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Laufberichte

Auf die Spitze(n) getrieben - Abenteuerspielplatz Nagelfluhkette

07.08.10

Immer mehr Wanderer bevölkern jetzt um die Mittagszeit die Strecke, aber es gibt kaum Probleme, irgendwie kommen wir schon aneinander vorbei. Vielleicht sind auch einige der Wandersgesellen auf einem der Fernwanderwege E4 oder E5 unterwegs, beide führen über die Nagelfluh-Gratwanderung. Der Weg des E4 verläuft derzeit von Tarifa an der Südspitze Spaniens über die Pyrenäen, Frankreich und der Schweiz. Im alpinen Grenzgebiet zwischen Deutschland und Österreich werden zwei Schwierigkeitsvarianten angeboten. Die deutsche Voralpenvariante führt hier über den Grat. Anschließend quert der Weg noch Ungarn und führt bis zur rumänischen Grenze, wo die Wegmarkierung vorläufig endet. Vorgesehen ist aber den Weg bis nach Zypern fortzusetzen und er würde dann über 10.000 km lang sein. Müsste man da nicht über Wasser gehen können? ...da kenne ich eigentlich nur einen der das mal geschafft haben soll. Der E5 führt von der Atlantikküste Frankreichs in die Bretagne und anschließend über die Alpen nach Verona und ist 3.200 km lang.

Unser höchster Punkt für heute ist am Gipfelkreuz des Hochgrat bei 1833 m erreicht. 80 rustikale Höhenmeter abwärts mit viel Gegenverkehr sind bis zu unserem Wendepunkt an der Hochgratbahn noch zurückzulegen und unsere gefühlte Halbzeit ist erreicht. 1968 ist hier in Gipfelnähe beim Überflug ein F104G Starfighter verunglückt. Wie gut dass die Hochgratbahn erst 1973 in Betrieb genommen wurde. Nach einer ausgiebigen Brotzeit mit Müsliriegel und Powergel, dazu noch Cola mache ich mich auf den Rückweg, zur Halbzeit zeigt mein Zeiteisen genau 3:30 Std. an.

Meine Muskulatur ist aber schon hart am Limit, eine solche Dauerbelastung für die Oberschenkel ist für einen Flachländer wie mich natürlich schwer zu trainieren. Prompt, eine halbe Stunde später passiert’s, zum ersten Mal bekomme ich während eines Marathons einen Krampf, oder zumindest ist es der Ansatz dazu. An der Oberschenkelinnenseite habe ich im meinem ganzen Leben noch nichts gespürt, eigentlich wusste ich gar nicht dass es ich hier überhaupt Muskeln habe. Ich lege sofort einen Stopp ein und versuche es mit Lockerungsübungen. Dazu habe ich noch eine eigene Trinkflasche dabei mit einer Prise Salz im Wasser. Das ist jetzt ein gute Gelegenheit, mir dies zuzuführen, vielleicht hilft es ja etwas. Und siehe da, nach zwei Minuten geht es wieder, noch zieht es ganz leicht, aber mit der Zeit legt sich auch das. Glück gehabt.

 

I will survive

 

Auf dem Weg zum Gipfelkreuz des Rindalphorn werde ich von einer ganzen Meute, auf einer gegenüberliegenden Erhebung sitzend, zurückgepfiffen: „Rechts runter“ rufen sie mir zu. Ach ja, fällt mir wieder ein, da müssen wir ja gar nicht rauf weil es eine Sackgasse ist. So bleibt mir mein dritter Verläufer erspart. Dann nehme ich den diffizilen Abstieg, bei dem mir am Herweg die Läuferspitze entgegen kam in Angriff. Mit Händen und Füßen arbeite ich mich in den gefühlt, fast senkrecht abwärts führenden Rinnen nach unten. Immer noch das faszinierende Bild vor Augen wie hier die Spitze runtergeturnt ist. Am hohen Grasbestand halte ich mich des Öfteren mit den Fingern ein um nicht abzurutschen. Durch den Kopf geht mir hier das Lied von Gloria Gaynor: „I will survive“, zwar nicht im Sinne des Überlebens, so gefährlich ist es nun auch wieder nicht, eher unverletzt die Strecke zu überstehen. Ich hatte heute schon so viele Situationen, bei denen ich auf dieser selektiven Strecke mit den Füßen fast umgeknickt oder weggerutscht wäre. Die vorangegangenen Regenfälle haben natürlich ein Wesentliches dazu beigetragen.

Kurz darauf komme ich wieder an die Versorgungsstelle, sie ist immer noch gut bestückt. Cola ist besonders begehrt. Ein Wort noch zu den VP-Stellen. Insgesamt gibt es 7 Stück, mit denen, die wir doppelt passieren. Die Temperaturen sind heute sehr angenehm, max. ca. 20 Grad aber mit viel Sonne, dafür sind sie auch ausreichend. Empfehlen kann man aber auf alle Fälle das mitführen einer eigenen Trinkflasche oder Trinkrucksack, was ein Großteil auch beherzigt.

Der Rückweg imponiert mir optisch sogar noch mehr als der Hinweg. Immer wieder kann ich neue Bildreize ausmachen, wie die bizarren abgestorbenen Baumreste oder wieder neue beeindruckende Perspektiven der Steilflanken der Nagelfluhkette. Fotos habe ich bewusst nur überwiegend immer nach vorne gemacht um nicht alles doppelt zu knipsen. Die schmalen zu übersteigenden Felsgrate kommen mir seltsamerweise jetzt gar nicht mehr so gefährlich vor. Der Mensch gewöhnt sich wohl schnell an besondere Herausforderungen. Von einem sollte man aber eher Abstand nehmen, dies hier als Berglauf zu bezeichnen, mal abgesehen von An- und Ablauf. Ich würde es eher als Mittelding zwischen Bergsteigen und hoch anspruchsvollem Trail bezeichnen. Geeignet ist die Veranstaltung wirklich nur für Leute, die eine Vorliebe für alpines Terrain haben.

Ab Sederer geht es für Acht oder Neun Kilometer immer nur abwärts. Endlich wieder richtiges Laufen. Auf einem Stufenweg mit immer wieder folgenden kleinen Abflussgräben, bei denen einen größerer Sprung von Nöten ist, verlasse ich die Höhen. Die nächste knifflige Aufgabe wartet am Ende des Stufenweges: eine Abzweigung. Ein Läufer steht schon seit geraumer Zeit da und wartet wohl auf Auskunft. „Wo geht’s hin“, fragt er mich. Ich meine links und setzte meinen Weg fort. Heute folgen alle mir, aber diesmal liege ich richtig, nach kurzer Zeit bin ich mir sicher, mich an den Abschnitt zu erinnern. Wenig später kommt dann auch nach langer Zeit wieder einmal ein Gebirgsmarathonschild.

Nach erneuter Verpflegung an der Mittelbergalpe treffe ich wieder am Kreuzungsbereich meines ersten Fauxpas ein. Diesmal weiß ich aber wo’s lang geht. Nach einer kurzen Wiesenüberquerung, die mit Holzbohlen ausgelegt ist um nicht nasse Füße zu bekommen, führt mich ein gut zu laufender Wirtschaftsweg durch den Wald ins Tal. Hier läuft’s mir im wahrsten Sinne des Wortes wirklich gut. Ja, es ist sogar eine richtige Wohltat nach über 6 Stunden Kletterpartie. Aber es geht nicht ganz bis zur Talstation runter, einige hundert Meter vorher ist eine Abzweigung, wo nochmals Wasser und Cola angeboten werden. Wir müssen von hier wieder rauf.

500 hm und ca. 4 km sind nochmals bis zur Bergstation unterhalb des Mittaggipfel zu erklimmen. Soll ich noch erwähnen wie? Ja, steil natürlich wieder, aber wenigstens bis zur Mittelstation auf einer Teer- und später auf einer gepflegten Naturstraße. Bei den letzten Austragungen war das Ziel immer an der Mittelstation, heuer hat man es auf die Spitze(n) getrieben. Oben ist dann unser Gipfel No. 13, die vorherigen mussten ja doppelt bezwungen werden. Das Höhenprofil nach Softwareauswertung sieht dann auch aus wie die Krone des Bergkönigs.

Als ich im Ziel eintreffe, ist schon die Verlosung in vollem Gange. Schnell die Startnummer runter und in die Kiste. Wenig später werde ich dann auch schon gezogen. Mein Gewinn passt bestens zur Veranstaltung: ein Paar Outdoor-Socken von einem namhaften Hersteller, bestens geeignet für eine Wanderung über die Nagelfluhkette.

Jeder Finisher erhält bei der Siegerehrung ein Veranstaltungsshirt und eine Medaille. Wer es eilig hat, der bekommt alles natürlich schon vorher ausgehändigt.

Was gibt’s noch zur Höhen und Distanzmessung zu sagen? Meine Softwareauswertung ergibt 2950 Höhenmeter aufwärts und 2300 hm abwärts. Kann irgendein Marathon mehr bieten? Vielleicht einer im Himalaya. Ob die Marathondistanz auch erreicht oder durch die Verlängerung jetzt sogar überschritten wurde kann ich leider nicht überprüfen. Hier hat meine Laufuhr oder genauer gesagt mein Laufsensor am Schuh vollkommen versagt, immerhin das Flaggschiff des größten deutschen Herstellers. Es werden nur 26 km angezeigt, die Schrittlänge nach oben kann der Sensor offenbar nicht mehr richtig umrechnen. Im Übrigen nicht nur bei mir, sondern auch bei Willi, mit dem ich mich noch unterhalte und der dasselbe Modell besitzt, ist es so. Da waren die GPS-Leute bestimmt besser dran.

Was bleibt ist ein Marathon mit besonderem Erlebnischarakter, geprägt durch einen steten Wechsel von Auf und Ab, gepaart mit faszinierenden Ausblicken an einem außergewöhnlich schönen Flecken Erde. Aber nicht für Jedermann zu empfehlen, hier sind die Alpin-Freunde gefragt.

Wettbewerbe:
Marathon, 14-Kilometer Lauf & Nordic Walking

Kosten:
Marathon 30 EUR,. Nachmeldung plus 5 EUR.

Auszeichnung:
Medaille, Baumwoll-Shirt.

Verpflegung:
7 Stationen mit Wasser, Tee, Cola, Bananen, Müsliriegel

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Informationen: Gebirgsmarathon Immenstadt
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