Der wird doch nicht zum Dichten anfangen? Oder mit einem Minnesang? Nein, mitnichten. Ich war mir nicht sicher, habe aber herausgefunden, dass ich tatsächlich am 6. Februar 1994 am ersten Thermenmarathon in Bad Füssing teilgenommen habe. Und jetzt, beim 25. stehe ich wieder an der Startlinie. Das passiert nicht alle Tage.
Nach einem Jahr Unterbrechung mache ich mich also wieder auf ins Bayerische Bäderdreieck um Bad Griesbach, Bad Birnbach und Bad Füssing, drei Orte, in denen du kuren, regenerieren und dich erholen kannst. Wie gesagt, heuer feiert der Thermenmarathon Jubiläum – mit vielen Rekorden. 2121 Läuferinnen und Läufer finishen die verschiedenen Wettbewerbe – so viele wie nie zuvor. Auch ein Rekord: Annähernd 10000 Übernachtungen lanciert die Veranstaltung. Viele bleiben nicht nur eine Nacht, sondern hängen gleich ein paar Tage (K)urlaub dran.
Für das erfreulich niedrige Startgeld (26 EUR bei Voranmeldung) bekommt der Läufer viel geboten: Von der üblichen Infrastruktur über Medaille, Pastaparty, Gutscheine für die Therme am Samstag und Sonntag und Massage nach dem Rennen.
Am Samstag erhalte ich meine Unterlagen in Sekundenschnelle und treffe gleich noch unseren M4Y-Chef, der sich aber als Bayern-Fan gleich wieder verabschiedet. Um 15.30 Uhr ist BL-Time. Ich halte mich an die Kohlehydrate. Die Nudeln werden mit mehreren Saucen zusätzlich zu einem Salat gereicht. Nachfassen ist erlaubt. Am Abend lausche ich der Lesung von Manfred Steffny, der einige amüsante Marathongeschichten aus seinen Büchern vorliest.
Am nächsten Morgen spaziere ich zu Fuß die 10 Minuten von meiner Unterkunft zum Bad. In der Therme brummt schon das Geschäft. An der Startnummernausgabe hat sich eine lange Schlange gebildet. Tipp: Wer das am Vortag erledigt, hat gut gewählt. Auf der Empore am Haupteingang spielt eine bayerische Blaskapelle. Ich will den Start des 10 Kilometer-Rennens sehen und gehe nach draußen. Es schneit. Philipp Pflieger, unser Olympia-Marathoni ist am Start und läuft mit 29:32,02 neuen Streckenrekord. Auch bei den Madln läuft es prächtig. Die Siegerzeit von Miriam Dattke bedeutet ebenfalls Streckenrekord.
Peter Maisenbacher moderiert gewohnt kompetent und unterhaltsam das Geschehen, unterstützt von seiner Tochter Maresa. Das Ständchen der ausgebildeten Sängerin für die Geburtstagskinder und für den Jubilar ist denn auch vom Feinsten.
Boxweltmeisterin Regina Halmich, Dr. med. Johannes Zwick und die lokale Politikprominenz lassen sich den Auflauf der vielen Läufer natürlich nicht entgehen. Regina Halmich gibt das Kommando und mit den Böllerschüssen der Hofmarkschützen beginnt das Rennen. Der Boss der Johannesbadgruppe drückt mir die Daumen, dann mache ich mich auf den Weg, der mich auf verschiedene Runden durch und um Bad Füssing herumführen wird. Pack mer's.
Eng geht es auf der Johannesstraße zu, ich muss aufpassen, dass ich meine Vorderleute nicht auf die Füße steige. Am folgenden Kreisverkehr biegen wir gleich ab in die Hochrainstraße. Den Streckenverlauf habe ich nicht mehr so in Erinnerung. Aber man soll wissen, die erste Runde geht über elf, die zweite über zehn Kilometer. Marathonis machen das zweimal. Bei jedem Zieleinlauf wird die Zeit gestoppt.
Nach einer Straßenüberquerung laufen wir nach exakt einem Kilometer in den Ort Würding. Kurz zuvor lasse ich den 4.15-Stundenläufer hinter mir. Ich wundere mich, dass der sich so weit vorne im Feld eingeordnet hat. Also muss der 4-Stundenpacer vor mir liegen.
Würding (gehört seit 1971 zu Bad Füssing) tangieren wir nur am Ortsrand. Einige Höhenmeter warten auf der nächsten Straßenüberquerung bis zum Kilometerschild zwei. Der Kurs ist aber recht flach und bei Windstille wie heute schnell zu belaufen. Oft gibt es aber kalte Winde und dann sieht die Sache anders aus.
Der Streckenverlauf geht nun in einem großen Bogen nördlich um Bad Füssing herum. Die Straße ist für den Verkehr abgesperrt, die Helfer sind engagiert bei ihrer Aufgabe. Noch vor Kilometer fünf können wir zum ersten Mal verpflegen. Beim Biergarten und der Gaststätte „Seinerzeit“ warten warmer Tee, Iso und Obst auf uns. Die Becher werden sogar zugereicht. Nach einem Schluck mache ich mich wieder auf den weiteren Weg. Kurz zuvor sehe ich noch den Pacer für 3.45 Stunden. Ich frage mich, wo denn der für die vier Stunden ist. Ein Läufer meint, diesen am Ende des Marathonfeldes gesehen zu haben.
Später biegen wir links auf eine Wendepunktstrecke ab, wo es gut 100 Meter in den Hofgartenweg hineingeht. Am Ende weisen uns die Helfer auf der anderen Straßenseite zurück. Mittlerweile hat es mit dem Schneien aufgehört, die Felder sind winterlich angezuckert, am Himmel wird’s heller. Wir laufen in den Ortskern bei der Kirche und dem Kirchawirt „Am Mühlbach“, wo ein Wegweiser für uns hängt. Dort kreuzen sich beide Runden. Man muss etwas aufpassen, aber die Helfer weisen uns den Weg.
1937 wurden hier in Safferstetten bei der Suche nach Öl die Thermalquellen entdeckt. Schon in den 50er Jahren begann der Kurbetrieb und innerhalb weniger Jahrzehnte schafften es die Füssinger, dass mehr als zwei Millionen Übernachtungen im Jahr abgewickelt wurden. Das 56 Grad warme Thermalwasser hilft bei Arthritis, Osteoporose, Stoffwechselkrankheiten und zur Reha nach Herzkrankheiten. Und bei uns zur Regeneration nach den 42 Kilometern. Doch vor dieser Behandlung stehen noch ein paar Stunden Laufen an.
Auf dem Erlbachweg verlassen wir Safferstetten, es geht kurz über die Felder und bei Kilometer neun biegen wir links ab nach Weis, einem Einödhof. Ein paar Meter weiter steht die Drehleiter der Freiwilligen Feuerwehr. Meine Kameraden weisen uns nach links in den Ortsteil Riedenburg. Der letzte Kilometer der ersten Runde beginnt. Wir rennen auf der Inntalstraße entlang und sehen dann den Gebäudekomplex des Johannesbades auftauchen. An der Ecke steht Kilometerschild elf und dann geht es nach links, wo der Peter uns ankündigt. Die erste Runde endet für mich, ich bin gut eine Stunde unterwegs. Das läuft wohl in Richtung vier Stunden. Die letzten Teilnehmer des 10 Km-Laufes sind gerade am Finishen. Für uns geht es nach der zweiten V-Stelle in die zweite Runde.
Diese führt uns am ersten Kreisverkehr nach links und danach in den Ludwig-Thoma-Weg. Kurz nach Kilometer zwölf laufen wir an der Pfarrkirche St. Andreas vorbei, die im Jahr 1639 erbaut wurde. Beim Kirchawirt Mühlbach trommelt jetzt eine Gruppe, die viele Zuschauer anlockt. Die Läufer heben die Hand und klatschen auch vereinzelt ab. Hier ist wieder der vorher beschriebene Kreuzungspunkt. Den Ort verlassen wir gleich danach über den Jägerweg.
Wir unterqueren nun eine weitere Straße (wieder wenige Höhenmeter), von hinten schließt Rene Kujan auf, der sein Kind im Babyjogger schiebt. Der Rene hat eine gehörige Fitness, da kann der Reporter nur mehr staunend (hinterher) schauen. Gleich danach stehen ein paar Fans mit Musikanlage und Lautsprechern und machen uns Beine. Nach der Kapelle wartet die nächste V-Stelle, die der Schützenverein Malching betreibt. An einem Tisch rechts warten die Getränke, die die Schützen als Zielwasser benötigen. Für mich und mein Bedürfnis wird am Ende des Tisches auf der linken Seite ein Helles der Passauer Löwenbrauerei eingeschenkt. „Dös schmeckt. Stimmt’s?“, meint der Helfer.
Kilometer 17, da tangieren wir Egglfing, das keinen Kilometer vom Inn entfernt ist. An der Roßschwemme verlassen wir den Ort über die Alte Innstraße.
Vor Kilometer 18 spitzt der Ort Obernberg am Inn über die Bäume. Dieser liegt jenseits des Inn und gehört bereite zu unseren österreichischen Freunden, die heute recht zahlreich zum Marathon gekommen sind. Wir unterqueren die Staatsstraße und laufen rund einen Kilometer auf dem Radweg. Bei Kilometer 19 biegen wir bei Wies auf den uns bereits bekannten Rückweg durch Riedenburg ein, die zweite Runde endet. Die Halbmarathonis erhöhen ihr Tempo und erreichen ihr Ziel. Kurz zuvor steht ein Helfer und weist uns ein. Finisher nach rechts, Marathonis zum Durchlauf nach links.
Ich vergesse wieder auf die Uhr zu schauen. Nun ja, die meiste Arbeit als Fotograf ist geschafft. Ich fühle mich gut, mein Tempo will ich weiter so halten. Viele Halbmarathonis sind mit ihren Laufwerk am Ende, für uns geht es in die dritte Runde. Langsam kommt sogar die Sonne raus, ich kann auf meine Handschuhe verzichteen. Der Wind ist weiterhin kein Thema. Ich möchte schon sagen, optimale Bedingungen für diese Jahreszeit.
Da ich nun immer wieder Läufer überhole, scheint es, dass ich schneller werde. Oder werden die anderen langsamer? Ich werde später die Ergebnisse genau analysieren. Den Speed verzögern will ich aber auch nicht. Ich vertreibe mir die Zeit, indem die meine Mitläufer aufmuntere und grüße, und manche fotografiere, wie zum Beispiel den Panzerpionier Andy Schmieding. „So weit laufen wir Panzerpioniere eigentlich nicht“ stellt er fest. Runde drei endet, Peter kündigt mich an und dann warten zwei bekannte Presseleute mit ihren Zooms auf mich, Klaus und Norbert.
Letzte Runde. An der Getränkestelle will ich nur kurz verweilen. Zwei Damen, wahre Edelfans, sind noch immer kurz vor der Pfarrkirche am Applaudieren. Die Trommler haben sich allerdings aus dem Staub gemacht, wahrscheinlich sind sie ins Wirtshaus zum verspäteten Frühschoppen. Es ja schon früher Nachmittag. Weitere Marathonis kann ich hinter mir lassen. An der V-Stelle genehmige ich mir erneut ein Bier und gehe dann die letzten fünf Kilometer an.
Kilometer 41, der Pumuckl beendet seine dritte Runde in Kürze mit Ulli Berger. Heute ist er wieder barfuß unterwegs. Ich gebe ihm auf, seine Füße vor dem Betreten der Therme zu säubern. Er lacht und schickt mich auf den letzten Kilometer. Nach rund fünf Minuten biege ich auf die Zielgerade ein, Finish.
Dem Jürgen Englerth gelingt eine neue Bestzeit. So früh im Jahr, gut gemacht. Es dauert nicht lange, dann erscheint mein Freund Anton Luber, heute wird er von Martin Braun begleitet. Und nur einige Augenblicke dahinter läuft Jens Griesang ein, den habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Früher haben wir viele Marathons, auch in den Alpen, miteinander bestritten.
Saublöd ist diese Geschichte: Da wird gegen 13.10 Uhr im Ortsteil Riedenburg ein 57jährigen Teilnehmer von einem entgegenkommenden Auto am Oberschenkel gestreift. Der Autofahrer ist abgehauen, ohne sich um den Verletzten zu kümmern. Vielleicht hat jemand etwas gesehen. Nach einem Bier und mehreren Kuchenstücken im Verpflegungszelt gehe ich zur Erholung in die Sauna, die kostet ein paar EUR zusätzlich, hilft aber mir ungemein bei der ersten Reha!
Wie eingangs erwähnt, bin ich sowohl Premieren- als auch Jubiläumsteilnehmer. Und dazwischen war ich auch ein paar Mal in Bad Füssing. Da hat man was zu erzählen:
1994: Eine einzige große Runde führte von Bad Füssing nach Aigen am Inn und Voglarn und bis Reisting und Kapfham. Über 300 Marathonis und fast 100 10 Kilometer-Läufer gingen an den Start. Es war zwar kühl, aber trocken, also gute Bedingungen für den Februar. Ich muss zwei Mal hinschauen, als ich meine Urkunde anschaue. 3.16 Stunden bin ich gerannt und schaffte es dennoch nicht unter die Top 100. Das Leistungsniveau war damals hoch, Spaß- und Hobbyläufer gingen kaum an den Start.
2005: Die 3,5 Stunden kann ich nicht ganz unterbieten, der Wind hat mir damals eine gute Zeit verblasen. Vier Sekunden bin ich über der Schallmauer 3.30 Stunden drüber. Es gibt mehr Hobbyläufer, mit der Zeit bin ich in den Top 100 (Rang 93).
2006: Als „Beautiful Sunday“, so war mir die Veranstaltung in Erinnerung. Zweistellige Minusgrade, Schnee und Nebel. Erst später ging es bei Sonne durch die weiße Winterlandschaft. Für mich ein schnelles Geläuf: 3.24 Stunden, Gesamtplatz 54.
2007: Frühlingstemperaturen lassen mich zuerst in einem Quartett mit Julia Häußler, Matthias Edenharter und Klaus Wunderlich eine schnelle Zeit rennen. Gegen Ende des Marathons laufe ich in einen Wahn hinein: 3.19 Stunden, Gesamtplatz 69.
2008: Auffallend viele gemeldete 10 Km-Läufer blieben der Startlinie fern. Des Rätsels Lösung: Die Anmeldung kostete weniger als die zwei Freikarten für die Therme, für die Nudelparty und die vielen Getränkegutscheine! Meine Zeit: 3.28 Stunden, Gesamtrang 98.
2010: Schnapszahl beim Lauf und beim Bier. Sechs Mal drei. Drei Bier und 3.33 Stunden. Füssinger Heilwasser von außen und Erdinger Heilwasser innerlich.
2011: Ein Frühlingstag. Morgens noch reifglatte Straßen, aber dank Sonnenschein wird der Untergrund schnell trocken und die Luft mild. Einen sehen ich mit blanken Oberkörper auf der Runde, der aber bloß den Halben rennt. Marathons nur auf Asphalt sind für ihn ein Gräuel, na ja. 3.31 Stunden, damit komme ich genau auf den 100. Platz.
2014: Rüdiger Nehberg hält einen Vortrag. Er reißt seine Zuhörer dabei sprichwörtlich mit in seine Abenteuer. Es gibt einen neuen Kurs, zwei modifizierte 10er-Schleifen. So spart man Personal draußen auf der Strecke. An einer Straßenbrücke kann man lesen: „Stellt`s euch bloß net a!“ 3.44 Stunden.
2015: Das M4Y-Team trifft sich in Bad Füssing zum Feiern (10 Jahre Marathon4you) und Laufen. Ohne Kamera lasse ich die Sau raus und werden Schnellster der M4Y-Reporter. Meine 3.22.48 Stunden bringen mich auf Klassenplatz drei. Meine Siegerehrung verpasse ich auf der Schwitzbank in der Sauna und kann mir danach die Frotzeleien meiner Teamkollegen anhören.
2016: Viel Sonnenschein auf der Strecke, meine Laufzeit: 3.55 Stunden.
2018: Die Geschichte kennt ihr, meine Zeit 3.50 Stunden, Gesamtplatz 144. So und jetzt kommt das Auffällige. Der langsamste Split war die erste Runde mit 5.32 Minuten pro Kilometer, habe dann in den zwei folgenden Runden gesteigert und die schnellste war die letzte mit 5.22 Minuten je Kilometer. „Saumäßig“, sagt der Bayer.
Männer
1. Marco Bscheidl, LG Passau, 2.32.17
2. Alexander Knoblechner, Lauftreff Nussdorf, 2.35.49
3. Martin Ahlburg, LG Nord Berlin Ultrateam, 2.39.38
Frauen
1. Veronika Limberger, Wien, 3.05.27
2. Branke Hajek, LAZ Ludwigsburg, 3.13.33
3. Barbara Mallmann, SpVgg Höhenkirchen, 3.21.26
Gesamtfinisher 2121 (Rekord), im Marathon 306. Thomas Richter und seine Helfer aus den vielen Vereinen, Verbänden, Polizei und Unternehmen haben alles richtig gemacht, wir Läufer sagen Danke und bis nächstes Jahr.
(Klaus und Margot Duwe)