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Laufberichte

Auf die Spitze(n) getrieben - Abenteuerspielplatz Nagelfluhkette

07.08.10

 

An Rande des Wahnsinns

 

Unterhalb des Stuiben-Gipfels ist für uns der Eintritt in die den Naturpark Nagelfluhkette. Das letzte Stück den Gipfel ganz hinauf müssen wir aber nicht erklimmen, trotzdem zählt er für uns als der erste Gipfel, wir hatten dafür schließlich auch fast 10 km Anlaufweg. Mit genauen Kilometerentfernungen kann ich jetzt leider nicht mehr dienen, ich bin mir nicht sicher ob mein Sensor zur Entfernungsmessung noch richtig arbeitet. Mir kommt’s nicht so vor, bei extremen Steigungen hat er so seine Problemchen. Kilometerschilder gibt es auf der kompletten Strecke auch nicht, man weiß halt zur Orientierung dass beim Wendepunkt am Hochgrat nicht ganz die Hälfte absolviert ist.

Den nächsten Gipfel haben wir von hier schon im Visier, den 1.737 m hohen Sedererstuiben. Etwas unterhalb der Spitze ziehen wir im Schlamm an ihm vorbei. No. 2 ist abgehakt. An einem Weidezaun abwärts bewegen wir uns Richtung Buralpkopf. Der anfängliche Trampelpfad geht in einen Wiesentrail über. Je weiter es runter geht, umso weniger bleibt am Zaun entlang Spielraum zum steil abfallenden Abgrund. Ganz wohl ist mir hier nicht, wir sind hier ganz schön am Rande des Wahnsinns. Hinter mir höre ich Gejammere: „Aua, da ist ja Strom drauf“, jeder drückt sich hier lieber am Weidezaun entlang, als am Verderben. Ja, das ist schon ein richtiger Abenteuerspielplatz bereits auf dem ersten Kilometer der Nagelfluhkette. Plötzlich höre ich Hans, einen meiner Wegbegleiter rufen: „Hier sind wir doch noch nie gelaufen, wir müssen viel weiter nach links“. Willi bestätigt seinen Verdacht, er ist hier ein Urgestein und hat den Lauf schon 19. Mal bewältigt. Ich habe beim Abstieg den Einstieg über den Zaun verpasst und mich so bereits zum zweiten Mal verlaufen und alle sind dem Esel gefolgt. Hinter mir sind noch mehrere Läufer auf mich reingefallen. Beschilderung ist natürlich auch Mangelware, genauer gesagt gab es gar keine. Die Laufstrecke hier oben ist die Gratwanderung auf der Nagelfluhkette und nicht extra für den Marathon ausgeschildert. Ich bin froh diesen Harakiri-Weg verlassen zu können und nach ein paar Metern treffen wir auch wieder auf den regulären Trampelpfad. Steil führt er uns über eine glitschig nasse Kuhweide nach unten.

Aber bald geht der Weg wieder nach oben, es gibt nur auf oder ab. Nach einem kurzen vielleicht 10 Meter langen ungesicherten Balanceakt müssen wir wenig später noch einen mit Stahlseilen gesicherten, bestimmt 50 – 70 m langen zweiten Grad aus „Hergottsbeton“ überwinden. So nennen die Allgäuer ihr Nagelfluhgestein. Die Aussicht, die steile Wand hinab ist atemberaubend, hier ist Trittsicherheit gefragt. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es Menschen gibt, die diese Überquerung verweigern würden. Für zarte Gemüter und nicht schwindelfreie ist dieser Run definitiv nichts. Ein bisschen mulmig ist mir hier auch, das gebe ich gerne zu, ich möchte das wirklich nicht verharmlosen. Wer hier einen Fehltritt macht für den gilt nur noch: „Servus Bayern“ – „Habe die Ehre Österreich“.

Immer wieder phantastische Ausblicke auf die vor mir liegende Nagelfluhkette und Fernblicke bis in die Österreicher und Schweizer Alpen vertreiben schnell alle unangenehmen Gedanken, das Panorama ist wirklich unglaublich beeindruckend und schön. Das Gipfelkreuz des Buralpkopf, der an sich eigentlich kein richtig markanter Gipfel sondern eher ein breiter Rücken ist, wird wenig später, nur wenige Meter unterhalb passiert. Über den Gündleskopf geht es wieder steil bergab zur Gündlesscharte. Viele Starter sind hier mit Stöcken bewaffnet, bei den schmierigen Verhältnissen bestimmt nicht verkehrt, aber man muss mit den Dingern natürlich auch umgehen können. Den letzten Abschnitt habe ich überwiegend gemeinsam mit Hans und Willi zurückgelegt. Bergab ist Willi eine Macht, auch bei diesem extrem steilen Abstieg nimmt er einfach die Stöcke unter die Arme und stürzt sich den Abhang hinab. Mir wäre angst und bange. Er wird aber schon wissen was er macht nach 19 Teilnahmen, denke ich mir.

In der Senke der Gündlesscharte ist für uns die zweite Verpflegungsstelle aufgebaut, ich würde mal schätzen, dass etwa 14 km hinter uns liegen. Nach einer ausgiebigen Stärkung kommt mir hier schon der Führende entgegen. Die ihm nachfolgenden kann ich bei meinem 250 Höhenmeter langen Aufstieg auf dem brutal steilen und rutschigen Hang zum Gipfel des Rindalphorn beobachten. Mit welchem Risiko sich diese Burschen hier runterstürzen ist schon unglaublich beeindruckend. Das letzte kurze Stück nach rechts auf’s Gipfelkreuz wird uns wieder erlassen, für uns geht’s links weiter.

 

Hier gibt es kein Entrinnen

 

Ab Rindalphorn wird unsere Wegstrecke etwas weniger rustikal, bis zum Hochgrat ist der Weg vom Alpenverein mit vielen Stufen ausgebaut. Wahrscheinlich weil hier auch besonders viele Wanderer von der nicht mehr allzu weit entfernten Hochgratbahn unterwegs sind. Es gibt sogar einige Abschnitte die im Laufschritt ohne extreme Oberschenkelbelastung bewältigt werden können und ich würde sie aus Läufersicht als den angenehmsten Teil bezeichnen. In der Brunnenau-Scharte ist aber vorerst wieder Schluss mit lustig, es geht wieder aufwärts dem Hochgratgipfel entgegen. Vorher geht es aber noch durch ein richtiges Schlammloch, es gibt hier kein Entrinnen, so verzweifelt ich nach einer Umgehung Ausschau halte. Wenn’s denn sein muss, Augen zu und durch. Bis zum Knöchel stehe ich in der Suhle.

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