Forderten die Gruppe Karat und später Peter Maffay noch „Über sieben Brücken musst Du gehen“, so waren an diesem hochsommerlichen ersten August nicht sieben Brücken, sondern sechs Gipfel auf der Oberallgäuer Nagelfluhkette zu bewältigen.
Bereits zum zwanzigsten Male luden Willi und Uli Hiemer und ihr Team zum Gebirgsmarathon in Immenstadt, dem wohl eigenwilligsten, anspruchsvollsten und mit Sicherheit urigsten Berglauf Deutschlands ein.
Immenstadt liegt im Oberallgäu am malerischen Alpsee in der Nähe von Kempten, Oberstdorf oder Sonthofen. Wissenswertes über die Stadt Immenstadt habe ich bereits in meinem Laufbericht vom Iller-Marathon geschildert.
Die Nagelfluhkette, auf deren Gratweg der Großteil des Gebirgsmarathons zu absolvieren war, hat ihren Namen von der Gesteinsformation. Es handelt sich hierbei um abgerundete Gesteinsbrocken, die in einer verbackenen Masse fest verschlossen sind und an Beton erinnern. Diese Gesteinsbrocken gelangen durch den Verwitterungsprozess allmählich an die Oberfläche und bröckeln ab. Die Oberfläche erinnert an Nagelköpfe oder auf allgäuerisch „Nagelfluh“. Im Volksmund wird das Gestein auch „Herrgottsbeton“ genannt.
Die Nagelfluhkette erstreckt sich in westlicher Richtung entlang der deutsch-österreichischen Grenze von Immenstadt nach Hittisau in Österreich. Touristisch erschlossen ist die Nagelfluhkette mit Seilbahnen am Mittagberg in Immenstadt und am Hochgrat in Steibis bei Oberstaufen. Auf dem Gratweg der Nagelfluhkette hat man bei schönem Wetter eine hervorragende Aussicht auf das Alpenvorland, das Allgäu und mit Glück kann man sogar den Bodensee sehen. Obwohl der Gratweg bei Wanderern sehr beliebt ist, erfordert er doch Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Eine besonders ausgesetzte Stelle ist zudem durch ein Halteseil gesichert. Der Gratweg der Nagelfluhkette ist ein Teil der europäischen Fernwanderwege E4 und E5.
Wir reisten bereits am Freitagabend mit dem Wohnwagen an und campierten bei Martin auf dem Campingplatz in Bühl am Alpsee. Nach einem gemütlichen Abendessen im Campingstüble von Gabi und Heinz ging es recht zeitig wieder zurück zum Wohnwagen, da der nächste Tag doch sehr früh begann.
Am nächsten um 6 Uhr morgens riss uns der Wecker unsanft aus dem Schlaf. Während des Frühstücks entdeckte ich auf dem Campingplatz unweit unseres Standortes weitere Teilnehmer des Gebirgsmarathon. Nach dem Frühstück fuhren wir zur Talstation der Mittagbahn, von wo aus der Gebirgsmarathon startete.
Wir waren noch recht frühzeitig da und hatten so keine Probleme, einen Parkplatz zu finden. Die Startnummernausgabe und der Nachmeldeschalter bestanden lediglich aus zwei Biertischen, was aber bei rund 160 Anmeldungen für Marathon, 12 Kilometer-Lauf und 12 Kilometer-Nordic-Walking zusammen vollkommen ausreichend war.
Da das Ziel auf der Mittelstation dieser Bahn war, wurde ein kostenloser Transportservice für das Gepäck von der Talstation zur Mittelstation angeboten und man konnte nach dem Lauf ebenfalls kostenlos von der Mittelstation wieder hinunter ins Tal fahren.
Vor dem Lauf entdeckte ich Georg, den ich beim Iller-Marathon kennenlernte und der damals für mich eine zeitlang die Lokomotive spielte. Heute war er der Schlussläufer und sorgte dafür, dass kein Läufer unterwegs verloren ging oder liegen blieb. Er war eine Woche zuvor den K78 in Davos gelaufen. Er bedankte sich noch für den Tipp, für den K78 vor allem auch das Bergablaufen zu trainieren.
Das Bayrische Fernsehen war ebenfalls anwesend und interviewte vor dem Lauf die Favoriten bei den Männern und bei den Frauen. Die Minuten bis zum Start vergingen wie im Fluge. Ich verabschiedete mich von meiner Frau und begab mich durch das Läuferfeld nach vorne in Richtung Startlinie.
Nein, ich wollte nicht mit den schnellen Hasen lospreschen. Ich verzog mich auf die Seite um noch ein paar Bilder vom Start zu machen. Der Start erfolgte für alle um Punkt 8 Uhr und die Meute stürmte los. Nach ein paar Startbildern reihte ich mich ziemlich am Schluss des Feldes ein. Auf einer Betonrampe konnte ich ein Bild vom Ende des Läuferfeldes mit Thomas und Georg machen. Die nächsten Minuten trabte ich mit den beiden mit.
Zunächst leicht ansteigend ging der gut zu laufende gesplittete Weg über die Sepp-Gammel-Brücke, die gar nicht vergammelt aussah, auf die erste steilere Rampe zu. Wir liefen durch das beschauliche Steigbachtal und gewannen schnell an Höhe. Die Strecke war sehr gut zu laufen, steilere Passagen wurden aber konsequent gegangen, waren doch noch etliche Streckenkilometer und vor allem Höhenmeter zurückzulegen. Wer schon hier seine Körner verschießt, geht spätestens auf dem Gratweg gnadenlos ein.
Plötzlich kam uns ein Läufer in einem Affenzahn den Berg hinunter entgegen. Es war der Führende des 12 Kilometer-Laufes, der von der Talstation des Mittagberges bis zur Mittelberg-Alpe und zurück verläuft.
Nach etwa 6 Kilometern kamen wir an der Mittelberg-Alpe an, wo eine kleine, aber frenetisch jubelnde Zuschauergruppe uns bereits willkommen hieß. Ein paar engagierte Mädels und Jungs reichten uns Cola, Wasser, Tee und Bananen. Diesen jungen Helfern gebührt mein ganz besonderer Dank und Respekt, dazu aber später noch mehr.