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Laufberichte

Martina und der rosarote Riese

22.04.07

Zugegeben – etwas Märchenhaftes hat das Laufen für mich schon.

 

Dass ich deswegen dereinst einmal zur schriftstellernden Märchentante mutiere, möge der heilige Sebastian als Schutzpatron der Schützengilden, Sportler und Leichenträger bittschön gnädigst verhindern. Andernfalls ich gnadenlos zum "Decke Tönnes", dem Schutzpatron der hiesigen Waldläufer überwechseln würde.

 

So wie es den rosaroten Riesen gibt, so ist auch Martina keine Fiktion, sondern im Gegensatz zum Riesen ein Mensch aus Fleisch und Blut. Ein aus mehreren Gründen bemerkenswerter Mensch möchte ich der Vollständigkeit halber noch erwähnt haben und das nicht nur weil sie in Bonn ihren ersten Halben laufen möchte.

 

Nun wäre es vermessen, geradezu ungehörig, eine Frau alleine in ein unbekanntes Riesenreich zu entlassen, weshalb wir Martina in dieser Geschichte flugs noch Marianne zur Seite stellen. Martina und Marianne im Land des rosaroten Riesen klingt zwar schon deutlich besser, verspricht aber immer noch nicht die notwendige Sicherheit für beide. Was liegt also näher, als sich für dieses Abenteuer ein paar Gleichgesinnten anzuschließen.

 

Und daran soll es nicht hapern. Bereits beim Abholen der Startunterlagen auf dem Bonner Münsterplatz am Donnerstag deutete sich an, dass das Interesse an der Veranstaltung in Bonn und Umgebung ungebrochen groß ist. Letztendlich werden bei Marathon und Halbmarathon zusammen über 7.000 Läuferinnen und Läufer die Ziellinie überqueren.

 

Das Zelt, in dem auch die Marathonmesse stattfindet, ist mit den bunten Waren der Aussteller gut gefüllt. Den größten Stand mit über 200m² hat dabei der Mit-Sponsor Sport-Scheck eingerichtet.

 

Hier im Zelt finden sich auch übersichtlich angeordnet die Ausgabetische für die Startunterlagen. Die Jungs und Mädchen hinter den Tischen versehen ihre Arbeit offenkundig mit Freude, was meine Vorfreude gleichermaßen ansteigen lässt.

 

Beim Stöbern in dem reichlich gefüllten Kleiderbeutel bleibt mir erst einmal die Spucke weg – Marathon4you liegt als umfangreiche Printausgabe in Heftform in meiner Hand. Ein komisches Gefühl für mich. Irgendwie wird der Internetauftritt damit für mich greifbarer, realistischer.

 

Die beiden Abenteurerinnen  haben ihre Unterlagen am Samstag abgeholt. Während es für Martina die erste Teilnahme an einer größeren Laufveranstaltung ist, kann Marianne auf ihre Marathonteilnahmen in Köln 1998 und 1999 zurückblicken. Während sie seinerzeit wenig vom „Vater Rhein“ zu sehen bekam, wird sie während des Laufes hier etliche Kilometer an dessen Ufer verbringen. Das es dabei stromaufwärts gehen wird, ist nicht unbedingt von Nachteil. Mit ein wenig Glück kann man sich dabei ein kleines Wettrennen mit einem gegen den Strom ankämpfenden beladenen Frachtschiff liefern.

 

Am Sonntagmorgen reisen wir wieder mit der Bahn an. Das hat sich als praktisch bewährt, da zum einen der Preis für das ÖPNV-Ticket bereits in den Startgebühren enthalten ist und zum anderen die Entfernung zwischen Bahnhof und Startgelände gerade mal 5 Gehminuten beträgt. Wie in den Jahren zuvor haben hunderte von Läufern dieselbe Alternative gewählt und sich damit die elende Parkplatzsuche in der Innenstadt erspart. Gut erkenntlich an den Kleiderbeuteln ziehen wir in langen Schlangen erwartungsvoll in Richtung Rathausgasse um in der dort aufgebauten Zeltstadt unser Gepäck loszuwerden. Die Frage nach der richtigen Laufbekleidung stellt sich heute nicht wirklich. Heiß soll es werden, von bis zu 26 C° spricht die Wettervorhersage.

 

Die meisten der Teilnehmer haben sich für ein „weniger ist mehr“ an Bekleidung entschieden. Getreu dem Motto „Nur die Harten dürfen in den Garten“ gibt es später auf der Strecke natürlich auch wieder ein paar Ausreißer in dicken, langen Laufhosen und langärmeligen Shirts zu bewundern.

 

Nachdem wir – Martina, Marianne und mein Arbeitskollege Helmut – unsere Kleiderbeutel abgegeben und die obligatorische Warteschleife vor den Dixis hinter uns gebracht haben, trudeln wir langsam und gemütlich in Richtung der Startaufstellung am Bonner Stadtgarten.


Die Sonne strahlt herrlich vom stahlblauen Himmel herunter und bricht sich funkelnd in den vergoldeten Ornamenten des Koblenzer Tors. Rund um uns herum ist eine heitere, ausgelassene Stimmung, keine Spur von Hektik oder Gedränge. Nur Martina macht sich Gedanken „Eigentlich gehöre ich gar nicht hier hin – ich will hier raus.“ Dazu hat sie bald Gelegenheit.

 

Nachdem wir unter lautstarken Anfeuerungsrufen des Moderators und lautem Applaus der Zuschauer die Startlinie überquert haben, kommt schon die erste kleine Herausforderung auf uns zu, als wir über die Kennedy-Brücke über den Rhein hinweg in den Stadtteil Beuel wechseln. Dort, am Ende der Brücke, bekommen wir gezeigt, wo in Beuel der Hammer hängt – eine Samba-Gruppe spielt sich die Seele aus dem Leib und läßt einen die Anstrengung des Brückenaufstieges direkt vergessen. Auf den folgenden zwei Kilometern geht es etwas ruhiger zu, während wir in ständigem leichten auf und ab durch ein Wohngebiet laufen dessen Bewohner sich wohl schon bei den vor uns passierenden Marathonis verausgabt haben.

 

Schon kurz nach dem Beginn der Wendepunktstrecke hinter Kilometer 3 hören wir Musik und die laute Stimme eines Moderators. Erstmals nähern wir uns dem Gebiet des rosaroten Riesen, der hier seine schmucke Tochter T-Mobil in standesgemäßen weitläufigen Räumlichkeiten untergebracht hat. Über 5000 Menschen arbeiten die Woche über in den innenarchitektonisch reizvollen Gebäuden. Bei meinen Besuchen dort fand die Unterbringung der Raucher im Kantinenbereich immer meine besondere Aufmerksamkeit: Ein großer Glaswürfel – einem Aquarium nicht unähnlich – dient als Aufenthaltsort und Pranger zugleich.

 

Alles in allem hat der T-Com-Konzern an seinem Hauptsitz in Bonn fast 12.000 Mitarbeiter. Ulrich Kelber, SPD-MdB aus Bonn meint dazu auf seiner Homepage: “Wohl kein anderes Unternehmen hat die Stadt so sehr geprägt wie die Deutsche Telekom. .... Der Begriff “Telekom-City”, der für alle Liegenschaften der Firma rund um die Zentrale steht, ist auch der Inbegriff für den wirtschaftlichen Strukturwandel, den Bonn nach dem Regierungsumzug vollzogen hat.”

 

Wohl wahr, wir werden den rosaroten Residenzen während unseres Laufes noch öfters begegnen. Aus schnöden ehemaligen Ministeriumsbauten der 50er und 60er-Jahre sind optisch ansprechende, moderne Gebäude geworden, an deren Front jetzt ein großes „T“ prangt.

 

Natürlich sind auch die Mitarbeiter des rosaroten Riesen auf  der Laufstrecke. Alleine T-Mobile bringt über 150 Läuferinnen und Läufer über die Ziellinie. Wobei mir gerade auffällt, dass ich dieses Mal nur wenige Starter der BSG „Germanwings“ in ihren auffälligen Trikots gesehen habe. Gewöhnlich sind die darin steckenden Starterinnen nicht nur sportlich, sondern auch optisch eine echte Augenweide und auf den Laufveranstaltungen rund um Köln/Bonn gerne gesehene Gäste.

 

Nachdem wir die Wendepunktstrecke hinter uns gebracht haben, kommen wir auf der Elsa-Brandström-Straße wieder in ein Gebiet, in dem der Lauf von den Anwohnern zelebriert wird. Hausfrauen stehen mit Sprühflaschen, mit denen sie normalerweise wohl ihre Bügelwäsche anfeuchten am Straßenrand und bieten uns gut gelaunt Abkühlung an, Musik schallt aus den Häusern, vereinzelt ist aus den Vorgärten der Rauch eines Grillfeuers zu riechen; Laut und unermüdlich applaudierend steht ein altes Ehepaar im 3. Stock auf dem Balkon.

 

Gegen Ende der Straße werde ich irritiert hellhörig und schaue mich um. Langsam immer lauter werdend erklingt das Markenzeichen des Jungfrau Marathon. Während dort bei km 41 auf 2.200 Metern ein einsamer Dudelsackspieler traditionell seine Weisen spielt, hat sich hier Woldemar Eisrich, Laird of Glencairn/Scotland zusammen mit einem Freund aufgebaut und sorgt für ein in rheinischen Landen ungewohntes Musikerlebnis.

 

Zurück über die Kennedy-Brücke geht es auf die andere Rheinseite. Die hier postierte Samba-Band hat zwar die Straßenseite gewechselt, dabei aber absolut nichts von ihrem Feuer verloren. Davon angesteckt hat sich auf der Brücke eine stimmungsvolle Menschenmenge angesammelt .Mit leichter Gänsehaut laufen wir durch das klatschende und jubilierende Spalier.

Als sich die Menge in der Brückenmitte lichtet, kann ich rheinaufwärts den weiteren Streckenverlauf gut erkennen. Als bunte Tupfen bewegen sich die schnelleren Läufer bereits auf dem Uferweg in Richtung des ehemaligen Bundestages. Noch weit entfernt steht der Posttower und markiert den Beginn der Rheinauen.

 

In einer langen Schleife verlassen wir die Brücke und laufen hinunter zum Rhein, der die nächsten 3 Kilometer unser Begleiter sein wird. Zuvor kommen uns auf der Welschnonnenstraße noch die Marathonläufer entgegen, die von hier aus nur noch wenige Meter bis zum Ziel haben. Viele sind von den Strapazen der letzten Stunden in der sommerlichen Hitze arg gezeichnet.

Obwohl die Laufstrecke am Rheinufer entlang relativ schmal für einen Citymarathon ist, stellt dies kein Problem dar. Das Feld hat sich mittlerweile weit genug auseinander gezogen und fast jeder hat sein Tempo gefunden. Vorbei geht es an der Rückseite der Villa Hammerschmidt, dem alten Bundeskanzleramt und dem jetzt leerstehenden ehemaligen Abgeordnetenhochhaus – dem langen Eugen.

 

Zu Füßen des Posttowers verlassen wir den Rhein und biegen auf die Petra-Kelly-Allee ein. Jetzt beginnt ein tröger Teil des Laufes – zwei Kilometer hin zum Wendepunkt bei Kilometer 15, zwei Kilometer zurück. Das ganze auf einer abgesperrten vierspurigen Straße. Rechts und links überwiegend grüne Böschungen ohne echte Aussicht verleiten viele Teilnehmer dazu, ihr Tempo zu verlangsamen und der mittlerweile herrschenden Hitze Tribut zu zollen. Martina geht es im Großen und Ganzen noch recht gut. Gemeinsam mit Marianne hat sie als Neuling auf der Halbmarathonstrecke keinen Zweifel daran, dass sie die Distanz auf Anhieb schaffen wird.

 

Wenige hundert Meter nach Kilometer 17 sieht es kurze Zeit etwas anders aus. Die Franz-Josef-Strauß-Allee hat es in diesem Teil der Strecke ebenso wie ihr Namensgeber in sich. Relativ steil und in praller Sonne liegend müssen sich die meisten Teilnehmer diese Straße hochkämpfen.

Während wir auf der Adenauerallee dem Ziel entgegen laufen, ziehen rechterhand die Denkmäler der deutschen Demokratie an uns vorüber: Palais Schaumburg, Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt bis zur Wende täglich in den Nachrichten erwähnt, pflegen jetzt ein Dornröschendasein.

 

Als wir bei Kilometer 20 wieder am Koblenzer Tor sind, werden auch die Reihen der Zuschauer wieder dichter. Mehr und mehr Fähnchen werden geschwenkt, ertönen Trillerpfeifen und Zurufe. Nach dem Einbiegen in die Bonngasse fühle ich mich wie beim Finale des Kölnmarathons. Eng gedrängt stehen die Zuschauer und feiern ihre Läufer. Das Flair ist unverwechselbar und kann in dieser Art wohl nur durch rheinische Frohnaturen erzeugt werden.

Bereits nach kurzer Zeit im Ziel hat sich Martina von der Strapaze erholt und freut sich auf die Dusche im Viktoria-Schwimmbad. Auf den für uns kostenlosen Besuch des Schwimmbades selbst verzichten wir. Zu schön ist das Wetter draußen, zu verlockend sind die vielen Biergärten, an denen wir zuvor vorbei gelaufen sind. Dort werden wir ihre erschöpft vorgebrachte Feststellung „Ich fühle mich völlig leer“ sicherlich erfolgreich bekämpfen können.

 

Kurz bevor ich das Zielgelände verlasse, werde ich plötzlich von langen dunklen Haaren umwirbelt und eine völlig enthusiastische Huberta Heimermann hängt mir im wahrsten Sinne des Wortes um den Hals. Vor Freude übersprudelnd teilt sie mir mit, dass sie heute tatsächlich ihre persönliche Bestleistung auf der Marathondistanz geknackt hat. Trotz der hohen Temperaturen ist das Teufelsweib in Begleitung von Jürgen Riske knapp 25 Minuten schneller gelaufen als ihre sonstigen Zeiten von um die 4 Stunden. Außer ihrer überschäumenden Freude hat sie sich damit auch gleich noch Platz 25 in der Gesamtwertung der Damen erworben.

 

Streckenbeschreibung:

Rundkurs ohne größere Steigungen, 100 % befestigte Wege. Keine engen Kurven.

 

Rahmenprogramm:

Marathonmesse mit Startunterlagenausgabe im Zelt auf dem Münsterplatz
 

Auszeichnung:

Medaille, T-Shirt, Ergebnis-CD-ROM

 

Logistik:

Start- und Zielgelände in der Nähe des Hauptbahnhofes. Kleiderdepot in Zielnähe.

 

Verpflegung:

10 Verpflegungsstände an der (Halbmarathon-)Strecke. In der Verpflegungszone stehen für die Finisher außerdem Schnittbrote, warme Brühe und frisch gezapftes Kölsch bereit.

 

Zuschauer:

Im Zentrum und in Beuel relativ viele Zuschauer. Entlang der restlichen Laufstrecke nur sporadisch.

 

Informationen: Bonn Marathon
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