr laufen kann. Dabei passierten gerade seit der Einführung des Zeitmess- Chips die tollsten Geschichten. Eine davon geht so: Überglücklich läuft ein Finisher als dritter Läufer über die Ziellinie. Endlich auf dem Treppchen, freut er sich. Böses Erwachen dann aber bei der Siegerehrung. Nicht er, sondern ein anderer Läufer wird aufgerufen. „Das gibt es nicht, ich weiß genau, es waren nur zwei vor mir“, schimpft der Betroffene und protestiert. Der Blick in die Ergebnisliste bestätigt aber, dass insgesamt drei vor ihm liegen, zwei davon fast zeitgleich. Aber: Keiner der Offiziellen kann sich an ein so knappes Finish erinnern. Auf heftiges Nachfragen räumt der Zweite schließlich ein, dass er einen weiteren Chip am Schuh hatte und so einem Vereinskameraden zu unverdienten Ehren verhelfen wollte.

Zum 20. Mal am Start, aber ohne jemals solche Probleme gehabt zu haben: Dietmar Mücke, besser bekannt als Pumuckl. Ihm, dem barfuß in Frankfurt schon mal eine Zeit von unter 3 Stunden gelang, macht hier höchstens das Zeitlimit (5 Stunden) zu schaffen. Inzwischen hat der überall bekannte und beliebte Läufer viele Fans, die ihm sein liebstes Getränk an die Strecke bringen. Auch bei einer ausgiebigen Einkehr wurde er schon beobachtet. „Im Leben nicht!“, sage ich dem Helmut, als er nach 4:30 Stunden mutmaßt, der Pumuckl sei womöglich ausgestiegen. Mit deutlich wahrnehmbarer aber nicht sichtbarer Bayerischer Fahne läuft er fast noch pünktlich ein.

Weil ich ja selber nicht gelaufen bin, wäre ich mit meinem Beitrag jetzt am Ende. Ausführliche Laufberichte gibt es ja von

Wolfgang

und Joe

Aber ich habe noch eine Story, denn einen interessanten Typen mindestens lernt man bei jedem Lauf  kennen. Diesmal ist es René Kujan aus der Nähe von Prag. Sein Markenzeichen, eine rote Schirmmütze mit zwei schwarzen Hörnern, könnte ihn leicht als AC/DC-Fan entlarven, ist aber eher ein spaßiger Hinweis darauf, dass ihn einmal beinahe schon die Engel abgeholt hätten. Es grenzt an ein Wunder, dass er nach einem schweren Unfall wieder Marathons und Ultras läuft und glücklicher Vater ist.

Seine Geschichte lasse ich ihn aber lieber selber erzählen. Hier könnt Ihr sie nachlesen

  

Starts

 

 

Strecke

 

 

Ziel

 

 

Marathonsieger

Männer

1 Straßner Andreas ESV-Treuchtlingen 02:37:19.93
2 Mannweiler Klaus TSV Wolfratshausen 02:38:23.54
3 Dumm Martin TSV Regen 02:48:20.59

Frauen

1 Kühnlein Angela  Brehm Titan Runners  03:04:11.49
2 Fischer-Paul Sandra Freaky Friday Runners Bamberg  03:12:15.46
3 Braunmüller Melanie  Kommune 23  03:36:51.55

264 Finisher 

 

Informationen: Johannesbad Thermen-Marathon
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